Wie und wann die sogenannten Englischen zu uns gekommen sind und welch treue Liebe unsere Brüder ihnen erwiesen haben
Im Jahre 1553, ein wenig vor Mitte Winter, geschah es, dass den Brüdern angesagt wurde, es wäre ein ganzes Schiff voll Leute aus Dänemark angekommen, die ihres Glaubens halber aus England vertrieben wären und ein Stück Weges draußen im Eise eingefroren lägen. Als nun die Brüder solches hörten, erfasste sie von Stunde an ein christliches Erbarmen über sie, was auch billig und recht war, und sie haben sich miteinander besprochen und allen Fleiß daran gewandt (obwohl sie vermuteten, dass ihnen bei der Obrigkeit Leid daraus entstehen möchte, wie auch geschehen ist), ihnen aus dem Eis zu helfen und sie mit guter Schicklichkeit ohne Aufruhr in die Stadt zu bringen, wie sie auch getan haben.
Sie sind mit Weizenbrot und Wein zu ihnen gekommen, damit, wenn Kranke oder Schwache sich unter ihnen befänden, sie dieselben damit erquicken und stärken könnten.
Nachdem sie dieselben in die Stadt geführt haben, haben sie auch noch etwa vierundzwanzig Taler aus ihrer Armut zusammen geschossen und das Geld den Vornehmsten unter ihnen angeboten, auf dass, wenn Bedürftige unter ihnen wären, sie denselben damit dienen und zu Hilfe kommen sollten.
Das Geld weigerten sie sich anzunehmen und sagten: »Geld haben wir schon, wir wünschen nur, dass man einigen von uns zur Arbeit verhelfen möchte.« In diesem taten dann auch die Unsrigen, so viel ihnen möglich war.
Gleichermaßen erbot sich einer der Unsrigen aus Dienstfertigkeit, die Kinder des Johannes a Lasco in sein Haus zu nehmen und das Beste an ihnen zu tun. Auf dieses gab Hermes Backereel ihm zur Antwort: »Nein, das würde so nicht dienen, denn Johannes a Lasco ist ein Mann, der viel mit Herren, Fürsten und großen Leuten verkehrt, und es könnte seinen guten Namen in üblen Geruch bringen (ach, Leser, merke), wenn seine Kinder bei solchen Leuten sein würden.« Als ich das hörte, merkte ich wohl, dass wir die einfachen, schlichten Pilgrime Jesu Christi nicht bekommen hatten.
Seht, auf diese Weise fand ihre Ankunft bei uns statt und solche Treue und Liebe haben unsere Brüder ihnen erwiesen, was uns aber nicht lange nachher von dem undankbaren Hermes sehr übel gedeutet und von Micron, wie es scheint, aus lauter Hass der Wahrheit und Ungunst den Brüdern gegenüber (auf dass ja niemand ihnen irgendwelche Frömmigkeit zuschreiben sollte) in seinem Berichte ganz und gar verschwiegen wurde.
Als sie nun ein paar Tage in der Stadt waren, ließ Hermes mit den Seinigen einige von den Unsern zusammenkommen und begehrte eine Disputation oder Besprechung mit ihnen. Nach vielen weitläufigen Worten sagte er zu ihnen: »Ich bin ein Lehrer und will einen Lehrer gegen mich haben. Ich habe gehört, dass Menno in der Stadt ist und verlange daher, dass er oder ein anderer Lehrer mir gegenüber stehen solle; denn ich habe wohl mit mehr als hundert der Eurigen gehandelt, die, wenn sie überwunden waren, sich stets auf ihren Lehrer beriefen.« Seht, dies war sein Vorgeben.
Hier könnte ich nun viel von diesem seinem lügenhaften Vorgeben und seiner ruhmsüchtigen, schlüpfrigen Zunge schreiben, sowie, wie unmanierlich und gehässig er hinter meinem Rücken suchte, ob er irgendwo ein Splitterchen fände, aus welchem er einen großen Balken machen und mir zu einem Schandmale auf den Leib binden könnte; ferner wie er meinen verborgenen Aufenthalt einem unschuldigen Kinde abfragte. Doch, weil es den Leser weder lehren noch bessern kann, will ich es dem Herrn anheimstellen und des Hermes Schande unberührt lassen, auf dass es dem Leser nicht scheine, als ob ich Gleiches mit Gleichem bezahlen wollte, wovor der Herr mich ewiglich behüte. Aus Herzensgrund wünsche ich dagegen, dass er etwas wahrer in seiner Zunge und unparteiischer von Herzen wäre und den Herrn, seinen Gott, etwas mehr fürchtete.
Die Besprechung wurde Hermes und den Seinigen auf die Bedingung hin bewilligt, dass sie keinem Menschen offenbar machen sollten (da ich ein so armer, schwacher Mann und von der ganzen Welt gehasst war), wo sie mit mir gehandelt hätten. Darauf haben sie für ihren Teil unsern Brüdern die Hand gegeben, dass sie es nie tun würden. Wie sie diesem aber nachgekommen sind, hat die Tat bewiesen; denn nicht lange nachher wusste man zu Emden auf der Straße zu erzählen, wo Menno wohnte und dass Micron und sie alle daselbst mit ihm gehandelt hätten. Nun haben sie es auch noch vor der ganzen Welt im Druck veröffentlicht. Ob ehrliche und fromme Leute ihrem Handschlag und zugesagten Wort, welches bei allen vernünftigen, ernsthaften Menschen der ganzen Welt nicht weniger als ein Eid gilt, nicht besser nachkommen sollten, will ich allen meinen Lesern, günstigen und ungünstigen, zu bedenken geben. Doch an uns (so lassen sich viele dünken) kann man sich nicht versündigen.
Desgleichen haben sie auch der Stadt, die ihnen in dem harten, kalten Winter, als sie nicht wussten, wo sie bleiben sollten, mehr Gutes erwiesen hat, als ganz Ostland und Dänemark taten, nicht allzu freundlich gedankt, dass sie dieselbe mit ihrem ungesalzenen, parteiischen Schreiben bei Herrn, Fürsten und bei andern Städten in Verdacht bringen, als ob sie uns unterhielten oder beschützten, obwohl sie nicht mehr von meinem Wohnen, als von ihrem Tode gewusst haben.
Letztens haben sie auch einige gute Herzen, die es an ihnen nicht verdient haben, nacheinander aufs Register gesetzt, auf dass man sie in allen Ländern, wo sie hinkommen, wohl kennen möge. Und wenn der Herr in seiner Gnade es nicht verhütet, so wird wohl einer, der ihnen so viel Gutes erwiesen hat, oder seine kleinen Kinderlein, um einige Tausende ausgeschrieben. Hätten sie nun in allem diesem die ungefälschte, reine Liebe, die niemandem Böses wünscht, noch weniger tut, sowie gewöhnliche Ehrbarkeit und ihr eigenes Wort und ihre Ehre etwas besser bedacht (da ihre Handlungsweise noch niemand auf dem ganzen Erdboden lehren oder in Gott besser machen kann und mehr eines Verräters, als eines frommen Mannes Werk scheint), so würde es nach meinem Dafürhalten mit evangelischer, christlicher Art, Geist,Zucht und Billigkeit mehr in Übereinstimmung geschienen haben, als es jetzt tut. Wahr ist des Herrn Wort:
»An der Frucht erkennt man den Baum.« (Mt 12,33)
Seht, so haben sie gehandelt, die sich dünken lassen, dass sie die Christen und wir die Ketzer seien und die Gott zum Zeugen nehmen und sich auf das Urteil Gottes berufen, dass sie den Handel getreulich und recht beschrieben haben, obwohl sie wissen, dass das erste Wort, das sie geschrieben haben, eine Lüge ist. Ein wahrer Bericht – eine wie große Unwahrheit dies ist, soll durch des Herrn Gnade aus meiner folgenden Erklärung in offener Wahrheit ersehen werden. So sind also Hermes und ich in der Mitte des Winters zu einer Besprechung gekommen.
Es geschah, als wir, um uns zu besprechen, beieinander waren, dass ich aus rechter, guter Meinung einige wenige Worte von dem Leiden, Druck, der Trübsal, Verfolgung und dem Kreuz der aufrichtigen, frommen Christen erwähnte. Darauf gab er mir sogleich zur Antwort, dass ich damit seine Lehre bei den Ihrigen verdächtig machen wolle, an welches ich nie gedacht hatte. Ich ließ ab und sprach: »Wohlan, Hermes, ich vermute, dass ihr lieber zuerst von der Menschwerdung mit uns handeln würdet?« Er antwortete: »Ja.« »So bekennt euren Glauben,« sagte ich. Nachdem er denselben bekannt hatte, sprach ich: »Lieber Hermes, habt Acht auf eure Worte; denn seht, alle diese Widersprüche folgen aus eurem Glauben,« und stellte ihm dieselben, acht an der Zahl, vor.
Und siehe, als ich meine Rede geendigt hatte, da war einer unter ihnen, Ja. Mich. genannt, der zuweilen von Micron in seiner Schrift angeführt wird; derselbe sagte zu mir, ob ich das mit der Schrift beweisen könnte, denn er war der Meinung, dass ich von meinem Glauben so gesprochen hätte. »Das mögt ihr Hermes fragen,« sagte ich, »denn es ist sein Glaube und seine Lehre.« Auf dieses senkte er das Haupt und schwieg. Dreimal nacheinander ermahnte ich ihn, es sich mit der Schrift von Hermes beweisen zu lassen, allein ich habe seine Antwort heute noch nicht.
Als ich nun diese hässliche Parteisucht merkte, wurde ich sehr betrübt. »Lieber Herr,« sagte ich, »soll man so mit des Herrn Wort handeln; das muss Gott geklagt sein. Als ihr meintet, es wäre mein Grund, wolltet ihr Schrift haben; nun ihr aber vernehmt, dass es des Hermes Grund ist, ist es euch Schrift genug. Ach Freund, tut Buße und schämt euch vor eurem Gott; denn ihr handelt nicht mit seinem Wort, wie einem wahren Christen zukommt.« Dies ist wohl einer der vornehmsten Zeugen, die so unparteiisch zugehört haben, wie Micron, aber nicht mit der Wahrheit, rühmt und vorgibt.
Danach gab Hermes zur Antwort: »Die Widersprüche will ich zunichte machen, wie der Wind den Staub verweht.« »Lieber Hermes,« sagte ich, »sprecht nicht so vermessen, es steht einem Christen so übel an; ich weiß, dass ihr mich dieselben behalten lassen müsst.« Und dies ist, dem Herrn sei Preis für seine Gnade, bis jetzt auch so geschehen, wie ich aus Microns Anhang klar genug ersehe, dass sie sich mehr als zwei Jahre den Kopf darüber zerbrochen haben.
