Johannes a Lasco schreibt fürs Erste, dass ich seinen Namen hoch gerühmt habe, um mir durch die Unterhandlung, die ich mit ihm hatte, größere Ehre, Ansehen und Autorität bei den Unsrigen (wie er sie nennt) zu verschaffen.
Antwort: Es ist wahr, dass ich ihn in meinem Bekenntnis an ihn und die Prediger den Edlen, Hochgelehrten genannt habe; doch habe ich dies in keiner andern Absicht als einfach aus gewöhnlicher Höflichkeit getan. Ich habe ihn gewiss nicht mit so schwarzen Farben abgemalt, als er mich, wenn er mich einen Doktor oder Lehrer der Wiedertäufer nennt. Auch habe ich ihn nicht so hoch gerühmt, wie er selber sich rühmt, denn er legt sich ja den Titel Polonia Baro bei. Ich habe durch seinen Namen nicht gesucht, was er mir leider auf so hässliche Weise ganz unverdientermaßen zuschreibt. Ich habe, dem Herrn sei Dank dafür, mit dem heiligen Paulus so viel gelernt, dass ich wohl weiß,
»wenn ich den Menschen noch gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.« (Gal 1,10)
Sollte ich auch größere Ehre im Namen Christi erlangen, als ich im Namen irgendeines sterblichen Menschen, ob es schon ein Kaiser oder König wäre, zu tun vermag, so würde es zuletzt mit meiner Sache nicht gut stehen; denn wenn ich meine eigene und nicht Gottes Ehre suche, dann wird es nicht meine Ehre sein. Aber ich hoffe, eine Ehre zu suchen, die mir ewig bleiben wird; die Menschen mögen mich richten, wie sie wollen, welches sie auch am Tage Christi vor ihrem Gott erkennen werden. Er, der Augen wie Feuerflammen hat, kennt all mein Streben und Tun, meinen Eingang und Ausgang, mein Aufstehen und Niederliegen. Würde er mich nicht besser kennen, als die Menschen mich richten, dann könnte ich wohl sagen: Wehe mir, dass ich geboren bin!
Zweitens schreibt er, dass ich seinen Namen und ihren Kirchendienst unverdienterweise geschändet habe.
Antwort: Dass ich über Johannes a Lasco oder seine Mithelfer irgendetwas Unwahres geschrieben habe, wird mir hoffentlich niemand mit der Wahrheit beweisen. Habe ich ihnen aber mit der Wahrheit wehe getan, dass er es mir so übel nimmt, dann mögen sie der Wahrheit die Schuld geben und nicht mir. Alles was ich von seiner und seiner Prediger Lehre, Sakramenten, Kirchendienste, Kirche oder Gemeinde im Allgemeinen geschrieben habe, darüber will ich gerne alle redlichen Leute urteilen lassen; ob ich recht oder unrecht, zu wenig oder zu viel geschrieben habe. Ist ihre Lehre samt ihrem Kirchendienst aus Gott und Gottes Wort, warum werden dann ihre rohen, ruchlosen Jünger nicht von ihrem gottlosen Handel und Wandel bekehrt? Es kann ja nach Inhalt der Schrift gar nicht fehlen, dass die Lehre und der Dienst, die aus Gott sind, Schärfe, Kraft und Nachdruck haben (Jer 23,29). Dass aber nur leeres Stroh von ihnen gedroschen wird, geht aus der Frucht unbestreitbar hervor. Mein Gewissen sagt mir nichts anderes, denn dass ich recht und wohl an ihnen und ihrer Gemeinde gehandelt habe, denn ich habe an ihnen gestraft, was alle Propheten, Apostel und treuen Zeugen Gottes vor mir mit so großem Eifer gestraft haben, nämlich das fleischliche, unbußfertige Leben, welches der ganzen Welt bekannt ist. Habe ich übel daran getan, so muss ich mit Mose und den Propheten, mit Christo und den Aposteln ins Gericht treten, dass sie mir Unwürdigem und allen gottesfürchtigen Predigern solches so nachdrücklich auferlegt und so ernstlich befohlen haben. Deshalb müssen wir Elenden auch so ungemein viel in dieser rasenden, wüsten Welt hören und leiden. Alles, was ich in dieser Hinsicht getan habe, habe ich aus wohlmeinender, treuer Liebe für ihre armen Seelen getan, damit sie sich bessern – das weiß er, der mich geschaffen hat.
Drittens sagt er: Ich habe unsere Lehre mit der Autorität des göttlichen Wortes von eurer Lästerung reinigen müssen. Es ist wohl leicht für euch, diese Lehre bei den Eurigen mit eurem Geschrei zu tadeln, aber dieselbe mit Kraft der Schrift bestreiten, das könnt ihr nicht.
Antwort: Wenn es Lästerung genannt werden kann, das Unrecht mit Gottes Geist und Wort zu strafen, dann habe ich nicht allein, sondern auch Jesaja, Jeremia mit allen andern Propheten und Christus Jesus, samt seinen Aposteln, nicht wenig gelästert. Ich habe ihre Sache mit des Herrn Wort gestraft und sie durch Gottes Gnade überzeugt, dass sie nicht die wahren Boten Gottes sind, noch ihre Gemeinde die wahre Kirche. Es wird aber Johannes a Lasco schwer fallen, unsere Lehre, die nicht unsere, sondern die des Herrn Christi ist und unsere aus der heiligen Schrift geflossene Bestrafung zur Lästerung zu machen. Auch wird er Mühe haben, seine Lehre von der Menschwerdung, seine Kindertaufe, die Berufung seiner Prediger, seine Absonderung und das gemächliche, ruchlose Leben in seiner Gemeinde vor seinem Gott, der alle Dinge recht richtet, recht und gültig zu machen. Philosophie, Vernunft und Glossen werden wir, fürchte ich, im Überfluss finden, aber nur wenig Kraft, Grund und Wahrheit nach der Schrift. Ja, guter Leser, ich bin fest davon überzeugt, dass, wenn die weltliche Gewalt sich in jeder Hinsicht unparteiisch erzeigte, was auch ohne Zweifel sich gebührte, man bald finden würde, welche Seite mit der Schrift den Sieg davon trägt.
Viertens sagt er: »Wenn wir unsere Lehre mit der Kraft des göttlichen Wortes beweisen, dann wird es offenbar werden, dass wir ohne alle Schuld beschimpft worden sind und unser aller Unschuld wird gepriesen werden.«
Antwort: Wenn er seine Lehre und Sakramente mit der Autorität des göttlichen Wortes bewiesen haben wird, wie er hier rühmend vorgibt, dann will ich zugeben, dass ich sie unbilligerweise oder mit Unrecht in dieser Hinsicht gestraft habe. Allein es ist weiter nichts, als das arme Volk beständig mit Lügen trösten und mit erdichteten Verheißungen auf dem krummen Wege halten. Und wenn er auch seine Lehre und Sakramente als schriftmäßig beweisen könnte, was er aber nie tun wird können, er mache es, wie er wolle, so wäre der Sache damit noch nicht halb geholfen, denn die Lehre und Sakramente sind eitel und nutzlos, wenn der fruchtbare tätige Glaube und das unsträfliche, fromme Leben, weshalb die Lehre verkündet und die Sakramente von Gott verordnet sind, nicht vorhanden sind. Was für ein Leben aber bei ihren Gemeinden im Allgemeinen und auch bei dem größten Teil ihrer Prediger gefunden wird, mögen diejenigen beurteilen, die ihren täglichen Handel und Wandel sehen und die heilige Schrift verstehen.
Fünftens sagt er: »Hättet ihr eure Schriften zu uns allein gesandt, wie ihr zu tun versprochen hattet, so hätten wir auch euch allein antworten können. Nun aber habt ihr sie unter den Eurigen verbreitet, ehe sie zu uns gekommen sind.«
Antwort: Dass ich ihnen solches sollte versprochen haben, bin ich mir keineswegs bewusst. Ich wüsste auch nicht, warum ich solches versprechen sollte, da ich sonst nichts zu schreiben hatte, als was mein eigentlicher Grund und Glauben war, welches ich nicht nur mit Schriften im Verborgenen, sondern auch mit meinem Blute vor der ganzen Welt zu bezeugen begehre, wenn mich nur der Herr mit seiner Gnade stärkt und mir beisteht.
Dass er aber schreibt, dass ich es unter den Unsrigen verbreitet habe, so hat er damit zu viel geschrieben; denn sobald ich von ihnen weggereist war, nahm ich meinen Aufenthalt an einem verborgenen Platz, wie ich seit vielen Jahren um des Zeugnisses Jesu und meines Gewissens willen habe tun müssen. Daselbst habe ich meinen Grund und Glauben von der Sache einfach in einer Schrift verfasst und ihnen diese ohne irgendwelchen Verzug unserm Übereinkommen gemäß zugesandt – mit dieser einzigen Ausnahme, dass ich die Schrift zuerst dem wohlgeachteten M. H. G., löblichen Andenkens, der zur Zeit Oberamtmann und Bürgermeister war, zustellte. Dass dies die Wahrheit ist, dafür soll der große Herr mein Zeuge sein. Da es denn auf angegebene Weise zugegangen ist, wie kann ich die Schrift unter den Unsrigen verbreitet haben, ehe ich sie ihnen zustellte, wie er mich hier beschuldigt? Und hätte ich auch getan, wessen er mich beschuldigt, was wäre ihm und den Seinen damit für ein Unrecht geschehen? Es ist ja nicht nur mein, sondern auch aller Unsrigen Grund und Glauben, wie viele gut wissen.
Sein Verstand wird ihm gesagt haben, dass es dem Leser unbillig erscheinen würde, ein so ehrenräuberisches und feindseliges Buch ohne jegliche Ursache wider jemand zu schreiben und er musste daher einen Vorwand haben, auf dass sein Schreiben über den armen, stummen Menno, der sich der großen Tyrannei wegen nicht vor der Welt verteidigen kann, doch einen Schein von Berechtigung habe. Ob er aber damit vor dem unparteiischen Richterstuhle Christi bestehen kann, wird aus seinem Urteilsspruche hervorgehen. Der liebe Herr rechne es ihm nicht zur Sünde an, denn ich weiß, dass ich unschuldig bin.
Sechstens schreibt er: »Die Eurigen sind die Ursache gewesen, dass ich öffentlich mit euch verhandeln muss, indem sie in West-Friesland und auch in einem großen Teil Hollands beständig das Gerücht verbreitet haben, dass es euch und den Eurigen freistehe, eure Lehren in unsern Kirchen zu lehren und dass wir überwunden seien und nichts hätten, womit wir eure Lehre widerlegen könnten.«
Antwort: Nicht ein einziges Wörtlein habe ich meiner Lebtag von all diesem gehört, außer was ich in seiner Schrift gelesen habe. Wenn einige der Unsern sich so gerühmt haben, wie er schreibt, was ich ihnen aber keineswegs zutraue, so haben sie offenbar in dieser Hinsicht nicht die Wahrheit, sondern eitel Lügen geredet. Die Lüge aber ist ein schändliches Ding; ja, sie stammt aus dem Teufel und tötet die Seele (Joh 8,44; Weish 1,11).
Hat er es denn wirklich so gehört, so ist es gleichwohl nicht recht von ihm gehandelt, dass er solchen gemeinen Parteigeistern und Lügnern Gehör geschenkt und solches ohne alle Wahrheit und seinem Nächsten zum größten Nachteil zum immerwährenden Andenken in einem Buch an die ganze Welt geschrieben hat.
Hat er es aber selbst erdichtet und nicht von andern gehört, was ich nicht von ihm vermute, so gereicht es seinem berühmten Namen zu großer Schande und seiner armen Seele zum großen Falle; denn das Lügen ist eine schändliche Sache und wird keinen Platz in Gottes Stadt finden.
Ich sage es noch einmal, dass er solches erdichtet, glaube ich nicht; so viel aber darf ich wohl glauben, dass er der Lüge allzu begierig sein Ohr geöffnet, allzu rasch geglaubt und allzu schnell geschrieben hat. Doch sei dem, wie ihm wolle, ich weiß gewiss, dass was sein Schreiben betrifft, er nicht nach christlicher Liebe und Billigkeit an mir gehandelt hat, er schmücke die Sache, wie er wolle. Der große Herr wird seiner Zeit schon offenbar machen, was ein jeglicher sucht und vorgibt, behauptet, lehrt, tut und verteidigt.
Siebtens beschuldigt er mich, dass ich zwei lateinische Syllogismen, die er mir früher einmal mitgegeben hat, verspottet habe; dass ich Gelehrsamkeit und Sprachwissenschaft verachte, sie Philosophen gescholten, mich selbst aber für einen einfachen Theologen ausgegeben habe, womit ich die Ungelehrten und Einfältigen bestricke und fange und mir ein Ansehen mache, obwohl meine Einfachheit keine Einfachheit, sondern vielmehr Unwissenheit sei. Ja, er hat mich mit so düstern Farben gemalt, dass vielleicht mein Gedächtnis, obwohl leider nicht zu meiner Ehre, unter den Menschen fortdauern wird, solange die Welt dauert.
Antwort: Dass er diese bitteren Scheltworte über mich geschrieben hat, kommt daher, weil ich ihm und seinen Mithelfern geschrieben hatte: Entgegnen wir einander nicht mit gekünstelten, feinen Syllogismen oder sonstigen menschlichen Spitzfindigkeiten, denn solche haben wir nicht; wir entgegnen nur mit dem offenen, klaren, bezeugenden Worte, das nicht mit Glossen verdreht noch mit Menschenweisheit gebrochen werden kann. Dies sind meine Worte, die ich im Jahre 1543 in meinem Bekenntnis an ihn und seine Prediger schrieb. Jetzt mögt ihr, die ihr ein frommes Herz habt, urteilen, ob ich deshalb eine so schändliche, feindselige Behandlung verdient habe. Doch denke ich mir, dass nicht die eben angeführten Worte, sondern die arme gehasste Wahrheit mir dieses eingebracht haben. Verstehe mich recht, mein Leser, Gelehrsamkeit und Sprachwissenschaft habe ich meiner Lebtag nicht verachtet, sondern von Jugend auf geschätzt und geliebt, obwohl mir dieselben nicht zu Teil geworden sind. Ich bin, Gott Lob, meiner Sinne noch nicht so beraubt, dass ich die Sprachwissenschaft, durch welche das teure Wort der göttlichen Gnade auf uns gekommen ist, verachte oder verspotte. Von Herzen gerne wollte ich sie mir und allen Frommen wünschen, wenn wir sie in rechter Demut und reiner Gottesfurcht ausschließlich zum Preise unseres Gottes und zum Wohle unseres Nächsten gebrauchen könnten.
Ist es nicht eine hässliche Schande, dass sie so selten die Wahrheit sprechen und mir, obwohl ich es keineswegs verdient hat, fortwährend einen solchen Lügensack auf den Rücken binden wollen? Ja, meine Leser, wollte ich Gleiches mit Gleichem vergelten, wie das natürliche Gesetz mich lehren würde, so hätte ich bald einige erdichtete Nachreden beieinander, die man zum Teil über mich gesprochen und zum Teil über mich geschrieben hat, deren mich aber weder er noch sonst jemand in Ewigkeit mit der Wahrheit überführen wird. Ob dies recht und wohl getan heißen kann, mögen alle unparteiischen und redlichen Herzen in Billigkeit und Liebe beurteilen.
Ich möchte ihn und alle unsere Gegner um Gottes willen herzlich bitten, doch nicht anders gegen mich zu handeln, als ich gegen sie, so sie nicht nach meinem Blute dürsten, welches ich von einigen von ihnen gewiss nicht erwarte. Die Fehler, welche ich an ihnen wahrnehme, rüge ich und ermahne sie deshalb, wie es die Liebe erheischt, obwohl man mir das übel dankt. Dass ich aber über sie lügen sollte, davor wolle mich der große Herr bewahren; denn ich weiß gut genug, aus welcher unreinen Quelle die Lüge fließt und was für ein Ende sie nehmen wird. Auch weiß ich wohl, dass es nicht der Same ist, aus dem man Gottes Kinder gebären und Christo eine Gemeinde versammeln soll. Es ist mein Wunsch, dass auch sie mit mir auf gleiche Weise handeln möchten und nicht anders, wenn ich in einigen Stücken menschlicherweise fehle, nämlich, dass sie mich mit der Wahrheit ermahnten und straften; und dass sie ihr Recht (so sie in irgendwelcher Hinsicht recht haben möchten, was leider nicht der Fall ist) mit der Schrift verteidigen und den Schlangensamen seine Lügen und Kainssamen seine Gewalt brauchen ließen.
Was aber meine Unwissenheit betrifft, die er mir hier mit so großer Bitterkeit vorwirft, so schäme ich mich nicht, vor jedermann zu bekennen, dass ich nicht allein unwissend, sondern auch ganz ungelehrt und in Sprachen wenig oder gar nicht erfahren bin. Ja, meine Leser, ich sage mit Sokrates frei heraus, was Menschenkunst und -weisheit anbelangt, so weiß ich nur das eine, nämlich, dass ich nichts weiß. Doch was die himmlische Weisheit betrifft, bin ich durch des Herrn Gnade so viel von Gott gelehrt, dass ich von Herzen weiß, dass mein Erlöser und Heiland Christus Jesus Gottes ein- und erstgeborner Sohn ist; dass wer an ihn glaubt, das ewige Leben hat und dass wer nicht an ihn glaubt, verdammt ist; dass ein Lügner aus dem Teufel ist; dass wer seinen Nächsten hasst, ein Totschläger ist; dass wer keine Buße tut, in seinen Sünden sterben muss; dass der Tod der Sünden Sold ist. Durch diese so wenig geschätzte Weisheit habe ich, dem Herrn sei ewig Dank dafür, so viel Gottesfurcht in meiner armen Seele empfangen, dass mein irdisches, fleischliches Gemüt sich zu einem bessern Sinn bekehrt hat und es mir herzlich leid tut, dass ich nicht aus allen Kräften in Christo Jesu nach Gottes Willen wandeln und ein aufrichtiger, unsträflicher Christ sein kann und dass ich nicht die ganze Welt mit des Herrn Geist, Kraft und Wort aus ihrem verstockten, gottlosen Wesen in ein neues, bußfertiges, christliches Leben führen kann. Denn dies ist meines Herzens einige Freude und Herzenswonne, dass wir Christum Jesum nach Inhalt seines heiligen Wortes recht predigen, seinen heiligen Namen groß machen, fürchten, lieben und ihm dienen mögen, ja, dass wir die Stadt des lebendigen Gottes, das herrliche Reich seiner Ehrenund der Tempel seines heiligen Geistes sein mögen.
Diese Weisheit aber, die solche Kräfte und Früchte hervorbringt, achte ich für die allerwürdigste, die es gibt, und wenn sie auch nur von einem Kärrner oder Kohlenträger gelehrt und wieder ans Licht gebracht wird. Ja, sie ist das einzige Vergnügen und Freudenöl meines bekümmerten Herzens, die einzige Linderung meines schweren Elends und wird auch durch Gottes Gnade bis ans Ende die herrliche Zierde und Krone meiner Ehre sein. Lest, was Salomo in seinen Sprüchen, Sirach und das Buch der Weisheit über diese edle und hochgelehrte Weisheit und Philosophie sagen, welches ihre eigentliche Tugend, Kraft und Wirkung sei.
Siehe, mein Leser, um der Süßigkeit, Ehrbarkeit, Tugend, Frucht, Liebe und Schönheit dieser Philosophie willen, die ich weder von hochberühmten Doktoren noch in Hochschulen gelernt habe und um meine arme, elende Seele mit ihrer lebendigen Kraft zu ergötzen, will ich lieber aller Weltgelehrten unwissender und ungelehrter Tor sein und vor meinem Gott weise erfunden werden, als einer der berühmtesten der Weltweisen, aber zuletzt ein Tor vor dem weisen Gott zu sein. Dies ist meine Verantwortung und kurze Antwort auf sein bitteres Schelten.
Ich sage es noch einmal: Die Ausdrücke feine Syllogismen und Spitzfindigkeiten habe ich ohne die geringste Verachtung der Kunst in der Einfachheit meines Herzens niedergeschrieben und niemanden damit verachtet oder verkürzt, denn ich lobe die Kunst, wenn sie in Gott und recht gebraucht wird. Doch höher denn alles andere, stelle ich die einfache tugendreiche Kunst und Weisheit, die von oben kommt, denn die wird niemals vergehen, sondern im ewigen Leben mit allen Frommen in herrlicher Ehre bleiben.
Hiermit habt ihr den ersten Teil dieses Buches. Ich hätte wohl nichts von diesen Dingen in Erwähnung gebracht, wenn sie nicht die Erbitterung etlicher hervorgerufen, den Fortgang des Wortes gehemmt und die Gottesfürchtigen beschwert hätten. Nun aber bin ich durch die Not gezwungen, solches zu tun. Der liebe Herr gönne uns allen seine Gnade, Amen.
Unser Bekenntnis
Dass wir der Gelehrten Grund, Lehre und Glauben von des Herrn Menschwerdung nicht gut heißen, sondern mit Schrift und Wahrheit bestreiten, geschieht deshalb, weil wir mit Augen sehen und mit Händen greifen können, dass sie uns Christi, des Sohnes Gottes, gänzlich berauben und uns auf eine irdische, sündliche Kreatur – einen Menschen aus Adams unreinem und sündlichem Fleische hinweisen; weil ihr Lehren und Vorgehen in dieser Hinsicht keineswegs weder mit Gottes Verordnung (1Mo 1,28), noch mit der Natur, noch mit der Schrift, noch mit den Eigenschaften der Namen Vater, Mutter und Sohn übereinstimmt und Christus in solchem Falle notwendigerweise eine Menge Widersprüche in sich schließen müsste, wie z. B. Erbsünde, Verdammnis, Fluch und Tod. Ferner müsste er demzufolge nur ein halber Mensch sein, da das Weib nach ihrem eigenen Geständnisse so viel zur Frucht beiträgt, wie der Mann; er müsste aus zwei Personen, einer göttlichen und einer menschlichen, bestehen, was sie zwei Naturen oder Teile nennen; es müssten zwei Söhne sein, der eine Gottes Sohn ohne Mutter und dem Leiden nicht unterworfen, der andere Marias Sohn ohne Vater und dem Leiden unterworfen; wenn Gott ein Vater des Menschen Christus heißen soll, so müsste er alsdann ein erschaffender und nicht ein zeugender Vater seines Sohnes und Christus nicht ein geborener, sondern ein erschaffener Sohn seines Vaters sein; dann wäre Adam und seine Nachkommenschaft nicht durch das Wort, in welchem alles bestehen muss, sondern durch sein eigenes, der Verdammnis und des Todes schuldiges Fleisch, in welches das Wort sich hüllte und (während seines Weilens auf Erden) darin wohnte, erlöst worden und was dergleichen unvereinbare Widersprüche noch mehr sind.
