Die vollständigen Werke Menno Simons

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4.15 Von dem Glauben des Kananäischen Weibes

Matthäus schreibt, dass Jesus in dem Lande Genezareth war und fährt fort:

»Jesus ging aus von dannen und entwich in die Gegend von Tyrus und Sidon; und siehe, eine kananäische Frau ging auf derselben Grenze und schrie ihm nach und sprach: Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner; meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt. Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten zu ihm seine Jünger, baten ihn und sprachen: Lass sie doch von dir; denn sie schreit uns nach. Er antwortete aber und sprach: Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlornen Schafen von dem Hause Israel. Sie kam aber und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir. Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. Sie sprach: Ja, Herr; aber doch essen die Hündlein von den Brosamen, die von ihres Herrn Tisch fallen. Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: O Frau, dein Glaube ist groß; dir geschehe, wie du willst. Und ihre Tochter wurde gesund zu derselbigen Stunde.« (Mt 15,21–28)

Hier habt ihr wiederum ein sehr schönes Exempel und Vorbild eines aufrichtigen, christlichen Glaubens; denn da dieses Weib vernahm, wie kräftig Christus die Gnade lehrte, dass er alles zu tun vermöge, was er wollte, dass er Barmherzigkeit und Liebe übte und erzeigte und dass er keinen ungetröstet fortsandte, so nahte sie sich ihm ohne Zögerung, ohne an seiner Gnade, Barmherzigkeit, Liebe und Macht zu zweifeln, wiewohl ihrem ersten und zweiten Anliegen kein Gehör gegeben wurde. Sie blieb beständig, sowohl in ihrem Glauben als in ihrer Bitte, mit einem Verlangen teilzunehmen an den geistlichen Brosamen seiner Barmherzigkeit und Hilfe für ihre arme Tochter zu erlangen; ja, sie bewies einen solchen Glauben, eine solche Beständigkeit, Demut und Frömmigkeit, dass der Herr zu ihr sprach: »O Frau, dein Glaube ist groß; dir geschehe, wie du willst.«

Getreuer Leser, nimm wahr, wollten wir mit geistlichen Augen einen richtigen Blick auf dieses Weibes Glauben und Glaubensfrüchte werfen, so würden wir, namentlich in zwei Stücken, von ihr trefflich belehrt werden.

Denn sobald sie erfuhr, dass der Herr lauter Barmherzigkeit und Gnade, Buße und Besserung des Lebens lehrte, das Reich Gottes predigte, die Toten auferweckte, die Blinden sehend machte, die Tauben hörend, die Krüppel gehend, die Aussätzigen reinigte, die Kranken gesund machte und die unreinen Geister austrieb; dass er die Schriftgelehrten, Pharisäer und das gemeine Volk ihres Unglaubens, ihrer Verkehrtheit, blinden Heuchelei und ihres fleischlichen Lebens halber strafte und bezeugte, dass er der Prophet und Messias sei, der in dem Gesetz und den Propheten verheißen war, damit er sich im ganzen Judäa, samt den anstoßenden Ländern, offenbar machte. Da sie solches hörte, so ward ihr weibliches Herz und Gemüt durch alle diese Zeugnisse, Wunderwerke, Lehren und Werke der Liebe so zu ihm gekehrt, dass sie an seiner Barmherzigkeit, Macht, Güte und Gnade nicht im Geringsten zweifelte; sie ging daher zu ihm mit einem aufrichtigen Verlangen, in sicherem und wahrem Glauben; vertraute ihm von ganzem Herzen, er werde ihre demütige Bitte nicht abschlagen, sondern sie aus Gnaden gewähren; und sie erlangte auch, was sie begehrte.

Sie hörte und glaubte; sie sah und bekannte. Aber diese unsinnigen Leute lassen sich dünken, sie seien gläubige Christen und sind nach meinem Verständnis noch ungläubiger, blinder, verstockter und ärger als die Türken, Tartaren oder irgendwelche der Heiden. Ihr Werk gibt Zeugnis, dass ich die Wahrheit schreibe; auch können sie durch keine gottseligen Mittel oder Dienste, durch irgendwelche Lehre oder Ermahnung, noch durch das unsträfliche, fromme Leben und unschuldige Blut der Heiligen (das täglich vor ihren Augen vergossen wird) dazu bewegt werden, die Wahrheit zu hören oder derselben gehorsam zu sein. Gleichwie auch im Glauben des Schächers zum Teil gemeldet und gesagt ist.

Die gemeldete Lehre des heiligen, göttlichen Worts haben wir in Deutschland seit vielen Jahren gehabt und haben sie jetzt noch täglich immer reichlicher und zwar in solcher Kraft und Klarheit, dass man wohl deutlich sehen kann, dass es der Finger und das Werk des Herrn ist. Denn die Hoffärtigen werden demütig, die Geizigen mild, die Trunkenen nüchtern, die Unsaubern keusch und dürfen nicht einen einzigen Gedanken haben oder ein Wort gebrauchen oder ein Werk vollführen, so solche wider des Herrn Willen, Wort oder Geist sind; und es wird mit solcher Bestimmtheit von ihnen erfasst, dass sie nicht fürchten Vater und Mutter, Mann, Weib oder Kinder, Gut und Blut dafür hinzugeben und williglich in den Tod zu gehen. Denn ihrer viele werden darum verbrannt, viele darum ersäuft, viele mit dem Schwert darum gerichtet, viele darum gefangen, des Landes verbannt und ihrer Güter beraubt; doch gilt es bei diesen verstockten Menschen gleich viel. Wenn man nur berichtet (sobald so ein armes, unschuldiges Schaf geschlachtet worden), es sei ein Wiedertäufer gewesen, so ist es schon hinreichend; man frägt niemals danach, was sein Bekenntnis und seine biblischen Gründe waren, was für ein Lebenswandel er geführt und ob er jemand etwas zu Leide tat oder nicht. Auch denken sie nicht darüber nach, dass es eine besondere Kraft, ein besonderes Werk sein muss, das einen Menschen befähigt von aller Trunkenheit, Hurerei, Pomp und Pracht, von aller Eitelkeit, abscheulichen Lügen, fleischlichem Leben und von aller Abgötterei abzustehen und dagegen in aller Nüchternheit, Keuschheit, Demut, Frömmigkeit, Wahrheit und in dem rechten Gottesdienst zu verharren und deshalb alle nur mögliche Schande und Schmach, so viele Verfolgung, so vielen Jammer zu leiden und oftmals das Leben zu verlieren, wie ihr sehen könnt.

Wird ein Dieb zum Galgen geführt, ein Mörder gerädert oder ein anderer Übeltäter mit einem sonderlichen, schweren Tod gestraft, so fragt jedermann, was er getan habe. Er wird auch von den Richtern nicht verurteilt, solange sie den Grund und die Wahrheit seiner Übeltat nicht recht verstanden haben. Wenn aber ein unschuldiger, bußfertiger Christ, den der barmherzige Herr aus dem gottlosen, bösen Wesen der Sünden geholfen und auf den Weg seines Friedens berufen hat, von den Pfaffen und Predigern angeschuldigt, vor Gericht gestellt wird, achten sie nicht wert recht zu untersuchen, welche Ursache und Schriften ihn dazu bewegen, dass er seine Pfaffen und Prediger nicht hören will, seine Kinder nicht taufen lassen, ihren Kirchendienst nicht brauchen, mit ihnen nicht mehr fressen und saufen und dem Teufel dienen will. Sie begehren auch nicht zu wissen, warum er sein Leben gebessert und Christi Taufe empfangen habe oder was ihn dringt, dass er so gern für seinen Glauben sterben und leiden will. Sie fragen nur allein ob er getauft sei. Sagt er ja, so ist das Urteil schon gefällt, dass er sterben muss.

