Die vollständigen Werke Menno Simons

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12.4 Vierter Brief

Ein Brief Menno Simons an die Gemeinde zu Emden, Ostfriesland, Deutschland.

Es betrübt mein Herz den Brüdern melden zu müssen, dass ich einen Brief nach dem andern empfange, deren jeder eine Klage über den Bann enthält, wo derselbe auf Mann und Weib Anwendung findet; dieser Punkt veranlasst bei manchen Störungen, welche mich ganz und gar nicht überraschen. Denn seit dem Beginn meines Dienstes, also länger denn zwanzig Jahre, habe ich diesen Ausgang gefürchtet, welcher auch nicht geordnet werden kann unter einer Aufregung, wie sie gegenwärtig in den Niederlanden herrscht. Unser Bruder Dietrich Philipp und ich berieten uns mit den Ältesten bezüglich dieser Angelegenheit schon im Jahre 1546 und es wurde damals beschlossen, in derselben je nach den Umständen zu handeln; auch wurde derselbe Beschluss vor zwei Jahren zu Wismar wieder erneuert. Daher sollten wir nach den bestimmtesten und deutlichsten Regeln ermahnen; gelingt es uns aber nicht, dadurch sie zu überzeugen, so sollten wir niemand zwingen darüber hinauszugehen, was er in seinem Gewissen für recht erkennt, sondern ihn mit Liebe und Geduld behandeln. Ich hoffe, dass ein jeder frommer Mensch in des Herrn Wort genügend unterrichtet ist, um zu wissen, dass, wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau sich des Ehebruchs schuldig macht oder Zauberei treibt oder Diebstahl oder irgendein anderes Verbrechen begeht, solche verbrecherische Handlung von der Obrigkeit summarisch bestraft wird; auch ferner: dass, im Falle man seines Ehegenossens halber nicht ungestört nach seinem Glauben leben kann, sondern geschlagen und misshandelt wird und demzufolge in seinem Glauben zurückweicht durch die Hindernisse, welche aus einer so übel gepaarten Ehe entspringen, man solchen Ehegenoss verlassen sollte, will man frei vor Gott und der Gemeinde dastehen und seine Seele erretten. Wenn er oder sie aber in allen Dingen ungestört nach seinem oder ihrem Glauben leben kann und nicht mit falscher Lehre angegriffen wird, dann sind sie gewissenhaft verbunden ungestört beieinander zu bleiben; denn sie sind ein Fleisch und leben zusammen, gleichwie Mann und Weib leben sollten.

Da es mit vielen Gefahren und Anstößigkeiten verknüpft ist, die auf diese Weise verbundenen Seelen, welche in anderer Hinsicht in allen Stücken vor Gott unsträflich wandeln, mit dem Bann zu bestrafen; und da wir alle Fleisch sind, so bete ich, dass der allbarmherzige Gott mich verhindern möge, solcher Lehre beizupflichten oder gar dieselbe zu verbreiten. Aus diesem Grunde ist mein Herz mit Kummer erfüllt, da ich höre, dass man der Swaanthe Rutgers eine gewisse Zeit setzte, binnen welcher sie ihren Mann verlassen sollte; widrigenfalls sie in den Bann getan und dem Satan anheimgegeben werden sollte.

O meine auserwählten Brüder, betrachtet wohl was ihr tut. Welche verleumderischen Worte werdet ihr in den Mund der Verleumder legen! Und was für schlimme Gerüchte werdet ihr verbreiten von des Herrn Wort und seiner Kirche! Wie viele betrübte Seelen werdet ihr bekümmern! Ja, wie viele Seelen werdet ihr von der Wahrheit trennen und was für Gefahren werden euch umringen! Wir wagten niemals solcher Lehre zu folgen aus Furcht vor den Folgen. O dass ihr davon abstehen möchtet. Wie würde ich betrübter Mann mich darüber erfreuen! Mein Herz wird niemals in solche unklugen Handlungen einwilligen noch zu solchen Vornehmen Amen sagen.

Nach meiner geringen Begabung wünsche ich ein Evangelium zu lehren, welches aufbaut, nicht ein solches, welches niederreißt. Ein Evangelium, das annehmbar, nicht ein solches, welches anstößig ist; und ich beabsichtige nicht den Gottesdienst mit etwas zu erschweren, für das ich keinen Schriftgrund habe. Ich kann weder den Glauben anderer lehren, noch vermöge desselben leben. Ich muss durch meinen eigenen Glauben leben, wie der Geist des Herrn mich durch sein Wort gelehrt hat.

In Vorstehendem habt ihr meine Ermahnung. Gott gebe, dass ihr dieselbe in aller Liebe, allem Frieden und Einigkeit befolgen möchtet. Seid weder zu hart noch zu gelinde. Der Bann ist zur Besserung eingeführt, nicht zur Verschlimmerung. O dass doch alle in dieser Angelegenheit mit mir eines Sinnes wären! Wie weislich würde der Bann in dieser Hinsicht gehandhabt werden. Wie es nun aber ist, folgt ein jeder seinen Neigungen und wähnt, es sei Geist und Schrift.

O Herr! Verleihe ihnen deinen Geist und deine Weisheit, damit sie recht sehen und richten mögen und fleißig sind zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens (Eph 4,3). Geliebte Brüder, folgt meinem Rat um Gottes willen; denn das wird manche Seelen erfreuen. Der Geist der Weisheit sei mit euch bis in die Ewigkeit, Amen.

Euer unwürdiger Bruder Menno Simons, den 12. November 1556.