Darum habe ich es für gut und nützlich gefunden, ehe ich zur Widerlegung und Zergliederung der Widersprüche übergehe, dem Leser unsern Glauben und unser Bekenntnis aus heilsamer, unverfälschter Schrift vorzulegen, wie der Herr Jesus Christus nicht ein unreiner, geteilter, aus zwei Personen und Söhnen bestehender Christus, sondern ein ungeteilter, reiner Christus, eine einzige Person, ja, Gottes ein- und erstgeborner eigener Sohn ist. Werverständigen Herzens ist und Gott fürchtet, der lese und richte.
Erstens führe ich an, Gottes Verordnung, auf welche Johannes a Lasco selber mich hinweist, nämlich: »Seid fruchtbar und mehret euch,« aus welchem ich lerne, dass des Menschen Erzeugung durch Vermischung eines Mannes mit einer Frau, die noch zur Erzeugung tauglich ist, aus Mannessamen geschieht und dass die Frucht ursprünglich nicht von der Frau, sondern von dem Mann durch die Frau kommt, wie weiterhin ausführlicher behandelt werden soll (1Kor 11,11).
Hier berufe ich mich erstens auf das befruchtet werden Saras, als der Herr zu Abraham sprach:
»Sara, dein Weib, soll dir einen Sohn gebären, den sollst du Isaak heißen.« (1Mo 17,19)
Um diese Worte und auch Gottes Verordnung in 1Mo 1 recht zu verstehen, muss der Leser wohl in Erwägung ziehen, dass Sara ihrer eigenen Aussage zufolge verschlossenen Leibes (1Mo 16,2) und alt war, und dass es ihr nicht mehr nach der Weiber Weise ging (1Mo 18,11). Sie wurde aber dennoch durch den Glauben fähig, den Samen ihres Mannes zu empfangen und zu behalten und sie hat über die Zeit ihres Alters Abraham einen Sohn geboren (Hebr 11,11).
Diese Segnung Saras kann ich in meinem schlichten Verstande nicht anders verstehen, denn dass der zugeschlossene Leib Saras, der es ihres hohen Alters wegen nicht mehr nach der Weiber Weise ging, und die darum auch nicht mehr zum Empfangen fähig war, durch die Kraft Gottes nach der Abraham gegebenen Verheißung mit Abrahams und Saras Glauben geöffnet und fähig gemacht worden ist, den Samen ihres Mannes zu empfangen, zu behalten und durch denselben befruchtet zu werden, die empfangene Frucht zu nähren und seiner Zeit zu gebären. Seht, so ist Isaak aus seines Vaters Samen von Sara empfangen und dem Abraham nach Gottes Ordnung ein Sohn aus ihr geboren worden.
Neben dieses stellt die Sprache Philonis oder, wenn ihr lieber wollt, des weisen Salomos, die so lautet:
»Ich bin auch ein sterblicher Mensch, gleichwie die andern, geboren vom Geschlecht des ersten geschaffenen Menschen; und bin aus Fleisch gebildet, zehn Monden lang im Blut zusammen geronnen, aus Mannessamen (merkt wohl, er sagt: aus Mannessamen) durch Lust im Beischlafen.« (Weish 7,1–2)
Ferner: Der Herr sprach zu Jakob:
»Völker und Völkerhaufen sollen von dir kommen und Könige sollen aus deinen Lenden kommen.« (1Mo 35,11)
So auch:
»Er (Levi) war je noch in den Lenden des Vaters, da ihm (Abraham) Melchisedek entgegen ging.« (Hebr 7,10)
Und solcher klaren Sprüche gibt es noch mehr.
Hier lasse ich nun die Philosophen philosophieren und die Naturforscher darüber streiten, so lange sie wollen, wie viel oder was eine wirkliche Mutter von ihrem Leibe zu ihrer Frucht beitrage; Gottes Verordnung, Abrahams und Saras Beispiel, das reichliche Zeugnis der Schrift, sind für mich in dieser Sache ein hinreichender, ja, unwidersprechlicher Beweis für die Behauptung, dass ein wirkliches Kind seinen Ursprung vom Vater und nicht von der Mutter nimmt und nehmen muss.
Zweitens berufe ich mich auf die Worte des heiligen Engels Gabriel, da er Maria die Botschaft brachte, dass sie schwanger werden und einen Sohn gebären werde. Sie fragte:
»Wie soll das zugehen, da ich von keinem Manne weiß? Der Engel antwortete ihr und sprach: Der heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum auch das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden.« (Lk 1,34–35)
Seht, hier haben wir das Zeugnis eines wahren Boten, dass Gott der Vater ein wahrer Vater unseres Herrn Christi ist. Gewiss hat hier Gottes eigener Engel diejenigen Lügen gestraft, die sagen, der gekreuzigte Christus Jesus habe keinen Vater gehabt.
Da wir denn aus Gottes eigener Ordnung und aus zahlreichen Schriftstellen ganz offenbar ersehen, dass ein wirkliches Kind nach Gottes Ordnung seinen Ursprung aus dem Samen seines Vaters nimmt, wie gesagt worden ist, und die ganze Schrift uns so gründlich belehrt, dass Gott der Vater ein wirklicher Vater seines Sohnes Jesus Christus ist, so sagen wir: Wir glauben und bekennen, dass Gottes ewiges Wort (das auch sein Samen in der Schrift genannt wird) von oben herabgekommen ist, durch die Überschattung der göttlichen Kraft sich in Maria niedergelassen hat und über aller Menschen Vernunft und Begriff, nach des allmächtigen und himmlischen Vaters unveränderlichem Ratschluss und gnädiger Verheißung, durch die Wirkung des heiligen Geistes in ihr ein wahrer, greifbarer, dem Leiden unterworfener und sterblicher, doch unvergänglicher Mensch wunderbarer Weise geworden ist, wie Johannes sowohl in seinem Evangelium als in seinen Episteln klar und deutlich bezeugt (Joh 1,14; 1Joh 1,2; Hebr 2,14; Phil 2,7). Ich sage, er war ein Mensch, der uns in allen Stücken gleich war, ausgenommen, dass er keine Sünde hatte. Doch meine ich nicht, lieber Leser, dass er Adams unreinem Samen und Fleisch entsprossen und durch Gottes Kraft vor Sünden bewahrt worden ist, wie die Gelehrten ohne Autorität des Wortes Gottes sagen; denn das, was die Sünde nicht gekannt hat, ist der Samen und der Ursprung seines Fleisches gewesen, wie Johannes sagt: »Das Wort ward Fleisch.« Hierüber prüft die Schriftstellen, die bezeugen, dass Jesus Christus Gottes ein- und erstgeborener, eigener Sohn ist und ihr werdet finden, wie jämmerlich jene irren, die sich zu sagen erkühnen, der Mensch Christus habe keinen Vater.
Von Maria, des Herrn Mutter, glauben und bekennen wir, dass der allmächtige, ewige Gott und Vater ihren jungfräulichen Leib, wie einst den alten, geschlossenen und erstorbenen Leib Saras, mit der Kraft seines ewigen und heiligen Geistes gnädiglich so zubereitet hat, dass derselbe fähig geworden ist, sein unerforschliches, ewiges Wort nach des Engels Zusage durch den Glauben zu empfangen, wie Sara vermittelst Vermischung den Samen Abrahams empfangen konnte; und dass das menschgewordene Wort auch auf menschliche Weise, gleichwie Isaak von Sara, in ihrem jungfräulichen Leibe durch natürliche Speise und Trank, als eine natürliche Frucht und Kind ihres Leibes, zum gewissen Zeugnis, dass er ein wirklicher Mensch und nicht ein bloßes Phantasiegebilde war, genährt worden ist und zur bestimmten Zeit ein ungeteilter und wahrer Sohn Gottes und Marias, als ein natürliches Kind von seinem Vater und seiner Mutter, die menschliche Vermischung allein ausgenommen, in die Welt geboren worden ist, wie die Schrift bezeugt.
Seht, in diesem Sinne glauben wir, dass er des Weibes, Abrahams und Davids Samen ist, der ihr aus besonderer Gunst und Gnade, der ganzen Welt zum Heil und zur Erlösung, von Gott dem Vater nach dem untrüglichen Worte seiner Verheißung als das höchste Pfand und der sicherste Beweis seiner göttlichen Liebe im Glauben zu eigen gegeben worden ist und den die erwähnte von Gott verordnete Frau als den Heiland aller Welt in schon angeführter Weise nach dem Worte des Engels in Nazareth empfangen und nach des Propheten Wort in Bethlehem geboren hat (Mi 5,1).
Getreue Leser, merkt: Matthäus und Lukas geben Kunde, dass Maria durch den heiligen Geist von Gott befruchtet worden ist, doch den Neugierigen haben sie nicht genügend Aufschluss gegeben, aus wessen Samen die Befruchtung hauptsächlich hergekommen ist. Im Laufe der Zeit aber haben sich mehrere Sektierer in der Gemeinde erhoben, wie Cerinthus und Ebion, die laut der Geschichte verderbliche Irrlehren betreffs der Person Christi einführten.
Schließlich hat Johannes auf Bitten der Bischöfe in Asien einen klaren Bericht von Christo, dem Sohne Gottes, geschrieben und zwar nicht allein von seiner ewigen Gottheit, wie die Gelehrten sagen, sondern auch von seiner heiligen Menschheit, wie man überall in allen seinen Schriften deutlich erkennen kann. Mit ausdrücklichen, klaren Worten hat er unwiderleglich dargetan, wer und was er von Ewigkeit gewesen, wer und was er in der Zeit geworden, aus wessen Samen und von wem die Befruchtung Marias (von der Matthäus und Lukas melden) geschehen ist – nämlich nicht aus dem unreinen Samen Adams, sondern aus dem reinen Samen seines Vaters, Gottes Wort, indem er sagt:
»Das Wort ward Fleisch.« (Joh 1,14; 1Joh 1,2)
Er hat aber nicht gesagt, wie unsere Widersacher: »Das Wort hat einen Menschen von unserm oder von Marias Fleisch an sich genommen und in demselben seine Geburt oder Wohnung gehabt.« Außerdem weist er auch an, von wannen er gekommen ist, was er uns gelehrt und was für ein Vorbild er uns hinterlassen hat, was wir durch ihn empfangen haben und wohin er wiederum gefahren ist. Wer nun dem, was Johannes von Christo, dem Sohne Gottes, zeugt, recht glaubt, der hat das ewige Leben durch seinen Namen (Joh 20,31). Wer aber seinem Zeugnis nicht glaubt, sondern es verwirft, ist nicht aus Gott und hat weder den Vater noch den Sohn, sondern ist ein Antichrist und Verführer (1Joh 2,4; 2Joh 7–9). So lautet unser einfaches und schlichtes Bekenntnis von Christo, dem Sohne Gottes.
Da ich nun im Begriffe bin, unsere Lehre, Grund und Bekenntnis etwas ausführlicher zu erklären, so möge der Leser zuvor wissen, dass die Schrift überall darauf hinweist, dass Gott, der allmächtige Vater, alle Dinge durch sein Wort geschaffen hat und alles dadurch regiert und aufrecht erhält (1Mo 1,1; Ps 33,6; Kol 1,16; Joh 1,3; Eph 3,9).
Da es denn offenbar ist, dass Adam durch dasselbe Wort geschaffen und für seinen Ungehorsam durch Gottes Gerechtigkeit samt seinem ganzen Samen der Verdammnis und dem Tode anheimgefallen ist, und da er aus und durch sich selbst nicht mehr aus diesem Zustande gelangen konnte, weil er mit seinem ganzen Samen in seiner Natur verdorben und durch Gottes Gerechtigkeit verdammt war, so ward Gott durch seine Liebe dazu getrieben, denselben Adam und seine Nachkommen, die sonst ewig verloren hätten sein müssen, durch dasselbe Wort, durch welches er ihn geschaffen hat, auch wieder von seinem tödlichen Fall, seiner Verdammnis und seinem Fluche zu erlösen, auf dass er allein die Ehre behalte und durch sein Wort und Sohn Christum Jesum ewiglich für seine unaussprechlich große Liebe und Gnade gepriesen werde. Denn wäre die Erlösung durch irgendein anderes Mittel geschehen, so dürfte man billigerweise diesem dafür danken und es rühmen. Seht, mit diesem unserm Bekenntnis, Grund und Glauben stimmt die ganze Schrift überein, wie ihr durch Gottes Gnade aus den angeführten Schriftstellen recht deutlich ersehen werdet.
Johannes sagt:
»Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort […] Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.« (1Joh 1,1,14)
Diesem Zeugnis Johannis schenken wir vollen Glauben und lassen es daher auch unverändert stehen, auf dass der ganze Christus Gottes Sohn bleibe. Denn wir sehen mit offenen Augen, dass es, was diesen Artikel anbelangt, der ganzen Schrift gleicht und in jeder Hinsicht mit derselben stimmt.
Wir sind fest überzeugt und hegen nicht den geringsten Zweifel, dass der heilige Geist, der die Seinen in alle Wahrheit zu führen sucht (Joh 14,26; 15,26; 16,7), nichts anderes gemeint, als was er hier durch diesen treuen und einfachen Fischer Johannes gesprochen hat; denn hätte der liebe Bote des heiligen Friedens es nicht so gemeint, wie er es hier geschrieben hat, so hätten die Gemeinden, die zur Zeit sich in so großer Erregtheit in Betreff dieser Sache befanden, mit seinem Schreiben sich wohl nicht zufrieden gegeben, sondern wären in noch viel größeren Zwiespalt geraten und wir, ihre armen Nachkommen, wären auf einen sehr düstern und ungewissen Grund angewiesen gewesen. Doch nein, sein Zeugnis ist wahr und wird auch ewig wahr bleiben: »Das Wort ward Fleisch.«
Der Herr selbst bekräftigte unser Bekenntnis, indem er spricht:
»Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen. Wer von diesem Brote essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.« (Joh 6,51)
Treuer Leser, merke auf deines Herrn Wort: Christus sagt, dass sein Fleisch vom Himmel, die Gelehrten aber sagen, dass es von Adams Fleisch gekommen sei. Hier stehen sie sich schnurgerade gegenüber. Wohin soll das gottesfürchtige Gewissen sich nun wenden? Hält es sich an Christi Zeugnis und Wort, dann muss es bei den Gelehrten Verführer und Ketzer heißen; hält es sich aber an der Gelehrten Zeugnis und Wort, dann macht es Christum zu einem Lügner. Da wir denn so deutlich erkennen, dass Christus und die Gelehrten sich so schnurgerade gegenüber stehen, aber wohl wissen, dass Christus die untrügliche Wahrheit und alle Menschen Lügner sind (Ps 116,11), können wir uns gewiss nicht von der Wahrheit zur Lüge, sondern müssen uns von der Lüge zur Wahrheit kehren, mögen die Menschen uns deshalb richten, wie sie wollen, Gottes Wort bleibt ewiglich (Jes 40,8; 1Pt 1,24–25).
Vielleicht werden unsre Gegner hier eine Ausflucht suchen und sagen: Christus spricht von seinem würdigeren Teile; denn seine Gottheit ist vom Himmel und diese hat Adams Fleisch angenommen. Ich antworte: Sie sollen nur Christi eigenes Wort und Zeugnis lesen und glauben, dann werden sie finden, wie sie es nach ihrem eigenen Gutdünken und Willen und nicht nach dem Sinn und der Wahrheit Christi auslegen. Denn er sagt: »Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen.« Merkt wohl, er sagt: Vom Himmel gekommen. »Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch.« Merkt wiederum, er sagt nicht: …ist meine Gottheit, sondern: …ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.
Ich glaube, Christus hat hier seine eigenen Worte gewiss genugsam ausgelegt und erklärt; wir bedürfen daher der Auslegungen und Glossen der Gelehrten nicht, da beide, Christus und Johannes, nicht gründlicher und deutlicher von der Abkunst seines heiligen Fleisches hätten sprechen können, als sie in diesen erwähnten zwei Stellen getan haben. Darum sehe sich ein jeder wohl vor, was für Glossen er mache; denn wer diese klaren, gründlichen Zeugnisse verfälscht, der verfälscht nicht eines Menschen, sondern seines Herrn Wort. Auch verwirft er nicht uns, sondern den Sohn Gottes mit seinem heiligen Geiste und den erhabenen Apostel Johannes, die uns dieselben mit so unverhüllten, klaren Worten bezeugen und in so großer Klarheit hinterlassen und erklärt haben.
Christus bekräftigt dieses Bekenntnis ferner noch mit den Worten:
»Verkläre mich, du Vater, mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.« (Joh 17,5)
Dies ist, wie ich glaube, sicherlich auch ein klares Zeugnis, dass Christus sich selbst erniedrigt und um unsertwillen seines göttlichen Rechtes und seiner Herrlichkeit eine Zeitlang sich begeben hat (Phil 2,7). Denn obschon er die Gerechtigkeit und die ewige Seligkeit war, weigerte er sich dennoch nicht ein Sündopfer und Fluch für uns zu werden (1Kor 1,29; Röm 8,4; Gal 3,13; 2Kor 5,19).
Ja, guter Leser, wenn er in seiner ersten Gestalt, dem Leiden nicht unterworfen und unversehrt geblieben wäre, wie Johannes a Lasco und die Seinen vorwenden, und sich nur eine fremde Hülle von dem Fleische der Maria umgehangen hätte, so hätte er ja nichts verloren, das er von seinem Vater wieder begehren musste, da er nicht erniedrigt, sondern unversehrt in seiner ersten Gestalt geblieben wäre.
Nun aber ist es offenbar, dass das ewige, unbeschreiblich und unbegreiflich herrliche Wort, das von Ewigkeit her in Herrlichkeit und Klarheit, doch in unerforschlicher Weise, in und bei dem Vater gewesen ist, in der Zeit seine Klarheit uns zuliebe eine Zeitlang aufgegeben hat, ein armer, elender, sterblicher Mensch geworden und den bittern Tod für uns gestorben ist. Er hat aber seine erste Klarheit, die er von Anfang der Welt bei seinem Vater hatte, derselben aber um unsertwillen eine Zeitlang sich entäußert hatte, wieder begehrt. Diese Worte sind zu klar, um durch Vernünftelei verdunkelt werden zu können. Glaubt darum dem Worte eures Herrn, vertraut der Wahrheit und ihr werdet unbetrogen bleiben.
Mit unserm Bekenntnis stimmt auch der heilige Paulus überein, indem er sagt:
»Dass er aber aufgefahren ist, was ist es denn, denn dass er zuvor ist hinunter gefahren in die untersten Örter der Erde. Der hinunter gefahren ist, das ist derselbige, der aufgefahren ist über alle Himmel, auf dass er alles erfüllte.« (Eph 4,9–10)
Zu diesen deutlichen Worten Pauli, fügt noch das Wort und Zeugnis Christi, das er selbst von seiner Herkunft zeugt, indem er sagt:
»Niemand fährt vom Himmel, denn der vom Himmel hernieder gekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist.« (Joh 3,13)
Denkt diesen angeführten Worten Pauli ernstlich nach; denn hat er dieses Herniederkommen und Auffahren nur von seiner Gottheit gesprochen und nicht von seiner Menschheit, wie kann es denn mit dem erwähnten Zeugnisse Christi übereinstimmen, wo er sagt: »Niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel hernieder gekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist.«
Mein Leser, denke darüber nach: Christus nennt sich hier des Menschen Sohn und sagt, dass er vom Himmel hernieder gekommen ist. Der Sohn der Maria aber, von dem die Gelehrten sagen, dass er von ihrem Fleische sei, ist gewiss nicht vom Himmel hernieder gekommen, sondern muss von Adams Fleisch gekommen sein, wenn der Gelehrten Grund richtig ist. O nein, sondern das Wort ist vom Himmel hernieder gekommen, ist in diesen untersten Örtern der Erde Fleisch geworden und ist hernach wieder in alle Himmel aufgefahren, wo er vorher war.
Da denn Christus Jesus die erwähnten Worte nicht von seiner Gottheit allein, sondern auch von seiner Menschheit spricht, da er sagt: Des Menschen Sohn, so ist damit gewiss offenbar, dass der Mensch Christus ursprünglich nicht von der Erde, sondern vom Himmel ist; denn nach seiner ewigen Gottheit, die nach der Gelehrten Behauptung unversehrt geblieben sein soll, kann er nicht des Menschen Sohn heißen. Auch konnte er nach seiner Menschheit, wenn diese vom Fleische der Maria und nicht vom Himmel war, zur Zeit, da er diese Worte sprach, nicht im Himmel sein. Man muss daher diese Worte auf den ganzen Christus, d. h. auf seine Gottheit und auf seine Menschheit, beziehen. Aus diesem geht aber unwiderstehlich hervor, dass der ganze Christus Jesus Gott und Mensch, Mensch und Gott und seiner Abkunst nach vom Himmel ist, wie auch Johannes an einer andern Stelle bezeugt und sagt:
»Der von oben her kommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, der ist über allen.« (Joh 3,31)
Christus sagt:
»Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater.« (Joh 16,28)
Wenn man daher das Zeugnis Christi, Johannes des Täufers und Pauli als wahrhaft annimmt, so geht offenbar hervor, dass das Wort vom Himmel herniedergekommen und in Maria Fleisch geworden ist, unter den Menschen gewohnt und die Schrift erfüllt hat, wieder aufgefahren ist und sich zur Rechten seines Vaters gesetzt hat und von allen Engeln Gottes angebetet wird. Merkt, meine Leser, wie schlagend eine Schriftstelle die andere ergänzt und wie genau Christus, Johannes und Paulus miteinander übereinstimmen; fest und unerschütterlich steht das Zeugnis: »Das Wort ward Fleisch.«
Paulus erklärt unser Bekenntnis noch weiter und sagt:
»Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch; der andere Mensch ist der Herr vom Himmel. Welcherlei der irdische ist, solcherlei sind auch die irdischen und welcherlei der himmlische ist, solcherlei sind auch die himmlischen.« (1Kor 15,47–48)
Merke, mein Leser, obwohl Paulus hier eigentlich von der Auferstehung der Toten und von ihrer zukünftigen Klarheit spricht, bezeugt er dennoch mit derselben Stelle die Herkunft des ersten und des zweiten Adams und den Unterschied zwischen beiden, indem er sagt: »Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch; der andere Mensch ist der Herr vom Himmel.« Denn gleichwie der erste Mensch Adam irdisch genannt wird, weil er von der Erde ist, so wird der zweite Mensch Christus himmlisch genannt, weil er vom Himmel ist.