Und alle, die solche großen Wunderwerke des allmächtigen Gottes sehen oder hören, wie ein armer, ungelehrter Mensch, ja, bisweilen wohl arme, schwache Weiber und Jungfrauen, so in Gott befestigt werden, dass sie weder Richter noch Henker, weder Feuer noch Wasser, weder Strick noch Schwert, weder Leben noch Tod erschrecken, noch von ihrem Glauben abbringen können, fragen nicht einmal danach, was er getan habe; ob er etwa Städte und Länder verraten, anderer Leute Gut und Blut genommen, jemands Töchter oder Weiber geschändet habe oder ob er etwas getrieben, das mit des Herrn Wort und mit der gemeinen Ehrbarkeit und natürlichen Redlichkeit nicht vereinbar sei. Ach nein! So viel Einsicht und Liebe findet man nicht. Wer des Herrn Wort hat und es glaubt, des Herrn Befehl und Ordnung in rechtem Gehorsam befolgt und sein armes, schwaches Leben nach der Wahrheit regelt, der wird von den Herrn ein Rebell, von den Gelehrten ein Ketzer geheißen und das gemeine Volk erachtet ihn einer harten Strafe und eines grausamen Todes wert. Seht, so hat der mörderische, blutdürstige Teufel, durch seine Pfaffen und Prediger, die ganze Welt betrogen; ja, dass auch unter hunderttausend, fürchte ich, kaum einer gefunden wird, der einen solchen starken Glauben und Gehorsam, eine solche Freimütigkeit und Kraft, ein solches großes Leiden und schmählichen Tod so zu Herzen nehme, dass er darauf über seinen abscheulichen Unglauben, seine schändliche Bosheit und sein mutwilliges, fleischliches Leben nachzudenken anfinge, oder begönne an seiner Prediger Lehre, Sakramente, Leben und Gottesdienst zu zweifeln. Ach, wie recht sagte der Prophet:

»Die heiligen Leute werden weggerafft, und niemand achtet drauf.« (Jes 57,1)

Unter dem ganzen Himmel kann kein schlimmerer, verstockterer Unglaube, keine verkehrtere Verachtung, keine verhärtetere Mutwilligkeit, kein verdammlicherer Unsinn, kein verdammteres, gottloseres Leben und Wesen gefunden werden, als wir hier erzählt haben.

Bei der Nachricht von Krieg und Kriegsknechten ist das ganze Land in Furcht versetzt; Groß und Klein, Bürger und Häusler kaufen Harnisch, wachen und rüsten sich zur Gegenwehr, so gut als sie es vermögen. Oder hören sie von teurer Zeit und Pestilenz, so erschrecken und zittern alle, die Verstand und Vernunft haben. Kommt dann im Gegenteil eine Nachricht von Ruhe und Frieden, von Wohlfahrt und Glück des Landes, so erfreuen sich alle, die dieselbe hören. Und nun lässt der große Herr, Christus Jesus, seine Trompeten blasen und seine Trommel schlagen; warnt uns in treuer Liebe, durch alle seine Apostel und Propheten gegen des Teufels listigen Betrug und schlauen Anlauf und ruft uns zu, dass alle, so demselben folgen und Gehorsam leisten, sterben müssen. Wenige aber werden gleichwohl gefunden, die den Harnisch Gottes anziehen, auf des Satans heimlichen Angriff wachen und sich zur Gegenwehr setzen. Sie laufen ihm alle williglich in die Hände, beide Männer und Frauen, und tun mit voller Begierde was ihm gefällt. Und die das nicht tun, müssen viel Trübsal und Jammer erwarten.

Außerdem ist es offenbar, dass die gräuliche Pestilenz der falschen Lehre die ganze Welt verschlingt. Das Brot des Lebens, welches für alle geistlich Hungrigen gegeben ward, wird immer seltener und zwar zufolge des hämischen Geschreis und der lügenhaften Schriften der schlangenähnlichen Prediger, welche es so teuer gemacht haben. Und es gibt leider auch nur wenige, die darum seufzen und weinen.

Auch wird uns die ewige Gnade, Barmherzigkeit, Gunst, Herrlichkeit, das Reich und der Friede Christi angeboten. Aber unsere Ohren sind taub geworden, unsere Herzen hart und unsere Bosheit will sie nicht. So hat dies fromme Weib nicht getan; sie hörte und glaubte, sah seine großen Wundertaten und erkannte seine Kraft; sie bat deshalb mit vollem Vertrauen und erlangte, was sie begehrte, denn sie glaubte Christus von Herzen und zweifelte nicht an seiner Gnade.

Zweitens ermahnt sie alle frommen Eltern, um ihrer Kinder Seligkeit mit aller Sorge bemüht zu sein; denn sie bat für ihre besessene Tochter und ließ mit ihrer Bitte nicht nach, ehe sie Erhörung fand. Denn wenn ich ein rechter Christ bin, so kann es nicht fehlen, dass alle meine Werke vor Gott und dem Nächsten Werke der Liebe sind; denn Gott (durch dessen Wort ein Christ geboren wird), sagt Johannes, ist die Liebe. Und dass der Vater und diejenigen, welche von ihm geboren sind, eines Gemüts und Herzens sind, ist klarer als das Licht des Tages.

Suche ich nun des Herrn Preis von ganzem Herzen und bemühe mich um die Seligkeit meiner Nächsten, derer viele ich niemals gesehen habe, ein wie viel größeres Verlangen sollte ich nach der Seligkeit meiner Kinder haben, die mir Gott gegeben, die aus meinen eigenen Lenden gekommen und mein natürliches Fleisch und Blut sind? Auf dass der große Herr von ihnen gepriesen und ewiglich von ihnen geehrt werde.

Was ich schreibe, erachte ich für unzweifelhafte Wahrheit; ich schreibe es laut dem Zeugnis meines eigenen Gewissens als vor unserm Gott, vor dem ich stehe. Ich sage, dass alle rechtgläubigen Eltern so gegen ihre Kinder gesinnt sind, dass sie dieselben viel lieber um des Herrn Wort und seines Zeugnisses Willen in Kerker werfen lassen, denn dass sie mit den verführerischen Priestern Gemeinschaft haben, in die abgöttischen Kirchen gehen, auf die trunkenen Schriftdeuter in den Trinkhäusern hören oder in der Gesellschaft von Spöttern sitzen sollten, die des Herrn Namen verachten und sein heiliges Wort hassen und anfeinden.

Hundertmal lieber würden sie sie um des Herrn Wahrheit willen mit gebundenen Händen und gefesselten Füßen vor Herrn und Fürsten schleifen sehen, denn dass sie reiche Heiratsverbindnngen schlössen mit solchen, welche Gott nicht fürchten noch in seinen Wegen wandeln, sondern ihre Zeit in Pracht, mit Musik, im Trinken berauschender Getränke und mit Tanzen und Singen zubringen. Hundertmal lieber würden sie sie um des Herrn Ruhm und heiligen Namens willen vom Haupt bis zu den Füßen gegeißelt sehen, als dass sie sich mit Samt und Seide, mit Gold und Silber, mit köstlichen gestreiften und geschlitzten Kleidern und dergleichen Pomp und Eitelkeit zieren sollten.

Ja, hunderttausendmal lieber, dass sie um der Gerechtigkeit willen aus dem Land sollten verbannt, an Stöcken und Pfählen verbrannt, im Wasser ersäuft oder auf einem Rad liegen und selig würden, denn dass sie außerhalb Gott, in weltlichen und fleischlichen Lüsten leben sollten, denn dass sie Kaiser und König sein und dann verdammt werden sollten.

Wehe alle denen, ja wehe ihnen, die nicht um die Seligkeit ihrer Kinder besorgt sind. Wenn ich ihre Leiber dermaßen liebe, dass ich ihre Sünden übersehe; wenn ich die Übertretung der Jungen nicht mit der Rute strafe und die Bejahrten mit Worten ermahne; wenn ich sie nicht des Herrn Wege lehre; wenn ich ihnen kein unsträfliches Beispiel gebe; wenn ich sie nicht stets auf Christum und sein Wort, Gebot, Vorbild und auf seine Ordnung hinweise und nicht ihre Seligkeit von ganzem Herzen und ganzer Seele suche, so werde ich meiner Strafe nicht entgehen. Denn ihre Seele und ihr Blut, Verdammnis und Tod, werden von mir als von einem stummen und blinden Wächter an dem Tag des Herrn gefordert werden.

Die Grundsätze des Christentums unterweisen uns, dass alle christlichen Eltern dem scharfen, durchdringenden Salz gleich und dass sie als ein scheinendes Licht und als unsträfliche, treue Lehrer in ihren Häusern sein sollten. Der Hohepriester Eli ward gestraft, weil er seine Kinder nicht mit genügendem Eifer ermahnt hatte.

Sehe ich meines Nächsten Ochsen oder Esel irre gehen, so muss ich ihn zu seinem Eigner bringen oder ihn in Sicherheit halten, wie Mose lehrt. Wenn dieses meine Pflicht ist bezüglich eines andern unvernünftigem Tiere, wie viel größere Sorge sollte ich für die Sicherheit der Seelen meiner Kinder tragen, die so leicht mittels ihres jungen Fleisches, in welchem nichts Gutes wohnt, verführt und von dem Weg der Wahrheit abgebracht werden können.

Sehe ich meines Nächsten Ochsen oder Esel in eine Grube fallen, oder auf dem Wege unter seiner Last erliegen, so darf ich ihn nicht verlassen, bis ihm geholfen ist; wie viel mehr sollte ich um meine Kinder bemüht sein, die ich vor mir habe, dass sie nicht unter der Last ihrer Sünden erliegen; und wenn sie nicht ernstlich in der Gnade ermahnt und unterwiesen werden, müssen sie ja in den höllischen Pfuhl des ewigen Todes fallen.