Die Widersprüche blieben von ihm unbeantwortet und fast alles, was man von ihm vernehmen konnte, handelte von annehmen. Zuletzt sagte ich: »Lieber, weist mir doch, wo es geschrieben steht, dass er unser Fleisch oder unsere menschliche Natur so angenommen hat, wie ihr vorgebt.« Darauf erwiderte er: »Paulus lehrt, dass Christus Knechtsgestalt angenommen hat.« (Phil 2,7)
Als er nun geendigt hatte, fragte ich ihn, ob er mit Johannes a Lasco in der Lehre eins wäre oder nicht? Er bekannte: »Ja.« »Wohlan,« sagte ich, »a Lasco hat von dieser Rede Pauli einen Gegensatz gemacht und gesagt: ›Gleichwie er in göttlicher Gestalt und darum auch wahrhaft Gott war, ebenso hat er auch unsere sündliche Gestalt angenommen und ist damit ein wahrer Mensch gewesen; doch die Sünde, um welcher willen wir in der Schrift Knechte genannt werden, hat er nicht gehabt.‹ Aus diesem Gegensatz muss eins von zwei Dingen wahr sein: Entweder, wenn er die sündliche Gestalt, aber nicht die Sünde, gehabt hat, so muss er kraft desselben Gegensatzes die göttliche Gestalt, aber die Gottheit nicht gehabt haben; oder, wenn Er die göttliche Gestalt und damit auch die Gottheit gehabt hat, so muss er auch die sündliche Gestalt und damit die Sünde gehabt haben; oder der Gegensatz ist falsch und kann nicht bestehen. Es ist aber in einem Sinne das Nämliche, ob Christus ein Sünder oder kein Gott gewesen ist. Wie aber solch eine Lehre mit der Schrift bestehen kann, will ich euch selbst zu bedenken geben.«
Darauf antwortete er: »Die Schrift bezeugt, dass er ohne Sünde gewesen ist.« »Aus diesem,« sagte ich, »geht hervor, dass dieser Gegensatz des a Lasco falsch ist und dass ihr mit diesem Spruche nicht bestehen könnt. Wenn aber die Schrift ungebrochen bleiben soll, so muss dies der rechte Gegensatz sein, nämlich: Gleichwie Christus in göttlicher Gestalt und damit auch wahrer Gott war, dass er sich so erniedrigt und nicht die Gestalt eines großmächtigen Kaisers oder Königs, dem man dienen sollte, sondern eines armen Knechtes Gestalt, weil er dienen wollte, angenommen hat; und gleichwie er von Ewigkeit wahrer Gott, in Gott und mit Gott seinem Vater gewesen ist (Jes 7,14; 9,5; 40,28; Jer 23,5; 33,15; Joh 1,1–2; Röm 9,26; 1Joh 5,5), ebenso ist er auch unser Diener und Knecht in der Zeit geworden (Mt 12,18; 20,28).«
Damit verließ er auch den Spruch und sagte: »Es gibt noch einen andern, viel klareren, der da sagt, dass er Abrahams Samen angenommen habe, Hebr 2,16.« »Nicht so, Hermes,« sagte ich, »man muss die Schrift nicht verfälschen, denn es steht nicht, dass er Abrahams Samen angenommen habe, sondern dass er denselben annimmt und dieses Annehmen wird bis ans Ende dauern.«
Da nahm er die Worte des nämlichen Kapitels und sagte, dass Christus des Fleisches und Blutes der Kinder teilhaftig geworden wäre und so des Fleisches halber unser Bruder genannt werde.
Als ich dies hörte, sagte ich: »Dies ist wiederum eine Verfälschung der Schrift; denn es steht, dass er Fleisches und Blutes teilhaftig geworden ist; allein es heißt nicht, des Fleisches und Blutes der Kinder. Lasst uns daher den Sinn dieser Worte vom Anfang betrachten, auf dass wir der Schrift keine Gewalt antun. Paulus sagt: Da sie alle von einem kommen, beide, der da heilige und die da geheiligt werden. Nun fragte ich euch, wen ihr unter dem einen versteht?« »Adam,« erwiderte er. »Daraus folgt denn,« sagte ich, »ohne alle Widerrede, dass auch alle Gottlosen und Teufelskinder, wie Diebe, Mörder, Trunkenbolde, Ruhmredige, Hasser, Totschläger, Götzendiener, Huren und Buben Christi Brüder und Schwestern sind.« Er bekannte frei heraus, dass sie es auch wären.
Ferner folgt, dass, wenn wir des Fleisches halber Christi Brüder und Schwestern wären, wir alsdann auch des Fleisches halber seine Kinder sein müssten, denn in einem folgenden Verse sagt Paulus: Siehe da, ich und die Kinder […] Aus diesem müsste man dann nicht anders, denn mit aller Wahrheit schließen, dass der eine Bruder die andern und die Kinder ihren Vater dem Fleische nach gezeugt hatten. Wie aber so eine Zeugung nach der Schrift und nach Gottes Ordnung bestehen kann, will ich eurem eigenen Bedenken anheimstellen.
Als wir nun noch einige Worte über das teilhaftig werden miteinander gewechselt hatten, fragte ich ihn, ob nicht Adam auch Fleisches und Blutes teilhaftig gewesen wäre? Er antwortete: »Ja.« »Wohlan,« sagte ich, »von wessen Fleisch und Blut hat er denn sein Teil bekommen, wenn man teilhaftig werden so verstehen soll, wie ihr wollt? Darum, lieber Hermes, seht euch vor, eure Gelehrten betrügen euch. Paulus sagt:
›Der da drischt, soll auf Hoffnung dreschen, dass er seiner Hoffnung teilhaftig werde.‹ (1Kor 9,10)
D. h. dass er erlangen werde, was er hofft. Und im nämlichen Kapitel:
›So aber andere dieser Macht an euch teilhaftig sind, warum nicht vielmehr wir?‹ (1Kor 9,12)
D. h. wenn die andern diese Macht über euch haben. Ferner:
›Wir sind Christi teilhaftig geworden.‹ (Hebr 3,14)
Nicht, dass wir nur ein Stück von ihm bekommen haben, sondern er ist uns ganz zu Teil geworden.
Darum, lieber Hermes, warne ich euch, lasst doch die Schrift bleiben und zwingt sie nicht nach eurem Sinn und Gutdünken; denn Paulus sagt nicht, dass die Ungeheiligten, wie Lügner, Gehässige, Hoffärtige, Ehebrecher und des Teufels Kinder, mit Christo, unserm Heiligmacher, aus einem sind; sondern die Geheiligten, nämlich diejenigen, die mit ihm aus einem Gott geboren sind. Um dieser aus Gott und nicht aus Adam geschehenen Geburt willen sind wir seine Brüder; denn die Wiedergeborenen haben mit ihm einen Vater. Gleichwie er Gottes erstgeborener Sohn ist, so ist er auch der Erstgeborene unter vielen Brüdern (Hebr 1,6; Röm 8,29).
Da uns denn der heilige Paulus lehrt, dass er der Erstgeborene unter den Brüdern ist, wie gehört worden, so geht daraus auch mehr als klar hervor, dass er nicht unser Bruder aus Adam, sondern aus Gott ist; denn er ist nicht Adams Erstgeborener gewesen und es müssen deshalb Adams Kinder durch die Wiedergeburt aus dem Glauben Gottes Kinder werden und so Christi Brüder sein (Joh 1,12; Mt 12,50; Mk 3,35; Lk 8,21; Hebr 2,11).
Seht, solche Wiedergeborne und Geheiligte, die mit ihm einen Vater haben (nicht Huren, Buben und des Teufels Kinder), schämt er sich nicht, seine Brüder zu nennen und sagt: ›Ich will verkündigen deinen Namen (Er meint seines Vaters, nicht Adams Namen) meinen Brüdern.‹ Und abermals: ›Ich will mein Vertrauen auf ihn (nämlich auf den Vater, nicht auf Adam) setzen.‹ Und abermals: ›Siehe da, ich und die Kinder, welche mir Gott (nicht Adam) gegeben hat.‹ Da es denn überklar ist, dass seine Kinder nicht fleischliche, sondern geistliche Kinder sind, denn fleischliche Kinder hat er nicht gehabt, so müssen auch seine Brüder geistliche Brüder sein; oder der eine Spruch müsste geistlich und der andere fleischlich gemeint sein; auch müsste alsdann die Schwester Maria ihren Bruder im Fleische geboren haben – dies lässt keine Widerrede zu.
Und obwohl nun solche Wiedergeborenen seine Geheiligten, Brüder und Schwestern sind, so haben sie dennoch durch die angeborne böse Natur der Sünde Gemeinschaft (versteht mich recht, er sagt Gemeinschaft) mit Fleisch und Blut, sündigen, straucheln und übertreten manchmal und werden so besagter Gemeinschaft halber vom Gesetz, das die vollkommene Gerechtigkeit fordert, in ihrem Gewissen beschuldigt. Seht, darum ist auch ihr Heiligmacher, erstgeborener Bruder und Vater, Christus, gleichermaßen Fleisches und Blutes teilhaftig geworden; nicht dessen der Kinder, denn so heißt es nicht, da er in solchem Falle von den Sündern ein Sünder gewesen sein und aus zwei verschiedenen Personen und Söhnen – einem himmlischen, ewigen und unsterblichen und einem irdischen, zeitlichen und sterblichen – bestanden haben müsste. Nein, das Wort ist selbst (einige Worte füge ich, dem Leser zur Erklärung, bei) Fleisch, d. h. ein wahrer, dem Leiden unterworfener, sterblicher Mensch in Maria geworden, wie Johannes sagt: ›Das Wort ward Fleisch,‹ seinen geheiligten Brüdern und Kindern in allem gleich, ausgenommen die Sünde (Joh 1,14; Hebr 2,17; 5,2); auf dass er das beschuldigende Gesetze in seinem unschuldigen und nicht in unserm schuldigen Fleische erfüllen, demselben seine Kraft nehmen, den verdienten Tod mit seinem unverdienten Tod überwinden, den Teufel, der des Todes Gewalt hatte, wegtun und uns durch die Kraft seines roten Blutes Gott, seinem Vater, heiligen und in allen unsern Anfechtungen und Nöten, die aus unserm verderbten Fleische und des Satans böser Eingebung herkommen, zu Hilfe kommen möchte. Seht, dies ist Pauli eigentlicher Grund und Meinung (Hebr 2,14).
Und in diesem Verstande bleibt Christus der ungeteilte Sohn Gottes; die Schrift bleibt ungebrochen; Christus bleibt der Heiligmacher und wir seine Geheiligten, ja, Brüder und Kinder und es gibt nicht einen einzigen Spruch in der ganzen Schrift, der gegen uns ist. Welche viele große und schwere Widersprüche des Hermes Bekenntnis und Glauben mit sich bringt, ist schon gehört worden.«
Als ich nun wieder an die Widersprüche kam, wollte er, dass ich auch meinen Glauben bekennen sollte, wie er den Seinen bekannt hatte. Er wollte alsdann, wie er sagte, mehr Widersprüche in meinem finden (obwohl er denselben noch nicht gehört hatte), als ich in seinem gefunden hätte. Und als ich mein Bekenntnis abgelegt hatte, sagte er: »Das ist mir allzu lang; darauf kann ich nicht antworten.« Ich fasste es dann in kurze Worte; allein es wurde mir dennoch nicht ein Widerspruch von ihm vorgewiesen.
Seht, werte Leser, hier habt ihr nun die wichtigsten Gründe und Sprüche, die Hermes und ich von der Menschwerdung Christi miteinander verhandelt haben. Ich sage die wichtigsten; denn alle die Worte, die zwischen uns beiden vorgekommen sind, niederzuschreiben, ist unmöglich.
Nach der Mahlzeit sind wir an die Kindertaufe gekommen, die er damit für recht bewähren wollte, weil die Kinder in der Schrift für gläubig gerechnet wurden und weil Zachäus (auf dieses drang er sehr heftig, obwohl ich zu ihm sagte: Lieber Hermes, bedenkt euch; es war nicht Zachäus.) mit seinem ganzen Hause getauft worden wäre.