Sollte aber hier jemand einwenden und sagen, dass Christus hier seiner Gottheit halber himmlisch genannt werde, so wisse man, dass Paulus einen solchen mit diesen deutlichen Worten zurechtweist, nämlich: »Der andere Mensch ist der Herr vom Himmel.« Ich weiß nicht, wie sich der hohe Zeuge noch deutlicher ausdrücken hätte können. Weil er daher ein himmlischer Mensch und zudem noch von Gott seinem himmlischen Vater mit seiner ewigen Klarheit, die er von Anfang der Welt bei ihm hatte, wieder verklärt ist, darum nennt der heilige Apostel alle seine wahren Glieder nach der Auferstehung himmlisch; nicht dass sie vom Himmel sind, wie Christus vom Himmel war, sondern weil sie aus Gnaden durch Gottes Kraft in der Auferstehung der himmlischen Klarheit und der Natur der Engel teilhaftig werden sollen, wie auch Christus sagt:
»O Vater, ich habe ihnen (seinen Jüngern) gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast.« ((Joh 17,22))
So spricht auch Paulus:
»Unser Wandel aber ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesu Christi, des Herrn, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge ihm untertänig machen.« (Phil 3,20–21)
Lest auch was Christus von solchen sagt (Lk 20,36; 1Joh 3,2).
Es ist aus dieser Ursache, dass Paulus sie himmlisch nennt und sagt:
»Und wie wir getragen haben das Bild des irdischen, so werden wir auch tragen das Bild des himmlischen.« (1Kor 15,49)
Dies wird sein, wann dies Verwesliche das Unverwesliche und dies Sterbliche die Unsterblichkeit anziehen wird (1Kor 15,53).
»Dann werden die Gerechten leuchten, wie die Sonne in ihres Vaters Reich …« (Mt 13,43)
»…wie des Himmels Sterne und Glanz ewiglich.« (Dan 12,3)
Ja, alsdann werden wir dem Herrn gleich sein und ihn von Angesicht zu Angesicht sehen, wie er ist (1Kor 13,12).
An noch einer andern Stelle sagt die Schrift von Christus:
»Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit.« (Offb 1,17–18)
In diesen Worten gibt der heilige Geist uns noch ein unwiderlegbares Zeugnis, an dem alle klugen Disputanten und berühmten Meister dieser Welt zu Schanden werden müssen. Wollen sie diesen deutlichen Worten nach ihrem eigenen menschlichen Gutdünken und mit ihren verführerischen Glossen einen fremden Sinn beilegen, wie sie es mit Joh 1,14 und der ganzen Schrift machen, so mögen sie wissen, dass wir keinen menschlichen Glossen, sondern des Herrn Wort folgen und glauben. Lassen sie aber jene Worte unversehrt stehen, so ist damit ihre Sache verloren, denn der heilige Geist bezeugt, dass der Erste und der Letzte und der Lebendige gestorben ist.
Dass Marias Fleisch nicht der Erste und der Letzte ist, müssen alle Verständigen gewiss einsehen und zugeben. Wäre also der Mensch Christus vom Fleisch der Maria gewesen, wie die Gelehrten sagen, was der Erste und der Letzte weder ist noch sein kann, und jener so gestorben, so hätte Gottes Geist, welcher der Geist der Wahrheit ist, und auch Christus nicht die Wahrheit gesprochen, als er sagte: »Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot und siehe, ich bin lebendig …«
Weiter sage ich: Ist der Mensch Christus Jesus eine natürliche Frucht aus dem Fleische der Maria gewesen und hat das ewige Wort nur darin gewohnt, wie unsere Gegner behaupten und ist dieser Mensch gestorben und das Wort unverletzt geblieben, so muss Marias Fleisch auch der Erste und der Letzte sein. Dies ist deutlicher, als dass es widerlegt werden könnte.
Da es denn offenbar ist, dass Marias Fleisch in keiner Hinsicht weder der Erste noch der Letzte ist noch sein kann, wie gesagt worden ist, und es wahr ist, dass, nach dem hier angeführten Zeugnis des heiligen Geistes, der Erste und der Letzte gestorben ist, so ziehe ich daraus den Schluss, dass die Glossen unserer Gegner, worin sie uns auf Marias Fleisch weisen, verführerisch und falsch sind und dass die Gelehrten einen beklagenswerten Fehler begehen, wenn sie sagen, Gottes Sohn sei unverletzt geblieben und der Sohn der Maria gestorben. Ich wiederhole es noch einmal, jenes Wort steht fest: »Das Wort ward Fleisch.«
Mit diesem unseren Bekenntnis, Grund und Glauben stimmen auch alle Propheten, die durch den heiligen Geist von Christus, dem Sohne Gottes, gesprochen haben, überein. Micha sagt:
»Und du, Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.« (Mi 5,1)
Jesaja sagt:
»Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie heißen Immanuel, welches meint Gott mit uns.« (Jes 7,14; Mt 1,23)
Weiter sagt er:
»Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.« (Jes 9,5)
An einer anderen Stelle sagt er:
»Sage den Städten Judas: Siehe, das ist euer Gott.« (Jes 40,9)
Weiter sagt Jeremia:
»Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David ein gerecht Gewächs erwecken will; und soll ein König sein, der wohl regieren wird und Recht und Gerechtigkeit auf Erden anrichten. Zu der selbigen Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, dass man ihn nennen wird: Herr, der unsere Gerechtigkeit ist.« (Jer 23,5–6)
Gebt wohl Acht, meine Leser. Da der Ausgang dieses Fürsten von Ewigkeit her gewesen ist, wie gesagt worden, und er Immanuel, starker Gott, ewiger Vater, unsere Gerechtigkeit usw. von des Herrn Geist genannt wird, und die Propheten ihn mit solchen deutlichen Worten beschreiben, wie auch die Apostel tun; von wannen, wer und was er sei, so ziehe ich daraus den Schluss, dass der Mensch Christus Jesus nicht aus unreinem und sündlichem Fleische, sondern Gottes, seines Vaters, reiner Samen und Wort ist, gleich wie Johannes sagt: »Das Wort ward Fleisch.«
Dies denn ist unser eigentlicher Glaube und unser Bekenntnis von Christus, dem Sohne Gottes, nämlich: Gleichwie wir alle in Adam, unserem Vater, durch das ewige, unerforschliche Wort geschaffen und in und durch denselben Adam sündiger Natur und des Todes geworden sind, so sind wir auch wiederum durch die Vermittlung desselbigen ewigen und unerforschlichen Wortes, und nicht durch Adams sündiges Fleisch, von Gott in Gnaden angenommen und durch seine Barmherzigkeit zum ewigen Leben berufen worden, wie Christus sagt:
»Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.« (Joh 3,16; Eph 1,6; Offb 1,5–6)
Die ganze Schrift drängt uns dazu, dass wir Christum nicht nach dem Vorgeben der Gelehrten teilen, sondern ihn in seiner Ganzheit für den wahrhaftigen Sohn des wahrhaftigen und lebendigen Gottes bekennen sollen. Der Engel zeugte von Christo, Marias Sohn:
»Das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden.« (Luk 1,35)
Der Vater hat von ihm gezeugt in diesen Worten:
»Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.« (Mt 17,5)
Johannes der Täufer sagt:
»Der mich sandte, zu taufen mit Wasser, derselbige sprach zu mir: Über welchen du sehen wirst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, derselbige ist es, der mit dem heiligen Geist tauft. Und ich sah es und bezeugte, dass dieser ist Gottes Sohn.« (Joh 1,33–34)
Nathanael sagte:
»Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel.« (Joh 1,49)
Petrus, als Christus seine Jünger frug: »Wer sagt denn ihr, dass ich sei?«, antwortete:
»Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.« (Mt 16,16)
Martha sagte:
»Herr, ja, ich glaube, dass du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.« (Joh 11,27)
Die Jünger sprachen miteinander: »Du bist wahrlich Gottes Sohn.«
Christus selbst sprach zu dem Blinden:
»Glaubst du an den Sohn Gottes? Er antwortete und sprach: Herr, welcher ist’s, auf dass ich an ihn glaube? Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn gesehen und der mit dir redet, der ist es.« (Joh 9,35–37)
So auch der Hauptmann, als er sah, dass Christus mit solchem Geschrei verschied, sprach:
»Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen.« (Mk 15,39)
Als Paulus einige Tage bei den Jüngern in Damaskus gewesen ist, predigte er Christum in den Schulen, dass derselbige Gottes Sohn sei (Apg 9,20).
So sagt auch Johannes:
»Wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat zum Heiland der Welt. Welcher nun bekennt, dass Jesus Gottes Sohn ist, in dem bleibt Gott und er in Gott.« (1Joh 4,14–15)
Und solcher klaren Sprüche gibt es noch mehr.
Da denn die Schrift so reichlich und in jeder Hinsicht bezeugt, dass auch der Mensch Christus Gottes Sohn ist, geht gewiss daraus hervor, dass M. M. und seine Gesinnungsgenossen gräulich irren, wenn sie so laut behaupten, der Mensch Christus sei nicht Gottes Sohn gewesen, er habe keinen Vater gehabt, sondern es seien zwei Söhne in Christo gewesen, wovon der eine Gottes Sohn ohne Mutter und dem Leiden nicht unterworfen, der andere des Menschen oder der Maria Sohn, ohne Vater und dem Leiden unterworfen gewesen sei. Ich denke, dies heißt sicherlich, den Sohn Gottes samt allen den angeführten klaren Zeugnissen der heiligen Schrift verstoßen und uns auf einen geteilten Christus, ja, auf ein unreines, sündiges und todesschuldiges Fleisch und Geschöpf weisen, das die Schrift nicht kennt, noch viel weniger lehrt. O verabscheuungswerte Gotteslästerung!
Einem jeden nun, der in seinem Innern recht glauben und fassen kann, dass das Wort keinen Menschen von Marias Fleisch angenommen hat, sondern laut des Zeugnisses des Johannes selbst Fleisch geworden ist, dem geht damit das rechte Licht über Christum hell auf und er wird nicht mittels Wortvertauschungen argumentieren, nicht sich auf den würdigeren Teil von Christo noch auf die Gemeinsamkeit der Namen berufen und auch nicht zwei Personen und Söhne zu einer Person und Sohn machen, wie unsere Gegner tun, sondern er wird die Schrift ungeschändet stehen lassen und mit Johannes dem Täufer, mit Matthäus, mit Martha und mit der ganzen Schrift bekennen, dass Christus Jesus Gottes erst- und eingeborner, eigener Sohn, ein einziger und ungeteilter Christus, Gott und Mensch, Mensch und Gott, eine einzige Person und Sohn ist; da wir aus Schwachheit in unserm Fleische es nicht zu tun im Stande waren, die Handschrift des Gesetzes in seinem Fleische für uns ausgetilgt hat und zuletzt als ein unschuldiges und unbeflecktes Lamm für unser aller Sünden und Schuld gerichtet und zu Kreuz und Tod verurteilt worden ist (Kol 2,14; Röm 5,6; Jes 53,7; 1Pt 2,24).
Seht, dies ist unser Grund, Glauben und Bekenntnis von der allerheiligsten Menschwerdung unseres Herrn Jesu Christi, des Sohnes Gottes und der Maria, wofür wir von unsern Gegnern leider so gescholten und von ihnen und der ganzen Welt Verführer und Ketzer genannt werden. Und dies widerfährt uns darum, weil wir mit der ganzen Schrift lehren und bezeugen, dass der Herr Jesus Christus Gottes eigener und wahrer Sohn ist, wie gehört worden.
Wohlan denn, da es mit ihnen nicht anders ist noch sein kann, so müssen sie ihren Lauf laufen, wir können es nicht ändern, bis der Engel des Herrn ihnen begegnet und sie vom Esel gestraft werden (4Mo 22; 2Pt 2). Doch mögen sie sich vorsehen, dass sie ihre Füße nicht allzu hart an den Stein des Ärgernisses stoßen (Jes 28; Mt 21,44; Röm 9,32-33), denn die Zeit, da sie Rechenschaft werden geben müssen, ist nahe da. Mir ist es ein Geringes, dass ich von ihnen gerichtet werde (1Kor 4,3). Ich hoffe mich zu trösten in dem Herrn, der mich bei meiner Rechten gefasst hat und all mein Begehren, Vornehmen und Tun mit klaren Augen durchschaut. Er wird unsere Sache schon zu seiner Ehre ausführen, denn er weiß, dass es uns nicht um unsern sondern um seinen Preis zu tun ist. Er wird seine eigene Ehre schon zu wahren wissen. Auch kann es ohne Zweifel leicht geschehen, dass unsere Widersacher durch ihre Schmähschriften über uns und durch ihre groben Irrlehren von Christo, dem Sohne Gottes, vielen in ihrer wahren Gestalt erscheinen, dass sie nämlich selbst doppelt und dreifach sind, zu was sie uns gerne stempeln möchten. Der große Herr schenke ihnen seine Gnade. Amen.
Die Widerlegung
Ehe ich zur Widerlegung der Argumente unserer Gegner übergehe, möchte ich den gutgesinnten Leser zuerst treulich ermahnen, sich doch nicht mit seiner hochfahrenden Vernunft an dem klaren Glanz der ewigen Gottheit zu vergreifen oder in seiner Vermessenheit deren unerforschliche Tiefe zu ergründen suchen, auf dass er nicht, indem er meint, dieselbe durchschaut oder ergriffen zu haben, plötzlich erblinde und unversehens in den Abgrund stürze; denn es ist offenbar, dass viele kluge und scharfsinnige Geister sich jämmerlich vergriffen und mit ihren hochfliegenden Einbildungen zu Narren gemacht haben.
Die Tritheisten glaubten und lehrten, dass es drei Götter gäbe.
Arius teilte die zweite Substanz, als die geringere, von der ersten Substanz ab.
Macedonius sagte, dass das dritte Wesen, nämlich der heilige Geist, nicht Gott sondern der Diener des Vaters und des Sohnes sei.
Aetios und Eunomius lehrten, dass der Vater, Sohn und heilige Geist ungleiche Dinge oder Wesen seien.
Die Jünger des Origenes hielten, dass der Sohn den Vater und der heilige Geist den Sohn nicht sehen könne.
Maximus fürchtete, der Vater sei ein Teil von Gott und jede Person ein dritter Teil der Dreifaltigkeit.
Die Metangismoniter sagten, dass die zweite Person in der ersten sei, wie ein kleines Fass in einem großen ist.
Die Aloger behaupteten, Johannes habe gelogen, als er gesagt hat, dass Gott das Wort sei, weil sie die Verborgenheit des Wortes nicht begreifen konnten.
Die Monarchianer, wie Praxeas und Victorinius, sagten, dass der allmächtige Vater Jesus Christus sei und dass er sich selbst zu seiner Rechten setzte.
Die Sabellianer machten die Person und den Namen Christi eins mit denen des Vaters und wurden Patripassianer genannt, weil sie glaubten, der Vater habe gelitten. Seht, so rasen diejenigen, welche unerforschliche Dinge verstehen und höher, als die Schrift lehrt, steigen wollen.
Erasmus von Rotterdam sagt: »Das Wort war Gott. Es war allmächtig aus dem Allmächtigen, bei dem Vater, nicht in der Zeit, sondern vor allen Zeiten erzeugt. So quellt es immer aus dem väterlichen Herzen hervor, ohne sich jedoch jemals von demselben zu trennen.« Weiter sagt er noch, dass der Vater von aller Ewigkeit den Sohn sich selber gleich erzeugt hat und ohne Aufhören erzeugen wird. Wiederum sagt er in seinem Ecclesiastes: »Christus ist das Wort Gottes, allmächtig, welches ohne Anfang und Ende aus dem ewigen Herzen des Vaters fließt.«
Martin Luther sagt: »Das Wort ist dasjenige, was Gott in sich selber spricht, was in ihm bleibt und niemals von ihm getrennt wird.« Diesen Aussagen von Erasmus und Luther widersprechen wir nicht; wir haben sie nur deshalb angeführt, auf dass man Gelegenheit habe, die Verschiedenheit der Meinungen zu sehen.
Philippus Melanchthon sagt: »Das Wort ward durch den Gedanken erzeugt und Gottes Abbild genannt; denn das Gedachte ist das Abbild von dem Gegenstand, der gedacht wird.« Sage, lieber Leser, wer kann oder möchte doch sein Gewissen auf solche Reden und Gründe bauen?
Auf einigen Konzilien wurde beschlossen, dass die Dreifaltigkeit drei Substanzen (hypostases) in sich fasse, die alle gleicher Natur (homoousios) seien; beide Ausdrücke aber sind, wie Erasmus sagt, in Verruf geraten.
Seht, so folgt ein jeder seiner eigenen Vernunft und Meinung; sie bauen auf Rauch und Wind und sehen auf einander und nicht auf des Herrn Wort; sie verwirren die einfältigen Gewissen, die in des Herrn Wort nicht bewandert sind; sie eifern für ihr eigenes Gutdünken und nicht für das Wort und nennen denjenigen, der solches nicht billigen oder nachahmen kann, Verführer und Ketzer.
Weil denn so manches scharfe Auge an diesem Glanz erblindet ist und noch täglich erblindet, so bitte ich euch um Jesu willen, diese unbegreifliche Höhe nicht höher hinaufzuklimmen, als eure Stufen reichen und nicht mehr zu verstehen suchen, als euch des Herrn Wort gelehrt hat; denn ihr könnt sicherlich so wenig von der unbeschreiblichen Schönheit und Zeugung, d. h. auf welche Weise sie von Ewigkeit vor sich gegangen ist, begreifen, wie von dem unbeschreiblichen Vater selbst.
Lasst darum nicht der Gelehrten Gutdünken und Glossen, sondern das untrügliche, klare Wort Gottes euren Grund sein, auf den ihr euren Glauben baut. Johannes sagt:
»Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort […] Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht und ohne dasselbige ist nichts gemacht, das gemacht ist.« (Joh 1,1–3)
Dieses nämliche Wort, das also vom Anfang gewesen und in der Zeit Mensch geworden ist, wird von Paulus der Sohn, Christus Jesus und der Erstgeborne aller Kreaturen genannt (Kol 1,15).
Ja, werte Leser, hätten die Gelehrten das angeführte Zeugnis des Johannes, das er von seiner (Christi) ewigen Gottheit gegeben hat, unverändert gelassen und ihre Vernunft unter Gottes Wort gebeugt, nie wäre solche düstere Verwirrung in Betreff Christi, des Sohnes Gottes, in die Welt gekommen.
Darum rate ich euch in treuer Liebe, seht euch vor und hütet euch, denn das Zeugnis Johannis ist zu klar, um durch Glossen verdunkelt und zu stark, um durch Philosophie umgestoßen zu werden. Wer lieber den edlen, klaren Wein der göttlichen Wahrheit, als das trübe Wasser menschlichen Dafürhaltens trinkt, der halte sich an seines Herrn Wort und lasse die schriftwidrigen Auslegungen, Verdrehungen, Mutmaßungen und Ansichten der Gelehrten fahren. Dies sei von der ewigen und unbegreiflichen Gottheit Christi genug.
Nun wollen wir mit des Herrn Gnade weiter gehen und mit der Schrift beweisen, dass diejenigen, welche sagen, das Wort sei nicht Fleisch geworden, sondern habe unser Fleisch oder einen Menschen von unserm Fleisch angenommen, jämmerlich irren, wie nachfolgend kurz und klar vernommen werden soll.
Johannes a Lasco schreibt erstens: »Die göttliche Gerechtigkeit forderte, dass wir, was wir durch unser Fleisch in Adams Lenden verbrochen haben, auch in unserm Fleisch wieder gut machen sollten; oder wie einige sich ausdrücken: Dass die Natur, welche die Sünde angenommen hat, für die Sünde büßen und die, welche den Tod eingeführt hat, denselben auch wieder vernichten musste.«
Antwort: Da er und die Seinen ihre Sache auf Gottes Gerechtigkeit stützen wollen und vorgeben, dass der Annehmer und Einführer büßen müsse, so hätten sie billigerweise in ihren Schriften nicht die Worte unser Fleisch und die Natur, sondern Adam und Eva brauchen sollen, denn diese waren die ersten Annehmer und Einführer und nicht der Nachkommen Fleisch und Natur, wie es in 1Mo 3,6 deutlich zu ersehen ist.
Die Natur des Menschen war im Anfang rein und gut geschaffen, allein in Adam wurde sie durch seinen Ungehorsam verdorben; und da er in seiner Natur verdorben war, so wurden auch alle seine Kinder verdorben, die von ihm geboren sind; dennoch sind nicht die Kinder die Annehmer und Einführer, sondern Adam und Eva sind das gewesen. Erfordert aber Gottes Gerechtigkeit die Sühnung von dem Annehmer und Einführer, so wäre es gewiss in Einklang mit der Gerechtigkeit gewesen, dass nicht jemand von den Kindern, die doch die Urheber nicht gewesen sind, sondern dass Adam und Eva selbst die Kelter getreten hätten, da sie ja diejenigen waren, die dieselbe zugerichtet und gegraben hatten. Doch nein! Adam und seine ganze Nachkommenschaft vermochten dies der Schwachheit ihres Fleisches halber nicht. Sie schuldeten über alle Maßen viel und hatten auch nicht einen Pfennig, um damit zu bezahlen. Aus Gnaden aber ist ihnen die Schuld erlassen worden um Christi willen, der in seiner ewigen Liebe und Barmherzigkeit (weil Adam mit den Seinen nicht dazu im Stande war) die Gestalt sündigen Fleisches auf sich nahm, des Vaters Gerechtigkeit Genüge leistete, die Handschrift des Gesetzes zerriss und alles, was Adam mit seiner Übertretung verbrochen hatte, durch das Opfer seines roten Blutes tilgte und zahlte (Röm 8,3; Eph 2,15).