Wiederum, sehe ich meines Nächsten Haus brennen und seine Güter verderben, so ist es billig dass ich fleißig sei, den Brand zu löschen und die Güter (so fern mir möglich) errette; noch viel billiger ist es aber, dass ich das Feuer der bösen Begierde in meinen Kindern mit dem Wasser des heiligen Worts lösche und die himmlischen Güter, so viel als mir möglich ist, treulich bewahre.

Die heilige Schrift lehrt uns, dass Gott die Herzen durch den Glauben reinigt, dass der Glaube aus dem Hören der Predigt komme und aus dem Glauben die Gerechtigkeit. Darum sehe sich ein jeglicher vor, der seine Kinder nach der Wahrheit liebt, dass er sie in dem Worte Gottes recht und klar unterweise, sobald sie es zu hören und zu verstehen vermögen; damit er sie auf den Weg der Wahrheit führe und mit Eifer alle ihre Wege überwache, um sievon Jugend auf den Herrn ihren Gott erkennen, fürchten, lieben, ihm danken und dienen zu lehren, auf dass die angeborne böse Art der Sünde nicht in ihnen herrsche, noch sie zur ewigen Schande ihrer armen Seelen überwältige.

Mose lehrte Israel und sagte:

»Diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen; und sollst sie deinen Kindern einschärfen, und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzest oder auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst, oder aufstehst; und sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sollen dir ein Denkmal vor deinen Augen sein; und sollst sie über deines Hauses Pfosten schreiben, und an die Tore …« (5Mo 6,6–9)

 

»…dass du und deine Kinder lange leben auf dem Lande, das der Herr deinen Vätern geschworen hat, ihnen zu geben, solange die Tage vom Himmel auf Erden währen.« (5Mo 11,21)

Und an einem andern Ort:

»Und wenn dich heute oder morgen dein Kind wird fragen: Was ist das? Sollst du ihm sagen: Der Herr hat uns mit mächtiger Hand aus Ägypten, von dem Diensthause geführt.« (2Mo 13,14)

Auch gebot Josua dem Volk Israels, gemäß dem Befehl des Herrn und sprach zu den zwölf Männern:

»Geht hinüber vor die Lade des Herrn, eures Gottes, mitten in den Jordan; und hebe ein jeglicher einen Stein auf seine Achsel, nach der Zahl der Stämme der Kinder Israel, dass sie ein Zeichen seien unter euch. Wenn eure Kinder hernachmals ihre Väter fragen werden, und sprechen: ›Was tun diese Steine da?‹ Dass ihr dann ihnen sagt, wie das Wasser des Jordans abgerissen sei vor der Lade des Bundes des Herrn, da sie durch den Jordan ging, dass diese Steine den Kindern Israel ein ewiges Gedächtnis sei!« (Jos 4,5–7)

Siehe, lieber Leser, so musste das buchstäbliche Israel von Jugend auf seine Kinder lehren und ihnen alle Wohltaten und großen Wunderwerke des Herrn vorhalten, die an ihnen und ihren Vätern geschehen waren, auf dass sie den Herrn ihr Leben lang fürchten möchten und daher den Segen empfangen und dem Fluche entrinnen möchten, welche im Gesetz begriffen waren.

So verhält es sich auch mit uns; wenn wir Christum recht bekennen, an sein Wort glauben und das liebliche, teure Land mit unsern Kindern zu erlangen wünschen; wenn wir begehren die ewige Gnade zu ererben, welche er den Seinigen verheißen hat, so dürfen wir nicht säumen, sondern müssen aus allen Kräften unsern Kindern des Herrn Wort lehren, sie unterweisen in Betreff seines gerechten Urteils, Zornes und harter Strafe, auf dass sie dadurch von Herzen lernen den Herrn fürchten und sie vom Bösen abzuwenden.

Lasst unser Bemühen darauf gerichtet sein, Gottes unergründlich große Barmherzigkeit, Liebe und die Hilfe seiner Gnade ihnen zu vergegenwärtigen, auf dass sie ihn lieben und in seinen Wegen wandeln mögen. Lasst uns Jesum Christum, unsern einzigen und ewigen Seligmacher, mit seinem heiligen Geist, Wort und Leben, ihren Herzen einprägen, auf dass sie ihn recht erkennen und seinen Fußstapfen nachfolgen mögen; und lasst uns ihnen ein Beispiel sein in aller Weisheit, Rechtschaffenheit und Wahrheit; lasst uns mit einem frommen, tugendhaften Leben ihnen vorangehen, damit sie, infolge solcher Ermahnungen und unsträflichen Beispiele von Seiten ihrer frommen Eltern, im Reiche Gottes unterwiesen und in allen guten Werken geschickt gemacht werden. Denn alle, die einen solchen Glauben haben, gleichwie dieses Weib hatte, und sehen, dass das Ende der Sünden der Tod ist, sollen nicht ablassen zu dem Herrn zu seufzen und zu rufen, dass er ihren armen Kindern durch seine Gnade dazu helfen wolle, dass sie dem unreinen, teuflischen Geist so mögen widerstehen und Trotz bieten, dass derselbe sie nicht nach seinem bösen Willen gefangen führe, zum ewigen Schaden und zur Schande ihrer armen Seelen. Sondern dass sie den unsterblichen, ewigen Gott und Vater, durch seinen lieben Sohn Jesum Christum, von ihren jungen Jahren an, recht erkennen lernen und sich recht in der Wahrheit unter sein Kreuz demütigen mögen, um die großen Taten und Wunderwerke des Herrn, unseres Gottes, zu erzählen; die große Barmherzigkeit, Gnade, Gunst und Liebe des allmächtigen Vaters, sein gesegnetes Wort, seinen Willen und seine Ordnung, mit allem Verdienst, aller Kraft und Frucht des Todes und Blutes Christi, seines gesegneten Sohnes; auch die Güte, Weisheit, Wahrheit und die Gaben seines ewigen und heiligen Geistes – dass sie alles dieses ihren Kindern, Kindeskindern und allen Nachkommen erzählen mögen, bis auf die Zeit, dass der Herr Christus Jesus, in der herrlichen Majestät seines himmlischen Vaters, mit den Wolken des Himmels zu dem ewigen, letzten Urteil erscheinen wird und einem jeglichen gebe, nachdem er gehandelt hat, es sei gut oder böse (2Kor 5,10).

Siehe, werter Leser, so gebührt wahren Christen ihre Kinder zu lehren und zu ermahnen, zu strafen und zu züchtigen, ihnen in aller Gerechtigkeit vorzugehen, sie aufzuziehen in des Herrn Furcht, Sorge zu tragen für ihre armen Seelen, auf dass sie durch ihre Versäumnis von der rechten Bahn nicht weichen, in ihren Sünden nicht sterben und so zum Letzten in ihrem Unglauben nicht vergehen.

Der Herr sprach von Abraham als er sagte:

»Wie kann ich Abraham verbergen, was ich tue? Da er ein großes und mächtiges Volk soll werden, und alle Völker auf Erden in ihm gesegnet werden sollen. Denn ich weiß, er wird befehlen seinen Kindern, und seinem Hause nach ihm, dass sie des Herrn Wege halten, und was recht und gut ist.« (1Mo 18,17–19)

Der fromme Tobias lehrte seinen Sohn und seines Sohnes Kinder, indem er sagte: »So hört nun, meine Söhne, euren Vater: Dient dem Herrn in der Wahrheit und haltet euch zu ihm rechtschaffen. Tut, was er geboten hat und lehrt solches eure Kinder, dass sie auch Almosen geben, dass sie Gott allezeit fürchten und trauen von ganzem Herzen.«

Und wenn sie dann zu ihren Jahren kommen und die Gabe sich zu enthalten nicht haben (wer sie aber hat, dem rate ich mit Paulus, dass er sie in dem Herrn gebrauche), so lass sie nicht freien die, so außer Christo und seiner Gemeinde sind, mögen sie gleich Edle, Reiche oder Schöne sein wie die Hoffärtigen, Geizigen und Unkeuschen dieser Welt tun; sondern lass sie solche freien, die den Herrn von ganzem Herzen fürchten, lieben, ehren, ihm folgen, danken und dienen, seien sie edel oder unedel, reich oder arm, schön oder ungestalt; denn sie sind Heilige und Kinder der Heiligen und daher kommt es von dem Herrn und muss in seinem Namen geschehen.

Ein jeglicher sehe sich vor und handle recht, auf dass die schreckliche Strafe und der Zorn Gottes, um seiner Unkeuschheit und bösen Lust willen, nicht über ihn komme, gleichwie sie auch zum Teil in den Zeiten Noahs und Lots um solcher Ursache willen über die erste Welt kamen (1Mo 6).

