Die vollständigen Werke Menno Simons

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30.10 Wie Christus auch Abrahams und Davids Sohn ist

Wie Christus, der Sohn Gottes, auch Abrahams und Davids Sohn nach der Schrift ist

Wenn man von dieser Sohnschaft Abrahams und Davids einen heilsamen und rechten Verstand haben und die Schrift nicht brechen oder darüber hinausgehen soll, so muss man folgende drei Regeln festhalten: Erstens, dass keine menschliche Zeugung ohne Vater geschehen kann; zweitens, dass ein Weib keinen zeugenden Samen hat, als den, welchen sie von außen empfängt; und drittens, dass die Mutter, obwohl sie keinen Samen hat, dennoch nicht weniger nötig zur Zeugung ist, als der Vater, der denselben hat, wie oben mit der Schrift hinreichend erklärt worden ist.

Da denn sowohl der Vater als die Mutter dabei sein müssen, wenn die Zeugung bestehen und in ihrer Ordnung recht vor sich gehen soll, obwohl der zeugende Same beim Vater und nicht bei der Mutter ist und es offenbar ist, dass Christus Jesus nicht für Josephs, sondern für Gottes Sohn in der Wahrheit bekannt wird und zwar in der ganzen Schrift, so ist leicht daraus zu verstehen, ob oder in welcher Weise Christus auch Abrahams und Davids Same ist und nach der Schrift genannt wird, nämlich seiner menschlichen Geburt halben, die aus ihrem Geschlechte ist, wie Paulus sagt:

»Nun ist ja die Verheißung Abraham und seinem Samen (d. h. seinem Sohne) zugesagt. Er spricht nicht: durch die Samen, als durch viele, sondern als durch einen, welcher ist Christus.« (Gal 3,16)

Lest auch Röm 1,3; 9,5; 2Tim 2,8.

Auch muss man gleichermaßen in Betracht nehmen, dass beide Evangelisten, Matthäus und Lukas, auf Joseph und nicht auf Maria herunterzählen, ja, Lukas hat im ganzen Geschlechtsregister der Maria nicht einmal erwähnt, sondern sagt:

»ward gehalten für einen Sohn Josephs, welcher war ein Sohn Elis.« (Lk 3,23)

Merkt, was der Evangelisten Sinn und Grund ist, woraus offenbar ersehen wird, dass die Evangelisten in dieser Hinsicht nicht mehr tun, als dass sie uns das Geschlecht weisen, aus dem der Verheißung gemäß er als Mensch geboren ist, der aller Welt Jehova, Immanuel, ja, Seligmacher und Herr ist und ewig bleiben wird.

Denn sollte ein Mensch, wie Christus war, von irgendeinem menschlichen Samen hergekommen sein – gleichwie die Gegner sagen, dass er sei – der des ganzen menschlichen Geschlechtes Erlöser und Vollbringer wäre, wie Christus Jesus gewesen ist, so müsste uns die Schrift gewiss auf denjenigen weisen, von welchem er gezeugt und ursprünglich hergekommen wäre und nicht auf denjenigen, von welchem er nicht gekommen wäre, denn der heilige Geist ist ein Geist der Wahrheit, der die Seinen recht lehrt. Und dem Grund der Gelehrten nach wäre alsdann das Fundament unserer Seligkeit nicht an die Schrift, sondern an eine ungewisse Meinung gebunden; denn es ist offenbar, dass nicht ein einziger Buchstabe in der ganzen Schrift gefunden wird, der zeigt, dass Maria von Davids Geschlecht gewesen ist. Lukas sagt, dass sie eine Nichte der Elisabeth war, welche letztere eine von den Töchtern Aarons war (Lk 1,36).