Da sie sich also auf Gottes Gerechtigkeit berufen, so halte ich es für notwendig, ein wenig ausführlicher darüber zu handeln, auf dass der verständige Leser lernen möge, dass ihre Sprache gänzlich kraftlos, ja, in jeder Hinsicht ohne Grund und Schrift ist.
Es ist offenbar, guter Leser, dass Adam und Eva von der Schlange verführt und mit ihrem ganzen Samen in Verdammnis und Tod durch Gottes Gerechtigkeit gefallen sind (1Mo 3,6) und dass nichts, als was verdammt und des Todes schuldig ist, aus ihnen geboren werden kann (Röm 5,12; 1Kor 15,22).
In Erwägung denn, dass Adam um seines Ungehorsams willen durch Gottes ewig dauernde Gerechtigkeit verdammt und des Todes schuldig geworden ist und seine ganze Nachkommenschaft mit ihm; und dass ihrem Vorgeben zufolge der Herr Christus seiner heiligen Menschheit nach eine natürliche Frucht von Adams Fleisch ist, so musste auch der Mensch Christus seiner menschlichen Geburt halber verdammt und des Todes schuldig gewesen sein. Dies ist zu klar, um widerlegt zu werden. Andernfalls müssen unsere Widersacher ihr eigenes Argument widerrufen und bekennen, dass Gottes Gerechtigkeit nicht ewig dauere.
O nein! Christi Fleisch ist heilig, rein, ohne Flecken, kennt keine Sünde, macht fromm und selig und ist eine wahrhaftige Speise für die Seele, wie das Wort ist, das nach des Vaters Ratschluss zu unser aller Heil und ewigen Erlösung in den letzten Tagen ein wirklicher, dem Leiden unterworfener Mensch geworden und unschuldig den Tod für uns gestorben ist.
Es hilft ihrer Suche auch in keiner Weise, dass sie sagen, Maria sei gesegnet und ihre Frucht durch Gottes Kraft vor Sünden bewahrt worden. Dass Maria gesegnet und die Frucht ohne Sünde war, geben wir zu; allein dass Maria der Segnung halber ohne Sünde gewesen sein soll, bestreiten wir.
»Denn die Schrift (sagt Paulus) hat es alles beschlossen unter die Sünde, auf dass die Verheißung käme durch den Glauben an Jesum Christum, gegeben denen, die da glauben.« (Gal 3,22)
Wäre der Mensch Christus Fleisch von Maria Fleisch gewesen, dann wäre Maria durch ihr eigenes Fleisch selig geworden und Adam durch seinen eigenen Samen versöhnt worden; die Gerechtigkeit Gottes wäre zunichte gemacht und unsere Verdammnis, unser Fluch und Tod durch ein verdammtes, verfluchtes und todesschuldiges Fleisch behoben worden.
Doch nein! Die Schrift lehrt unverhohlen, dass wir alle in Adam Sünder geworden und durch die Sünde in Gottes Gericht, Zorn, Verdammnis und den Tod verfallen sind (Röm 5,16; 1Kor 15,22). Von Christo aber zeugt sie, dass er das Lamm ohne Makel ist, die Sünde nicht gekannt hat und dass kein Betrug in seinem Munde gefunden wurde (Jes 53,9). Da denn die Schrift Adam und sein Geschlecht offenbar so gänzlich unter die Sünde beschließt, Christum aber in jeder Hinsicht frei spricht, kann der freundliche und wohlmeinende Leser daraus folgern, dass der reine und heilige Mensch Christus nicht aus Adams unreinem, sündigem Fleische, sondern Gottes heiliges und reines Wort ist (Joh 1; 1Joh 1) und dass die Behauptung der Gelehrten, Gottes Gerechtigkeit fordere […] nicht Gottes sicheres Zeugnis und Wort, sondern nichts als menschliche Erdichtung ist.
Ach, möchten unsere Widersacher doch einmal recht bedenken, was Gottes Gerechtigkeit laut der Schrift in dieser Hinsicht in sich fasst. Sie würden dann, hoffe ich, nicht mehr so hartnäckig auf ihrem Grund bestehen, wie dies bis jetzt geschehen und nicht sagen, wenn jemand ihre Lehre nicht annimmt, dass er wider den heiligen Geist sündige; wenigstens würden sie zuweilen bei sich selbst denken: Fehlt es vielleicht nicht an uns?
Zweitens behauptet er, dass man die Empfängnis und das Schwangerwerden der Maria, wovon Matthäus und Lukas schreiben, bloß von ihrem Anteil als Mutter daran, wie es ihr nach Gottes Anordnung in 1Mo 1 naturgemäß zukomme, verstehen müsse.
Antwort: Es dünkt mich mehr denn ein Wunder, dass ein so gelehrter Mann so unvernünftig dreinfährt und die Schwangerschaft Maria mit aller Gewalt in das Naturgesetz zu zwängen sich untersteht, da doch aus der ganzen Schrift offenbar hervorgeht, dass ihre Schwangerschaft weit über die Natur erhaben, ein besonderes Wunderwerk des Allerhöchsten und ein herrliches Zeichen des Herrn, unseres Gottes, gewesen ist, wie Jesaja sagt:
»Darum, so wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie heißen Immanuel.« (Jes 7,14; Mt 1,23; Lk 1,31)
So schreibt auch Matthäus von Marias Schwangerschaft:
»Als Maria, seine Mutter, dem Joseph vertraut war, ehe er sie heimholte, erfand sich’s, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. Joseph aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht rügen, gedachte aber sie heimlich zu verlassen. Indem er aber so gedachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum, und sprach: Joseph, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Gemahl, zu dir zu nehmen; denn das in ihr geboren ist, das ist von dem heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Jesus heißen; denn er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden.« (Mt 1,18–21)
So auch sprach der Engel Gabriel zu der Maria:
»Siehe, du wirst schwanger werden im Leibe und einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Jesus heißen. Der wird groß und ein Sohn des Höchsten genannt werden und Gott der Herr wird ihm den Stuhl seines Vaters David geben; und er wird ein König sein über das Haus Jakobs ewiglich und seines Königsreichs wird kein Ende sein. Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich von keinem Manne weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum auch das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden.« (Lk 1,31–35)
Alles dieses beweist mehr als genügend, dass Marias Schwangerschaft übernatürlich und ein Wunderwerk des Herrn gewesen ist, weshalb es auch ganz unnütz und der Suche gar nicht angemessen ist, was die Gelehrten von der Natur philosophieren.
Will man aber dieser deutlichen Aussagen der Schrift ungeachtet die Schwangerschaft der Maria dennoch mit Gewalt zum Teil der Natur zuschreiben, so ist sowohl aus Gottes Verordnung als aus dem Naturgesetz offenbar, dass die Materieoder der Ursprung des Kindes vom Vater und nicht von der Mutter ist, wie schon in unserm Bekenntnis und in der Schrift gegen Gellius mehr als hinreichend erklärt worden ist.
Solche Einwendungen sind daher nichts als Weltweisheit und Menschenvernunft, die gar nicht mit der Schrift begründet sind und von denen eigentlich keine eine Antwort verdiente; doch habe ich in aller Kürze so viel darauf gesagt und bitte euch nun, meine Anweisung nicht zu verachten und eurer Suche stets sicher zu sein, ehe ihr eine Beschuldigung erhebt, auf dass ihr euch nicht vergreift, wie Sirach sagt.
Ferner wirft man uns vor, dass die Schrift sagt, der uns verheißene Heiland werde des Weibes Samen, Abrahams Samen und die Frucht der Lenden Davids sein.
Antwort: Erstens sage ich: Derjenige, der mit diesem behaupten will, dass der Mensch Christus Jesus Fleisch von einem Weibe, ja, Abrahams und Davids natürlicher Same sei, welche alle Adams unreinem, sündigem Samen entstammt sind, der muss auch Adams Ungerechtigkeit, Fluch und Sünde hinzufügen.
Sagen sie dann, dass er von Adams Ungerechtigkeit, Sünde und Fluch frei gewesen sei, so antworte ich wiederum: Dann ist er auch nicht von Adams natürlichem Samen gewesen, denn Adams Samen war unrein, sündig und verflucht und konnte deshalb auch nichts anderes als Unreines, Sündliches und Verfluchtes daraus geboren werden oder das Unreine müsste das Reine, das Sündige das Heilige und das Verfluchte das Gesegnete gebären und die angeborene Unreinigkeit, Fluch und Verdammnis verändert sein. Dies ist zu klar, um widerlegt zu werden.
Ja, meine Leser, wenn es sich mit des Herrn Menschwerdung verhielte, wie unsere Widersacher sagen, dann wäre es offenbar, dass Christus Jesus in seiner Menschwerdung nicht so rein gewesen ist, wie Adam in der ersten Schöpfung. Denn obschon man sagt (was auch wahr ist), dass Christus in Maria, der reinen Jungfrau, vom heiligen Geist empfangen worden ist, so hat auch Adam keinen andern Vater auf Erden gehabt, als Gott, weshalb Lukas ihn auch einen Sohn Gottes nennt (Lk 3,38). Adam aber war aus reiner Erde geschaffen und zwar von Gott; allein Christus müsste, wenn er Adams natürlicher Same wäre, aus unreiner Erde, d. h. von unreinem, menschlichen und irdischen Samen sein. Dies ist zu klar, um bestritten zu werden.
Zweitens sage ich: Wenn der Mensch Christus eine natürliche Frucht und Same von Adams unreinem, sündigem Samen gewesen wäre, dann wäre er durch Gottes ewig dauernde Gerechtigkeit auch des Gerichtes und des Todes schuldig gewesen. Hatte er aber selber noch eine Schuld abzutragen, wie konnte er dann unsere tilgen? Man würde ja damit sagen, dass Gottes Gerechtigkeit aufgehört, das Sündige die Sünde, das Verdammte die Verdammnis und das Todesschuldige den Tod hinweggenommen und getilgt habe.
O nein! Kein unreines Tier durfte in Israel zur Versöhnung geopfert werden, sondern jedes musste durchwegs ohne Fehler sein (2Mo 12,5; 5Mo 15,21; Mal 1,14). Wenn aber das Vorbild so gänzlich fehlerlos und rein sein musste, wie viel mehr denn das Wahre, durch welches die ewige Versöhnung geschehen und alle bildlichen Opfer abgetan und zu Ende gebracht worden sind (Hebr 9,10,23).
Drittens sage ich: Wer behauptet, dass der Mensch Christus eine natürliche Frucht von Adams, Abrahams, Davids und des Weibes Fleisch und Samen sei, der behauptet damit auch, dass zwei Personen und Söhne in Christo seien und dass der Vater kein wahrer Vater, die Mutter keine wahre Mutter und der Sohn kein wahrer Sohn sei, wie schon gesagt worden ist.
Viertens sage ich: Wenn der Mensch Christus von Marias Fleisch wäre, dann könnte er offenbar nicht Gottes Sohn sein, sondern eine geschaffene Kreatur, weil er ihrer Behauptung zufolge nicht vom Vater gezeugt, sondern aus Marias Fleisch und Blut geschaffen wäre, wie schon überflüssig erörtert worden.
Fünftens sage ich: Wenn der Mensch Christus von Marias Fleisch und Blut war, wie sie vorgeben, es aber mehr denn klar ist, dass nach Gottes Anordnung eine menschliche Geburt ohne Vater und Mutter eine Unmöglichkeit ist, sowie dass ein Kind seinen Ursprung nicht von seiner Mutter, sondern von seinem Vater nimmt, so muss, wenn der Mensch Christus gegen Gottes Anordnung ohne Vater dem Leibe der Mutter entstammt ist, eine neue Schöpfung in Maria vor sich gegangen sein, welche Schöpfung aber nicht ohne das Wort geschehen konnte. Hat aber eine solche Schöpfung stattgefunden, dann muss offenbar die eine Hälfte oder Teil Christi durch die andere, Marias Sohn durch Gottes Sohn, geschaffen sein, und die Zwei, nämlich der Schöpfer und das Geschöpf, müssen eine Person und Sohn geworden sein. Liebe Leser, merkt doch, was für Gräuel sie hervorbringen.
Sechstens sage ich: Gleichwie alle Menschen beides, Vater und Mutter, haben und von diesen jedes von einem eigenen Geschlechte stammt, der Vater von seinem und die Mutter von ihrem, so hat auch Christus Jesus beides Vater und Mutter gehabt. Sein Vater war ein unbeschreiblicher von Ewigkeit bestehender Geist, der auch ewig bestehen wird. Christus konnte deshalb von väterlicher Seite kein Geschlecht haben. Seine Mutter aber ist Abrahams, Isaaks, Jakobs etc. wahre Tochter gewesen und hat ihn durch den heiligen Geist aus dem Worte seines Vaters in ihrem jungfräulichen Leibe empfangen und zu seiner Zeit als einen wahren Menschen geboren (Ps 132,11; Röm 1,3; 9,5; Apg 2,30). Da er Mensch in einem Menschen wurde, so musste er sicherlich ein Geschlecht haben, dem er entsprossen ist, deshalb wird ihr Geschlechtsregister in der Schrift angegeben. Das ist das Wort, von dem Paulus sagt, dass es dem Fleische nach von dem Samen Davids geboren sei. Nicht, dass da zwei Söhne in Christo gewesen seien, der eine ohne Vater und der andere ohne Mutter, ein Sohn Gottes und ein Menschensohn, wie unsere Gegner vorgeben, nein! Der, welcher Gottes Sohn war, war auch des Menschen Sohn und der, welcher des Menschen Sohn war, war auch Gottes Sohn – nicht zwei Söhne, sondern ein einziger und ungeteilter Sohn, wie Gottes Ordnung samt der ganzen Schrift lehrt und mit sich bringt.
Solltet ihr dies aber noch nicht fassen können, dann merkt euch dieses Gleichnis: Karl der Fünfte ist ein Sohn Österreichs und auch ein Sohn Spaniens, nicht dass er darum von zwei Söhnen ein Sohn ist, sondern er ist ein einziger und ungeteilter Sohn; von Seiten seines Vaters ein Sohn Österreichs und von Seiten seiner Mutter ein Sohn Spaniens; ebenso ist auch Christus Jesus ein Sohn Gottes und ein Sohn des Menschen, Gottes Sohn von Seiten seines Vaters und des Menschen Sohn von Seiten seiner Mutter – nicht von zwei Söhnen ein Sohn, sondern ein einziger und ungeteilter Sohn Gottes und Marias, wie gezeigt worden ist.
Falls ihr dann noch in Betreff der Frucht aus den Lenden Davids im Zweifel steht (Apg 2,30), so verweise ich euch erstens auf mein Bekenntnis, dass ich im Jahre 1543 an Johannes a Lasco und seine Prediger geschrieben habe.
Dabei ermahne ich euch, wohl in Betracht zu ziehen, dass obwohl Christo, dem Sohne Davids, von Jesaja und dem Engel Gabriel der Stuhl und das Reich Davids verheißen worden sind, dieses buchstäblich nicht in Christo, sondern in Salomo, der wie Isaak, Mose, Aaron, Josua, Joseph eine Figur und Bild auf Christum war, in Erfüllung gegangen ist (Jes 9,6; Lk 1,33; 2Sam 7,12; 1Kön 5,5; 2Kön 8,19).
Da uns denn die ganze Schrift lehrt, dass sein Reich und Stuhl nicht buchstäblich, sondern geistlich sind, so muss sicherlich die Frucht und der König, der darauf sitzen soll, im gleichen Sinne verstanden werden oder ein Wort müsste buchstäblich und das andere geistlich aufgefasst werden. Dies ist zu einleuchtend, um bestritten werden zu können.
Zweitens merkt, wie Christus die Pharisäer in Betreff Christi, des Sohnes Davids, fragt und was er ihnen auf ihre Antwort für einen Bescheid erteilte (Mt 22,42; 2Chr 1,13; 10,13).
Drittens merkt, dass, wenn der Mensch Christus eine natürliche Frucht der Lenden Davids war, alsdann all die unauflöslichen Widersprüche in ihm vereinigt waren, die wir zum Teil schon berührt haben, im weitern Verlaufe unserer Schrift aber noch ausführlicher behandeln werden, so Gott will.
Viertens merkt, dass alle Eigenschaften Gottes in ihm gleich vollkommen sind. Deshalb musste auch seine vollkommene, ewige Liebe seiner vollkommenen, ewigen Gerechtigkeit entsprechen, wie Christus selber sagt:
»Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.« (Joh 3,16; Röm 5,8)
Johannes sagt:
»Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, dass wir durch ihn leben sollen.« (1Joh 4,9)
Daher hat er in Anbetracht des Gehorsams Christi durch seine ewige Liebe allen, die an ihn glauben, das Leben verheißen (Joh 3,36; 6,47). Gleichwie seine Gerechtigkeit zur Strafe der Sünde über alle Nachkommen Adams, die Christum verstoßen ewigdauert, so dauert auch seine väterliche Liebe ewig, indem er durch Christum allen denjenigen, die Christo vertrauen, das Wort seiner Gnade annehmen und demselben gehorsam sind, ihre Sünden vergibt (1Mo 3,15; 1Kor 15).
Drittens merke ich, dass ich dafür angesehen werde, als behaupte ich, Christus sei aus dem heiligen Geist geboren.
Antwort: Es ist sehr unbillig, dass man mir beständig aufbürden will, was ich nicht verschuldet habe. In meinem ersten Bekenntnis habe ich in lateinischen Buchstaben klar und deutlich hingesetzt, dass es nicht mein Glaube ist, Christus sei aus dem heiligen Geist geboren, sondern dass er durch den heiligen Geist in Maria empfangen sei. Dennoch muss ich hören, dass ich lehre, Christus sei aus dem heiligen Geist geboren.
O lieber Herr, wie jämmerlich werde ich verleumdet. Doch was tun sie anders wider mich, als die Schriftgelehrten wider den guten Jeremia taten, als sie sich in Betreff seiner berieten und sprachen:
»Kommt her, lasst uns ihn mit der Zunge totschlagen und nichts geben auf alle seine Rede.« (Jer 18,18)
Wahrlich, mich dünkt, ich bin dazu geboren, mein Ohr dem Schmäher und meinen Rücken dem Schläger darzubieten (Jes 50,6; Lk 22,64). Dennoch hoffe ich durch des Herrn Gnade, dass man es noch erleben wird, dass welche von ihnen aufwachen und mit bußfertigem und reuevollem Herzen in Demut vor ihrem Gott erkennen werden, dass sie nicht mich, sondern Gottes Wort verachtet und seinen Geist verschmäht haben.
Viertens lässt er durchblicken, dass ich lehre, das Wort habe sich im jungfräulichen Leibe in menschliches Fleisch und Blut verändert.
Dass ich solches an irgendeiner Stelle gesagt oder geschrieben habe, wird mir, glaube ich, niemand mit der Wahrheit je beweisen; dennoch wagt man, solches von uns zu sagen und zu schreiben. Ich habe darüber gesprochen, wie der erhabene Apostel mich gelehrt hat, nämlich, dass das Wort Fleisch geworden ist. An diesem Zeugnis rüttele ich nicht, sondern überlasse das Geheimnis, wie viel verändert oder nicht verändert worden ist, demjenigen, der es durch seine allmächtige Kraft zu unser aller Seligkeit so eingerichtet hat. Gleichwohl will ich in meiner Einfalt so viel dazu bemerken, dass wenn sie das buchstäblich von mir angeführte Zeugnis des Johannes dahin deuten und daraus schließen wollen: »Menno lehrt mit Johannes, dass das Wort Fleisch geworden ist, darum muss sein Grund der sein, dass es in Fleisch verändert worden sei,« sie wissen sollen, dass Veränderungen nicht in jeder Hinsicht die Natur der ursprünglichen Substanzen, aus denen etwas geworden oder gemacht ist, hinwegnehmen.
Adam war ein Mensch aus der Erde geschaffen (1Mo 2,7; 1Kor 15,47), und obschon er von der Erde ein Mensch wurde, so ist er dennoch Erde geblieben, wie der Herr sagte:
»Denn du bist Erde und sollst zur Erde werden.« (1Mo 3,19)
So werden auch in der Auferstehung der Toten alle, die wieder zu Erde geworden sind, durch die Kraft Gottes wieder aus der Erde auferstehen und es ist offenbar, dass wir zuerst Erde gewesen sind, dann Fleisch aus der Erde wurden, hernach Erde vom Fleisch werden und letztlich wieder Fleisch von der Erde aus dem ersten Fleisch, aber in Herrlichkeit und Klarheit, sein werden, wie die Schrift uns bezeugt (Joh 5,28; 1Kor 15,21,51; Kol 3,4; Dan 12,2). Es bleibt also jedenfalls, obwohl verändert, die erste Substanz, aus der das Veränderte entstanden ist.
Verstehe mich recht, mein Leser, ich habe mich dieses Gleichnisses nicht bedient, um damit zu behaupten, dass das Wort in Fleisch und Blut verändert worden sei, gleichwie die Erde, aus welcher Adam gemacht wurde, in menschliches Fleisch verändert wurde, sondern ich habe es vorgebracht, um dem Leser zu zeigen, dass, wenn auch das Wort in seiner Menschwerdung einer Veränderung untergangen, es deshalb gleichwohl das Wort geblieben wäre (Joh 1,14; 8,23; 1Joh 1,2; Offb 19,13).
Fünftens schreibt er: »Der Herr Christus ist von Anbeginn Geist gewesen – unveränderlich, heilig und ewig. Ist er aber Geist und unveränderlich gewesen, wie konnte er dann seine Substanz oder sein Wesen verändern und Fleisch werden?«
Antwort: Wenn ich ihn recht verstehe, gibt er in Abteilung E auf der fünften Seite zu verstehen, dass er meinen Sinn des Wortes factum est, d. i. ward, noch nicht recht erfasst hat. Hat er denselben aber nicht recht erfasst, dann weiß ich nicht, wie man mir einen solchen Sinn unterschieben kann, es sei denn, dass sie das Zeugnis des Johannes, welches ich doch ohne irgendwelche Veränderung buchstäblich angeführt habe, nicht verstehen können, wenn sie es nicht zuvor mit Glossen verdrehen.