Ja, gute Leser, sollte ich den Handel erzählen, wie derselbe geschehen ist, so würde es einigen Lesern scheinen, als ob ich es aus Parteisucht tue, andern hingegen, die mich kennen, dass es eine große Torheit von ihm war, dass er uns zu solchem Handel berief, da er doch nicht mehr von der Schrift wusste,so dass auch ich ein- oder zweimal zu ihm sagte: »Lieber Hermes, ihr seid noch allzu jung in eurer Sache; ihr müsst noch viel lernen, bis ihr euren Grund bewähren und verteidigen könnt. Wo sind nun alle eure vermessenen Worte, die ihr im Anfang vorbrachtet?«
Dennoch schreibt Micron, dass einige ihrer schwachen Brüder in diesem Handel durch Hermes sehr gestärkt wurden. Doch ich lasse es dabei bewenden; es muss ja dem Leser ein Tuch vor die Augen gehängt werden, auf dass er nicht merke, dass Hermes zu ihrer großen Schande so kindisch gehandelt hat.
Gleichwohl weiß ich mit Gewissheit, dass man nach dem Handel ohne den geringsten Verzug dem Micron schrieb, er solle kommen, da ihre Brüder bei uns sowohl von innen als von außen in großer Not wären. Was er mit von innen meint, mag der Leser selber erwägen.
Als wir nun zum Handeln zusammen gekommen waren, habe ich zu Micron gesagt: »Ich höre, dass euer Name Martin Micron ist. Ihr seid mir ein unbekannter Mann und ich habe auch mein Lebtag kein Wort von euch gehört, ehe ihr hierher gekommen seid. Doch vernehme ich, dass ihr eures Redens halber zu London in großem Ansehen gestanden seid und auch Schriften im Druck herausgegeben habt. Darum richte ich diese brüderliche Bitte und Ermahnung an euch, dass, wenn ihr in dieser unserer Besprechung kräftigere Wahrheit und festeren Schriftgrund hört, als ihr bis jetzt gehört und gelehrt habt, ihr dann nicht euren eigenen Namen und eure eigene Ehre, sondern des Herrn Namen und Ehre suchen wollt.« Darauf gab er mir zur Antwort: »Menno, das Nämliche ermahne ich auch euch.« »Darum bin ich hier,« sagte ich, »und habe auch viele Jahre darum gelitten, weil ich die Wahrheit gerne haben und ihr folgen will.«
Diese meine aus treuem Herzen an ihn gerichtete brüderliche Ermahnung hat er mir im letzten Handel (als er nun in jedem Punkte seiner falschen antichristlichen Lehre gefangen war) auf traurige Weise verändert und vor meinen Augen gesagt, ich hätte ihm vorgeworfen, dass er seinen eigenen Preis und seine Ehre mit Lehren und Schreiben in London, England, gesucht habe, an welches ich bis zu dieser Zeit gar nicht gedacht hatte, da ich ihn nicht kannte.
Er berief sich auf seinesgleichen als Zeugen und die armen, bezauberten Kinder sagten alle ja mit ihm, was mich von Herzen betrübte, so dass ich sagte: »Ist denn keine Furcht Gottes vor euren Augen? Da sind ungefähr zehn von euch, die ihr ihm alle nach dem Mund redet. Und wenn da noch zehntausend wären, so sprecht ihr doch in diesem Punkt nicht die Wahrheit; denn wie würde es doch lauten, wenn ich zu einem unbekannten Mann, von dem ich noch nichts als Gutes gehört habe, hinlaufen und mit meinen ersten Worten zu ihm sagen würde, dass er mit seinem Schreiben und Lehren seine eigene Ehre gesucht habe?«
Auch widersprachen ihm alle unsere Brüder und sagten: »Lieber Micron, ihr irrt euch, denn so und so hat Menno euch ermahnt und so habt ihr geantwortet.« Allein es hat alles nicht geholfen; diese gemeine, bittere und erlogene Ehrabschneidung musste leider dennoch in seinem Buche stehen. Was nun dies für ein Geist ist, wie er der ungefälschten, christlichen Wahrheit, Frömmigkeit und Liebe folgt und wie treulich er die Sache berichtet hat, will ich alle unparteiischen und verständigen Leser mit dieser seiner unehrlichen, hässlichen Verfälschung meiner ersten, aus so reinem Herzen zu ihm gesprochenen Worte erwägen lassen.
Darauf sind wir zu unserem eigentlichen Handel gekommen. Er hielt mir mehrere Artikel vor, welche aber, da meine Schriften voll darüber sind, keiner Antwort bedürfen. Zuletzt haben wir die Menschwerdung vorgenommen, um welcher willen wir solche hässliche Verführer und Ketzer bei ihnen sein müssen, nämlich, weil wir mit Gott dem Vater, mit Christo, mit dem Engel Gabriel mit Petro und mit der ganzen Schrift bekennen, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist (Mt 3,17; 17,5; Lk 1,32; 9,26; Joh 1,45; 5,22; 6,35; 8,23; 9,37; 10,36).
Sein eigentliches Bekenntnis und Grund war dies, nämlich, dass zwei Söhne in Christo – ein ewiger und dem Leiden nicht unterworfener und ein zeitlicher und dem Leiden unterworfener – wären und dass der, welcher für uns gekreuzigt worden ist, nicht Gottes Sohn gewesen sei. Dieses Bekenntnis hat er nicht in der Übereilung und aus Irrtum, sondern mit Vorbedacht und nüchternen Sinnen vor uns allen abgelegt und dasselbe wenigstens vier oder fünf Mal zu verschiedenen Zeiten in aller Klarheit wiederholt. Dennoch wagt er es mit des Herrn Urteil und Namen zu bezeugen, dass sie manchmal mit uns bekannt hätten, dass der Sohn Gottes für uns gestorben sei. Mit Recht sagt Sirach: »Mancher tut lieber das Ärgste, denn dass er seine Ehre verliere, und tut es um gottloser Leute willen.«
Die aus seinem Glauben folgenden Widersprüche sind ihm vorgestellt worden und nach vielen langen und weitläufigen Worten habe ich ihn wohl eine oder anderthalb Stunden lang ungestört vom Weibessamen, von Abrahams und Davids Samen und von der Frucht der Lenden Davids aus der Bibel lesen lassen. Als er es alles herausgelesen hatte, fragte ich ihn, was er damit beweisen wollte. »Damit beweise ich,« sagte er, »dass der Mensch Christus von den Vätern stammt und dass das Wort nicht Fleisch geworden ist, wie ihr sagt.« So lauteten seine Worte.
Ich antwortete und sagte: »Ich bekenne von ganzem Herzen, dass alle diese gelesenen Schriftstellen recht und gut sind; denn sie bezeugen und lehren uns, dass solch ein Seligmacher kommen sollte. Nun wollen wir aber mit der Schrift sehen, von wem die menschliche Frucht eigentlich herkommt, vom Vater oder von der Mutter.«
Als er dies hörte, sagte er: »Wollt ihr dies sehen?« Ich sagte: »Ja, denn ich hoffe, euch durch Gottes Gnade auf Grund und Kraft der heiligen Schrift deutlich zu beweisen, dass des Kindes Ursprung vom Vater und nicht von der Mutter, doch durch die Mutter ist.«
Dies war, wie mir schien, etwas, was er noch gar nicht gehört hatte und er sagte: »Lieber, lasst doch hören.« Ich verwies ihn auf 1Kor 11,8, wo Paulus sagt: »Der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Manne.« Als er dies hörte, fiel er mir ins Wort und sprach: »Dies ist von Adam und Eva gesprochen.« Hernach sagte ich, »es steht aber dort auch geschrieben: ›Also kommt auch der Mann durch das Weib.‹ Ist denn Adam durch Eva gewesen?«
Da schwieg er stille, als wie einer, der damit geschlagen war. Ich habe ihm dann recht viele und klare Schriftstellen vorgestellt, wie 1Mo 15,4; 17,6; 19,32; Röm 9,5; Hebr 7,9–10; Weish 7,2. Auch verwies ich ihn auf das Geschlechtsregister Christi (Mt 1,1) und zeigte ihm, dass Christus seiner Lehre zufolge auch ein Kanaaniter, Moabiter und Ammoniter gewesen sein müsste. Auch stellte ich ihm einige natürliche Gleichnisse vor, als z. B. von einem Sämann und dessen Samen und Acker, mit welchem er nun dem Leser vorspiegeln will, dass ich mich nicht der Schrift, sondern der Vernunft gegen ihn bedient habe. Allein Microns kleiner Finger weiß wohl, wie man sagt, dass der Same des Ackerlandes und der des Mannes ein und denselben Namen in der Schrift haben und dass Adam seinen Samen geworfen, das ist gesät, hat (Hebr 11,11), obwohl er (Micron) es in seiner Schrift verfälscht hat und das Werfen gern der Sara zuschreiben möchte, auf dass es heißen könnte, dass die Weiber Samen haben. Für was man solche mutwilligen Verfälscher des heiligen göttlichen Wortes halten soll, will ich den unparteiischen Leser beurteilen lassen. Es ist die nämliche List, welche die Schlange gebrauchte, als sie Adam und Eva in den Tod brachte (1Mo 3,1). Ja, guter Leser, da uns denn die Schrift und das tägliche Werk durch Gottes Ordnung offenbar bezeugen, dass es Säleute, sowie auch Samen, den man sät, gibt, so müssen gewiss auch geeignete Äcker oder Plätze sein, wo man sät; denn auf ungepflügte Äcker, auf Häuser, Bäume und Steine sät man nicht, wie ihr sehen könnt. Ob ich daher nicht mit meinem Gleichnisse vom Sämann und dessen Acker und Samen nach der Schrift bestehen kann, darüber will ich nicht den verleumderischen Micron und Hermes, sondern den verständigen Leser urteilen lassen.
Als ich meine Worte geendigt hatte, sagte ich: »Seht, Martin, dies natürliche Gleichnis, welches ich hier vorgebracht habe, mögt ihr ein wenig bei euch selbst überdenken, doch auf meine Schriftstellen gebt mir Antwort.«
Da kraute er sein Haupt wie ein Verwirrter und sprach: »Weg mit dieser Philosophie vom Weibessamen.« Als ich dies hörte, sagte ich: »Ich habe euch die helle, klare Schrift vorgestellt und beweise euch damit, dass das Kind ursprünglich vom Vater und nicht von der Mutter ist; ihr aber behauptet ohne Schrift, dass es von der Mutter sei. Sagt, Lieber, wer von uns gebraucht nun Philosophie, ihr oder ich?« Nicht ein einziges Wort gab er mir zur Antwort darauf.
Nun aber schreibt er, als ob ich gesagt hätte: Die Worte Pauli (1Kor 11,8) sind von Adam und Eva zu verstehen; denn Paulus wollte die Männer demütigen, auf dass sie sich ihrer Herrlichkeit halber nicht über die Weiber erheben sollten, was einesteils wohl recht, aber dennoch nicht nach Pauli Sinn gesprochen ist; denn er will es auf Adam und Eva zwingen, Paulus aber hat es von allen, die von Adam und Eva geboren sind, gesprochen, da er sagt: »Denn wie das Weib von dem Manne, so kommt auch der Mann durch das Weib.« Merkt, er sagt: durch das Weib. Denn hätte Onan auch tausendmal seinen Samen vergossen, wie die Schrift sagt, dass er getan hat (1Mo 38,9), sowie auch alle Männer mit ihm, die von Anbeginn gewesen sind, es wäre doch nie eine menschliche Frucht daraus geboren worden; denn der Same muss seinen gehörigen Schössling, Acker oder Mutter haben, wenn er Frucht bringen und die Zeugung recht nach des Herrn Wort und Ordnung vor sich gehen soll, wie gehört worden ist. Darum sagt Paulus: »Doch ist weder der Mann ohne das Weib, noch das Weib ohne den Mann in dem Herrn.« Ich hoffe zuversichtlich, dass man diese klaren, ausdrücklichen Worte der heiligen Schrift verstehen wird.