— Auslassung im Originaltext, Anm. d. Verlegers —

Meine guten Leser, versteht mich recht, was ich meine: Dass Maria nicht Davids Tochter gewesen sei, meine ich nicht, obwohl die Schrift uns dies nicht erklärt, weil aber unsere Gegner ihren ganzen Grund darauf setzen, dass der Mensch Christus ein natürlicher Same und Sohn von Davids Samen sei und das von Maria, so sage ich, dass sie gewisse Zeugnisse der heiligen Schrift haben und herbringen müssen, die beweisen, dass es so ist, wie sie sagen, ehe man zu einer so hochwichtigen Sache, von welcher ihrer Behauptung zufolge die ganze Seligkeit aller Auserkorenen abhängt, mit sicherem Gewissen ja sagen kann. Da denn die Sache auf ungewissem Vermuten und nicht auf der gewissen Schrift beruht – denn es kann sein, dass sie es ist (Maria eine Tochter Davids) und es kann sein, dass sie es nicht ist, weil sie im Heiraten nicht immer einerlei Regel gefolgt sind, wie man aus den Geschichten der heiligen Schrift merken und sehen kann – und es der Sache weder nützen noch schaden kann, da eine Frau keinen zeugenden Samen hat und es der Anweisung der Evangelisten nach hinreicht, dass sie das Weib eines Sohnes Davids war, auf dass die Verheißung in dem Geschlechte, welchem sie verheißen wurde, erfüllt würde, wie schon manchmal gehört worden ist, so widerspreche ich dem nicht im Geringsten, dass sie Davids Tochter gewesen ist, allein gewisses Zeugnis der heiligen Schrift, auf welches solch ein Grund der ewigen Seligkeit (als welchen unsere Gegner ihn behaupten) gegründet sein muss, gibt es nicht.

— Auslassung im Originaltext, Anm. d. Verlegers —

Wollen sie dann sagen, dass es nach des Propheten Wort eine Jungfrau sein musste und daher aus keines Mannes Samen geschehen konnte, so antworte ich mit guten, deutlichen Worten, dass sie der Sache damit selbst das Urteil sprechen, dass der Mensch Christus nicht Abrahams und Davids natürlicher, sondern übernatürlicher, verheißener und geschenkter Same und Sohn gewesen ist, da er nicht aus einem von Abrahams und Davids Söhnen, die den Samen hatten, sondern aus einer von ihren Töchtern – die denselben nicht hatten – die eine Jungfrau war und noch keinen Mann kannte, aber mit einem von Davids Söhnen verlobt war, aus dem unerforschlichen, ewigen Wort des allmächtigen und großen Gottes, welches sie durch den Glauben empfing, hervorgekommen und geboren ist, der erst- und eingeborne, eigene, wahre Sohn Gottes seines ewigen Vaters halben und Abrahams, Judas und Davids verheißener, geschenkter und geborner Sohn seiner Mutter halben, die eine Tochter Abrahams und das Weib Josephs, des Sohnes Davids, war, wie gehört worden ist.