Da sie mir denn mit Mund und Schrift aus dem erwähnten Zeugnis des Johannes den Glauben an eine solche Veränderung des Wortes unterschieben, obwohl sie solches von mir weder gehört noch in meinen Schriften gelesen haben, so will ich hiermit alle meine Leser um Jesu willen gebeten haben, mir in Betreff der Veränderung des ewigen Wortes nichts anderes, noch mehr, zuzuschreiben, als was ich hierfolgend bekenne und mit klaren Worten hinzufüge.
Ich glaube und bekenne, dass da ist ein allmächtiger, ewiger und unbeschreiblicher Gott – Vater, Wort und heiliger Geist, der in ewiger Herrlichkeit gelebt hat und ewiglich leben wird und dass dieser allmächtige Vater dieses sein allmächtiges, ewiges Wort vor allen Geschöpfen, ja, vom Anbeginn und von Ewigkeit her auf göttliche und darum auch unerforschliche Weise aus sich gebiert; und dass dieser sein allmächtiger, ewiger Geist durch das erwähnte Wort oder Sohn von ihm kommt oder ausgeht – doch begreifen tue ich es nicht.
Ich glaube und bekenne gleichermaßen, dass dieser allmächtige, ewige Vater durch sein allmächtiges, ewiges Wort, welches ist der Sohn, in der Kraft dieses seines allmächtigen, ewigen Geistes Himmel und Erde mit allem, was darinnen ist, geschaffen hat und alle geschaffene Dinge darin oder dadurch ewiglich erhält – aber begreifen tue ich es nicht (Joh 1,3; 1Joh 1,2; Hebr 1,2; Eph 3,9; Kol 1,16; 1Mo 1,1; Joh 5,26; 8,12).
Ferner glaube und bekenne ich, dass alle menschliche Natur beim Schall der letzten Posaune durch die Kraft des allmächtigen und ewigen Gottes mit verklärtem Leibe wieder aus der Erde auferstehen wird und dass die Kinder Gottes, die hier auf Erden in festem Glauben und Geduld vor Gott gewandelt haben, das herrliche, verheißene Reich der Ehren aus des Herrn Hand empfangen werden; während hingegen diejenigen, die den Herrn und sein Wort verworfen haben, laut des schrecklichen, unerträglichen Urteils des allmächtigen und großen Gottes mit dem Teufel und seinen Engeln ewig in dem unauslöschlichen Feuer der Hölle werden gepeinigt werden – doch begreifen tue ich es nicht.
Getreue Leser, merkt, gleichwie ich den allmächtigen, einzigen und ewigen Gott in seinem ewigen, göttlichen Wesen, in der Herrschaft seiner Herrlichkeit, in der Erschaffung und Erhaltung seiner Kreaturen, in der Wiedervergeltung, die er an den Guten und an den Bösen übt und in vielen seiner Werke nicht begreife, aber dennoch wahrhaft glaube und zwar deshalb, weil die Schrift so lehrt; ebenso begreife ich auch nicht, wie oder auf welche Weise das unerforschliche, ewige Wort Fleisch oder Mensch in Maria geworden ist, dennoch aber glaube ich es wahrhaft, dass es Mensch geworden ist, denn die Schrift lehrt so. Ich weiß, dass es ein Werk ist, das von dem Herrn geschehen und wunderbar vor unsern Augen ist, ja, ein Werk, das kein Verstand ergründen noch Scharfsinn begreifen kann; wahr ist das Wort: Wer wird seine Geburt erzählen? (Jes 53,8; Apg 8,33)
Da es mir denn so klar ist, was der allmächtige, ewige Vater durch die allmächtige Kraft seines ewigen und heiligen Geistes in Maria gewirkt hat, ein erhabenes und unbegreifliches Wunderwerk des allmächtigen und großen Gottes ist und ich zudem erkenne, wie bedenklich und gefährlich es ist, mit törichter, irdischer Vernunft an die unbegreifliche Tiefe und göttliche Verborgenheit heranzutreten und den klaren, offenen Zeugnissen des heiligen Geistes mit verdrehten Glossen und menschlicher Weisheit einen andern fremden Sinn beizulegen, so wage ich weder höher noch niedriger, weder mehr noch weniger von der heiligen Menschwerdung zu glauben oder zu lehren, als mich des Herrn heilige Propheten, Christus Jesus, Johannes, Petrus, Paulus etc., die mir sicherere und weisere Zeugen sind, als alle Gelehrten, die je auf Erden gewesen sind, noch sind und in Zukunft sein werden, mit so unwiderleglichen, klaren Zeugnissen überall in der Schrift lehren, obschon ich, ich wiederhole es noch einmal, das unbegreifliche, erhabene Geheimnis mit meinem groben irdischen Verstande nicht begreifen – nicht sagen kann, wie es geschehen ist. Sirach sagt: »Den Dingen, die dir zu schwer sind, denen frage nicht nach und was dir zu gewaltig oder zu hoch ist, das erforsche nicht.« Lese auch Spr 25,27.
Auf die Worte Mal 3,6: »Ich bin Gott und werde nicht verändert.« (in Luthers Übersetzung: »Denn ich bin der Herr, der nicht lügt.«) und auf die von Johannes a Lasco gestellte Frage: »Ist er ewig, wie kann er denn gestorben sein?«, ist dies meine
Antwort: Maleachi spricht hier nicht von Gottes Substanz oder Wesen, sondern von seinem Vorsatz, Rat, Beschluss und Willen. Ich erkenne daraus, dass Gottes Vorsatz, Rat, Willen, Beschluss, Verheißungund Liebe ewig und unveränderlich sind und dass alles geschehen muss, wie er will und in seiner Weisheit beschlossen hat.
Da es denn offenbar ist, dass der allmächtige, ewige und unveränderliche Vater alle Dinge nach seinem ewigen, unveränderlichen Vorsatz, Rat, Willen und Beschluss regiert und vollführt und er in seiner ewigen, unveränderlichen Liebe sein heiliges Wort oder Sohn vor allen Zeiten dazu ausersehen hatte, dass er nach seiner festen und unveränderlichen Verheißung das Opferlamm werden sollte, wie Petrus sagt (1Pt 1,19; Ps 2,7; Jes 7,14), so musste es gewiss geschehen, dass das Wort zur bestimmten Zeit Mensch wurde, obwohl wir es mit der Vernunft nicht fassen können; denn es war seines allmächtigen Vaters, der der Ursprung alles Guten ist, gnädiger Vorsatz, Rat, Beschluss, Vorsehung und Willen, die ewig fest stehen und laut des prophetischen Wortes nie verändert werden können, wie gehört worden ist.
Seht, geehrte Leser, hier habt ihr meine Antwort auf vorerwähnte drei Fragen, nämlich: »Ist er Geist gewesen, wie konnte er dann Fleisch werden?« »Ist er Gott gewesen, wie kann er denn verändert sein?« »Ist er ewig gewesen, wie kann er denn gestorben sein?« Dieses glaube und bekenne ich vor meinem Gott und hoffe durch Gottes Gnade auch beständig bis an meinen Tod dabei zu beharren.
Ich bin in diesem nicht mit Natur und Verstand zu Rate gegangen, sondern mit meines Herrn Wort, das die wahre Leuchte für meine Füße ist und mir mit klaren, deutlichen Worten sagt, dass der Überwinder, der verheißene Weibessamen aus Abrahams, Isaaks, Jakobs, Judas und Davids Geschlecht und Nachkommen dem Fleische nach entsprossen, der ganzen Welt Segnung, Held, Messias, Christus, König und Heiland, nicht aus unreinem, sündlichem Samen, sondern aus dem reinen Samen seines himmlischen Vaters, als Gottes Wort in Maria der Jungfrau durch den heiligen Geist empfangen und Mensch in ihr geworden ist, wie Johannes sagt (Joh 3,31; 6,51; 8,23). Christus sagt selbst, dass er von oben, das Brot vom Himmel und vom Vater ausgegangen ist (Joh 16). Paulus sagt, dass er der Herr vom Himmel (1Kor 15,47) und von oben herabgekommen ist (Eph 4,8). In der Offenbarung heißt es, dass er der Erste und der Letzte ist (Offb 1,17). In Jes 7,14 und Mt 1,23 heißt er Immanuel. Da ich außerdem mit meinen Augen sehe, dass unsere Gegner diese und ähnliche Schriftstellen nicht widerlegen können, sondern dieselben mit ihrer Vernunft, mit gewaltsam herbeigeholter Schrift und mit vielen Ausnahmen und Glossen verdrehen und ihnen eine falsche Deutung geben, so sage ich noch einmal, dass ich Natur und Vernunft den Rücken kehre, meinen Glauben und mein Gewissen an des Herrn Wort binde und mich mit vollem Vertrauen darauf verlasse, dass dieses erhabene Wunderwerk Gottes so in Maria geschehen ist, obwohl ich mit meinem Verstande nicht begreife, wie es geschehen ist.
Seht, gute Leser, wer mir in Betreff der Veränderung des ewigen Wortes etwas anderes nachsagt oder schreibt, der ist ein Lügner und gibt der Wahrheit nicht die Ehre. Das Zeugnis, auf welches ich mich berufe, ist fest und unumstößlich: Das Wort ward Fleisch. Aber wie weit es verändert oder nicht verändert worden ist, das weiß derjenige, der es in seiner ewigen Liebe durch seine allmächtige Kraft zu unser aller Seligkeit und ewigen Erlösung so eingerichtet hat. Ihm sei Preis in Ewigkeit, Amen.
Hier wird man mich vielleicht fragen, ob der Vater nicht göttlicher Natur sei und woher der Herr Christus die Menschheit empfangen habe? Hierauf antworte ich: Woher kam jenes Wasser, das im Überfluss aus dem harten Felsen floss (2Mo 17,6)? Der Stein war gewiss weder Wasser noch eine wässerige Substanz. Geschah es nicht über aller Menschen Verstehen und Begreifen durch die Kraft des allmächtigen Gottes, dem nichts unmöglich ist?
Wie konnte es sonst kommen, dass eine Jungfrau schwanger wurde, wenn es nicht durch die Kraft und Wirkung des heiligen Geistes über aller Philosophen Vernunft geschehen wäre? Ja, auch Maria selbst konnte es nicht begreifen, denn sie sagte:
»Wie soll das zugehen, da ich von keinem Manne weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum auch das Heilige, das von dir geboren wird (er sagt nicht: das Heilige, das von deinem Fleisch und Blut kommt, wie unsere Gegner tun), wird Gottes Sohn genannt werden.« (Lk 1,34–35)
Werden sie dann weiter sagen: Wenn das Wort Fleisch geworden ist und nicht unser Fleisch angenommen hat, dann ist es auch nicht länger Gottes Wort geblieben, gleichwie Lots Weib zu einer Salzsäule verwandelt worden und nicht länger Mensch oder Weib geblieben ist und wie das Wasser zu Wein wurde und nicht länger Wasser blieb, so antworte ich: Die Schrift sagt, dass Lots Weib zu einer Salzsäule und dass Wasser zu Wein wurde; und so war es auch, denn die Schrift sagt so. Aber sie sagt nicht, dass das Weib eine Salzsäule und das Wasser Wein angenommen habe. Gleichermaßen bezeugt die Schrift, dass das Wort Fleisch geworden ist. Aber sie sagt nicht, dass es unser Fleisch angenommen habe.
Ferner sage ich: Wenn man uns irgendwelche Stellen aus der Schrift anweisen könnte, dass werden annehmen bedeute, dass zwei Personen und Söhne von verschiedener Art und Natur eine Person und Sohn sein können, dass von Anbeginn ein wahrer Sohn, der nicht beides Vater und Mutter gehabt hat, gewesen sei oder dass einer seines Vaters Sohn sein könne, ohne aus seines Vaters Samen zu kommen, dann möchte man ihren Grund etwas näher untersuchen. Da sie aber solches nie und nirgendwo tun, noch tun können und die Schrift überall bezeugt, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist, so bleibt auch das Zeugnis des Johannes fest und unverändert: Das Wort ward Fleisch – die Vernunft streite dagegen, wie sie wolle.
Zum Letzten sage ich: Ist das Wort nicht Fleisch geworden, sondern hat es einen Menschen aus dem Fleische der Maria angenommen, wie unsere Gegner zu behaupten wagen, und denselben als ein Werkzeug, um für uns zu leiden, gebraucht, dann ist es offenbar, dass Jesus Christus, der Sohn seines Vaters in der Wahrheit, wie Johannes ihn nennt, nicht im Fleische oder corporatus (körperlich) wie Castalion sich ausdrückt, gekommen ist. Denn sollte er selbst und nicht ein anderer an seiner statt leiden, dann musste er im Fleische kommen, sonst hätte er gewiss nicht leiden können. Dies ist doch zu klar, um geleugnet zu werden. Wer dies leugnet, der ist ein Verführer und Antichrist (2Joh 7).
Ferner schreibt er: »Ist er heilig, wie konnte er denn in des Vaters Gericht unter der Sünde verurteilt werden?« Auch schreibt er an einer andern Stelle: »Christus ist keines andern Fleisches, als des der Sünde teilhaftig geworden, auf dass er versucht werden und dem Tode unterworfen sein möchte.«
Antwort: Wenn seine Worte verstanden werden sollen, gerade wie sie lauten, dann ist Christus mit seinem heiligen Fleische unter der Sünde und Schuld des Todes gewesen. Dies kann nicht bestritten werden, denn er sagt: »Ist er heilig, wie konnte er denn in des Vaters Gericht unter der Sünde verdammt werden?« Dies ist gerade, als ob er als unheilig, des Gerichts und des Todes schuldig, Gottes Zorn und Strafe verdient hätte, was auch der Fall sein muss, wenn man behaupten will, dass Christi Fleisch von dem der Maria gewesen sei.
Es geht also aus seinen Worten hervor, dass die Sünde, durch welche er versucht wurde, in seinem Fleische wohnte und dass er daher nicht aus Gnade für uns, sondern für seine eigene Schuld gestorben ist, denn
»der Tod ist der Sünden Sold.« (Röm 6,23)
O lieber Herr, wenn der arme Menno so lästerlich vom Sohn Gottes spräche und ihn unter die Sünde einschlösse, welch hässliches, bitteres Lied würde über ihn gesungen werden! Aber alles was die Gelehrten träumen und philosophieren, muss recht und gesund sein.
Dies denn ist meine kurze Antwort auf seine angeführten Worte: Jesus und Petrus zeugen von ihm, dass er die Sünde nicht gekannt hat und dass kein Betrug in seinem Munde war. Ja, mein Leser, er ist heilig gewesen vor seiner Menschheit, heilig während seiner Menschheit und wird heilig bleiben ewiglich.
»Denn einen solchen Hohenpriester sollten wir haben, der da wäre heilig, unschuldig, unbefleckt, […] und höher, denn der Himmel ist.« (Hebr 7,26)
Denn wäre er nicht unschuldig und heilig gewesen, dann hätte er nicht für unsere Sündenschuld genug tun können, sondern hätte für seine eigenen Sünden leiden müssen. Nun aber zeugt die Schrift, dass er um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünden willen zerschlagen worden ist (Jes 53,4–5).
Sechstens schreibt er: »Der Gegensatz in den Worten göttlicher Gestalt und Knechtsgestalt, den Paulus betont, lehrt uns, dass, gleichwie dasdurch welches Gott als Gott erkannt wird, nichts anderes ist, als seine unermessliche Macht, Herrlichkeit und der Lichtglanz, zu dem niemand kommen kann, man gleichermaßen unter dem, an welchem ein Knecht als ein Knecht erkannt wird, nichts anderes verstehen muss, als unser menschliches Fleisch, welches durch den Ungehorsam unseres ersten Vaters unter die Knechtschaft der Sünde verkauft worden ist; dennoch aber müssen wir es so verstehen, dass er unser Fleisch, nicht aber unseres Fleisches Knechtschaft angenommen hat.«
Antwort: Hier will ich dem Leser die Wahl lassen, ob er unter der erwähnten Knechtsgestalt eine knechtische oder ob er mit Johannes a Lasco eine sündliche Gestalt verstehen will. Versteht er unter derselben eine knechtische und nicht eine sündliche Gestalt, dann kann damit nicht dargetan werden, dass das Wort unser Fleisch angenommen hat. Will er es aber mit Johannes a Lasco auf eine sündliche und nicht auf eine knechtische Gestalt beziehen, dann geht unwiderstehlich daraus hervor, dass das, um deswillen wir in diesem Sinn Knechte genannt werden, nämlich die Sünde, auch in Christo sein muss (Röm 6,16; Joh 8,34; 2Pt 2,19) oder der betreffende Gegensatz der Gestalten ist unpassend und kann nicht bestehen, wie ihr nachfolgend durch Gottes Gnade klar hören und sehen sollt.
Dass ich die lateinischen Worte exinanivit semet ipsum übersetzt habe, wie Johannes a Lasco dieselben anführt, leugne ich, denn an einer Stelle habe ich geschrieben: Er hat sich selbst erniedrigt, was, wie ich hoffe, nicht unrichtig ist; an einer andern: Der Sohn oder das Wort ist erniedrigt worden, hat sich seiner selbst begeben und ist geringer als die Engel geworden. Allein nirgends habe ich es übersetzt: Von ihm selbst ausgegangen, wie Johannes a Lasco fälschlich von mir schreibt. Ob ich es richtig oder unrichtig übersetzt habe, darüber will ich gerne alle Sprachkundigen urteilen lassen. Ich denke, er hat sich gewiss nicht wenig erniedrigt, da er, Gottes allmächtiges, ewiges Wort, Weisheit und Kraft, solch ein armer, schwacher und verachteter Mensch wurde. Auch hat er sich seiner selbst nicht wenig begeben, da er, obwohl er in göttlicher Gestalt war, dennoch solch ein elender, dienender Knecht geworden ist. Ja, mein Leser, dass Paulus hier von der knechtischen und nicht von der sündlichen Gestalt gesprochen hat, kann aus folgenden Schriftstellen deutlich ersehen werden. Jesaja sagt:
»Siehe, das ist mein Knecht, ich erhalte ihn; und mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat.« (Jes 42,1)
Dass der Prophet dies von Christo spricht, dafür ist Matthäus mein Zeuge (Mt 3,17; 17,5). Er wird deshalb seines Vaters Diener oder Knecht genannt, weil er des Vaters Befehl, Werk und Dienst an uns elenden Sündern hier auf Erden ausgeführt hat, wie er selbst sagt:
»Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.« (Mt 20,28)
Ich wiederhole es, Paulus spricht hier von der knechtischen und nicht von der sündlichen Gestalt, welche Christus in seiner Liebe zu unserm Heil angenommen hat; denn wenn er von der sündlichen und nicht von der knechtischen Gestalt spräche, dann müsste Christus die Knechtschaft, nämlich die Sünde, auch damit angenommen haben oder das Wort Knechtsgestalt könnte mit den Worten göttlicher Gestalt nicht in gleicher Anwendung gebraucht werden: Denn gleichwie die Worte göttlicher Gestalt von seinem wahren göttlichen Wesen zeugen, so muss auch das Wort Knechtsgestalt von seinem wahren knechtischen Wesen zeugen, oder es müsste aus a Lascos Beweisführung hervorgehen, dass, obwohl Christus göttlicher Gestalt war, er die Gottheit dennoch nicht hatte, gleichwie er die Gestalt eines Knechtes, aber nicht die Knechtschaft, nämlich die Sünde, hatte.
Doch nein, es ist nicht so. Er ist in göttlicher Gestalt und damit auch wahrer Gott gewesen. Gleichermaßen hat er auch die Gestalt eines wahrhaftigen Knechtes angenommen und ist damit auch ein wahrhaftiger Knecht gewesen, wie ihr aus Jesaja, Matthäus und Christo ersehen könnt. Dies ist der Sinn, in welchem der Gegensatz göttlicher Gestalt und Knechtsgestalt Bestand hat; die Ausnahme aber, welche Johannes a Lasco hier gemacht hat, ist gar nicht angebracht.
Was Paulus hier eigentlich bezwecken will, ist, dass die Philipper nicht untereinander zanken, nicht ihre eitle, fleischliche Ehre suchen und behaupten, noch auf das Ihre sehen, sondern sich voreinander demütigen und der Liebe nachkommen sollten, nach dem Beispiele Christi, der, obwohl er in göttlicher Gestalt, ja, Gott gleich war, dennoch sich erniedrigte und die Gestalt eines armen, niedrigen Dieners oder Knechtes annahm und nicht die hochprunkende eines großmächtigen Kaisers oder Königs. Er kam, um uns zu dienen und nicht, um sich von uns dienen zu lassen. Ja, er wurde uns elenden Menschen in allen Stücken gleich, ausgenommen die Sünde (Hebr 2,17). Er hat nicht das Seine, sondern das Unsere gesucht und er ist um unseretwillen seinem Vater gehorsam geworden bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuz (Phil 2,8). Die Behauptung des Johannes a Lasco, dass das Wort unser Fleisch oder einen Menschen von unserm Fleisch angenommen hat, bleibt daher unbewiesen.
Seine Einwendung aber, dass Christus, während er auf der Erde lebte, auch im Himmel war, dass sein Angesicht wie die Sonne und seine Kleider wie der Schnee leuchteten, dass er die Kranken heilte, die Toten erweckte und, was Gott allein zukommt, die Sünde mit einem einzigen Worte vergab etc., beweist nicht, dass er sein heiliges Fleisch von unserm sündlichen Fleische angenommen hat, sondern tut vielmehr dar, dass er, obschon er sich eine Zeitlang erniedrigte und sich seiner göttlichen Klarheit, Vorrechte und Herrlichkeit um unsertwillen begab, dennoch Gott und Gottes Wort geblieben war. Wer Gott von Herzen fürchtet, der denke diesem nach und urteile darüber.