Von dem Spruche Weish 7,2 sagt er, dass es nicht vom Mannessamen allein stehe, auf welches ich so antworte: Micron muss ein Mensch sein, der das Urteil des allmächtigen Gottes allzu gering achtet, dass er sich nicht fürchtet, diese hellen, klaren Worte zu verfälschen oder mit seinem Rauch des Abgrunds so schrecklich zu verfinstern, obwohl es offenbar ist, dass der heilige Geist hier mit offenen Worten dem Vater zuschreibt, was dem Vater aus Gottes Ordnung zukommt, nämlich den Samen und der Mutter, was der Mutter zukommt, nämlich das Blut; in welcher Mutter Blut die Frucht zusammenrinnt von des Vaters Samen, wie gehört worden ist. Noch einmal sage ich, dass man solche platten Worte der heiligen, göttlichen Schrift gewiss verstehen kann.
Ferner auf das, dass ich ihn hinwies, dass Sara von Abraham und Rebekka von Isaak befruchtet worden wären (Hebr 11,11; Röm 9,10), ist dies nun seine Antwort, von welchem aber in den Verhandlungen nichts gesagt worden ist, nämlich: »Dass Abraham und Isaak die Urheber oder der Ursprung ihrer Nachkommen genannt werden, geschieht deshalb, um damit andere Männer auszuschließen und auch weil die Weiber ihr Privilegium durch die Sünde verloren haben.« Dies ist glossiert, als ob man sowohl Schrift als Verstand verloren hat. Meine kurze Antwort darauf ist dies: Gott rechnet niemandem zu, was er ihm nicht gegeben hat, denn er ist ein Gott der Wahrheit und nicht des bloßen Namens. Wenn nun der Herr dieses aus einer solchen Ursache getan hätte, als Micron schreibt, so hätte Gott seine Lust am Namen gehabt und nicht an der Wahrheit. Auch hätte er den Vätern alsdann mehr zugeeignet, als ihnen der Wahrheit nach zukam und den Weibern genommen, was ihnen gehörte. Merkt doch, was für einen Gott Microns Sophistereien euch lehrt.
Was das Privilegium, von welchem er schreibt, angeht, will ich ihn in aller Liebe fragen: Was für ein Privilegium ist es doch gewesen, das die Weiber durch die Sünde verloren haben? Können sie denn keine Weiber mehr sein und sind sie zu dem ihnen von Gott auferlegten mütterlichen Berufe, Dienste und Amte in der Zeugung unfähig geworden? Dass sie aber noch Weiber und fähig sind, ihrem Mann in der Zeugung beizustehen, ist zu klar um bewiesen werden zu müssen. Ich weiß also nicht, was dies für ein Privilegium sein kann, denn die Schrift sagt nicht mehr als:
»Ich will dir viele Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Wille soll deinem Manne unterworfen sein und er soll dein Herr sein.« (1Mo 3,16)
Aber man muss dem armen, schlichten Leser zuweilen etwas vormachen, wenn keine Glossen, die den Anschein der Schrift haben, mehr zu finden sind.
Ach, wenn wir armen Kinder nur den zwanzigsten Teil so mit der Schrift umgingen (wovor der Herr uns ewiglich bewahre) und dem einfältigen, dummen Volk so einen Mantel vor die Augen hängten (helfe uns Gott davor), was würde man uns denn für eine Nase erteilen und zwar mit mehr als doppeltem Rechte! Dennoch, wie sie es lehren und machen, so ist es der Welt ein willkommenes Evangelium, wie solches von Anbeginn gewöhnlich bei allen falschen Propheten und ihren Zuhörern gehört und gesehen worden ist. Er mag immerhin dem Passahlamm die Beine brechen (2Mo 12,46; 4Mo 9,12; Joh 19,36) und dem Simson das Haar abscheren (Ri 16,19), bis die Zeit kommt, dass er sein Ende nimmt und dem Herrn Rechenschaft für seine Verführungen geben muss. Seht, so hat uns Micron die Schriftstelle, mit welcher wir bezeugen, dass der Ursprung des Kindes vom Vater und nicht von der Mutter ist, wie gehört worden ist, behalten lassen müssen.
Als wir nun noch einige Worte miteinander gewechselt hatten, sind wir an den Widerspruch, dass sie einen unreinen Christus hätten, gekommen und ich fragte ihn, ob er auch bekennt, dass Maria von Adams unreinem und sündlichem Samen wäre? Er sagte: »Ja; aber sie ist rein gewesen, weil der Engel zu ihr sagte:
›Du Gebenedeite unter den Weibern.‹ (Lk 1,28)
« Darauf antwortete ich: »Der Herr sagte auch zu Abraham:
›Ich will dich segnen, und […] will segnen, die ich segnen.‹ (1Mo 12,2–3)
Ferner verhieß er den gehorsamen Eltern im Gesetz:
›Gesegnet wird sein die Frucht deines Leibes.‹ (3Mo 26; 5Mo 28,4)
Sind damit nun Abraham und alle, die Abraham segnen, sowie diejenigen, welche von solchen frommen Eltern geboren waren, rein und ohne Sünde gewesen?«
Dies blieb unbeantwortet von ihm, allein er sagte: »Christus ist rein und ohne Sünde gewesen und zwar darum, weil er nicht durch Vermengung aus Mannessamen empfangen war.« Ich antwortete: »Aus dieser Auffassung folgt erstens, dass der Same der Weiber, d. h. wenn sie Samen hätten, was aber nicht der Fall ist, rein und ohne Sünde geblieben sein müsste und dass nur der Same der Männer unrein und sündlich geworden wäre; zweitens, dass die Sünde aus der Vermengung, die doch Gottes eigene Schöpfung ist, und nicht aus Adams Übertretung herkommen müsste.«
Da sagte er: »Gott hat es getan, dass Adam in seiner Natur so verdorben wurde.« Ich merkte, dass er ganz gefangen saß und nicht wusste, was er weiter sagen sollte. »Warum?« sagte ich. »Darum,« sagte er, »dass Gott sprach: ›Welchen Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben.‹« »So höre ich, dass Gott die Ursache von Adams Übertretung gewesen ist,« sagte ich nebst einigen andern Worten. »Nein,« sagte er dann, »das sage ich nicht.« »Ach Micron,« sagte ich, »seht, was für ungereimte Dinge ihr vorbringt und was für ein unschriftmäßiger, schwacher Grund ist es, den ihr bewähren und verteidigen wollt!« Nicht ein einziges Wort antwortete er mir darauf und dennoch lässt er sich in seinem Schreiben hören, als ob er die Reinigkeit Christi ganz fein gegen uns bewährt hätte. Ob dies nicht heißt, seine eigene Ehre suchen und den Handel falsch berichten, mag der Leser bedenken. Wie aber diese nun in seinem Berichte vorgebrachte Bewährung nach der Wahrheit bestehen kann, wollen wir mit der Schrift ermessen. Er schreibt: »Man kann nichts unter die Sünde beschließen, als was die heilige Schrift darunter beschließt.« Dies hat er recht, allein gegen sich selbst, geschrieben; denn die Schrift beschließt Adam mit seinem ganzen Samen unter die Sünde und es muss deshalb mit Adam und seinem ganzen Samen auch so sein, das kann nicht geleugnet werden (1Kor 15,21; Röm 5,18; Gal 3,22; Eph 2,1).
Ferner schreibt er: »Was die Schrift davon frei spricht, das muss man auch für frei davon halten.« Wiederum hat er recht geschrieben, allein gegen sich selbst; denn die Schrift spricht Christum frei und darum halten wir ihn auch für frei. Die Ursache ist, weil er von oben aus dem reinen Gott und nicht von unten aus dem unreinen Adam ist; welcher Adam, ich sage es noch einmal, mit seinem ganzen Samen in der Schrift unter die Sünde beschlossen ist. Diesem widerspricht die Schrift nicht.
Auch schreibt er, dass die Apostel und Propheten nicht so viel von Christo zu ermahnen hätten brauchen, wenn er von oben und nicht von Adam gewesen wäre. Diese Glosse ist so kindisch, dass man sich darüber verwundern muss. Denn wenn Christus ein solch reiner Mensch aus dem unreinen Adam gewesen wäre, wie unsere Widerpartei haben will, so müsste die Schrift sich selbst widersprechen oder Adam müsste zwei Samen gehabt haben – einen verdorbenen und einen reingebliebenen – welches aber in der heiligen Schrift nicht gelehrt wird. Merkt doch, wie sie ins Leere schlagen.
Letztens schreibt er: »Was Gott heilig erklärt, das kann der Mensch nicht gemein oder unheilig machen,« und weist Apg 10,15 an. Hier muss die allerheiligste Heiligkeit des Fleisches Jesu Christi von ihm mit dem Fleisch der Tiere, die zu essen Israel im Gesetze verboten war (3Mo 11,4; 5Mo 14,7), welche aber jetzt im Evangelium als rein zugelassen werden (Mt 15,11; Mk 7,15; Röm 14,20; Tit 1,15), verglichen werden, gerade als ob Adam mit einem Worte (gleichwie die Tiere im Gesetze) für unrein erklärt und nun wiederum mit einem Wort (gleichwie die Tiere) in diesem seinem Samen, von welchem nach seiner Meinung Christus gezeugt ist, freigesprochen wäre, womit er der allerheiligsten Reinigkeit des Fleisches Christi keine kleine Schande zufügt. O abscheuliche Glosse!
Seht, werte Leser, Microns Bewährung betreffs der Reinigkeit des Fleisches Christi, von welcher er damals nicht ein einziges Wort zu mir sagte und die er nun nach zwei Jahren ausgegraben hat, hat keinen bessern noch festeren Grund, als ihr nun gehört habt. Ob er seine Lehre durch solche hässlichen, unangebrachten Glossen nicht verdächtig macht, mögt ihr bedenken.
Als ihm nun der Weibessamen mit der Schrift in voller Kraft genommen war und er auch nichts hatte, womit er diesen Widerspruch hätte lösen können, sondern sich an allen Seiten sehr in die Enge getrieben sah, warf er folgende Frage auf, als wie einer, der vor Bestürzung wenig wusste, was er sagen sollte, aber dennoch etwas vorbringen wollte, auf dass es nicht heißen sollte, der Mund wäre ihm gestopft worden. Er sagte nämlich: »Glaubt ihr auch, dass Maria ein Mensch gewesen ist?« Hört um Gottes willen, was er vorbrachte.
Als ich dies hörte, ließ ich mich von der Übereilung hinreißen und erwiderte unbesonnenerweise: »Sie ist gewiss keine Kuh gewesen; doch was ist dies für eine hässliche Frage?« Seht, so ist die Kuh mit ins Spiel gekommen, von welchem ihr die Ursache verschwiegen und die Sache auf eine ganz andere, mir wenig zur Ehre gereichende Weise angeführt habt.