Aber wie wenige sind derer, die dieses beherzigen und aufrichtig um die Seligkeit ihrer Kinder bemüht sind. Wenn sie nur in fleischlicher Hinsicht reichlich für sie sorgen können, so fühlen sie sich zufriedengestellt. Der Pfaffen Ordnung und Kirchendienst sind allein ihr Glaube, ihre Hoffnung und das Fundament ihrer Seligkeit; etwas anderes suchen und kennen sie nicht. Ihr ganzes Leben, von Anfang bis zu Ende, steht im Widerspruch mit Christi Wort. Denn sobald sie geboren werden, trägt man sie zu dem abgöttischen, irrigen Bade (Taufe); des Herrn heiliger Name wird über ihnen missbraucht; sie werden auferzogen in aller Eitelkeit und Blindheit, in Pomp, Pracht und Übermut, in einer offenbaren Abgötterei und einem falschen Gottesdienst und in dem sinnlosen, ausschweifenden Leben dieser Welt.

Innerhalb und außerhalb ihrer Häuser hören und sehen sie nichts, als alle Ungerechtigkeit und Bosheit, Lügen, Betrügen, Fluchen, Schwören, Untreue, Geiz, Zorn, Zanken, Saufen, Fressen und alle Schande. Sie lernen nimmermehr Christum und sein Wort erkennen, hassen die Wahrheit und verfolgen die Gerechtigkeit. Kurz, sie beweisen es mit der Tat, dass sie sowohl an Leib als Seele, innerlich und äußerlich mit dem üblen unreinen Geiste angefüllt sind und nach seinem Willen geführt werden, wie man sehen kann.

Denn wie dein Geist ist, so müssen auch deine Früchte und dein Leben sein. Ist Christi Geist in dir, welcher heilig und rein ist, so werden auch dein Leben und Früchte rein und heilig sein. Und wiederum, ist der teuflische Geist in dir, der unrein und böse ist, so sind auch böse und unrein alle deine Wege und Früchte; das ist unwidersprechlich.

Darum sagt Paulus: Die von Gottes Geist getrieben werden, sind Gottes Kinder. Wiederum, die von des Teufels Geist getrieben werden, die sind Teufelskinder. Ach lieber Leser, habe Acht darauf. Ja, wenn diese armen Leute nur einen Funken des Geistes Gottes besäßen, so würden sie tausendmal lieber in siedendes Öl gehen oder mit Feuer verbrannt werden, ehe sie solche Gottlosigkeit, Torheit und solchen Mutwillen an ihren Kindern ausüben lassen würden, geschweigen denn, dass sie solche Dinge ihnen lehren oder darin ihnen ein Beispiel setzen sollten. Denn es ist unwidersprechlich, nach Ausweis aller Schrift, so sie Christum nicht empfangen, dass ihr Ende der ewige Tod sein wird.

Darum nun, alle, die ihr den Herrn fürchtet und eure Kinder mit einer Liebe göttlichen Ursprungs liebt, sucht von ganzem Herzen ihre Seligkeit, gleichwie Abraham, Tobias und die Makkabäische Mutter getan haben. Übertreten sie, so straft sie scharf; irren sie, so ermahnt sie väterlich; sind sie kindisch, so tragt sie liebreich; sind sie verständig, so unterweist sie christlich; opfert und heiligt dem Herrn von Jugend auf; wachet über ihre Seelen, solange sie eurer Sorge befohlen sind, auf dass ihr eure Seligkeit um ihretwillen nicht verliert; betet ohne Unterlass, gleich diesem frommen Weibe, dass der Herr ihnen seine Gnade verleihen und sie dem Teufel widerstehen mögen; dass sie ihre angeborne, sündige Natur durch des Herrn Geist und Hilfe unterdrücken und von Jugend auf vor dem Herrn und seiner Gemeinde wandeln mögen in aller Gerechtigkeit, Wahrheit und Weisheit, in einem aufrichtigen, festen Glauben, unverfälschter Liebe und lebendiger Hoffnung, in einem ehrlichen und heiligen Leben, unsträflich und ohne alle Ärgernis, in allen Früchten des Glaubens, bis in das ewige Leben. Amen.

Außer allen vorgenannten Beispielen mag der ernsthafte Leser auch noch mit einem guten und frommen Gewissen über den Glauben der unbefleckten, hochgepriesenen Mutter Maria, über den des Matthäus, den des alten Simeons und der Hanna ernstlich nachdenken; sowie auch über den des Blinden (Lk 1; Mt 9; Lk 2,15–18; Mk 10) und dergleichen mehr; und ich hoffe dass er, durch des Herrn Hilfe und Gnade, vollständig begreifen wird, wie ganz einfach, recht, schlicht, ohne Heuchelei, gottesfürchtig, rechtschaffen, langmütig, eifrig, friedsam, fröhlich, barmherzig, lieblich, hilfreich, gütig, demütig, unsträflich und fromm ein rechter erneuernder, christlicher Glaube ist und zwar inwendig vor Gott in der Kraft und auswendig vor seinem Nächsten in der Frucht.

Ja, gleich wie ein guter, fruchtbarer Baum aus seiner eigenen guten Art, ohne irgendwelchen Zwang, stets gute Frucht hervorbringt, so muss auch ein wahrer, christlicher Glaube seine guten Früchte erzeugen. Denn dies ist unfehlbar, der Gerechte muss seines Glaubens leben.

Haben nun Abraham, Isaak, Jakob, Mose, Josua und Samuel und alle Altväter und Propheten, des Herrn Wort geglaubt, welches ihnen durch die Engel verkündigt ward, und sind darin so treu gewesen, wie viel mehr sollten wir dann das Wort glauben und in demselben getreu sein, welches uns der Fürst aller Engel, Gottes eingeborner, eigener Sohn, der wahrhafte Zeuge und Lehrer der Gerechtigkeit, Christus Jesus, der vom hohen Himmel aus seines Vaters Busen herniederkam, uns brachte und hienieden auf Erden lehrte.

Es ist nicht genug mit dem Munde zu sagen, dass Jesus Christus der Sohn Gottes sei, dass er das Gesetz für uns erfüllt habe, dass er unsere Sünde mit seinem Blut bezahlt und den Vater mit seinem Opfer und Tod versöhnt habe, noch dass sein Evangelium wahrhaftig und sein Wort recht sei, dass der Lohn der Sünde der Tod und die Gnade das ewige Leben sei, sondern es muss auch im Herzen recht begriffen und in der Seele recht beschlossen sein, oder es macht nicht gerecht. Mit dem Herzen sagt Paulus, glaubt man zur Gerechtigkeit (Röm 10,10).

Aber alle, die von Herzen glauben, dass Christus Jesus der rechte Zweig Davids ist; der gerechte, weise König; der rechte, verheißene Prophet; der rechte Weg und Wahrheit und auch unser einziger Versöhner, Fürsprecher, Mittler und Hohepriester (Jer 22,5), die glauben auch damit, dass alle seine Worte unwandelbar, fest und wahr sind und sein Opfer genugsam und vollkommen ist; folgen darum seinem Wort, wandeln in seinen Geboten, beugen sich unter seinen Zepter und befriedigen ihr Gewissen mit seiner Gnade, Versöhnung, Verheißung, seinem Verdienst, Opfer, Tod und Blut; glauben und erkennen, so sie seinen Willen und sein Wort verlassen und seine Gebote mit Vorsatz übertreten und nach dem Fleisch leben, dass Gott solches von ihnen fordern und dass er sie ewiglich mit dem Feuer seines Zornes strafen wird nach seinem gerechten Urteil. Denn da diejenigen, welche das Gesetz Mose mutwillig übertreten, auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen, ohne alle Barmherzigkeit sterben mussten, um wie viel mehr werden die gestraft werden, die den Sohn Gottes mit Füßen treten, die das reine Blut des neuen Testaments für unrein erachten und den heiligen Geist der Gnade schmähen? (Hebr 10,28)

Ja, guter Leser, wenn wir wahrhaft gläubig würden und es aus innerster Seele erkannten, es würde unsere Herzen so bewegen und sie mit des Herrn Furcht und Liebe entzünden, dass, wenngleich alle Tyrannen, die jemals existierten, mit ihrer schrecklichsten Tyrannei, Marter, Pein und ihrem Blutvergießen vor uns ständen, so sollten sie uns doch nicht im geringsten Grade von des Herrn Wort und Weg abschrecken oder verhindern können. Außerdem würden auch alle unsere unreinen, fleischlichen Gedanken, ungewürzten, eitlen Worte und unnützen, gottlosen Werke bald vergessen sein und ersterben, wie Sirach sagt:

»Die Furcht des Herrn wehret die Sünde.« (Sir 1,26)

– und es ist unmöglich ohne die Furcht Gottes gerecht zu werden.