Zum Siebten stützt er seine Behauptung, dass das Wort nicht Fleisch geworden ist, sondern unser Fleisch von Maria angenommen habe, auf Hebr 2,14, wo wir lesen: »Nachdem nun die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er es gleichermaßen teilhaftig geworden …« und sagt: »Das Wort ist Fleisch geworden; nicht dass es damit sein erstes Wesen in irgendeiner Weise verändert oder seine ursprüngliche Gestalt verlassen hätte, sondern es hat unser Fleisch angenommen und seine Gottheit damit bedeckt, solange er auf Erden wandelte.«
Antwort: Ein jeder, der ein schriftgemäßes Verständnis und einen rechten Begriff von der angeführten Stelle und auch von Christo, dem Sohne Gottes, haben will, muss wohl erwägen, dass Gott, der allmächtige, ewige Vater, der wahre Erzeuger, Vollbringer und der einzige Ursprung alles Guten ist und dass er durch sein allmächtiges, ewiges und unerforschliches Wort, das er auf unerforschliche Weise vor allen Kreaturen aus sich zeugt, alle Dinge geschaffen hat, regiert, erhält und bewahrt und dass er in seiner ewigen Gerechtigkeit, Liebe und allen seinen andern Eigenschaften mit diesem seinem unerforschlichen Worte und dem heiligen Geiste ein ewiger und vollkommener Gott ist, dass es außer ihm keinen andern gibt und dass er in seinem Rat, Vorsatz, Willen und Beschluss ewig und unveränderlich ist, wie schon gesagt worden ist.
Ferner erwäge er, dass dieser allmächtige, ewige Vater durch sein allmächtiges, ewiges Wort in der Kraft seines allmächtigen und ewigen Geistes Adam und Eva, unser aller Vater und Mutter, nach seinem göttlichen Vorsatz, Rat, Willen und Beschluss als gerechte, gute und reine Geschöpfe, ja, nach seinem Ebenbilde zum ewigen Leben erschaffen hatte, wie die Schrift meldet und dass er ihnen das Gebot des Lebens und des Todes vor Augen stellte, auf dass sie ihn fürchten, lieben, preisen, ihm danken, dienen und nach seinem Willen leben möchten.
Seht, da habt ihr den Schöpfer, der Adam und Eva geschaffen hat. Ihr seht auch, wodurch, wie und wozu er sie erschaffen, was er ihnen erlaubt und verboten, was er ihnen für den Fall, dass sie ihm gehorchen würden, verheißen und, falls sie ihm nicht gehorchen würden, angedroht hatte. Und so begann die Herrlichkeit Gottes zu leuchten.
In dieser Frömmigkeit, Heiligkeit und Gerechtigkeit sind Adam und Eva geblieben, solange sie nicht von Gottes Rat, Wort, Willen und Gebot, in welchem alles besteht und bestehen muss, abgefallen und gewichen sind. Aber Gott hat dem Menschen die Wahl gegeben, sagt Sirach. Allein jenes listige Tier, der Beneider der Ehre Gottes und alles Guten, unternahm es, die herrliche, edle Kreatur des Lebens durch die alte Schlange aus der Gunst und Gnade ihres Schöpfers in Fluch und Tod zu führen und Gottes Herrlichkeit zu verdunkeln. Er nahte sich zuerst der Eva, als dem schwächeren Gefäße und versuchte sie, indem er ihre Gaumenlust reizte. »Und das Weib schaute an, dass von dem Baum gut zu essen wäre,« sagt Mose. Er verfälschte des Herrn Wort und sprach: »Ihr werdet mitnichten des Todes sterben.« Auch fügte er eine glänzende Verheißung hinzu, indem er sagte:
»Welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.« (1Mo 3,4–6; Joh 8,44)
Adam und Eva verließen das Wort ihres Gottes und Schöpfers, durch welches allein sie leben mussten, glaubten dem Worte der Schlange, aßen und fielen durch Gottes Gerechtigkeit dem angedrohten Fluch der Verdammnis und dem Tod anheim. So hat die verführerische Schlange das Reich der Hölle und des Todes gegründet.
Da lag nun der elende, verfluchte Adam mit seinem Weibe Eva in der Gewalt des Teufels, von oben bis unten, von innen und außen, voll seines unreinen, tödlichen Giftes, ein Eigentum der Sünde und des Todes. Hier gab es nun, was Gottes Gerechtigkeit anbetraf, für Adam und seinen ganzen Stamm kein Entrinnen mehr, denn das Wort des Lebens war verachtet, Gottes heiliges Gebot übertreten und der Schlange Gift eingeschlürft – es war leider alles für sie verloren. Ihre Augen wurden geöffnet, die Schande wurde erkannt, der nagende Wurm quälte ihr ungehorsames, sich selbst anklagendes Herz und da war nichts als Zittern und Beben, Seufzen und Herzeleid. Sie flohen vor dem Angesicht des Herrn und wussten nicht, wo sie sich vor seinem Zorn verbergen sollten, denn Gottes Gerechtigkeit forderte die Erfüllung der Worte: »Welchen Tages du davon isst, sollst du des Todes sterben.«
Des allmächtigen und ewigen Gottes Rat, Vorsatz, Willen und Beschluss, dass er seine Herrlichkeit offenbaren und einen Menschen nach seinem Ebenbilde haben wollte, blieben aber dennoch unverändert.
Da solches denn, wie schon gesagt, bei Gott und von Gott beschlossen und vorgesehen, es mit dem armen Adam und seinem ganzen Samen aber so ganz und gar aus war, da das Gift ihn gänzlich durchdrungen und er vor seinem Gott zu Schanden geworden ist, so musste, wenn des unveränderlichen Gottes unveränderlicher Willen, Rat und Beschluss erfüllt werden sollte, ein anderer, der war, wie der verderbte Adam vor seinem Falle gewesen ist, dessen Stelle einnehmen; denn einen solchen Menschen verlangte Gottes Wille, mit Adam aber war es aus.
Darum musste das unerforschliche, ewige Wort, durch welches Adam und Eva geschaffen waren und in welchem alles besteht und ewiglich bestehen muss, die allmächtige Kraft und Weisheit Gottes, Mensch werden, auf dass er, Adam und seinem ganzen Samen zur Seligkeit, der verführerischen Schlange den Kopf zertreten, die Versuchung überwinden, des Vaters heiligen und unveränderlichen Willen vollziehen, des Teufels Herrschaft und Gewalt zerstören und mit seinem freiwilligen Gehorsam und unbefleckten Opfer Adams Schuld bezahlen und den verdienten Tod durch seinen unverdienten Tod hinwegnehmen möchte.
Seht, dies freudenreiche Evangelium und diese fröhliche Botschaft der göttlichen Gnade wurde dem armen, bekümmerten und flüchtigen Adam von Gott verkündigt. Er hat es denn auch durch den Glauben angenommen, sich damit getröstet und der Gnade von Herzen gefreut (1Mo 3,15).
Dies ist der Heiland, der dem Adam aus einem Weibe verheißen wurde, der aller Welt Heil ist, der Abraham, Isaak und Jakob versprochen wurde, der herrliche Zweig, Spross, Pflanze und Frucht Davids, der in Salomo, der natürlichen Frucht seiner Lenden vorgebildet wurde und auf seinem Stuhle sitzen und ewiglich in Jakob herrschen wird. Alle, die an diesen glauben, denen wird Gottes Barmherzigkeit, Gnade und Friede zu Teil; über ihm aber, der nicht an ihn glaubt, bleibt der Zorn Gottes (Joh 3,36).
Es geht denn aus diesem allen hervor, dass, gleichwie Adam und wir in Adam im Anfang durch das Wort erschaffen wurden, er und wir auch wieder durch das nämliche Wort von Gott aufgerichtet und in Gnade angenommen worden sind. Johannes sagt:
»Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Dasselbige war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht und ohne dasselbige ist nichts gemacht, das gemacht ist […] Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.« (Joh 1,1–3,14)
Seht, mit so klarer Sprache bezeugt Gottes Geist, dass sowohl die Schöpfung als auch die Wiederbringung Adams und seines Samens durch kein anderes Mittel, als durch das Wort geschehen ist.
Um dieses besser zu erklären und euch ein rechtesVerständnis davon beizubringen, wie gänzlich sündig, unrein, vergiftet, unvermögend und nichtig wir in Adam alle geworden sind, will ich euch hier mit Paulus auf das Gesetz und die Schrift hinweisen. Diese werden euch unseres Fleisches unreine, schwache Art, Natur und sündliches Wesen so klar abmalen, dass ihr werdet bekennen müssen, dass der herrliche, heilige und unbefleckte Heiland, durch welchen wir alle zum Frieden gebracht und mit Gott versöhnt worden sind, nicht von so unreinem, sündlichem und verdammten Samen und Fleisch stammen konnte, wie die Gelehrten uns lehren und mit ihren schriftlosen, philosophischen Reden glauben machen wollen.
Mose spricht:
»Laß dich nicht gelüsten!« (5Mo 5,21)
oder
»Du sollst nicht begehren!« (2Mo 20,17)
Siehe auch Röm 7,8; 13,9. Merke, mein Leser, diese wenigen Worten enthalten eine Hinweisung auf die ursprüngliche Gerechtigkeit, in der Adam im Anfang erschaffen wurde und die Gott nach seiner Gerechtigkeit auch jetzt noch von seinen Nachkommen fordert. Erwägt diese Worte des Mose klüglich und erforscht euch recht vor eurem Gott, der Herz und Nieren prüft, ob es euch nicht zuweilen wider das Gesetz gelüstet und ob ihr nicht solche verbotenen Lüste in eurem Fleische findet.
Wenn ihr euch dünken lasst, dass ihr frei davon seid, dann macht ihr Gott zum Lügner (1Joh 1,10; 2Mo 34,7; Ps 143,2; Jes 64,6; Jak 3,2; 1Joh 1,8). Ihr beschämt damit auch alle Gerechten Gottes, die von Anbeginn gelebt haben, denn sie haben allesamt beständig über ihr übelwollendes, böses Fleisch geklagt und es leider auch mit ihren Früchten nur zu sehr bewiesen. Die Schrift ist mein Zeuge, dass ich die Wahrheit sage.
Ja, mein Leser, wenn irgendein aus Adams sündlichem Samen geborener Mensch das Gesetz vollkommen hätte erfüllen können, dann wäre das gebotene Sündopfer, welches alljährlich durch den Hohenpriester im Allerheiligsten dargebracht wurde, für einen solchen unnötig und fruchtlos gewesen. Auch hätte alsdann der Sohn des Allerhöchsten, Gottes ewiges Wort, nicht nötig gehabt, Mensch zu werden, da ja der Mensch selbst alles erfüllen und der geheischten Gerechtigkeit Genüge hätte leisten können. Nun aber war kein aus Adam geborener Prophet oder anderer Mann Gottes so heilig oder so fromm, dass er sich nicht gänzlich mit Gottes Verheißungen von Christo Jesu (der auch durch das Opfer vorgebildet wurde) und der göttlichen Gnade durch den Glauben hätte trösten müssen (Hebr 11,1).
Findet ihr aber, dass ihr nicht so handelt, wie das Gesetz es von euch verlangt, sondern dass ihr beständig von den in eurem Fleische wohnenden Lüsten angefochten und manchmal sogar, wenn auch gegen euren Willen, von denselben überwältigt werdet, dann müsst ihr gewiss zugeben, dass ihr durch das Gesetz der Gerechtigkeit schon zum Tode gerichtet seid, denn dieses spricht:
»Verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllt, dass er darnach tue und alles Volk soll sagen: Amen.« (5Mo 27,26)
Sieh, mein lieber Leser, wenn du nun recht wissen und erkennen willst, wie elend, nackt, kraftlos, unvermögend, unrein, sündig und vergiftet Adams ganzer Samen durch seine Übertretung in ihm geworden ist und wie er durch Gottes Gerechtigkeit in Gottes Zorn, Gericht, Fluch, Verdammnis und Tod verfallen ist, dann forsche fleißig in diesem Gesetze, denn es zeigt dir erstens, was Gottes Willen und Gerechtigkeit von dir fordert, ferner die Ohnmacht und Schwachheit deines sündlichen Fleisches, deine unreine, böse Art und Natur und dass du der Strenge der erwähnten Gerechtigkeit nach schon dem Tode verfallen bist, weil du infolge deiner angeborenen schwachen Natur und deines bösen Fleisches nicht in der verlangten Gerechtigkeit wandelst, wie Gott es dir in seinem Gesetze auferlegt und befohlen hat, was du durch die Salbung, die bei dir ist, wenn du dieselbe nur recht wahrnimmst, deutlich an dir selber spüren und sehen kannst.
Nun Adam und sein Samen in so gänzliche Verderbnis geraten, seine rein und gut erschaffene Natur von Grund auf unrein und böse durch ihn geworden und deshalb dem gerechten Gerichte anheim gefallen und alles unter die Sünde beschlossen war etc., so musste, sollte nun dieses Gift in seiner Kraft geschwächt, Adams gefangene Natur vom Fluch und der Gewalt der Sünde befreit, der Gerechtigkeit Gottes Genüge geleistet, des Teufels Gewalt gebrochen, Fluch, Zorn und Verdammnis hinweggenommen, die Handschrift des Gesetzes, die solche Gerechtigkeit von Adams Kindern verlangte, in Stücke zerrissen, Gottes ewige Vorsehung, Rat, Willen und Beschluss vollzogen und sein Reich und seine Herrlichkeit bekannt werden, so ein Mensch gefunden werden, wie Gottes Rat, Willen und Beschluss ihn forderte, wie wir schon gehört haben. Da wurde Gott durch seine ewige Liebe getrieben, einen andern Menschen an Adams statt zu finden, der den Teufel überwände, sein Reich und seine Gewalt vernichtete, die von Gott verlangte Gerechtigkeit vollführte, seine Herrlichkeit bekannt machte, ein reines Opfer darbrächte und aus Mitleid und Liebe, nicht von Adam, sondern für Adam, d. h. Adam und den Seinigen zum ewigen Heil, ohne jegliche Schuld seinerseits verflucht und zum Tode gerichtet würde, auf dass der verderbte und verdammte Adam mit seinem verderbten und verdammten Samen durch seinen Namen wieder in Gnaden angenommen und von seinem schweren Fall erlöst würde.
Es konnte, ich sage es noch einmal, kein Mensch aus Adam sein, denn Adams verderbtes Fleisch war nicht im Stande, eine Frucht aus sich zu erzeugen, die solches vollbringen konnte, da es so von Grund auf verdorben und vor seinem Gott verdammt war; sondern es musste ein Mensch sein, der von Adams verdientem Fluch, Verdammnis und Tod und auch von allem seinem Gift, seiner Sünde und Ungerechtigkeit frei war, wie wir schon mehr als genug gehört haben.
Gebe wohl Acht, mein treuer Leser und lerne hier deinen Gott in seiner Gnade und Liebe recht erkennen. Denn obwohl die ganze Schrift Adam und Eva samt ihrem ganzen Samen der Gerechtigkeit nach gänzlich unter die Sünde, den Fluch, die Verdammnis und den Tod beschließt, so will sie dennoch das bekümmerte und geängstigte Gewissen, das nun durch das Gesetz so weit gelehrt und getrieben wird, dass es seine Wunden und Striemen fühlt und erkennt, dass es die ewige Verdammnis und den Tod verdient, nicht in der Hölle lassen, sondern weist mit den trostreichsten Worten und Bildern an, bei wem und von wem man die rechte Arznei holen und suchen soll, nämlich bei Christo Jesu (Mt 11,28; Röm 3,24). Denn er ist derjenige, der dem gefallenen und verdammten Adam und seinem ganzen Samen von Gott, unserm himmlischen Vater aus väterlicher Gunst und Gnade mit all seiner Gerechtigkeit, seinem Verdienst, Kreuz, Blut und bittern Tod zur ewigen Seligkeit geschenkt und zur ewigen Versöhnung gesandt worden ist.
Nach meinem Dafürhalten ist dies gewiss ein freundliches Evangelium und eine fröhliche Botschaft für alle bedrückten, betrübten Seelen, welche, durch das Gesetz zur Erkenntnis der Sünde und zum Abgrund des Todes gebracht, vor Gottes gerechtem Urteil und strengem Zorne mit tödlichem Schrecken erbeben, dass der allmächtige, ewige Gott und Vater uns elende, nichtige und so verdammungswürdige Sünder, die sich so weit von ihm entfremdet und nach seiner strengen Gerechtigkeit den ewigen Tod verdient hatten, so sehr geliebt hat, dass er sein allmächtiges, ewiges, unerforschliches Wort, seinen einzigen, ewigen und lieben Sohn, den Glanz seiner Herrlichkeit (Hebr 1,3), zum Beweis seiner göttlichen Gnade als einen armen, schwachen, sterblichen und Adam in seiner Natur vor dem Falle gleichen Menschen in diese traurige Welt gesandt und dass dieser uns durch seine vollkommene Gerechtigkeit, seinen freiwilligen Gehorsam und unverschuldeten Tod aus dem Reich und der Gewalt des Teufels in das Reich seiner göttlichen Gnade und des ewigen Friedens geführt hat.
Da denn die Schrift den ersten Adam mit seinem ganzen Samen als einen unreinen, sündlichen, verfluchten und verdammten Adam erklärt, Christum, den zweiten Adam, aber von aller Unreinigkeit, Sünde, Fluch und Verdammnis frei spricht, so kann der unparteiische, redliche Leser leicht daraus entnehmen, dass eine so edle und herrliche Frucht nicht von solch einem stinkenden Fliederbaum und Dornbusch gepflückt werden konnte, sondern dass dieselbe von einem andern Stamme, nämlich von ihm, welcher der einzige Ursprung und die Quelle alles Guten ist, herkommen muss.
Dass Christi heiliges und seligmachendes Fleisch nicht von Adams sündlichem und verdammtem Fleische gewesen ist, kann aus nachstehenden Sprüchen und Bildern der Schrift klar ersehen werden.
»Wir gingen alle in der Irre […] ein jeglicher sah auf seinen Weg, aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn […] Wiewohl er niemand Unrecht getan hat, noch Betrug in seinem Munde gewesen ist. Aber der Herr wollte ihn so zerschlagen mit Krankheit.« (Jes 53,6,9,10)
Der Psalmist sagt in der Person Christi:
»Ich muss bezahlen, das ich nicht geraubt habe.« (Ps 69,5)
»Welcher unsere Sünden selbst geopfert hat an seinem Leibe auf dem Holz, […] durch welches Wunden ihr seid heil geworden.« (1Pt 2,24; Jes 53,12; 1Joh 3,5; Röm 3,24)
»Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.« (2Kor 5,21; Röm 3,10)
»Sie sind allzumal Sünder, und mangeln des Ruhms, den sie an Gott haben sollten; und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade, durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist.« (Röm 3,23–24)
»Aber die Schrift hat es alles beschlossen unter die Sünde, auf dass die Verheißung käme durch den Glauben an Jesum Christum, gegeben denen, die da glauben.« (Gal 3,22)
»Und ihr wisst, dass er ist erschienen, auf dass er unsere Sünden wegnehme, und ist keine Sünde in ihm.« (1Joh 3,5)
Lest auch die folgenden Kapitel der Schrift: Jes 7; 9; 40; Jer 23; 33; Mi 5; Joh 1; 3; 5; 6; 8; 9; 10; 11; 14; 16; 17; 1Kor 15; Apg 20; Eph 4; 1Tim 3; 1Joh 1; 2; 3; 4; 5; Hebr 1; 2; 3; 7; Offb 1; 19.
Hier folgen einige Redebilder
Er ist der geistliche Baum des Lebens, mitten im Paradiese Gottes, welcher nicht von menschlichen Händen, sondern von Gott selber gepflanzt ist (1Mo 2,7; 3,22). Alle, welche von den Früchten dieses Baumes mit reinem Herzen essen, werden ewig leben und die Blätter des Baumes dienen zu der Gesundheit der Heiden (Offb 22,2).
Er ist die geistliche eherne Schlange, die von der mosaischen Schlange vorgebildet wurde (4Mo 21,9), welche uns armen Sündern in der wilden Wüstenei dieser Welt vom Vater als ein heilsames Zeichen aufgerichtet worden ist und die wohl die Gestalt der giftigen Schlangen, aber nicht deren giftige Natur hatte. Ein jeder, der an ihn glaubt, ist von dem Fluch, der Verdammnis und dem Tod, die durch die Schlange eingeführt worden ist, erlöst. Wer aber nicht an ihn glaubt, über dem bleibt der Zorn Gottes und er muss, kraft Gottes ewiger Gerechtigkeit, den ihm auferlegten Fluch, den Tod und die Verdammnis ewiglich leiden und tragen (Joh 3,36).
Er ist der geistliche Gnadenstuhl, der nicht von Förenholz, wie die Bundeslade, sondern von feinem lauterem Golde gemacht ist und von welchem uns Gott gnädiglich erhört und durch seinen Geist und sein Wort mit uns redet (2Mo 25,10; 4Mo 7,89; Röm 3,25; Hebr 4,16).
Er ist das geistliche Passahlamm (1Kor 5,7), das ohne Fehler ist und durch dessen Besprengung und Heiligung mit seinem Blute das auserwählte Israel Gottes, mitten im grausamen und finstern Ägypten dieser Welt, ewiglich vor dem tötenden Engel in Gnaden erhalten und vor Gottes Zorn bewahrt wird (2Mo 12,23).
Er ist das wahrhaftige Himmelsbrot, das nicht aus natürlichem Korn oder Weizen (ich meine aus unserem sündigen Fleische), sondern aus dem Taudes ewigen Wortes geworden ist, welches die einzige und wahrhaftige Speise unserer Seelen ist und wodurch wir in Ewigkeit leben sollen, wenn wir nur mit ungefälschtem Glauben recht davon essen (2Mo 16,4; 5Mo 8,3; Joh 6,51).
Er ist der Stein ohne Hände (d. h. ohne menschliches Zutun) vom Berg herabgerissen, der das Eisen, Erz, Ton, Silber und Gold, ja, alle Königreiche dieser Welt zermalmen und zerstören wird, welcher dem König Nebukadnezar im Traume erschien und von Daniel ausgelegt wurde (Dan 2,45). Denn er hat alle Gewalt im Himmel und auf Erden; er ist ein gewaltiger König, der Herrschaft führt über alles und dessen Reich kein Ende hat, noch auf ein anderes Volk übergehen wird (Mt 28,18; 1Kor 15,25; Eph 1,21).