Auch haben wir einige von den Seinigen deshalb nachgesagt (wie man mir schon aus Flandern geschrieben hat), dass ich einen ihrer Lehrer eine böse Kuh geheißen habe, was ich aber nicht getan habe.
Dass ich nicht anständig geantwortet habe, bekenne ich vor ihm und allen meinen Lesern; auch tut es mir von Herzen leid, denn mir geziemte eine langsame Antwort und nicht Narrheit mit Narrheit zu bezahlen. Doch wer nun von uns beiden die meiste Schande hat – Micron mit seiner bestürzten, ungezogenen Frage oder ich mit meiner ungesalzenen Antwort, möchte ich, wenn er nur unparteiisch wäre, gerne ihm selber zu bedenken geben.
Danach hatte ich nur sehr wenig Lust mehr, zu der Zeit noch länger mit ihm zu verhandeln; denn ich sah, dass er sich so ganz parteiisch wider die Wahrheit setzte, gleichwohl er nichts hatte, womit er seinen Grund bewähren konnte. Dies verursachte mich zu ihm zu sagen: »Guter Martin, haltet es mir zum Besten; es wäre wohl gut, dass ihr euch selbst etwas besser kennen lerntet, denn ihr seid noch allzu jung in der Schrift (seine Jahre habe ich nicht gemeint), um den Grund eurer Lehre in dieser Hinsicht zu verteidigen.«
»Hört,« sagte er dann, »ich will euch noch etwas sagen.« Weil aber alles, was er nach seinem Lesen vorbrachte, gar keinen Grund hatte, sondern lauter unvernünftiges Zeug war und er beständig von einem Ding auf das andere übersprang, antwortete ich unbesonnen: »Fort mit eurem Sagen, es ist doch alles verflucht, was ihr vorbringt.«
Da ergrimmte er sehr und sagte dreimal nacheinander mit harten Worten: »Das hat euch der Papst gelehrt.« »Nein,« antwortete ich wiederum dreimal mit gleichen Worten; »nicht der Papst, sondern Paulus hat es mich gelehrt, Gal 1,8. Denn was ihr da von Christo philosophiert, ist ein fremdes Evangelium, das uns weder von den Aposteln noch von der Schrift hinterlassen und gelehrt worden ist.« Ein gewisses, in 1Kor 16,22 enthaltenes Wort habe ich nicht gebraucht, obwohl er solches ohne alle Wahrheit, wie er leider viel tut, mir zu Schande aus lauter Bitterkeit geschrieben und berichtet hat.
Hier bekenne ich wiederum, dass ich ihn schon mit etwas mehr Langmut zu Ende hätte hören können, als ich getan habe. Gleichwohl hat der Sohn Gottes seine Sohnschaft und sein Recht durch meine unbesonnene Antwort nicht verloren. Auch ist Microns antichristliche Lehre dadurch keine christliche Lehre geworden. Es verdross mich von Herzen, dass ich ihm länger auf seine verkehrten Fragen Antwort geben sollte, denn ich begann zu merken, von welchem Geiste er getrieben wurde.
Außerdem hat er auch die Ordnung unseres Handels jämmerlich verkehrt; aus seinen zehn Worten, um seine Sache auszuschmücken, sehr viele gemacht; die meinen, um unsere Sache zu schwächen, an vielen Plätzen abgekürzt; Dinge hingesetzt, deren nie gedacht worden ist und solche, durch welche ihm sein Grund genommen wurde, ganz und gar verschwiegen. Dennoch wagt dieser vermessene Mensch es, Gott zum Zeugen anzurufen, dass er es getreulich berichtet habe. O Herr!
Wohlan denn, ein jeder wird vor seinem Gott für sich selbst Rechenschaft geben müssen. Er mag seine Lügen so schön aufprunken und so hoch besiegeln, als ihm beliebt; ich will und werde durch Gottes Gnade meine einfache, ungefälschte Wahrheit schlicht und recht mit ja und nein (wie die Schrift mich lehrt) dartun. Wer mein Schreiben damit glauben kann, mag es tun; wer nicht will, dem kann ich es nicht wehren. Höher will ich mich nicht berufen (Mt 5,37).
Ich habe beinahe einundzwanzig Jahre lang viel Kummer und Angst um die Wahrheit ja und nein gelitten und zwar willig; auch hoffe ich durch Gottes barmherzige Hilfe dieselbe in meinem grauen schwachen Alter Microns und aller Antichristen falscher Lehre halber nicht zu verlassen noch zu verlieren, Satan schildere mich durch seine Schreiber und Diener, wie immer er wolle.
Zweitens fragte ich ihn, ob er uns auch sein Bekenntnis, welches er im ersten Handel betreffs der zwei Söhne in Christo vor uns getan hatte, zugestünde? Er sagte: »Ja.« Dann verlangte ich, dass Andreas (von ihm Cananeus genannt) dasselbe niederschreiben sollte, was dieser denn auch in Microns Gegenwart tat. Es lautet: »Zwei Söhne in Christo; der erste, Gottes ewiger Sohn, vor allen Zeiten aus ihm geboren, ohne Mutter und dem Leiden nicht unterworfen; der zweite, der Maria oder des Menschen Sohn, in der Zeit von ihr geboren und dem Leiden unterworfen; in welchem, dem Leiden unterworfenen Sohn der Maria, der dem Leiden nicht unterworfene Sohn Gottes gewohnt hat; so dass der Mensch Christus, der für uns gestorben ist, nicht Gottes Sohn gewesen ist, denn er hat keinen Vater gehabt.« Seht, so hat sein Bekenntnis gelautet, welches wir alle aus seinem eigenen Munde vernommen und in seiner Gegenwart niedergeschrieben haben.
Als Andreas dasselbe nun geschrieben hatte, sagte Micron: »Lese es mir vor.« Als es gelesen war, frug ich ihn, ob er es nicht recht geschrieben hätte. Er bekannte: »Ja.« Nun aber kommt dieser unwahre Mensch und schreibt, dass sie oft mit uns bekannt hätten, dass der Sohn Gottes für uns gestorben sei, während es doch vor dem Herrn und uns allen nicht anders geschehen ist, als wir hier berichtet haben; auch kommt er wiederum in seinem Schreiben und sagt, dass er keinen Vater gehabt habe; denn auf der 32. Seite schreibt er: »Was den wesentlichen Ursprung der menschlichen Substanz angeht,« (welche menschliche Natur oder Substanz er bei uns den zweiten Sohn nannte) »so hat er nach dem Zeugnisse der heiligen Schrift keinen Vater gehabt,« und weist an Jes 7,14; Mt 1,23. Es muss also die unschuldige heilige Schrift, weil sie Maria eine Jungfrau nennt, seiner Lehre Schein und Deckmantel sein, obwohl sie an so überaus vielen Stellen in aller Klarheit bezeugt, dass Gott sein Vater und er der Sohn Gottes ist (Lk 1,32; 9,35; Mt 3,17; 14,33; 16,16; 17,5; Mk 3,11; 9,7; Joh 1,45; 3,16; 6,69; 7,28; 8,23; 9,37; 10,36; 11,27).
Seht, dies ist der Mann, der seinem Schreiben nach so klüglich disputiert, den Grund seiner Lehre (wie er den Seinen mit lauter Lügen weiß macht) so kräftiglich bewährt und sich selbst damit in seinem Buche einen so herrlichen Lorbeerkranz (aber zu seiner ewigen Schande) aufs Haupt gesetzt hat. Wahr bleibt das Sprichwort: Ehre macht zu Schanden denjenigen, der danach begierig ist.
Drittens fragte ich ihn, ob er, da er doch sage, dass der Mensch Christus keinen Vater gehabt habe, ihn dann nicht gleichwohl Gottes Sohn nenne? Er erwiderte: »Ja.« Ich fragte ihn, aus welchem Grunde er es täte – um seiner Geburt, der Wiedergeburt, der Erschaffung oder der Annehmung willen? Denn wenn man ihn ohne Lüge so nennen wolle, so müsse es aus einem dieser vier Gründe geschehen oder man spräche die Unwahrheit, so oft man ihn so nenne. Ich bekam zur Antwort: »Aus keinem von den vieren,« und da war auch keine andere Antwort noch Bescheid mehr vorhanden, sondern er verkroch sich wieder in ein anderes Loch, auf dass man ihn ja nicht mit dem Netze der Wahrheit fangen sollte.
Diese, obwohl unbeantwortete Frage führt er nun ganz verstümmelt in seinen Schriften an und sagt auf Seite 173, dass er um der Vereinigung der beiden Söhne willen (von welcher Vereinigung man nicht einen Buchstaben in der ganzen heiligen Schrift liest), welche er mit List zwei Naturen nennt, auf dass es dem einfachen Leser nicht allzu hässlich erscheine, Gottes Sohn genannt werde. Damit erklärt er offenbar, dass der gekreuzigte Jesus, der aller Welt Sünden getragen und vor Gott, seinem Vater, versöhnt hat, nicht mehr als dem Namen nach ein Sohn Gottes war und dass Gott so nur ein Gott der Namen und nicht ein Gott der Wahrheit ist. Gewiss ist die Lästerung und Beschimpfung allzu groß, welche der allmächtige, große Gott samt seinem gebenedeiten, lieben Sohne von diesem unbedachten Manne leiden und hören muss.
Viertens fragte ich ihn, ob er auch wüsste, dass Gellius Faber eine Schrift gegen uns ausgehen hätte lassen und ob er dieselbe auch gelesen hätte? »Ja,« sagte er. »Wohlan, wie gefällt sie euch?« sagte ich. »Es ist ein sehr schönes Stücklein,« sagte er, »ich habe auch unsere Brüder es lesen lassen.«
»Ei, Martin,« sagte ich, »preist ihr das gottlose Schandwerk, das so voll schändlicher Lügen ist und in welchem des Herrn Wort und Ordnung so jämmerlich gebrochen und das allerheiligste Fleisch Christi ein böses Geld und Ranzion genannt wird. Wenn der Herr mir helfen will, so soll er seine Antwort haben.« Und als das geschah, war das meine beinahe gedruckt. Seht, es ist die Wahrheit, was ich schreibe.
Da sagte Micron: »Ich habe mit Gellius über das böse Geld gesprochen und er klagt, dass der Drucker es ihm verdorben habe und dass es Lösegeld (loose gelt im Original) heißen sollte.«
Einer von den Unsern bemerkt hier: »Lose (loose) heißt in diesem Sinne falsch oder leicht; sollte aber Christi Fleisch ein falsches oder leichtes Geld gewesen sein?«
Als ich dies hörte, sprach ich: »Ich habe wohl zuweilen bei mir selber gedacht: Wie sollte doch der Mann so ganz ungeschickt geschrieben haben – ist es vielleicht nicht mißdruckt worden? Unter meinem Grübeln fiel mir ein, dass Johannes a Lasco und er in der Lehre eins wären und dass dieser gegen mich geschrieben hatte: ›Ist Christus heilig, warum ist er denn der Sünde wegen in des Vaters Gericht verurteilt worden? Zweitens, Christus ist keines andern Fleisches, denn dessen der Sünde teilhaftig geworden, auf dass er versucht werden und dem Tode unterworfen oder desselben schuldig sein möchte.‹ Da sie denn eins sind, dachte ich, und diese Reden des a Lasco offenbar erklären, dass er nicht heilig gewesen sei, sondern ein sündiges und todesschuldiges Fleisch gehabt habe, so kann es hier im gleichen Sinne von den Gelehrten wohl ein böses Geld und Ranzion genannt werden.«
Als ich dies nun so sagte, verlangte Micron, dass er a Lascos Worte lesen möchte, wie er denn auch tat. Zuletzt, nachdem er dieselben lange genug studiert hatte, sagte er: »Es ist etwas dunkel von ihm geschrieben.« »Ja freilich,« sagte ich, »nicht dunkel, aber gottlos.«
Diese meine deutliche, gute Antwort hat er nicht nur nicht verschwiegen, sondern dieselbe zu meiner Schande noch jämmerlich verkehrt. Zudem hat er a Lascos hässliche Worte ganz aus seinem Berichte gelassen und mir das verwiesen, an welchem ein anderer schuldig ist. Ob dies aber von ihm aus dem Geist der Wahrheit, der ohne alle Parteisucht ist, durch eine ungefälschte, wahre, christliche Liebe, als vor Gott in Christo Jesu geschehen ist, darüber will ich den allsehenden Gott und seine eigene Seele richten lassen.