Da wir nun deutlich sehen, dass ein aufrichtiger, christlicher Glaube Gott in seiner Gerechtigkeit erkennt und folglich sein Urteil fürchtet und mithin durch Furcht die Sünde begräbt und derselben abstirbt – wie schon öfters beregt – ihr aber in allem Geiz, aller Unkeuschheit, Trunkenheit, allem Zorn, aller Hurerei, Abgötterei und Bosheit lebt, so saget selbst, ihr Lieben, wo ist euer Glaube und Gottes Wort, deren ihr euch so mannigfach rühmet? Wisst ihr nicht, dass geschrieben steht:

»Lebt ihr nach dem Fleisch, so müsst ihr sterben?« (Röm 8,13)

Oder meint ihr, dass ihr mit eurem Gott, als wie mit einem Menschen, euer Gespött treiben möget?

»Irrt euch nicht (sagt Paulus), denn Gott lässt sich nicht spotten!« (Gal 6,7)

Ach Leser, sieh dich vor, ich sage dir die Wahrheit in Christo, hüte dich, so du dich von ganzem Herzen nicht bekehrst, deinen Gott durch Christum nicht suchst, hörst, glaubst noch fürchtest, sondern irdisch und fleischlich bleibst und nach deinen Lüsten wandelst, so ist das Urteil des Todes schon über dich ausgesprochen. Wie auch Christus selber sagt:

»Ich richte euch nicht, aber das Wort, das ich geredet habe, das wird euch richten am jüngsten Tag.« (Joh 12,47–48)

Rate euch deshalb treulich, als vor Gott, gleichwie ich meiner eigenen Seele tue, legt schnell von euch ab alle falsche Lehre, allen Unglauben, Abgötterei und euer irdisches, schändliches Leben, darin ihr leider bisher so fleischlich gewandelt habt, auf dass euch der Zorn Gottes nicht unversehens in dem Schlaf eurer Sünden überfalle.

Wacht auf! Er ist noch gnädig, sucht und empfangt eine rechte Lehre, einen rechten Glauben, rechte Sakramente, rechten Gottesdienst und ein frommes, gottseliges Leben, wie die Schrift lehrt, alsdann wird euer Licht hervorbrechen, gleichwie die Morgenröte, eure Besserung wird zunehmen, eure Gerechtigkeit wird vor euch hergehen und die Herrlichkeit des Herrn wird euch zu sich nehmen (Jes 58,8).

Weiter sage ich: So ihr wahrhaft glaubt und mit dem Herzen recht verstanden habt, dass ihr durch Adams Ungehorsam Kinder des Teufels, des Zorns und des ewigen Todes und Gottes gerechtem Urteil und Fluch unterworfen wurdet und nun wiederum alle eure Hindernisse und Sünden durch das reine und unbefleckte Blut Christi hinweggenommen und versöhnt sind, dass ihr also aus dem Zorn in die Gnade, aus dem Fluch in den Segen und aus dem Tode in das Leben berufen seid (ich schweige hier noch von allen andern Wohltaten der Gnade die täglich an euch bewiesen werden), so sollten eure Herzen sprießen, gleich den wohlriechenden blühenden Veilchen, voll reiner Liebe; ja, sie sollten fließen wie die lebendigen Brunnen, aus welchen die erfrischenden, süßen Wasser der Gerechtigkeit hervorsprudeln und ihr würdet mit dem heiligen Paulus von Grund eurer Seelen sagen:

»Wer will uns scheiden von der Liebe des Christus?« (Röm 8,35)

Wenn ich in dem Bande der Vollkommenheit mit ihm stehe, ihn mit einem reinen Herzen, guten Gewissen und ungeheucheltem Glauben liebe, so istes unmöglich, dass irgendetwas mich von ihm abwenden oder scheiden könnte. Denn es ist mein eigenes Verlangen und höchste Freude, dass ich von seinem Wort höre oder rede und in meiner Schwachheit wandle, gleichwie er durch seinen Sohn befohlen und gelehrt hat, es koste gleich Geld oder Gut, Fleisch oder Blut, wie es ihm gefällt.

Siehe, lieber Leser, da es denn in der heiligen Schrift mehr als klar ist, dass der rechte christliche Glaube durch die Furcht Gottes der Sünde abstirbt und durch die Liebe der Gerechtigkeit (wiewohl in Schwachheit) nachstrebt, so lasse ich dich nun selber urteilen, ob solche Leute von Herzen glauben, die mit dem Mund sagen, dass Christi Blut das Sühnopfer ihrer Sünden sei und doch gleichwohl allerlei Abgötterei, wie Kindertaufe, Weihwasser, Ablass, Ohrenbeichte, Messe, goldene, silberne und hölzerne Bilder, Christessen, steinerne Kirchen und die trunkenen, unzüchtigen Pfaffen suchen und denselben nachlaufen. Ach wie gut wäre es, dass sie nachdächten.

Ich sage: So wahrhaftig als der Herr lebt, in Ewigkeit wird kein anderes Mittel, weder im Himmel noch auf Erden, gefunden werden für unsere Sünden, weder Werke, Verdienst noch Sakramente (ob sie auch schon nach der Schrift gebraucht werden), weder Kreuz noch Trübsal, weder das unschuldige Blut der Heiligen noch Engel, Menschen oder irgend andere Mittel, denn allein das rote, unbefleckte Blut des Opferlammes Christi, das einmal aus lauter Gnade, Barmherzigkeit und Liebe zur Vergebung aller unserer Sünden ausgeschüttet und vergossen ist (Mk 14,24).

Darum ist es unwidersprechlich, dass alle diejenigen, die solche abgöttischen, fremden Mittel für ihre Sünden gebrauchen, in der gläubigen, dankbaren Gemeinde Christi nicht sind. Darum will ich euch etliche Stellen aus der evangelischen und apostolischen Schrift anführen, will sie auch als einen klaren Spiegel vorhalten, damit ihr suchen und erkennen mögt, ob ihr gläubige Christen seid oder nicht.

So lehrt des Herrn Wort:

»Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen!« (Joh 3,3)

Und wiederum:

»Wahrlich, ich sage euch, es sei denn, dass ihr euch umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.!« (Mt 18,3)

Prüfet euch hiermit: Seid ihr aus dem reinen Samen des heiligen Wortes geboren, so muss auch die Natur des Samens in euch sein; seid ihr den kleinen Kindern gleich geworden, dann ist kein Stolz, keine Unkeuschheit, kein Geiz, kein Hass und Neid mehr bei euch vorhanden; denn die unschuldigen Kinder wissen nichts von solchen Sünden. So ihr aber noch in dem alten Wesen Adams und nicht in dem neuen Wesen Christi lebt und nach den unreinen, verdorbenen Lüsten eures Fleisches wandelt, so beweiset ihr mit der Tat, dass ihr aus Gott nicht geboren seid und seinen Glauben nicht habt.

Noch eins lehrt des Herrn Wort: »Geht hin und predigt das Evangelium aller Schöpfung. Wer glaubt und getauft wird, der soll selig werden.« Prüfet euch nochmals. Wer glaubt und recht getauft wird, tut eine wahrhaftige Buße, er beschneidet sein Herz, er stirbt seinen Sünden ab, er steht auf mit Christo in ein neues Leben. Bleibt ihr aber unbußfertig, sind eure Herzen unbeschnitten, eure Sünden unabgestorben, lebt ihr außerhalb Christo und seinem Wort, so ist das Werk euer Zeuge, dass ihr ungläubig seid und die Taufe Christi nicht habt. Noch eins lehrt des Herrn Wort:

»Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote!« (Mt 19,17)

»Denn in Christo (sagt Paulus) gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein, wohl aber Gottes Gebote halten.« Und dies ist sein Gebot, dass ihr sollt lieben euren Herrn und Gott, aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus allen Kräften und euren Nächsten wie euch selbst.

Prüfet euch hiermit zum dritten Mal: Habt ihr Gott lieb, so werdet ihr gerne seine Gebote halten und werdet an eurem Nächsten tun, gleichwie ihr wünscht, dass er an euch tun möchte; so ihr aber sein Wort verachtet, seiner Ordnung, Lehre, Taufe, Absonderung und seinem Abendmahl nicht nachkommt und nicht nach seinen heiligen Geboten wandelt, euren Nächsten belügt, betrügt, verratet, um Leib und Leben bringt, sein Weib, seine Töchter und Mägde schändet, untreu mit ihm handelt, die armen, blinden Seelen verführt und von des Herrn Wahrheit, Wege und Gehorsam (es sei durch Verfolgung oder falsche Lehre) abdringt und so des ewigen Reichs beraubt und nach der Hölle führet, so ist mehr als klar, dass ihr des Herrn Gebot hasst und seinen Glauben nicht habt.