Ich will denn alle Sprüche der ganzen Schrift, die mit Hinsicht auf diesen Handel von Abrahams und Davids Samen, Frucht und Pflanze Erwähnung tun, mit Folgendem beschließen: Da der verheißene Seligmacher, König, Fürst, Held, Prophet dem Abraham, Isaak, Jakob, Juda und David aus Gnaden verheißen wurde, in der Zeit der Verheißung gemäß ein wahrer Mensch aus einer von ihren Töchtern geboren ist; welchem vormals das Reich und der Stuhl Davids von Jesaja dem Propheten und nun wiederum, als es buchstäblich schon vergangen war, vom Engel verheißen wurde, dass er ewiglich darin regieren sollte (Jes 9,6; Lk 1,32); welches Reich und Stuhl er nicht buchstäblich (da es, wie ich bereits gesagt habe, zur Zeit schon vergangen war) sondern geistlich empfangen hat, denn sein Reich ist ein ewiges Reich und wird auf kein anderes Volk kommen (Dan 2,44) und er überdies die ganze Schrift hindurch für den erst- und eingebornen, eigenen Sohn Gottes bekannt wird, was er auf keine Weise sein konnte, wenn er von eines Menschen unreinem Samen, wie unsere Gegner ihn haben wollen und nicht von Gott gezeugt und hergekommen wäre; und zudem sein Haus oder Tempel, welches er baut, nicht ein buchstäbliches aus buchstäblichem Holz, Steinen, Metall, Gold und Silber bestehendes Haus ist, wie das vergängliche Haus Salomos war, sondern von lebendigen Edelsteinen, von unvergänglichem Gold und Silber (1Kor 3,12), auf den unbeweglichen Grund der heiligen Apostel und Propheten durch den heiligen Geist zusammengefügt wird (Eph 2,20; 1Pt 2,5), so ist damit offenbar, dass man die dem David gemachte Verheißung (2Sam 7,12) dem alten, buchstäblichen Wesen nach auf Salomo und dem neuen geistlichen Wesen nach auf Christum beziehen muss (1Kön 5,5; Ps 89,37; 132,11); denn wenn man schon die Zeugung seines gebenedeiten Fleisches aufs Allergenaueste von David herleitet, so ist er doch nicht mehr als ein Sohn von Davids samenloser Tochter gewesen, von welchem aber – ob sie es gewesen ist oder nicht – nicht ein einziger Buchstabe in der ganzen Schrift zu finden ist, wie gehört worden ist.

Seht, solch einen Grund hat Microns großes Wort, das er sich, wie er rühmt, von keinen höllischen Pforten nehmen lassen will, was sie auch ohne Zweifel nie tun, sondern ihn vielmehr darin nach Möglichkeit bestärken, ja, ihm Hilfe und Schutz angedeihen lassen werden, da es der Hölle stärkstes Bollwerk und beste Waffe ist, wie man aus Johannis Schreiben in aller Klarheit sehen kann; derjenige aber, der es ihm nimmt oder nehmen soll, muss eine himmlische Pforte sein, des Herrn starker Geist und Wort, vor welchem weder Hölle, noch höllische Pforte, noch der Teufel selbst bestehen kann, wie zu sehen ist.

Wer nun noch ausführlicheren Bescheid über diesen Davidssamen zu haben wünscht, der prüfe unsere Verantwortung gegen Johannes a Lasco mit unparteiischem Herzen und er wird durch des Herrn Gnade schon den rechten Grund und Sinn finden.

Seht, so bleibt unser Grund und Lehre fest und unüberwindlich, nämlich, dass Christus Jesus der erst- und eingeborne, eigene und ungeteilte Sohn Gottes ist (Hebr 1,6; Joh 1,49; 3,16; 1Joh 4,9; Röm 8,32), durch welchen er den Himmel, die Erde und das Meer, samt allem, was darinnen ist, gemacht hat (1Mo 1,1; Ps 33,6; Joh 1,3; Eph 3,9; Kol 1,16; Hebr 1,2) und dass er nicht Abrahams und Davids unreiner, sündlicher, todesschuldiger und irdischer Same ist, wie unsere Gegner philosophieren und vorgeben.

Mit Recht ist er der neue Melchisedek (Hebr 7,3), der König der vollkommenen Gerechtigkeit (Jer 23,6; 33,16) und des ewigen Friedens, dessen Vater, Mutter und Geschlecht nach rechtem Grund der heiligen Schrift vor der ganzen Welt unbekannt sind, der glorreiche Fürst und weise Herr, ja, der friedensreiche Salomo, der auf dem neuen, geistlichen, ihm von seinem himmlischen Vater in ewiger Herrlichkeit bereiteten Stuhl seines Vaters David in vollkommener Glorie sitzen und ewiglich über das Haus und Reich Jakobs regieren wird (Jes 9,6; Lk 1,33). Denkt nach, ob wir es euch nicht recht nach der Schrift weisen.