Da ich denn solches in seinem Buche gedruckt gefunden habe und a Lascos Worte so offenbar mit sich bringen, dass Christus ein todesschuldiges Fleisch gehabt habe, wie gehört worden ist, das doch mit Recht ein böses Geld und Ranzion genannt werden kann, da er es für sündig achtet, ei, ihr Lieben, was habe ich denn mit meiner Antwort verbrochen, dass er darüber einen so großen Spektakel erhoben und mir (wie er vielleicht meint) einen so tödlichen Stich versetzt hat? Außerdem ist es nach rechter Wahrheit ihrer aller Grund und muss mit Gewalt aus ihrer Lehre folgen. Allein er musste dem Gellius einen Dienst tun, dadurch, dass er mich mit eitel Lügen in Schande brachte, obschon er einst zu Emden, nachdem sie meine Beantwortung bekommen hatten, vor einigen Predigern ein ganz anderes Lied von Gellius und seinem Buche gesungen hat.
Danach sind wir auf den Widerspruch, dass sie zwei Personen in Christo beschließen, gekommen. Micron antwortete mir folgenderweise darauf: »Wir beschließen keine zwei Personen in Christo, sondern nur eine Person; denn obwohl das Wort von Ewigkeit eine Person war, so war es doch, als es in die Maria kam, keine Person.« Ihr Lieben, merkt doch, welche Ungereimtheit er vorbrachte. Ferner sagte er: »Obwohl ein jeder Mensch eine Person ist und der Mensch Christus ein Mensch gewesen ist wie ein anderer Mensch, so war dennoch der Mensch Christus für sich selbst allein keine Person.« Es ist gewiss eine Schande, dass solche unvernünftigen Worte vor verständigen Ohren vorgebracht werden. Mit Recht sagte Paulus:
»Wo ist der Disputierer dieser Welt?« (1Kor 1,20; Hi 5,13; Jes 33,18)
Als wir nun unsere Worte davon geendigt hatten, sagte ich: »Ich habe vernommen, dass es einige unter euch gibt, die sagen: ›Menno sagte das letzte Mal, dass der ganze Christus Gottes Sohn wäre; er hat es uns aber nicht mit der Schrift bewiesen.‹ Dies begehre ich nun jetzt zu tun und will euch aus dem neuen Testamente die Sprüche, mit welchen wir bezeugen, dass der ganze Christus Jesus von innen und außen, von oben bis unten, sichtbar und unsichtbar, Gottes ein- und erstgeborner, eigener, wahrer Sohn ist, deutlich vorlesen, wenn ihr mir mit Geduld zuhören wollt, wie ich euch in eurem Lesen das letzte Mal getan habe.« »Tut es,« sagte er.
Ich habe dann ungefähr vier- oder fünfundzwanzig gewaltige, klare Sprüche aus der Schrift vorgelesen, von welchen ich einige anweisen will. Der erste davon war:
»Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum auch das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden.« (Lk 1,35)
Hier bezeugt des Herrn Engel, dass Christus Jesus Gottes Sohn sein sollte und ihr, Micron, sagt, dass er es nicht gewesen sei.
So der Vater selber:
»Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.« (Mt 3,17; 17,5; Mk 1,11; 9,7; Lk 3,22; 9,35)
Und ihr, Micron, wagt es, zu widersprechen und zu sagen, dass er es nicht sei.
Christus sprach zu dem Blinden:
»Glaubst du an den Sohn Gottes? Er antwortete und sprach: Herr, welcher ist es, auf dass ich an ihn glaube? Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn gesehen und der mit dir redet, der ist es.« (Joh 9,35–37)
Hier bekennt der in sichtbarer Gestalt sprechende Christus sich selbst für den Sohn Gottes und ihr, Micron, sagt, dass er es nicht sei.
Noch einmal sagt Christus:
»Wie, wenn ihr denn sehen werdet des Menschen Sohn auffahren dahin, da er zuvor war?« (Joh 6,62)
Hier bezeugt Christus, dass des Menschen Sohn von oben gekommen war und dass er wiederum dorthin sollte und ihr, Micron, sagt, dass des Menschen Sohn nicht vom Himmel, sondern von der Erde gewesen sei.
Petrus antwortete Christo auf die Frage, für wen sie und die Leute des Menschen Sohn hielten, mit den Worten:
»Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.« (Mt 16,16)
Christus hat ihm darauf die Seligkeit verheißen. Und ihr, Micron, sagt, dass der Mensch Christus nicht Gottes Sohn gewesen sei.
So bekannte ihn auch der Hauptmann beim Kreuze. Er sagte:
»Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen.« (Mk 15,39)
Und ihr, Micron, bestreitet es und sagt, dass er es nicht gewesen sei.
Die Apostel bekannten alle miteinander Christum als den Sohn Gottes (Mt 14,33) und so taten auch Johannes der Täufer, Nathanael und Martha (Joh 1,49; 11,27). Und ihr, Micron, schämt euch nicht zu sagen, dass er es nicht sei.
Johannes sagt:
»Alle diese Dinge sind geschrieben, dass ihr glaubt, Jesus sei Christ, der Sohn Gottes; und dass ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.« (Joh 20,31)
»Lieber Micron,« sagte ich, »nehmt wahr, alle, welche dies nicht glauben (sagt er an einer andern Stelle), machen Gott zum Lügner, denn sie glauben dem Zeugnis nicht, das Gott von seinem Sohne gezeugt hat, 1Joh 5,10. Ja, es sind die Geister des Widerchristen, denn sie leugnen beides, den Vater und den Sohn, 1Joh 2,22. Seht, Micron, was ihr nun für Geister seid, darüber lassen wir Johannes mit diesen Worten Richter sein. Was antwortet ihr mir nun auf alle diese klaren Schriftstellen, welche ich euch hier vorgelesen habe?«
Da kraute er sich den Kopf noch einmal, wie er auch im ersten Handel getan hatte, als er mit dem Weibersamen gefangen war. Beide, Hermes und er, verfärbten sich, wie mir die Brüder sagten (doch ich habe es nicht gesehen) und Micron sprach: »Die Schriftstellen erkenne ich zum größten Teil als richtig und gut an.« »Nicht alle?« sagte ich. »Ich habe gewiss nicht ein Wort von dem Meinigen hinzugetan, sondern einfach aus dem Buch gelesen. Sagt mir, welches sind diejenigen, die nicht gut sind?«
Ich bekam gar keine Antwort, sondern er verfiel wieder auf eine fremde Frage, die ich ihm drei oder vier Mal zu beantworten mich weigerte, indem ich Antwort auf meine Schriftstellen verlangte. Zuletzt sprach er, aber mit lauter Betrug, auf dass er mich von meinen Schriftstellen, die er nicht beantworten konnte, weil sie ihm allzu kräftig und zu klar waren, abführen und den Seinen noch etwas vorspiegeln möchte: »Es soll eine Antwort sein.« »Fragt denn,« sagte ich. »Glaubt ihr auch,« sagte er, »dass Christus von Ewigkeit aus dem Vater geboren gewesen ist und beim Vater gesessen hat?« Ich ließ ihn seine Frage wiederholen.
»Martin,« sagte ich, »ihr handelt nicht, wie einem wahrheitsliebenden und frommen Manne zukommt. Ist dies eine Antwort auf meine Schriftstellen?« Von Stunde an fing er an zu rühmen, dass ich ihm keine Antwort auf seine Frage geben könnte. Ich wurde ganz betrübt, dass ich mit einem so verkehrten Menschen gehandelt hatte; denn ich sah offenbar, dass er nicht vom Geiste der Wahrheit getrieben wurde. »Ferner,« sagte ich, »von solch einer Geburt, als ihr mich fragt, nämlich, die ein Beisitzen von Ewigkeit mit sich gebracht hätte, habe ich in der Schrift nichts gelesen. Wenn ihr davon gelesen habt, so zeigt es mir.«
»Nein,« sagte er, »wir wollen es von euch wissen.« »Martin,« sagte ich, »schämt euch euer Lebtag, dass ich die Schrift von euch zu wissen begehre und dass ihr sie mir nicht weisen wollt.« Wiederum drang er darauf, dass er es von mir wissen wollte. »Mann, Mann,« sagte ich, »ihr lasst den Geist, der in euch ist, wohl durchblicken. Was ist dies doch für eine grobe Verkehrtheit, dass ihr von mir wissen wollt, was nicht in der Schrift ist. Himmel und Erde haben noch keine sechstausend Jahre bestanden und die Schrift sagt nun, dass der Himmel Gottes Stuhl und die Erde seiner Füße Schemel ist; und Gott ist ein ewiger Gott, der weder Anfang noch Ende gehabt hat. Gesetzt, ich wollte euch nun fragen, wo und was Gottes Stuhl und Schemel gewesen wären, ehe Himmel und Erde geschaffen waren, wärt ihr mir Antwort darauf schuldig, da es doch nicht in der Schrift ist?« Wiederum wurde mir geantwortet: »Wir wollen es von euch wissen.« Merkt, aus wessen Geist dieser Mann mit mir gehandelt hat.
Da ich seine Angel, die er, um etwas Besonderes von mir zu fischen, ausgeworfen hatte, sah, sagte ich zu ihm: »Micron, euer Suchen, nun ihr vor der Wahrheit nicht bestehen könnt, sehe ich wohl; darum versteht mich nun recht, auf dass ihr mir auch recht nachsagen könnt. Alles, was die Schrift von dem ewigen, göttlichen Wesen Christi zeugt, glaube ich mit vollem Herzen, obwohl ich mit meiner Vernunft nicht begreife, wie sein Ausgang von Anbeginn und von den Tagen der Ewigkeit gewesen ist (Mi 5,1); dass er das A und das Ω ist (Offb 1,8; 2,8); das ewige väterliche Wort, seine Weisheit und sein Sohn, durch welches alle Dinge geschaffen sind (1Mo 1,1; Ps 33,6; Spr 8,22; Joh 1,3; Eph 3,9; Kol 1,16; Hebr 1,2); der Erstgeborene vor allen Kreaturen (Kol 1,15); der da war, ehe Abraham geboren ward (Joh 8,58) und andere solche Sprüche; aber dass so eine Geburt von Ewigkeit sollte stattgefunden haben, wie ihr sagt, dies finde ich nicht in der Schrift. Da ich es denn nicht so befinde und der Schrift bis in den Tod bereit stehe, so mache ich euch, weil ihr solches Bekenntnis von mir fordert, zu meinem Schulmeister; zeigt mir, wo es geschrieben steht und ich werde es euch durch Gottes Gnade nicht mit dem geringsten Worte bestreiten.« Ich wusste wohl, dass sie mir solches nirgends zeigen konnten. Noch einmal bekam ich zur Antwort: »Nein, wir wollen es von euch wissen.« Erkennt den Geist, der mit uns gehandelt hat.