Noch eins lehrt des Herrn Wort:

»Geht ein durch die enge Pforte, denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt, und ihrer sind viele die darauf wandeln; und die Pforte ist eng und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und ihrer sind wenige die ihn finden!« (Mt 7,13)

Noch an einem andern Ort:

»Wer mir folgen will (sagt er), der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!« (Mt 16,24)

 

»Wer Vater und Mutter, Mann oder Frau, Sohn oder Tochter, etc. lieber hat denn mich, der ist meiner nicht würdig.« (Mt 10,37)

Prüfet euch noch einmal: Habt ihr einen solchen Geist, Glauben und eine solche Freimütigkeit, dass ihr, wenn es Not tut, um des Wortes Gottes und seiner Zeugnisse willen, Vater, Mutter und alles zu verlassen bereit steht und das Kreuz Christi auf euch zu nehmen, euch selbst gänzlich zu verleugnen, mit Christo auf den Weg des Elends zu treten und mit dem armen, kleinen Häuflein durch die enge und niedrige Pforte einzudringen, so stärke euch der Herr. So ihr aber euch selbst lebt, Christi Kreuz verwerft, Vater, Mutter, Weib, Kinder, Gut oder euer Leben über Christum liebt, mit dem großen Haufen auf dem breiten Weg wandelt und durch die weite Pforte eintretet, so gibt des Herrn eigner Mund Zeugnis, dass ihr ungläubig seid und euer Ende die Verdammnis sein wird.

Noch eins lehrt des Herrn Wort:

»Welche aber Christi angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden.« (Gal 5,24)

Denn die nach dem Fleische leben, als da sind Ehebrecher, Hurer, Knabenschänder, Trunkene, Geizige, Spieler, Diebe, Hoffärtige, Gehässige, Lästerer, Blutgierige, Abgöttische, werden des Todes sterben.

Prüfet euch nun zum fünften Mal: Herrschen eure Lüste nicht in euch und wandelt ihr nicht in solchen oder dergleichen Werken, als ich sie erwähnt habe, sondern seid ihr im Stande sie durch den Glauben zu dämpfen und unter eure Füße zu treten, so dankt eurem Gott, streitet fromm, wacht und betet. Wenn ihr aber euren Lüsten frönt und in den unreinen Werken eures Fleisches lebt, so bessert euch; denn es ist in diesem Falle offenbar, dass ihr nicht bußfertige, gläubige Christen, sondern unbußfertige, fleischliche Heiden seid.

Wiederum lehrt das Wort Gottes:

»Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach solchem allen trachten die Heiden. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit; so wird euch solches alles zufallen!« (Mt 6,31–33)

Hier prüfet euch zum sechsten Mal. So ihr dem starken und reichen Gott, der Israel vierzig Jahre lang mit Brot vom Himmel und mit Wasser aus dem Felsen ernährte, ihre Kleider und Schuhe ganz und unzerbrochen bewahrte, und Elia durch die Raben Nahrung schickte, glaubt und versichert seid, dass er euch im Elend nicht verlassen, sondern durch seine Gnade für euch sorgen wird; so ist dies ein gewisses Zeichen, dass ihr des Herrn Wort habt. Wenn ihr aber durch eure Sorge so getrieben oder gedrungen werdet, dass ihr das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit vernachlässigt, mehr das Zeitliche als das Ewige sucht und so bekümmert seid, gleich als ob Gott mehr Sorge für die Blumen und Vögel, als für euch und eure Kinder trüge, so rühmt euch nicht, denn ihr glaubt eures Herrn Verheißung und Wort nicht.

Es lehrt das Wort Gottes wiederum:

»Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben; denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet; denn er glaubt nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes.« (Joh 3,16–18)

Zum siebten Mal prüfet euch durch Folgendes. So ihr diese Worte Christi recht von Herzen glaubt, nämlich, dass der allmächtige, ewige Vater eine solche Liebe zu euch und zu dem ganzen menschlichen Geschlecht gehabt hat, dass er sein unergründliches, allmächtiges, ewiges Wort, seine Weisheit, Wahrheit und seinen Sohn, durch den er Himmel und Erde und das Meer, mit ihrer ganzen Fülle, geschaffen hat, seine ewige Glorie und Herrlichkeit in dieses Jammertal gesandt hat, denselben einen armen, betrübten, elenden Menschen hat werden lassen, ihn um unserer aller Sünden willen hungern, dürsten, lästern, fangen, geißeln, mit Dornen krönen, kreuzigen und sterben hat lassen, so kann es nicht ausbleiben, dass dein altes, fleischliches Herz in ein neues, geistliches Herz verwandelt wird, dass deine Gedanken keusch werden, deine Worte bescheiden und mit Salz gewürzt und dein ganzes Leben fromm und unsträflich wird.

Von Stund’ an solltet ihr aufwachen, den rechten Weg gehen, von allem Gräuel und aller Abgötterei abstehen; alle falschen Propheten, Prediger und Pfaffen verlassen; die rechten Lehrer, Sakramente und den rechten Gottesdienst suchen; denn ein wahrer, aufrichtiger, christlicher Glaube kann und darf nicht müßig sein, sondern er verändert, erneuert, reinigt, heiligt und rechtfertigt je länger je mehr; er macht freudig und fröhlich, denn er erkennt, dass Hölle, Teufel, Sünde und Tod durch Christum überwunden, Gnade, Barmherzigkeit, Erlösung von den Sünden und das ewige Leben aber durch ihn erworben sind; er tritt mit vollem Vertrauen zum Vater, in dem Namen Christi, empfängt den heiligen Geist, wird teilhaftig der göttlichen Natur und erneuert sich nach dem Bild desjenigen, der ihn geschaffen hat; lebt aus der Kraft Christi, die in ihm ist; alle seine Wege sind Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Ehrbarkeit, Keuschheit, Wahrheit, Weisheit, Gütigkeit, Freundlichkeit, Licht, Liebe und Friede.

Er heiligt seinen Leib und sein Herz zu einer Wohnstatt und einem Tempel Christi und seines heiligen Geistes; hasst alles was wider Gott und Gottes Wort ist; ehrt, preist und dankt Gott mit treuem Herzen; und es gibt nichts, das ihn erschrecken kann, weder Urteil noch Zorn, weder Hölle noch Teufel, weder Sünde noch ewiger Tod. Denn er weiß, dass Christus sein Fürsprecher, Vermittler und seine Sühne ist. Er erkennt mit dem heiligen Paulus, dass nun nichts Verdammliches an denen ist, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist (Röm 8,1). Des Herrn Geist versichert ihm, dass er ein Kind Gottes und ein Miterbe Christi ist; er ergibt sich darum ganz und gar, von innen und außen, seinem Herrn und Seligmacher Christo zu eigen, der ihn durch seine Gnade berufen, mit seinem Geist gezogen, mit seinem Wort erleuchtet und mit seinem Blut erkauft hat.

Seht, dieses ist das Merkmal eines lebendigen Glaubens, dessen Kraft, Geist, Furcht, Nachdruck und Leben von der treibenden, dringenden Art sind, wie sie ein Glauben erfordert, der vor Gott gilt und Verheißung in der Schrift hat. Selig ist, der ihn besitzt und heilsam bis zum Ende bewahrt.

Hiermit sage ich noch einmal, prüft euch, ob ihr im Glauben seid oder nicht, in Christo oder außer Christo, bußfertig oder unbußfertig. Denn in diesem vorgehaltenen Spiegel könnt ihr das ganze Angesicht eures Gewissens und Lebens recht beschauen, so ihr nur glaubt, dass eures Herrn Wort wahrhaftig und recht ist. Hier bemerket, wie der wahre, christliche Glaube in der Gnade, der einzige, lebendige Brunnen ist, aus welchem nicht nur das neue, bußfertige Leben fließt, sondern auch der Gehorsam in Betreff der evangelischen Zeremonien, als Taufe und Abendmahl, herkommt und folgen muss; nicht als von dem Gesetze getrieben, denn des Treibers Rute ist zerbrochen; sondern durch den freiwilligen, untertänigen Geist der Liebe, welcher von einer christlichen Natur und zu allen guten Werken und zum Gehorsam des heiligen, göttlichen Wortes bereit ist.

Denn die recht Wiedergebornen und geistlich Gesinnten richten sich stets nach des Herrn Wort und Ordnung; nicht darum, dass sie damit die Versöhnung ihrer Sünden und das ewige Leben zu verdienen glauben; ganz und gar nicht; in dieser Hinsicht verlassen sie sich auf nichts anderes als das Versprechen des barmherzigen Vaters, welches aus Gnaden allen Gläubigen durch das Blut und Verdienst Christi gegeben ward, welches Blut allein das einzige und ewige Mittel unsrer Versöhnung ist und bleiben wird und nicht die Werke, die Taufe oder das Abendmahl, wie bereits zuvor erwähnt.