Seht, meine guten Leser, mit den erwähnten Schriftstellen und Redebildern möchtet ihr nun, so ihr Gott fürchtet, erwägen, ob jene Lehre auf die Schrift gegründet ist, welche behauptet, dass dieser gerechte, heilige, fleckenlose, gehorsame und seligmachende Heiland Adams ungerechtem, sündigem, unreinem, ungehorsamen und verdammten Fleische oder Samen entstammt und Mensch davon geworden sei. O nein! Dieses reine, klare Wasser, mit dem alle unsere Flecken abgewaschen werden müssen, konnte nicht aus einem so unreinen, würmer- und fäulnishaltigen Brunnen geschöpft werden. Ein jeder denke nach, was ihn des Herrn Wort lehre.
Nun wollen wir durch des Herrn Gnade die erwähnte Stelle in Hebr 2 etwas weiter erwägen, auf dass wir den Grund und die Wahrheit derselben recht fassen und unserer Gegenpartei keinen Anlass geben mögen, sich zu rühmen, dass wir ihnen nicht Rede stehen. Fürs Erste will ich euch auf Hebr 1 hinweisen. Gebt wohl Acht auf das, was da von Christo gesagt wird.
»Hat er (Gott) am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, welchen er gesetzt hat zum Erben über alles, durch welchen er auch die Welt gemacht hat.« (Hebr 1,2)
Ich glaube bestimmt, dass, wenn ihr diese Schriftstellen mit Ernst überdenkt und recht zu Herzen nehmt, ihr bald erkennen werdet, von wannen Christus gekommen und wer und was er gewesen ist. Denn diese offenbaren Zeugnisse lehren klar, dass die Welt durch ihn gemacht wurde, dass er der Glanz der Ehre Gottes ist, dass er uns durch sich selbst von unsern Sündern gereinigt hat, dass er der erstgeborene Sohn Gottes und Gott ist und die Erde gegründet hat, was Marias Fleisch nie sein konnte.
Wollen sie nun sagen, dass die betreffenden Schriftstellen nicht von Marias, sondern von Gottes Sohn geredet sind, dann bekennen sie damit einen geteilten Christus – zwei Personen, zwei Söhne etc. – und werden zudem noch durch dieselben offenbar überführt, dass sie auf den ganzen Christus Bezug haben (Joh 1,14; 9,37; 4,26), denn er hat als Mensch mit uns Menschen gesprochen und wir sind laut Lehre der Schrift durch sein menschliches Leiden und Sterben von unsern Sünden gereinigt worden (1Joh 1,7; 1Pt 1,19).
Wollen sie sich aber auf die Wortvertauschung oder die Gemeinsamkeit der Namen berufen, dann antworte ich mit kurzen, schlichten Worten, dass die einfachen, treuen Fischerseelen Petrus und Johannes; Martha, die Küchenmagd; der gute, einfache Nathanael von solchem satanischen Zeugnis und menschlichem Klügeln nichts gewusst, sondern dem sichtbaren und greifbaren Christus die Ehre gegeben und ihn bekannt haben (Mt 16,16; Joh 6,69; 11,27).
Dies wird noch ausführlicher erklärt im zweiten Kapitel, wo es heißt:
»Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst; und des Menschen Sohn, dass du ihn heimsuchst? Du hast ihn eine kleine Zeit der Engel mangeln lassen; mit Preis und Ehre hast du ihn gekrönt […]« (Hebr 2,6–7)
Hier will ich den eifrigen Leser getreulich darauf aufmerksam machen, dass sowohl Erasmus als Hieronymus in ihren lateinischen Übersetzungen hier sagen: Du hast ihn etwas kleiner denn die Engel gemacht, und dass der hebräische Psalm hat:
»Du hast ihn ein wenig geringer denn Gott gemacht; mit Preis und Ehre hast du ihn gekrönt.« (Ps 8,6)
Und dieser Sinn stimmt überein mit den Worten Pauli, wo er sagt:
»Welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich sein; sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden.« (Phil 2,6–7)
An einer andern Stelle sagt er:
»Obwohl er reich ist, ward er doch arm um euretwillen.« (2Kor 8,9)
Auch stimmt dies mit den Worten Christi überein, wo er sagt:
»Und nun verkläre mich, du Vater, bei dir selbst, mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.« (Joh 17,5)
Nach meinem Dafürhalten beweisen diese klaren Sprüche und offenbaren Zeugnisse deutlich, dass die Lehre unserer Gegner, Gottes Sohn sei in seiner ursprünglichen Gestalt und Wesen unverletzt geblieben, falsch und schriftwidrig ist.
Und wir sehen, dass dieser nämliche Mensch, der so erniedrigt und um unsertwillen weniger denn Gott und die Engel geworden ist, Jesus ist (sagt er), welcher darum, dass er den Tod erlitten, mit Preis und Ehre gekrönt worden ist; denn gleichwie er sich aus Gehorsam und zum Dienste aufs Allertiefste gedemütigt hat, so ist er von seinem Vater auch wiederum in die erhabenste Höhe erhöht worden (Phil 2,9; Eph 4,8). Und er hat durch Gottes Gnade für Adam und seinen ganzen Samen, der sonst nicht aus der Gewalt des Todes hätte erlöst werden können, unschuldig den Tod geschmeckt.
»Denn es ziemte dem, um dessen willen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind, der da viele Kinder hat zur Herrlichkeit geführt, dass er den Herzog ihrer Seligkeit durch Leiden vollkommen machte. Da sie alle von einem (d. h. aus einem Gott) kommen, beide, der da heiligt und die da geheiligt werden (die Wiedergebornen).« (Hebr 2,10–11)
Es haben also die Geheiligten mit ihrem Heiligmacher gemeinsam einen Gott, wie Johannes sagt:
»Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, (merkt) Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben; welche nicht von dem Geblüt, […] sondern (merkt) von Gott geboren sind.« (Joh 1,12–13)
Und darum schämt sich unser Heiligmacher nicht, seine Geheiligten seine Brüder zu nennen und sagt:
»Ich will verkündigen deinen Namen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen.« (Hebr 2,12)
Ja, werte Leser, wenn Christus von Adams Fleisch wäre und wir des Fleisches halber seine Brüder hießen, wie die Gelehrten behaupten, dann müsste der eine Bruder den andern gebären und zudem alle Gottlosen, ja, Huren und Spitzbuben, Christi Brüder und Schwestern sein. Dies ist deutlicher, als dass man es widerlegen könnte.
O nein! Wer seine Brüder und Schwestern sind, hat er selber in Mt 12,50; Mk 3,35; Lk 8,21 deutlich erklärt. Auch nennt er sie hier nicht nur seine Brüder, sondern auch seine Kinder und sagt:
»Siehe, hier bin ich und die Kinder, die der Herr mir gegeben hat.« (Jes 8,18)
Sie werden darum seine Kinder genannt, weil er sie durch das Wort seiner Gnade und die Kraft seines heiligen Geistes, in der Besprengung mit seinem roten Blute, seinem Vater zu Kindern geboren hat (1Pt 1,23). An einer andern Stelle nennt er sie auch seine Mutter, seine Braut, sein Fleisch und Gebein, welches sie nach dem Fleische keineswegs sein konnten (Joh 3,29; Eph 5,30). Ja, meine Leser, wenn er sein Fleisch von seinen Kindern empfangen hätte, wie Johannes a Lasco und die Seinigen behaupten, so müssten die Kinder den Vater geboren haben und Christus, der neue Adam, müsste zu seiner neuen Eva sagen: Ich bin Fleisch von deinem Fleisch, und nicht: Du bist Fleisch von meinem Fleische (1Mo 2,23). Fürchtet ihr Gott, meine Leser, so denkt nach und richtet.
Hier folgt die betreffende Stelle, Hebr 2,14–17
»Nachdem nun die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er es gleichermaßen teilhaftig geworden, auf dass er durch den Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel, und erlöste die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mussten. Denn er nimmt nirgend die Engel an sich, sondern den Samen Abrahams nimmt er an sich. Daher musste er in allen Dingen seinen Brüdern gleichartig werden.« Siehe auch Hos 13,14; 1Kor 15,55; 2Tim 1,10.
Seht, dies ist die wichtigste und stärkste Stelle, mit welcher Johannes a Lasco die ganze diesen Punkt betreffende Schrift bestreitet, Christum teilt oder zu zwei Personen und Söhnen macht und, wie er meint, alle seine Beweisgründe, Sprüche, Bemerkungen, kurz sein ganzes Werk zu einem geschlossenen Ganzen verbindet. Was er eigentlich behauptet und meint, ist dies: Gleichwie die Kinder Fleisch und Blut haben, ebenso hat auch das Wort oder der Sohn Gottes gleichermaßen sein Fleisch und Blut von der Kinder Fleisch und Blut empfangen und so Sünde, Tod und Teufel in unserm Fleisch überwunden.
Da er denn diese Stelle so sehr in den Vordergrund drängt, so habe ich in meiner Anweisung so reichlich mit Belegen aus der Schrift dargetan das angeborne, unreine, sündliche Fleisch und die Natur der erwähnten Kinder und ihren verdienten Tod und ihre Verdammnis, hingegen aber auch Christi reines, heiliges Fleisch und Natur und seinen unverdienten Tod und Gericht; auf dass der Leser dadurch recht erkennen und fassen möge, dass der Herr Jesus Christus solchem unreinen Fleisch und Samen der Kinder nicht entstammen noch einen Menschen von ihnen annehmen konnte; denn der Kinder Fleisch ist unrein und sündlich, das Fleisch Christi hingegen rein und heilig.
Da denn sein reines Fleisch nicht von dem unreinen Fleische der Kinder sein konnte, wie gesagt worden ist, unsere Gegner aber dennoch ihren Grund hartnäckig mit dieser Stelle behaupten wollen, so will ich letztere deshalb Wort für Wort fleißig untersuchen und mit Gottes Gnade von jedem Worte den heilsamen Sinn und die rechte Bedeutung anweisen.
1. Merkt, dass hier mit dem Worte Kinder keine anderen Kinder bezeichnet werden, als die, welche oben von Christus Brüder genannt werden, nämlich, die an Christum Jesum glauben und durch die lebendige Kraft seines Geistes und Wortes aus Gott geboren werden, wie gehört worden ist.
2. Merkt, was es nach der Schrift heißt, Gemeinschaft mit Fleisch und Blut haben, nämlich, dass es nicht nur meint, Fleisch und Blut haben, wie einige es übersetzt haben, sondern dass es auch bedeutet, sich mit Fleisch und Blut vermengen und durch die verdorbenen Lüste unseres Fleisches solche Dinge tun, die uns von Gott verboten sind (Röm 3,20; 7,5).
3. Merkt, dass, da die Kinder noch solche Gemeinschaft mit ihrem sündlichen Fleisch und Blut haben und mit einer menschlichen Schwachheit behaftet sind, durch welche sie beständig, obschon gegen ihren Willen, straucheln und fehlen, sie einen Hohenpriester haben müssen, der mit ihren menschlichen Gebrechen Mitleid haben kann, weil er gleichermaßen versucht worden ist, obwohl ohne in Sünde zu fallen, wie erwähnt worden ist.
4. Merkt, dass das Adverb gleichermaßen hier wohl eine wahrhafte menschliche Natur in Christo bezeugt, aber keineswegs eine natürliche Empfängnis, wie Johannes a Lasco behauptet; denn es ist aus der ganzen Schrift ersichtlich, dass die Empfängnis der Maria vermittelst des Glaubens auf übernatürliche Weise durch den heiligen Geist geschehen ist, wie früher schon überflüssig dargetan worden ist.
5. Merkt, dass die Worte Fleisches und Blutes teilhaftig werden hier nichts weiter meinen wie: Fleisch und Blut haben, da seine Kinder und Brüder auch Fleisch und Blut haben, wie Sebastian Castalion es auch übersetzt hat; doch mit diesem Unterschiede, dass sein Fleisch heilig war und von keiner Sünde wusste und darum auch die Verwesung niemals gesehen hat. Das Fleisch seiner Brüder und Kinder hingegen ist sündhaft und darum auch vergänglich (1Kor 15,50).
6. Merkt, dass Paulus die Worte teilhaftig werden nicht überall in dem nämlichen Sinne gebraucht. An einer Stelle (1Kor 9,12) schreibt er: »So aber andere dieser Macht an euch teilhaftig sind,« d. h. so andere diese Macht an oder über euch haben. Wiederum:
»Der da drischt, soll auf Hoffnung dreschen,« (1Kor 9,10)
d. h. dass er empfange, worauf er hofft. In 1Kor 10,17 und 21 wird das nämliche Wort für genießen gebraucht.
Da denn dieses teilhaftig werden in der Schrift nicht überall gleichen Sinn und Bedeutung hat, so muss es auch, wenn immer es vorkommt, nicht anders als nach dem rechten Sinn und Grund der Schrift ausgelegt werden oder die ganze Schrift müsste um eines einzigen Wortes willen gebrochen und ihr eine fremde Deutung beigelegt werden.
7. Merkt, dass das Wörtlein es sich auf die Worte Fleisch und Blut, nicht aber auf das Fleisch und Blut der Kinder bezieht; denn Letzteres ist in und an sich unrein, sündlich, todesschuldig und verflucht. Wenn hier das Fleisch und Blut der Kinder gemeint wäre, wie Johannes a Lasco und M. M. behaupten, so dass Gottes Sohn einen vollkommenen Menschen mit Leib und Seele von der Kinder Fleisch angenommen hätte, so müssten alle diese folgenden unauflöslichen Widersprüche unwiderstehlich daraus folgen:
Erstens, ein unreiner, sündlicher, verfluchter, verdammter und todesschuldiger Christus, gleich dem Fleische der Kinder, von dem er das Seinige angenommen oder empfangen haben soll; denn wo der Kinder Fleisch ist, da muss auch der Kinder Sünde und Fluch sein. Dies kann man nicht leugnen oder die Gerechtigkeit müsste verändert und der Fluch durch unser eigenes Fleisch hinweggenommen und zu Ende gebracht sein.
Auf dieses hat M. in der ersten Besprechung, die ich mit ihm hatte, so geantwortet: »Christus war rein und ohne Sünde und zwar deshalb, weil Maria Ihn nicht durch Vermischung aus Mannessamen empfangen hatte.« Darauf antwortete ich: Wenn ich recht höre, so ist die Sünde aus der Vermischung, die Gottes Ordnung ist, und nicht aus Adams Übertretung entstanden? Er erwiderte: »Nein; es war durch Gottes Gerechtigkeit, dass er in seiner Natur verdorben wurde.« Ich frug: Wie? Er sagte: »Weil Gott gesprochen hatte: ›Welches Tages du davon isst, wirst du des Todes sterben.‹« Hierauf erwiderte ich: So ist demnach Gott die Ursache von Adams Sünde gewesen und muss in diesem Sinn der gedrohte Tod nicht nur die Strafe der Sünde, sondern auch die Sünde selbst sein. O Martin, merke doch, was für Reden du vorbringst!
Zweitens folgt daraus ein geteilter Christus, von welchem die eine Hälfte vom Himmel und die andere von der Erde sein muss.
Drittens, zwei Personen in Christo, eine göttliche und eine menschliche Person. Auf dieses bemerkte M. in unserer zweiten Besprechung Folgendes: »Es waren keine zwei Personen in Christo, sondern nur eine Person; denn wiewohl das Wort von Ewigkeit eine Person gewesen ist, so war es dennoch, als es in die Maria kam, keine Person.« Ferner sagte er noch: »Obschon jeder Mensch eine Person ist und der Mensch Christus ein Mensch wie ein anderer Mensch war, so war dennoch der Mensch Christus allein keine Person.« Ich schäme mich, solche Ungereimtheiten berühren zu müssen. Mit Recht hat Paulus gesagt: Wo sind die Weltweisen?
Viertens, zwei Söhne in Christo: Gottes Sohn ohne Mutter und dem Leiden nicht unterworfen und des Menschen Sohn ohne Vater und dem Leiden unterworfen, was M. M. sowohl in unserer ersten als unserer zweiten Besprechung wiederholt mit deutlichen Worten bekannt und zugestanden hat. O Gott, was für wunderbare Dinge muss man hören!
Fünftens, dass nicht Gottes erst- und eingeborner, eigener Sohn, sondern Marias vaterloser, Adams todesschuldigem, sündlichem Fleische entstammter Sohn den Tod für uns erlitten hat, welches in offenem Widerspruche mit den Worten Christi, Johannes, Pauli und der ganzen Schrift ist (Joh 3,16; 1Joh 4,9; Röm 8,32).
Sechstens, dass das ewige Sühnopfer, welches einmal für die Sünden der ganzen Welt geopfert worden ist, nicht das makellose Lamm, sondern ein unreines, der Sünde und dem Tode unterworfenes Opfer gewesen sein muss, was man aus der Schrift des Johannes a Lasco mehr als hinreichend folgern kann.
Siebtens, der Engel Gabriel, Petrus, der Herr selbst etc. bekennen, dass der Mensch Christus Jesus Gottes Sohn ist; Thomas nennt ihn seinen Herrn und Gott und die ganze Schrift lehrt, dass er unser Fürsprecher, Versöhner, Mittler, Hohepriester, Erlöser und Heiland ist. Wäre er aber dennoch von Adams unreinem, sündlichem Fleisch und Samen, dann hätten wir offenbar eine geschaffene Kreatur und Menschen von Adams unreinem, sündlichem Fleisch zu unserm Heiland, Erlöser, Versöhner, Fürsprecher, Hohenpriester, ja, Herrn und Gott, welches nicht nur ein Gräuel und Abgötterei, sondern auch eine offenbare Gotteslästerung ist.
Zehntens, wenn das ewige Wort, durch welches alles geschaffen ist, einen kreaturischen Sohn von Marias oder der Kinder Fleisch angenommen und sich mit demselben zu einer Person und Sohn vereinigt hätte, dann müssten der Schöpfer und das Geschöpf, Gottes Sohn ohne Mutter und Marias Sohn ohne Vater, eine ungeteilte Person und Sohn geworden sein. Dem kann nicht widersprochen werden.
Elftens, hat das Wort einen Menschen von Marias Fleisch angenommen und ist nicht selber Mensch geworden, dann ist Gott kein wahrer Vater Christi, Maria keine wahre Mutter und Christus kein wahrer Sohn, beides, seines Vaters und seiner Mutter, und die ganze Schrift, die da bezeugt, dass Christus Gottes Sohn ist, ist nichts als eine Lüge.
Ich denke, alle diese aufgezählten, unauflöslichen Widersprüche werden euch gewiss hinreichend überzeugen, dass Johannes a Lasco das Fürwort es nicht nach der Schrift ausgelegt hat.
8. Merkt, warum Christus, der Fürst unserer Seligkeit, Mensch geworden ist, nämlich, dass er den Fürsten des Todes – den Teufel – durch seinen unverdienten Tod vernichten und seine geknechteten, furchtsamen Brüder und Kinder von dem sie beschuldigenden Gesetze, von der Gewalt der Sünde und der Furcht des Todes erlösen möchte.
9. Merkt, dass die Worte: »Er nimmt nirgend die Engel an sich, sondern den Samen Abrahams nimmt er an sich,« nicht auf das Annehmen seines menschlichen Fleisches, wie die Gelehrten behaupten, sondern auf das Annehmen aus Gnaden, wodurch er uns annimmt, beziehen; denn er gebraucht das Wort annehmen in der gegenwärtigen Zeit und das Wort Engel in der Mehrzahl, indem er sagt: »Er nimmt nirgend die Engel an sich,« sondern den Samen Abrahams nimmt er an sich, »die Kinder der Verheißung,« (Röm 9,8), »die da glauben,« (Gal 3,22), seine Brüder und Kinder. Aus Gnade nimmt er sie, seine Brüder und Kinder, an zu seines Vaters Lobe (Röm 15,7) und bittet für ihre Schwachheiten und Gebrechen (Röm 8,26; Hebr 5,10), da sie der angebornen, unreinen, bösen Art und Natur ihres Fleisches in diesem Leben nimmermehr recht los werden können, wie gehört worden ist.
10. Merkt, dass, was einem Dinge gleich ist, nicht der Gegenstand ist, dem es gleich ist. Es kann daher mit den Worten: »Daher musste er allerdinge seinen Brüdern gleich werden,« nicht bewiesen werden, dass Christus sein reines, heiliges Fleisch von Adams unreinem, sündlichem Fleisch empfangen hat.
Seht, werte Leser, wenn ihr nun diese unsere Erklärung über die Stelle in Hebr 2 wohl betrachtet und mit der Schrift recht erwägt, so werdet ihr ganz klar finden, dass der eigentliche Grund und Sinn der betreffenden Worte der ist: Dass, obwohl Christus, der Fürst unserer Seligkeit, uns zu seiner Herrlichkeit geführt und also zu Brüdern und Kindern im Glauben angenommen hat, wir dennoch in unserer ersten von Adam herrührenden Geburt durch die Schlange so vergiftet und in unserer Natur verdorben sind, dass wir, solange wir in dieser Hütte leben, des unreinen, sündlichen Fleisches nie recht los werden können, sondern oft, obwohl gegen unsern Willen, uns damit vermengen und verunreinigen und werden so von der Handschrift überwiesen, dass wir nach der ewig dauernden Gerechtigkeit den Tod verdienen (Röm 7,7; 3,20).