Hier will ich nun alle unparteiischen, verständigen Leser der ganzen Welt zwischen Micron und mir Richter sein lassen, ob er als ein gottseliger, demütiger, freundlicher und frommer Christ, um mich und uns alle zu lehren oder von uns in Christo Jesu mit des Herrn Geist und Wort gelehrt zu werden oder ob er als ein ungöttlicher, hoffärtiger, grausamer und ehrabschneiderischer Pharisäer bei uns gesessen ist und seine Besprechung mit uns geführt hat.
Von einem ungezogeneren und widerlicheren Handel habe ich meiner Lebtag nicht gehört. Erstens wollte er von uns wissen, was nicht in der Schrift stand; und zweitens, als ich verlangte, dass er es mir zeigen sollte, wollte er nicht einmal so viel um der Wahrheit und Liebe willen tun, als es mir zu zeigen. Aber Micron wusste, dass er es nicht in der Schrift finden würde, wollte aber gleichwohl, da er den Grund verloren hatte, mit seiner listigen Zunge sich bei den Seinigen, die noch ganz wenig Einsicht in die Schrift besaßen, auf diese Weise Ehre einlegen. Allein er wurde selbst gefangen in dem Netze, welches er für uns ausgespannt hatte, wie ihr aus unserer hier folgenden Anweisung in großer Klarheit hören und sehen sollt.
Als ich merkte, dass er alle christliche Lebensart ganz verloren hatte, dass keine Schrift mehr bei ihm gelten wollte und dass er nach nichts anderem mehr trachtete, als ein Wörtlein zu erfischen, welches er hinter unserm Rücken mit vielen Zusätzen auf unwahre Weise beanstanden könnte, begehrte ich, dass er mir seine Frage etwas näher erklären sollte, nämlich, ob er denn glaubte, dass Christus von Ewigkeit so aus dem Vater geboren wäre, dass er auch abgeteilt vom Vater, außer dem Vater, von Ewigkeit gesessen hätte. Wohl drei oder vier Mal sagte er zu mir: »Geboren.«
»Geboren,« sagte ich, »dem widerspreche ich nicht, denn ihr habt mein Bekenntnis klar genug gehört; erklärt mir aber eure Frage.« Wiederum war es: »Geboren.«
Da sagte ich zu Hermes: »Sagt uns, was ist euer Glaube?« Der sagte nach seiner plumpen, unbedachten Weise frei heraus, dass er vom Vater außer dem Vater gesessen hätte.
»Wohlan, Micron,« sagte ich, »ist das auch euer Glaube?« Ich bekam wieder zur Antwort: »Geboren.« Denn dem Fuchs war bange, dass man ihn in seinem Loche ergreifen möchte.
»Micron,« sagte ich, »sagt mir ja oder nein, es ist lange genug Geboren bei euch gewesen.« Da sagte er: »Ja.« »Wohlan,« sagte ich, »so hört nun meine Antwort: Ihr habt vermutlich wohl schon gelesen, dass vor alten Zeiten eine Sekte gewesen ist, die man Triticole oder Tritoiten nannte und zwar deshalb, weil sie drei Götter verehrten. Wenn nun euer Verstand und Glaube vom heiligen Geiste das Nämliche ist, was ihr hier vom Vater und vom Sohne bekennt, so ist es offenbar, dass ihr Tritoiten seid; denn ihr teilt sie so voneinander ab, dass sie abgeschieden voneinander und außer einander gesessen hätten, wie gehört worden ist.« Nicht ein einziges Wort hat er mir darauf geantwortet.
Zweitens sagte ich: »Ihr wisst gewiss wohl, dass Arius auch darum für einen Ketzer gehalten wurde, weil er sagte, dass Christus einen Anfang gehabt hätte?« Er sagte: »Ja.« »Recht so,« sagte ich, »allein bedenkt, wenn Christus so von Ewigkeit abgeteilt vom Vater außer dem Vater gesessen hat, wie ihr sagt, ewig aber weder Zeit noch Anfang hat, so ist er des Vaters Sohn nicht, denn dann ist er nicht vom Vater geboren; ist er aber auf solche Art und Weise geboren, dass er so abgeteilt vom Vater außer dem Vater (wie ihr sagt) gesessen hat, so muss er einen Anfang gehabt haben; denn dass der Erzeuger vor dem Erzeugten ist, in so einem menschlichen Verstande, als ihr vorbringt, ist klarer als der liebe Tag. Und ob ihr dann nicht mit eurem Verstande Arianer seid, will ich euch selbst zu bedenken geben.« Seine Antwort muss ich noch bekommen.
Drittens sagte ich: »Einige alte und neuere Schriftsteller haben das ewige göttliche Wesen mit der Sonne abgebildet, nämlich, durch den Körper den Vater, durch den Schein das Wort oder den Sohn und durch die Wärme den heiligen Geist. Denn gleichwie diese drei, nämlich der Körper, der Schein und die Wärme eine Sonne sind, ebenso sind auch der Vater, sein Wort und sein heiliger Geist ein wahrer Gott. Und gleichwie der Schein von der Sonne nicht getrennt werden und dennoch der Schein bleiben kann, ebenso kann auch das Wort nicht gänzlich von Gott getrennt werden und dennoch das Wort bleiben. Gleichwohl ist der Vater nicht das Wort, noch das Wort der Vater. Und darum singt ihr auch noch täglich in euren Tempeln: Lumen de lumine, d. h. Licht vom Lichte. Paulus sagt:
›Er ist der Glanz der Herrlichkeit Gottes.‹ (Hebr 1,3)
Seht, werter Micron, so haben die vorgenannten Schriftsteller von dem ewigen göttlichen Wesen bekannt, ihr aber bekennt solches. Ob ihr nun ihren Glauben nicht verleugnet und sie mit ihrem Bekenntnisse zu falschen Schreibern macht, darüber will ich euch selbst Richter sein lassen.« Nicht ein Wort hat er darauf geantwortet.
Viertens sagte ich: »Gewiss glaubt ihr, dass Christus Jesus Gottes allmächtiges Wort, Weisheit und Kraft von Ewigkeit gewesen ist? (Joh 1,1; 1Mo 1,1; Jes 40,8)« Er sagte: »Ja.« »Wohlan,« sagte ich, »hat denn eine solche Geburt, wie ihr sagt, stattgefunden, nämlich, dass er so abgeteilt vom Vater außer dem Vater gesessen hat, so muss der Vater von Ewigkeit ohne Wort, Weisheit und Kraft gesessen haben, weil es so außer ihm gewesen ist, wie ihr bekennt; dies ist zu klar, um bestritten zu werden. Lieber Micron, bedenkt, welchen Schimpf ihr Gott zufügt.« Nicht ein Wort hat er mir darauf erwidert.
Nun aber kommt er und sagt, dass Christus von Ewigkeit vom Vater geboren gewesen, doch gleichwohl im Vater geblieben sei. Als er mit uns handelte, hatte Christus von Ewigkeit abgeteilt vom Vater außer dem Vater gesessen und nun ist er im Vater geblieben. In so kurzer Zeit hat er fünf Artikel, die diesen Grund der Menschwerdung Christi betreffen, verändert, wie man in der an ihn selbstgeschriebenen Ermahnung hören soll; und außerdem kommt er noch und möchte mir gerne den hässlichen Flecken seiner Unbeständigkeit ins Angesicht drücken – mir, den der barmherzige Herr durch seine gütige Gnade und starke Kraft seit einundzwanzig Jahren ungeachtet des mannigfachen listigen Anlaufs so ungemein vieler verschlagenen Geister unveränderlich in einerlei Sinn und Grund der Lehre bewahrt hat, wie mir alle, die mein Büchlein unparteiisch gelesen und meine Ermahnung so lange Zeit gehört haben, bezeugen müssen.
Hier will ich nun alle meine Leser in aller Liebe treulich ermahnt und um des Herrn willen demütig gebeten haben, dass doch niemand von mir denken wolle, dass ich mit diesen vier Beantwortungen seiner vorgestellten und erklärten Frage, die vor allen Kreaturen geschehene Geburt Christi, des ewigen Wortes, aufheben oder verleugnen wolle. Keineswegs; denn ich erkläre hiermit, dass ich mit allen, die mit dem heiligen Paulus Christum Jesum für den Erstgeborenen aller Kreaturen in Wahrheit bekennen (Offb 3,14), und zwar ohne alles Hinzutun menschlicher Vernunft, jetzt und in Ewigkeit in dieser Hinsicht eins bin.
Ich sage und bezeuge, dass, wenn Micron mich gefragt hätte, ob ich Christum nicht nach seinem ewigen, göttlichen Wesen für den Erstgebornen vor allen Kreaturen bekennen würde, ich ihm dies ohne den geringsten Verzug freiwillig bejaht hätte. Auch hätte ihm alsdann seine Frage keine Beschämung eingetragen. Weil er aber seine Frage aus der Vernunft und nicht aus der Schrift vorbrachte und aus dem Worte eine von Ewigkeit beisitzende Person machen wollte, von welchem vor seiner Himmelfahrt nicht ein einziger Buchstabe in der Schrift geschrieben steht, so lag er von Stunde an hinsichtlich des ewigen göttlichen Wesens unter diesen vier schweren Widersprüchen gefangen, aus welchen er sich nicht mit einem einzigen Worte befreien konnte, wie gehört worden ist.
Merkt auch, dass er der Ungeschicktheit seiner Vernunft, die er in der Sache ohne alle Schrift gegen mich gebrauchte, selber so nachgedacht hat, dass er sich nun seines eigenen Bekenntnisses und seiner Worte schämt; denn er sagt (wenn man mir recht geschrieben hat), dass er von dem Beisitzen nichts gesagt habe. Wenn er dies gesagt hat, so ist es leider allzu grob von ihm gelogen. Er schreibt nun auch (gleichwie wir einmal gesagt haben), dass er von Ewigkeit aus dem Vater geboren, aber dennoch in ihm geblieben ist, welches auch der Grund des nicänischen Konzils, des Athanasius, Erasmus von Rotterdam, Luther, Pommeranus, Melanchthon, Bullinger und der verständigsten Gelehrten ist, wie man aus dem Gleichnisse von der Sonne sowie aus den Schriften einiger von ihnen mit Leichtigkeit fassen und verstehen kann.
Doch er gebraucht schon wieder Vernunft und nicht Schrift, wie er auch in seinem Ersten (das er nun in seinem Schreiben wieder aufgegessen hat) getan hat. Denn der Geist der Wahrheit hat uns nicht einen einzigen Buchstaben von diesem unerforschlichen, unbegreiflichen Geheimnis der ewigen Geburt in der ganzen Schrift hinterlassen – ob er mit der Geburt vor allen Kreaturen aus dem unbegreiflichen väterlichen Wesen herausgekommen oder ob er in unerforschlicher Weise darin geblieben sei; denn Gott ist ein Geist und er ist unbegreiflich (Joh 4,24).