Denn so unsere Versöhnung in den Werken und Zeremonien läge, so wäre es mit der Gnade aus und das Verdienst und die Frucht von des Herrn Blut hätte dann ein Ende. Ach nein, es ist Gnade und wird Gnade bleiben in Ewigkeit; alles was der barmherzige Vater, durch seinen lieben Sohn und heiligen Geist, an uns betrübten Sündern tut und bewirkt.

Darum aber ist die Beobachtung beider Zeichen in Gestalt von Wasser, von Brot und Wein, damit sie des Herrn Stimme hören, sein Wort glauben und seinem Befehl (wenngleich in Schwachheit) gerne nachkommen und erfüllen. Denn ein rechtgläubiger Christ ist so gesinnt, dass er nicht anders tun will noch mag, als ihn seines Herrn Wort lehrt und auslegt; denn er erkennt und weiß, dass aller Mutwille und Ungehorsam eine Zaubereisünde und deren Ende der Tod ist. Ja, guter Leser, der rechte, christliche Glaube, wie er von der Schrift erfordert wird, ist so lebendig, treibend, stark und kräftig bei allen denen, die ihn durch des Herrn Gnade recht gefasst haben, dass sie nicht fürchten Vater und Mutter, Weib und Kinder, Geld und Gut um des Herrn Wort und seines Zeugnisses willen zu verlassen; allen Spott und alle Schande, alles Ungemach und Gefängnis zu leiden und schließlich auch ihr armes, schwaches Fleisch, das so ungerne leidet, an einem Pfahl verbrennen lassen, wie man solches an vielen frommen Kindern und treuen Zeugen Christi, besonders in unsern Niederlanden, täglich sehen und wahrnehmen kann.

Ach, wie viele habe ich vormals gekannt, kenne den größern Teil auch jetzt noch, sowohl Männer als Weiber, männliche und weibliche Dienstboten (wollte Gott, dass sie zu vielen Hunderttausend vermehrt würden), welche aus dem Innersten ihrer Seelen Christum und sein Wort suchen und in aller Demut vor Gott und den Menschen ein frommes, unsträfliches Leben führen; aufrichtig und heilsam in der Lehre, voll der Furcht und Liebe Gottes sind; bereit einem jeglichen zu helfen; barmherzig, mitleidig, demütig, nüchtern, keusch, nicht widerspenstig noch aufrührerisch, sondern still und friedlich, der Obrigkeit in allen Sachen, die nicht wider Gott sind, gehorsam und die doch gleichwohl eine Reihe von Jahren auf ihren eigenen Betten nicht viel geschlafen haben, es auch jetzt noch nicht können; denn sie werden so von der Welt gehasst, dass man sie leider als offenbare Straßenräuber, Diebe und Mörder, ohne alle Barmherzigkeit verfolgt, verrät, fängt, verbannt, um Leib und Gut bringt und solches um keiner andern Ursache willen als allein darum, dass sie sich aus reiner Furcht Gottes mit dem gräulichen, fleischlichen Leben und mit der verfluchten, schändlichen Abgötterei dieser blinden Welt nicht vermengen dürfen; die unkeuschen, trunkenen, hurischen Pfaffen und verführerischen, blinden Prediger weder für rechte, apostolische und von Gott gesandte Lehrer anerkennen, noch auf sie hören dürfen; das abgöttische Brot mit den Geizigen, Neidischen, Hoffärtigen, Säufern, Huren und Buben von ihrer Hand nicht empfangen noch genießen dürfen; ihre Kinder zu dem antichristlichen Bad und der Taufe nicht tragen dürfen, sondern solche Prediger und Lehrer suchen, auch eine solche Taufe und Gemeinde, ein solches Abendmahl und Leben, die der Schrift gleichförmig sind und nach des Herrn Wort bestehen mögen.

Seht, vor Gott, was ich schreibe ist die Wahrheit; sie sind in der Tat ein solches Volk, wenn ich sie anders recht kenne (Heuchler ausgenommen), die dem Fleische nach mehr weinen als lachen, mehr trauern als fröhlich sind, lieber geben als nehmen und die dazu bereit stehen, nicht allein Geld, Gut und ihre ganze Habe, sondern auch Leib und Leben für des Herrn Preis einzusetzen und zu einem notwendigen Dienst ihres Nächsten, nach der Schrift Ordnung, so viel als in ihnen ist. Und wie furchtbar die armen Kinder auch geplagt werden, fühlen sie sich gleichwohl dermaßen in Gott gestärkt, dass man sie weder bewegen noch erschrecken kann. Sie besitzen ihre Seele mit Geduld und warten auf die Freude, die verheißen ist. Wie wahr ist es, was Christus spricht:

»Ihr müsst gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern.« (Mt 24,9)

Weil es denn aus diesem Allen klar und offenbar sein muss, dass der rechte evangelische Glaube einer solchen Art und Natur ist, wie gesagt und das einzige Mittel, der einzige Baum, welcher, durch die Gnade Gottes, alle gute Frucht hervorbringt und trägt; darum wird er in der Schrift als das edelste und höchste Werk gepriesen und alles wird dem Glauben beigelegt; als da sind, das Ausüben von Kräften und Wunderwerken, die Kraft Gottes Kinder zu werden; ja, gerecht, gesegnet, selig, rein und heilig zu werden und das ewige Leben zu gewinnen, wie wir schon hervorgehoben haben, als wir über des Schächers Glauben schrieben.

Nicht, lieber Leser, dass wir der Meinung sind, dass der Glaube dies alles kraft seines eigenen Wertes verdient; ganz und gar nicht; sondern weil das Wohlgefallen Gottes dem rechten, wahren Glauben durch sein Wort seine Verheißung gegeben hat, die mithin laut dieses Wortes, dem Glauben folgen muss. Denn die Schrift lehrt deutlich, dass alle Dinge, sichtbare und unsichtbare, Gottes mächtiges Wort hören, sich vor demselben beugen und ihm dienen und folgen müssen, gleich als einstmals, da er sagte: Der Himmel werde und die Erde werde. Und Himmel und Erde wurden auf dieses Wort. Denn sein Wort, spricht Esra, ist sein vollkommen Werk. Auch sagte er zu Israel: Wenn du meiner Stimme gehorsam bist, so wird dir aller dieser Segen folgen. Und wiederum: So du ungehorsam bist, so wird euch alle dieser Fluch treffen. Und es geschah, wie Israel gesagt war; denn Gott, sagt Bileam, ist nicht wie ein Mensch, der da lüge, noch als ein Menschenkind, dass ihn etwas gereue. Um solcher Ursachen muss aus dem rechten Glauben die Verheißung folgen oder Gott (der ein Gott der Wahrheit ist) müsste ein unwahrhaftiger und untreuer Gott sein. Ach nein, alles was er will, das muss geschehen und was er verheißt, muss statt haben und nicht anders, als er es verheißen hat; denn er ist allein wahrhaftig und wir alle Lügner (Röm 3). Und ob wir schon ungläubig sind, ist er (spricht Paulus) dennoch getreu und kann sich selber nicht verleugnen.

Da nun der Glaube so fest erkennt, dass Gott seine Verheißung nicht brechen kann, sondern dieselbe halten muss, weil er die Wahrheit ist und nicht lügen kann, daher machte er seine Kinder frei, freudig und im Geist fröhlich, mögen sie gleich in Kerker und Banden schmachten, vom Wasser oder Feuer leiden oder mit Ketten an Pfähle gebunden sein; denn sie sind durch den Glauben im Geiste versichert, dass Gott seine Verheißung an ihnen nicht brechen, sondern zu seiner Zeit erfüllen werde; denn sie glauben an Christum, in dem die Verheißung versiegelt ist; sie erkennen durch ihn seine Gnade, sein Wort und seinen Willen; unerachtet, dass sie zuvor so gottlos gelebt und so fleischlich gewandelt haben.

Sie hoffen mit dem getreuen Abraham, da nichts zu hoffen ist und harren auf unsichtbare Dinge, als ob sie sie vor Augen sähen; hangen mit festem Vertrauen an der Festigkeit, Wahrheit, Treue und Kraft der himmlischen Verheißung, die uns der untrügliche, wahrhaftige Mund unsers Herrn Jesu Christi, des Sohnes Gottes, ohne alle vorhergehenden Werke oder Verdienste, durch seines barmherzigen Vaters gnädige Erwählung und Willen, in seinem wahrhaftigen Wort zugesagt und verheißen hat. Und dieser erneuernde, gerecht machende, bekehrende, bußfertige, tätige und festvertrauende Glaube, welcher von dem Vater des Lichts herkommt und aus dem Hören seines heiligen Wortes, ist allein der Glaube, welcher vor Gott Geltung hat und der in der Schrift durch den heiligen Geist die Versicherung der Gnadenverheißung hat; außer diesem kennt die heilige Schrift keinen andern Glauben.