Da wir denn mit solch einem bösen, sündhaften, ungehorsamen und todesschuldigen Fleische behaftet sind (Hi 15,14; Ps 143,2; Röm 3,10; Gal 3,11), wie alle frommen Kinder Gottes von Anbeginn solches geklagt haben, und wir von dem eingedrungenen Stachel der Schlange nicht gänzlich los werden können, so hat unser Fürst, Heiligmacher, Bruder und Vater Christus in seiner unendlich großen Liebe und nach seines ewigen Vaters Rat, Vorsatz, Willen und Beschluss sich entschlossen und ist gleichermaßen des Fleisches und Blutes teilhaftig geworden, aber nicht dessen der Kinder, denn diese waren sündig und unrein, sondern wie Johannes sagt: »Das Wort ward Fleisch.« – ja, ein elender, betrübter, der Versuchung und dem Tode unterworfener Mensch. Er hat sich also freiwillig hingegeben, um für seine Reichsgenossen, Geheiligten, Brüder und Kinder zu streiten; er hat sich als ein Held zur Wehr gesetzt und den Versucher in seinem Versuchen schamrot gemacht, ihn in seiner Macht überwunden, ihm die Waffen entrissen und seinen Kopf zertreten; er hat die Handschrift abgetan und in Stücke zerrissen, ja, mit seinem roten Blute ausgewischt; er hat unsern schuldigen und verdienten Tod mit seinem unschuldigen und unverdienten Tode bezahlt und damit die Worte des Propheten erfüllt: »Tod, ich will dir ein Gift sein; Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein.« Er hat also seine Auserwählten, Heiligen, Brüder und Kinder von der Sklaverei und Drucke des Gesetzes, von der Gewalt der Sünde und von der schrecklichen Furcht des verhängten Todes erlöst, so dass ihnen ihre menschliche Schwachheit und ihre unfreiwilligen Übertretungen um seinetwillen nicht mehr zur Sünde gerechnet werden, wenn sie nur mit gläubigem und bußfertigem Herzen vor ihm wandeln und mit versichertem Gewissen sich beständig an seinem Worte halten.
Seht, so hat Christus, Gottes Sohn, den Samen Abrahams angenommen und zum Lobe seines Vaters frei gemacht und deshalb ist er in eigener Person erschienen und seinen armen, schwachen, bekümmerten Brüdern in allerlei Armut, Elend, Druck, Not, Todesfurcht und Sterblichkeit in jeder Hinsicht gleich geworden, auf dass er ein mitleidiger, barmherziger und getreuer Hoherpriester sein möchte, welcher die Sünden, Gebrechen und Übertretungen seiner Geheiligten vor Gott seinem Vater versöhnen könnte; denn da er in gleicher Versuchung, Kampf, Elend, Bangigkeit und Todesfurcht mit ihnen gewandelt ist, so kann er auch allen zu Hilfe kommen, die von Welt, Hölle, Sünde, Teufel und Tod versucht werden. Hiermit habt ihr meine Antwort auf die von Johannes a Lasco und den Seinigen so sehr in den Vordergrund gedrängte Stelle in Hebr 2. Wenn ihr Gott fürchtet, so mögt ihr lesen und urteilen.
Achtens legt er das Zeugnis im ersten Kapitel Johannes auf folgende Weise aus: »Das Wort, Gottes Sohn, hat begonnen, Fleisch, Mensch, Christus, Immanuel zu sein von dem Samen Davids (Röm 1,3) und von der Jungfrau Maria (Mt 1).« So auch: »Das Wort hat unser Fleisch angenommen.« Ferner: »Das Wort, welches von Anbeginn nur Gott war, ist Fleisch (d. i. Mensch) geworden (d. h. angefangen zusammen zu sein) und hat in uns (d. i. in unserm Fleisch) gewohnt (d. i. hat sich eine Wohnung genommen) durch seine Teilhaftigkeit, wie Paulus sagt.« So lauten seine Worte über die erwähnte Stelle in Joh 1.
O meine lieben Leser, was kann doch so klar sein, dass Menschenvernunft es nicht verdunkeln und was so einfach, dass es nicht verdreht werden könnte! Wenn er es aus Missverstand tut, dann kann ihm noch geholfen werden; wenn aber etwas anderes die Ursache ist, dann wird es nicht gut mit seiner armen Seele stehen.
Ich kann mich nicht genug über ihn wundern, dass er es wagt, solche ungereimten Auslegungen durch den Druck zu veröffentlichen, da er doch wohl weiß, dass es heutzutage manchen verständigen und gottesgelehrten Menschen gibt. O lieber Herr, wie schrecklich ist es, Gottes klaren Wein und das erhabene Zeugnis des heiligen Geistes mit so unreinem Wasser so jämmerlich zu vermischen und mit irdischer Vernunft ihnen einen ganz falschen Sinn unterzuschieben. Ja, er hat mit diesen klaren Worten so gehandelt, dass, wenn ich noch irgendwie an meinem Grund und Glauben zweifelte, was, Gott sei Dank, keineswegs der Fall ist, ich dadurch von meinem Zweifel gänzlich geheilt und neue Zuversicht gewinnen würde.
Da er denn das wunderbare und erhabene Werk der göttlichen Gnade und Liebe, welches der ewige Vater durch sein ewiges Wort und Sohn an uns armen, elenden Sündern so gnädiglich bewiesen hat, so jämmerlich verkleinert und lieber des Herrn heiliges Wort und Zeugnis biegen, als, wie mich dünkt, seiner Vernunft und Ansicht misstrauen will, so bitte ich um Gottes willen, dass doch niemand mir es übel nehme, dass ich Ungelehrter dem entgegentrete und seine schriftwidrigen Auslegungen mit deutlichen Schriftstellen und sonstigen Beweisen widerlege und den Grund der Wahrheit offenbar mache.
Ich hoffe bestimmt, dass kein Billigdenkender, ja, nicht einmal er selber, es mir im Geringsten schlimm auslegen kann, dass ich mich öffentlich gegen ihn verantworte und meines Herrn Ehre verteidige, da er öffentlich vor der ganzen Welt im Druck gegen mich gehandelt und sich am Worte meines Gottes nach meiner Ansicht so jämmerlich vergriffen hat.
Ich würde ihn ohne Zweifel geschont und seinen Namen nicht erwähnt haben, wenn er und die Seinen sich nur nicht an der Schrift vergreifen und so unverständig mit Mund und Schrift gegen die klare Wahrheit eifern würden. Nun aber treiben mich mein Gewissen und Gottes Wort, meines Herrn Ehre und meinen Glauben zu verteidigen.
Ich sage denn erstens, dass er mit seiner Auslegung das Zeugnis des heiligen Geistes verletzt und die Schrift verfälscht hat. Denn er schreibt: »Das Wort, Gottes Sohn, hat begonnen Fleisch, Mensch zu sein von Davids Samen (Röm 1), von einem Weibe (Gal 4), von der Jungfrau Maria. In Röm 1,3 steht es: ›Geboren von dem Samen Davids nach dem Fleisch,‹ in Gal 4,4: ›Geboren von einem Weibe,‹ und in Mt 1,20: ›Das in ihr geboren ist, das ist von dem heiligen Geist.‹«
Da er denn der Schrift nicht ihren natürlichen Sinn gelassen hat, sondern dieselbe verdreht und seiner eigenen Ansicht angeschmiegt hat, indem er anstatt geboren von geboren in oder empfangen begonnen zu sein gesetzt hat, beweist er damit nur zu deutlich, dass er seine Auslegung nicht mit der Schrift behaupten kann, sondern dieselbe zum Schein mit Schriftstellen aufschmückt und dann für Wahrheit ausgibt.
Zweitens sage ich, dass von all diesen Behauptungen: Dass das Wort unser Fleisch angenommen habe, welches er hier so oft vorbringt; dass die göttliche Natur sich mit unserer menschlichen durch eine wunderbare Zusammenfügung vereinigt habe; dass Gottes Sohn unversehrt geblieben sei und Marias Sohn an sich genommen habe; dass Gottes Sohn alle seine natürlichen Eigenschaften auf des Menschen Sohn übertragen habe und dass von zwei Personen eine geworden sei, wie Joh. Brenz sagt; dass des Menschen Sohn Gottes auserkorener und ersehnter Sohn gewesen sei, wie Pomeranus sagt; dass das Wort, der Sohn, einen ganzen Menschen mit Leib und Seele von Marias Fleisch angenommen habe; dass das Blut der Maria in ihr zusammen geronnen sei, wie die Diener der ausländischen Kirchen zu London sagen; dass er unser Fleisch angenommen oder darin gewohnt habe; dass er Fleisch von unserm Fleisch sei, oder dass unser Fleisch zur Rechten des Vaters sitze – nicht ein einziges Wort in der ganzen Schrift gefunden werden kann, sondern dass dieselben in jeder Hinsicht unrichtig, ja, was noch schlimmer ist, verflucht sind; denn sie sind ein fremdes Evangelium und eine neue Lehre, die nicht Gottes Geist und Wort entstammt, sondern von Fleisch und Blut aufgeworfen und erdacht sind (Gal 1,8).
Drittens sage ich, dass seine Auslegung in jeder Beziehung eine ungereimte ist, denn er sagt, das Wort habe begonnen Mensch zu sein, und fügt dann noch hinzu, es habe in unserm Fleisch gewohnt. Hat dasselbe begonnen Mensch zu sein, was auch ganz wahr ist und durch das Zeugnis des Johannes, wenn dieses nicht gänzlich verfälscht wird, klar bewiesen wird, wie konnte es denn zugleich in einem Menschen von Fleisch wohnen? Denn dass beginnen ein Haus zu sein und in einem Hause wohnen ganz verschiedene Dinge sind, muss jeder Billigdenkende zugeben.
Viertens sage ich, dass diese Auslegung mit sich selbst im Widerspruche steht; denn hat das Wort begonnen Mensch zu sein, wie er sagt, so ist dasselbe auch in seiner ersten Gestalt nicht unversehrt geblieben; ist es aber unversehrt geblieben, so hat es auch nicht begonnen Mensch zu sein, sondern hat begonnen, einen Menschen von unserm Fleische anzunehmen und also in einem von uns zu wohnen – er möge die Sache wenden, wie er wolle. Ich will daher nicht Johannes a Lasco, sondern den treuen und schlichten Johannes den Ausleger seiner eigenen Worte sein lassen. Er sagt:
»Das da von Anfang war, das wir gehört haben, das wir gesehen haben mit unsern Augen, das wir beschaut haben und unsere Hände betastet haben, vom Worte des Lebens – und das Leben ist erschienen […]« (1Joh 1,1–2)
Da denn seine Auslegung im Widerspruch mit sich selbst ist und auch der Natur und der Schrift widerstreitet, Johannes mich aber auf einen so klaren Grund hinweist, so will ich meinen Grund und Glauben nicht auf solche ungewisse, dunkle und verwirrende Glossen, sondern auf das gewisse, klare und untrügliche Zeugnis des Johannes fest stellen, denn ich weiß, dass sein Zeugnis wahrhaftig, ja, Gottes ungebrochene Wahrheit und reines Wort ist.
Fünftens sage ich, dass seine Erklärung des Wortes habitavit, das ist hat gewohnt, ungereimt ist; denn er sagt, dass das Wort und unser Fleisch, oder der von dem Worte angenommene Sohn der Maria, eine Person und ein Christus seien; und hier behauptet er, dass das Wort, der Sohn Gottes, seine Geburt, Hütte oder Wohnung in unserem Fleisch genommen habe und führt beispielsweise Xenophon an. Aus diesem muss eins von beiden folgen: Dass Xenophon und seine Wohnung ein Wesen und Ding sind, gleichwie Gottes Sohn der Maria (nach seinen Worten) eine Person und ein Christus sind – oder dass Xenophon und seine Wohnung zwei geteilte Dinge sind, was sie auch in Wahrheit sind, und dass dann auch der Sohn Gottes und der Sohn der Maria, in welchem, nach seiner Auslegung, Gottes Sohn gewohnt hat, zwei verschiedene Personen und Christusse sind. Denn dass er, welcher ein Haus bewohnt, und das Haus oder Wohnung nicht ein ungeteiltes Ding sind, ist deutlicher, als dass man es widerlegen könnte.
Ferner sage ich, dass seine Auslegung des Wortes habitavit in jeder Hinsicht unbegründet ist, denn der Evangelist hat das Wort in der Vergangenheit gebraucht und gesagt: hat gewohnt, aus welchem genugsam hervorgeht, dass Johannes nicht von einem Wohnen in unserm Fleische, sondern von seinem Wohnen unter den Menschen gesprochen hat, wie es auch alle verständigen Übersetzer wiedergegeben haben. Denn hätte er in dem Sinne gesprochen, wie Johannes a Lasco es auslegt, dann müsste wohnen in der Gegenwart stehen oder man müsste bekennen, dass das Wort nur so lange in dem Menschen Christus gewohnt habe, als er hier auf Erden gewandelt ist, was nach meiner Ansicht ein großer Gräuel und grober Irrtum wäre.
Sechstens sage ich, dass die Auslegung auf keine Weise bestehen kann, denn die ganze Schrift, soweit dieselbe über Christus handelt, wird dadurch in Widerspruch mit sich selber gesetzt; es müssten zwei Personen und Söhne in Christo sein, ein sündiger und todesschuldiger Heiland, der Vater kein wahrer Vater, die Mutter keine wahre Mutter, der Sohn kein wahrer Sohn; und die Propheten, Gabriel, der Engel des Herrn, Christus Jesus, Johannes, Paulus etc. müssten sämtlich falsche Zeugen sein, wie schon überflüssig gehört worden ist.
Zum Letzten sage ich, wie schon vorher einmal, dass Johannes sein Evangelium und Zeugnis von Christo Jesu in einer Zeit des Zanks und Haders geschrieben hat. Hätte er es daher nicht so gemeint, wie er es geschrieben hat, sondern in einem so verwirrten und fremdartigen Sinne sich ausgedrückt, wie Johannes a Lasco es auslegt, so würde er auf solche Weise den Streit nicht beigelegt oder verringert, sondern vielmehr angefacht und vergrößert haben.
O nein! Johannes hat sein Bekenntnis, seinen Grund und Glauben von Christo Jesu, dem Sohne Gottes, unserem einzigen und ewigen Heilande auf einfache Weise, recht und schlecht, in aller Deutlichkeit, niedergeschrieben und ohne irgendwelche Doppelsinnigkeit bezeugt, dass Gottes Wort, welches vom Anfang war, Fleisch geworden ist und dass dieses Fleisch gewordene Wort unter uns gewohnt hat. Er hat aber auch nicht mit einem einzigen Worte erwähnt, dass er unser Fleisch angenommen oder in einem Menschen von dem Fleische der Maria gewohnt habe, wie Johannes a Lasco leider sein einfaches Wort und klares Zeugnis mit seiner menschlichen Vernunft verdunkelt, ja, umgekehrt und verdreht hat.
Da er denn in dieser seiner Verteidigung und Auslegung die Schrift so jämmerlich verunstaltet hat und sich so weit von der Wahrheit entfernt, wie ihr aus meiner Anweisung mit offenen Augen sehen könnt, so fühle ich mich aus reiner Liebe zu meinem Gott und euren Seelen gedrungen, euch seinen großen Unverstand und schweren Irrtum aufzudecken, auf dass des Herrn Ehre gewahrt und ihr in die rechte, wahrhaftige Erkenntnis eures Gottes und seines lieben Sohnes geführt werden mögt.
Es geschieht aber nicht ohne Betrübnis, dass ich seinen Namen nennen und seine Fehler an den Tag bringen muss, obschon er mich durch sein Schreiben bei vielen in üblen Geruch und Verruf gebracht hat. Ich will es aber dem Herrn anheimstellen. Vielleicht meint er, dass er recht darin gehandelt habe. Was ich aber tue, tue ich um meines Gewissens willen, zur Ehre meines Herrn und Heilandes Christi; denn sein Lob und seine Ehre liebe ich weit über alle Geschöpfe und muss sie aus allen meinen Kräften, ja, auch mit Blut und Tod suchen.
Auch bin ich überzeugt, dass Johannes a Lasco, wenn er Gottes Ehre mehr sucht als die seinige, seinen Nächsten liebt, wie die Schrift es fordert, und die Wahrheit von Herzen sucht, mir nicht zürnen, sondern mich lieben und mir danken wird, dass ichihn in dieser Hinsicht nicht geschont habe, sondern ihm seinen Missverstand treulich gezeigt habe, meinen Glauben und meine Lehre mit der Wahrheit verteidige, meinen Nächsten vor dem Verderben warne und vor allem meines Herrn Ruhm und großen Namen, so viel in mir ist, nach dem Zeugnis der Schrift und meines Gewissens mit seinem Wort verteidige.
Wenn man es mir aber zum Ärgsten deuten will, wie wohl zu befürchten steht, so muss ich es dem Herrn überlassen, welcher mir bis auf diese Stunde in allen meinen Nöten mit seiner väterlichen Treue beigestanden und mir in allen Versuchungen so gnädiglich geholfen hat.
Hier, werte Leser, könnt ihr sehen, wie weit wir und unsere Gegner in dem Bekenntnis, Glauben und der Lehre hinsichtlich Christi, des Sohnes Gottes, voneinander abweichen. Wenn ihr Gott fürchtet, so mögt ihr richten, wer von uns die Schriften am gewaltigsten auf seiner Seite und den stärksten Grund hat.
Wollt ihr nun die Schriftstellen, welche sie in diesem Punkt streitig heißen, recht vereinbart haben, so müsst ihr den Grund unserer Gegner fahren lassen und den unseren annehmen. Denn dieselben können nie und nimmer mit göttlicher Wahrheit in dem Sinne, welchen sie ihnen beilegen, vereinbart werden. Ein jeder Verständige, der nicht mutwillig gegen die klare Wahrheit streitet und den heiligen Geist mit Gewalt von sich stößt, muss bekennen, dass aus ihrer Lehre unwiderstehlich folgt, dass der Herr Christus ein unreiner, sündiger, verdammter, verfluchter und todesschuldiger Christus war; dass zwei Personen in Christo waren, eine göttliche und eine menschliche; zwei Söhne, von welchen der erste Gottes Sohn ohne Mutter und der zweite Marias oder des Menschen Sohn ohne Vater war; dass nicht Gottes ein- und erstgeborner eigener Sohn, sondern Marias, aus Adams unreinem und sündigem Fleische geborener Sohn für uns gestorben ist. Zudem müssten alle Propheten, Christus und die Apostel falsche Zeugen sein. Dies ist so klar, dass man es mit keiner Schrift umstoßen noch mit Vernunft verdrehen kann.
Wer aber unsern Grund recht fasst, seinen Verstand unter Gottes Wort beugt, Johannes’ im ersten Kapitel enthaltenes und über die Fleischwerdung des Wortes handelndes Zeugnis für wahrhaftig annimmt und dasselbe nicht verkrüppelt; wer der Maria, des Herrn Mutter, nicht mehr zuerkennt, als einer wahren Mutter, nach Gottes Verordnung (1Mo 1), zukommt und Gott, den Vater, einen wahrhaftigen Vater seines Sohnes Christus, Maria eine wahrhaftige Mutter und Christus einen wahrhaftigen Sohn, sowohl seines Vaters, als seiner Mutter, sein lässt – einem solchen ist in diesem Punkte die ganze Schrift vereinbart. Er bedarf keiner weitern Glossen; denn er findet in der ganzen Schrift auch nicht eine Stelle, die sich ihm entgegen stellt. Er hat einen ungeteilten, reinen und unschuldigen Christus, Gottes und Marias Sohn, eine einzige Person, wie ihr hoffentlich aus der vorhergehenden, auf Grund und Kraft der Schrift zusammengestellten Anweisung und aus dieser zusammenfügenden und vereinigenden Tabelle durch Gottes Gnade in aller Kürze ersehen könnt.
Diese lateinische vereinigende Tabelle habe ich den Gelehrten zum Dienst hier beigefügt und lautet dieselbe in deutscher Sprache: Das ewige Wort, durch welches alle Dinge geschaffen sind (Joh 1), das da ist der Erste und der Letzte (Offb 1,17), ist in der Zeit in der Stadt Nazareth, nach der Vorsehung (1Pt 1,20), dem Ratschluss (Eph 1,5) und der Verheißung (1Mo 3,15), durch den heiligen Geist in der Jungfrau Maria, die von keinem Manne wusste, Fleisch geworden, das ist als ein Mensch empfangen (Lk 1) und geboren (Mt 1) worden (Joh 1,14), nach welchem so durch den heiligen Geist aus dem ewigen Worte des ewigen Wortes in Maria empfangenen, geborenen und gewordenen Fleische er zur verordneten Zeit aus Davids Samen oder Geschlecht (Apg 2; Röm 1,4), von einem Weibe (1Mo 3,15; Gal 4,4), von der Jungfrau Maria (Mt 1,21; Lk 2,7), in Bethlehem geboren ist, als der eingeborne und eigene Sohn Gottes (Joh 3,16; 1Joh 4,9; 5,13; Röm 8,32), nach der Verheißung und seiner Mutter Geschlecht auch Abrahams, Davids und des Weibes Samen, Frucht und Sohn (1Mo 3,15; Mt 1,21; Lk 1); der Heiland der Welt (Lk 2,11), der Herr vom Himmel (1Kor 15,47), das Brot vom Himmel (Joh 6,58), Immanuel (Jes 7,14; Mt 1,23), Kraft, Held (Jes 9,5), unser Gott (Jes 40,9), der Herr, der unsere Gerechtigkeit ist (Jer 23,6; 33,16).
Seht, treue Leser, hier habt ihr unsern eigentlichen Grund, unsere Lehre und unser Bekenntnis von Christus, dem Sohne Gottes – wie er in der Maria Fleisch geworden und in diese Welt gekommen ist, wie wir es vor unserem Gott glauben und den Brüdern vortragen. Und wir möchten hier alle Menschen um Gottes willen bitten und treulich ermahnen, dass sie doch, da uns der barmherzige Vater so überaus große Liebe bewiesen hat, dass er uns armen und elenden Sündern seinen ewigen, einzigen und lieben Sohn geschenkt hat, diesen edlen und hohen Sohn Gottes mit Dankbarkeit annehmen, ihn mit begierigem Herzen hören, lieben, ihm mit Freudigkeit dienen und seinen Fußstapfen treulich nachfolgen, nach seinem Wort und auf seinen Wegen unsträflich wandeln, seine Ehre und sein Lob freimütig verkündigen, seinen heiligen Namen groß machen und die Knie ihres Herzens mit Demut und Gehorsam vor seiner Majestät beugen wollen. Denn er ist der Mann, welcher uns arme Kinder durch das Verdienst seines roten Blutes und bitteren Todes, nach Gottes, seines himmlischen Vaters, gnädigem Vorsatz, Rat, Willen und Beschluss, aus dem Reich der Hölle und des ewigen Todes, in das herrliche Reich seiner göttlichen Ehre und des ewigen Friedens siegreich eingeführt hat. Sein großmächtiger, wunderbarer, hoher und herrlicher Name sei gepriesen in Ewigkeit, Amen.