Da er denn wiederum Vernunft und nicht Schrift gebraucht, so kann die forschende und neugierige Vernunft es ihm leicht mit dem Worte geboren widerlegen und fragen, wie jemand gezeugt werden und dennoch in seinem Zeuger bleiben könnte? Ich weiß nicht, wo Micron auf der Stelle eine zureichende Antwort, mit der er vor einem Disputanten bestehen könnte, hernehmen sollte.
Ich wünschte deshalb, dass man Gott das ungeoffenbarte Geheimnis ließe; denn alle, welche in diesem unerforschlichen, tiefen Abgrund ihrer Vernunft folgen und ihre Meinung darüber abgeben wollen, sind damit von Stunde an dem Disputierer der Vernunft in seinen Strick gelaufen, er möge es machen, wie er wolle.
Da wir denn in aller Klarheit wissen und finden, dass der heilige Geist dieses Geheimnis so ganz und gar in der Schrift verschlossen und uns dasselbe weder durch Prophet noch Apostel, noch durch den Sohn selbst in irgendeinem Maße geoffenbart hat und es offenbar ist, dass es mit der Vernunft nicht ergründet werden kann, wie kurz oder wie lang, wie nah oder wie fern, ob er mit der Geburt aus dem Vater herausgekommen oder in ihm geblieben ist; weil er ein Geist ist; und wir zudem aus der Geschichte ersehen und auch jetzt zu unserer Zeit finden, dass manches scharfe Auge an diesem undurchdringlichen klaren Glanz erblindet ist, so richte ich die treue Warnung an alle frommen Herzen, die gerne mit einem ungetrübten, ruhigen Gewissen vor ihrem Gott wandeln möchten, dass sie doch weder höher noch niedriger in dieser unerforschlichen und unbeschreiblichen hohen Majestät der unermesslichen ewigen Gottheit spekulieren, noch anders darüber beschließen, halten, schreiben, lehren oder treiben wollen, als der heilige Geist in seinem heiligen Wort uns geoffenbart und gelehrt hat; auf dass sie sich nicht durch ihre grübelnde irdische Vernunft einen eigenen Gott, der ihnen von der Schrift nicht bezeugt und gelehrt wird, machen und aufwerfen. Allen seligen Seelen genügt es, so von Gott zu glauben, zu halten und zu fühlen, wie des Herrn Wort uns solches vorschreibt und anweist, nämlich, dass Christus Jesus des unerforschlichen ewigen Vaters ewiges, unerforschliches Wort, Weisheit, Kraft und Erstgeborner vor allen Kreaturen gewesen ist, eine ewige, wahre, vollkommene, göttliche Substanz oder Wesen in Gott, bei Gott und mit Gott; und dass dasselbe oder dieselbe durch die Kraft des allmächtigen, ewigen Geistes der Verheißung gemäß in der Zeit auch ein wahrer, dem Leiden unterworfener, sterblicher Mensch in Maria geworden ist, wie die Schrift lehrt.
Wenn uns mehr Kenntnis und Verstand hinsichtlich dieser unerforschlichen Geburt vonnöten gewesen wäre, so hätte uns ohne Zweifel der heilige Geist der Wahrheit, der die Seinen zu aller Gottseligkeit recht weist und lehrt, solches nicht vorenthalten, sondern durch welche von seinen heiligen Aposteln oder Propheten oder durch den Sohn selbst in der Schrift geoffenbart und erklärt haben.
Hiermit bitte ich alle frommen Herzen um Jesu willen, dass ein jeglicher sich doch mit seiner Vernunft unter des Herrn Wort beuge, von Gott so halte und fühle, wie es ihm in der Schrift befohlen und gelehrt ist, nicht höher noch tiefer steige und mit einer demütigen, niedrigen und zerknirschten Seele vor dem Herrn und seiner Gemeinde wandle; dann wird er Ruhe in seinem Gewissen finden. Wer Gott fürchtet, bedenke, was ich schreibe.
Als er nun wieder an allen Ecken mit seiner Frage in die Enge getrieben und so fest gefangen war, übermannte ihn, wie mir schien, der Zorn und er sprach: »Glaubt ihr auch, dass Christus von Maria genährt worden ist?« »Ja,« sagte ich, »das glaube ich mit vollem Herzen.« »Pfui,« sagte er dann, »mit eurem unreinen Christus; denn ist er von ihr genährt worden, so muss er auch unrein geworden sein.« Er wusste, wie mich dünkte, vor großer Bestürzung nicht, was er sagen wollte.
»Lieber Micron,« sagte ich, »beherrscht doch euer Herz und eure Zunge. Wir haben von seiner Herkunft gesprochen und nicht von seiner Nährung. Und wenn die Nährung unrein machen könnte, was sie doch nach Christi eigenen Worten nicht kann (Mt 15,11; Mk 7,15), wie viel mehr denn die Materie selbst von solch einem unreinen Leibe genommen, von welchem, wie ihr vorgebt, die Frucht gekommen ist? Dass aber Maria von Adams unreinem, sündlichen Samen, von welchem ihr Christi Fleisch oder Menschheit herleiten wollt, gezeugt ist, habt ihr mir selbst zugestanden; auch konntet ihr mir nicht einen einzigen Spruch aus der ganzen Schrift bringen, womit ihr ihre Reinigkeit zu bewähren vermöchtet, wie im ersten Handel klar genug von mir gesagt worden ist.«
Seht, werte Leser, hier habt ihr nun den wichtigsten Grund von dem, was Micron und Hermes in ihrem Berichte verschwiegen haben. Aus was für Ursache, Herz und Meinung sie solches getan haben, ist leicht zu erraten.
Da es denn nicht anders geschehen ist, als wir hier erzählt haben, wie vor dem allsehenden Gott, vor Micron und Hermes samt ihren eigenen Zeugen und auch vor uns allen, die dabei gewesen sind, offenbar ist, nämlich, dass er völlig überwunden war hinsichtlich des Weibessamens, auf welchen ihr ganzer Grund sich stützt, indem er in der letzten Besprechung selbst bekannte, eine Frau hätte keinen Samen sondern nur Menstrualblut, womit die Sache (wenn er es nicht wieder aufgegessen hätte) ganz verloren war; ferner in dem, dass zwei Söhne in Christo wären und dass der Gekreuzigte nicht Gottes Sohn gewesen wäre, womit er den Sohn Gottes schon verleugnet hatte; auch die Reinigkeit des Fleisches Christi seinem Grunde nach mit keinen Schriftstellen bewähren, noch für die Zweiheit der Personen, die seiner Lehre zufolge in dem einen Christo begriffen waren, Belege bringen konnte; auch nicht wusste, auf welche Weise er den vaterlosen Christus (wie er ihn haben will) Gottes Sohn nennen sollte; mir auf alle meine gewaltigen Schriftstellen, womit ich bewährte, dass der sichtbare, greifbare, sprechende und gestorbene Christus Jesus Gottes eigener Sohn war, nicht mit dem allergeringsten Wort antworten konnte; und letztens in seiner unschriftmäßigen, fremden Frage so stracks gefangen wurde etc., er aber dies alles verschweigen und sich gleichwohl auf des Herrn Namen, Gericht und auch auf sein eigenes Gewissen berufen hat, er habe den Handel getreulich und richtig berichtet; so will ich es dem Urteil aller unparteiischen, vernünftigen Leser anheimstellen, ob er als ein wahrer und wortfester oder als ein lügenhafter und falscher Schreiber geschrieben hat; ob er die Disputation gewonnen oder verloren hat; ob er an der Wahrheit und an uns recht oder unrecht gehandelt hat; ob er Gottes Ruhm und Ehre oder ob er seine eigene, eitle Ehre und seinen Ruhm gesucht hat; und ob man ihn für einen frommen, lobenswerten, ehrbaren, unsträflichen, wahrhaftigen und heilsamen Lehrer oder ob man ihn für einen unfrommen, treulosen, ungöttlichen, sträflichen und lügenhaften Verleumder halten soll, da er in neidischer Parteilichkeit, aus lauter Fleisch und Blut, ohne Wahrheit geschrieben und um seine Lügen desto mehr zu befestigen, sein Schreiben so hoch beteuert hat, wie leider gehört worden ist.
Und als ich ihm nun seine letzte Frage beantwortet hatte, wie gehört worden ist, sind sie von mir weggegangen und vorne in das Haus gekommen. Was nun zwischen beiden Teilen eigentlich gesagt wurde, so weiß ich nichts Gewisses darüber zu schreiben, denn ich bin nicht dabei gewesen; doch wurde mir von den Brüdern gesagt, dass er immer noch streiten wollte, obwohl ihm sein ganzes Gewehr mit voller Kraft der Schrift aus der Hand geschlagen war; sowie auch, dass einige von den Ihrigen bei der Türe nahe der Straße in ihrem Sprechen allzu laut waren, weshalb ihnen von den Brüdern gesagt wurde, dass sie gehen möchten und ob sie uns alle zum Tore hinaus helfen wollten, aus welchem er nun so unverdienterweise Hinausstoßen gemacht hat, auf dass er damit den Frommen und auch der Wahrheit einen um so größern Gestank und Hass bei vielen zurichten und einen bösen Namen machen möchte.
Mit Recht hat der heilige Geist dieses Geschlecht mit den schrecklichen Heuschrecken der Offenbarung abgebildet, die gleich Rossen zum Kriege bereit sind; die Kronen haben, die dem Golde gleich, aber dennoch kein Gold sind und von welchen Micron und Hermes mit ihrem Schreiben sich jeder eine aufs Haupt gesetzt hat; deren Zähne Löwenzähne sind und die in ihren Schwänzen Skorpionsstachel haben (Offb 9). Merkt, was des heiligen Geistes Sinn ist; so wie auch in dem, das die Schlange den Samen des Weibes in die Ferse beißen sollte (1Mo 3,15). Ich meine, sie haben mit diesem ihrem Schreiben keinen kleinen Stich oder Biss getan. Der liebe Herr vergebe es ihnen und gönne ihnen, dass sie, falls es möglich ist, seine barmherzige Gnade noch finden mögen.
Wären sie nun Leute von zerschlagenem und zerbrochenem Geiste gewesen, wie sie nach der Schrift billig sein sollten (Ps 51,19; Jes 66,2), klein in ihren eigenen Augen, aus der Wahrheit geboren und mit der Kraft des Wortes begabt, gewiss hätten sie gedacht: Was wollen wir viel schreiben, die Sache ist doch ganz mit uns verloren. Und wenn wir ihnen schon alle Schande anhängen, so tun wir es doch nur aus Parteisucht und nicht mit der Wahrheit; denn dass sie uns nicht hassen, ist ja offenbar aus diesem, dass sie uns so viel Treue und Liebe in der Not erwiesen haben. Allein so viel Vorsichtigkeit, Ehrenhaftigkeit, Verständigkeit, Überlegung und Liebe haben sie leider nicht besessen.
Gleichwie wir nun recht und schlecht mit der Wahrheit alles angewiesen haben, was Micron aus großer Schlauheit zur Unehre Gottes und seiner heiligen Gemeinde in seinem Berichte verschwiegen hat, wie gehört worden ist, ebenso wollen wir nun auch durch des Herrn Gnade dem Leser aufs Passendste anweisen, wie weit sie und wir in diesem Teil voneinander abweichen, auf dass man dadurch um so klarer die Wahrheit von der Lüge und das Licht von der Finsternis scheiden möge.