Ich habe in einigen Büchern schon früher gelesen, es gäbe nur ein gutes Werk das uns selig mache, nämlich der Glaube und nur eine Sünde, die uns verdamme, nämlich der Unglaube. Bei diesem will ich es bewenden lassen, ohne mich darüber tadelnd zu äußern; denn wo ein aufrichtiger, wahrer Glaube ist, da sind auch alle Arten aufrichtiger, guter Früchte. Und andererseits, wo der Unglaube ist, da gibt es alle Arten böser Früchte; darum wird die Seligkeit dem Glauben und die Verdammnis dem Unglauben gerechterweise zugeschrieben.

Getreuer Leser, gib darauf Acht. Da wir nun deutlich wahrnehmen, dass die ganze weite Welt, Papisten, Lutheraner, Zwinglische, Davidianer, Libertiner etc., den weiten und breiten Weg der Sünde wandeln und ein fleischliches, eitles Leben führen; nicht rein und heilsam bei der vollkommenen, reinen Lehre, dem Sakrament und unsträflichen, reinen Vorbild Christi bleiben, so sind sie ihre eigenen Zeugen, dass sie den Grundstein Christum verwerfen und an sein Wort und seine Wahrheit nicht glauben, wiewohl ihrer etliche so viel von dem Glauben schreiben und von der Schrift reden können. Sagt, Liebe, habt ihr je in der Schrift gelesen oder gehört, dass ein rechtgläubiger, wiedergeborner Christ nach seiner Buße und Bekehrung bei seiner Hoffart, seinem Geiz und Hass, seiner Sinnlichkeit und Unkeuschheit, Tyrannei und Abgötterei geblieben ist und nach den bösen Lüsten seines Fleisches noch länger gelebt habe? Ihr müsst nein sagen. Wollt ihr hier von Petrus oder David sprechen, so müsst ihr merken, welche kurze oder lange Zeit ihr Fall währte und was für Buße sie taten. Man kehre sich nun gegen Morgen oder Abend, gegen Mittag oder Mitternacht, so findet man bei allen denen, die sich des Glaubens rühmen, einen solchen gottlosen, eitlen, prachtliebenden, tollen Handel und Wandel, dass man mit Christo und Johannes sagen muss, dass sie, wenige ausgenommen, aus dem Teufel und nicht aus Gott sind. Denn der Teufel ist von Anfang hoffärtig und stolz gewesen, so sind sie auch; er ist ein Lügner gewesen, so sind sie auch; er ist ein Verfälscher von des Herrn Wort gewesen, so sind sie auch; er ist ein Feind Gottes gewesen, so sind sie auch. Kurz, er ist ein rachgieriger, mörderischer und gräulicher, blutgieriger Tyrann gewesen, so sind ihrer viele auch; denn wie sie mit denjenigen verfahren, die Christum mit getreuen Herzen suchen, fürchten, anrufen, ihm glauben, folgen und dienen, ist schon öfters eingehend erzählt worden.

Ja, sie sind leider mit einem solchen Hass, Zorn und Grimm über sie entbrannt, dass sie dieselben kaum einmal mit ihrem rechten Namen nennen mögen; sondern sie werden von jedermann Anabaptisten, Schwärmer, Aufrührer, Rottengeister, Winkelprediger, Verführer, Ketzer, Wiedertäufer, neue Mönche, Schelme und Bösewichte gescholten, wiewohl sie das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit aus dem Allerinnersten ihrer Seelen suchen, wie der weiß, der die Herzen und Nieren prüft und niemand auf der ganzen Erde etwas Böses wünschen.

Dies tun sie alle infolge des unverständigen Verleumdens, des neidischen, blutgierigen, unmenschlichen, grausamen Lügens, Schreiens und der Schriften ihrer Gelehrten, Pfaffen und Prediger, welche immer, seitdem das lästernde Tier des Antichristen zu seinem Reich und seiner Herrlichkeit gelangt ist, stets die eigentliche Ursache gewesen sind, dass das unschuldige Blut so tyrannisch vergossen ward und noch vergossen wird; denn sie sind diejenigen, welche die Obrigkeit zum Morden anreizen und das unbedachtsame, ruchlose Volk zum Lästern und Beschimpfen; und ich fürchte, sie werden darin verharren bis zum Ende.

Und dennoch sollen die Auserwählten aufwachen, Buße tun und des Herrn Stimme nachkommen; denn das abgöttische, blutdürstige, verwirrte Babel soll untergehen und vernichtet werden und das schöne Jerusalem, die Stadt des Friedens, soll zunehmen und durch die Kraft Gottes des Allmächtigen, in der Herrlichkeit erbaut werden. Über dieses freuen sich alle, die zur Hochzeit des Lammes berufen sind und deren Namen in dem Buch des Lebens bei Gott eingeschrieben sind. Hier ist der Verstand, die Weisheit, der Glaube und die Geduld der Heiligen; wer ein kluges Herz besitzt, der wird die Wahrheit von Gottes Wort nicht bezweifeln. Selig sind diejenigen, welche sich vorbereiten und auf die Erscheinung des Lammes warten.

Seht, ein solch ungläubiges, unbußfertiges, abgöttisches, widerspenstiges, ungehorsames, blindes und fleischliches Volk ist es, die sich dünken lassen, dass sie die gläubige Gemeinde und die rechtmäßige Braut Christi sind. Und merken die armen Kinder nicht, dass es alles verdorben, was unter dem ganzen Himmel ist, gleichwie der Prophet klagt:

»Denn es ist keine Treue, keine Liebe, kein Wort Gottes im Lande; sondern Gotteslästern, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen hat überhand genommen, und kommt eine Blutschuld nach der andern.« (Hos 4,1–2)

Die ganze Welt, sagt Johannes, liegt im Bösen. Geht man zu den Herren und Fürsten, so findet man bei ihnen solchen Stolz und Übermut; solche Hoffart und Pracht; ein solches Prassen und unmäßiges Essen; bei etlichen auch Ehebruch und Hurerei; eine solche unvernünftige, blinde Abgötterei und rasende, unbarmherzige Tyrannei, dass sie in Wahrheit mit dem hochmütigen Nebukadnezar, dem trunkenen Belsazar und Nabal, mit den blutdürstigen und frechen Fürsten Antiochus, Nero und Maximus eine größere Ähnlichkeit haben, als dass sie christliche Herren und gütige Fürsten genannt werden könnten. Geht man zu den Richtern und Regenten, so findet man, je nach ihrer Stellung, bei etlichen lauter Gewalt und Unrecht, bei andern wieder lauter Geiz und wunderbare Handhabungen um ehrlich zu stehlen und ehrenhaft zu rauben; sie urteilen je nach dem Gewinn und den Gaben; sie ehren die hohen und Verachten die Geringen; sie verhelfen den Armen, den Witwen und Waisen und den unterdrückten, betrübten Fremdlingen nicht zu ihrem Recht; sie üben ihre Ämter und Macht mit Strenge und nicht brüderlich; sie dienen den Fürstenund nicht Gott, wie der Prophet klagt: »Was der Fürst will, das spricht der Richter, dass er ihm wieder einen Dienst tun soll.« Ach, wo soll man einen unter ihnen finden, der Gott von Herzen liebt, den Geiz hasst, die Wahrheit sucht und dem Gottesfürchtigen Recht und Gerechtigkeit gewährt?

Gehen wir zu den Pfaffen und Mönchen, so finden wir bei ihnen einen solchen unersättlichen Geiz, infolgedessen sie nicht nur ihre Gebete, Psalmen, Metten, Vesper, Messen, Predigten, Taufe, Abendmahl, Absolution und den ganzen Kirchendienst um Geld verkaufen, sondern auch ihre eigenen Seelen feilbieten; von den Verstorbenen nehmen sie Renten und Pfründen; sie fahren sechs oder zehn Meilen, von einem Ort zum andern für einen Gulden und wo sie die meiste Milch, Wolle und das meiste Fleisch finden, da mögen sie am liebsten unter den Schafen sein; sie wollen gerne von den Menschen geehrt und gepriesen sein, lassen sich Doktoren, Herren, Meister, Abte, Pröbste, Prior, Patres, Guardianen, Commentarien und Präsidenten nennen, gehen gerne in langen Kleidern, suchen den Gruß auf dem Markt und den höchsten Sitz am Tisch und in der Kirche, wie Christus von den Schriftgelehrten und Pharisäern sagte (Mk 12,39. Nebenbei leben sie aber größtenteils in einer solchen Hurerei und sodomitischen Schande, dass sich die Engel darüber müssen entsetzen und schämen; schänden eines Ehemanns Weib nach der anderen und eine Jungfrau nach der andern. Betrügen und verderben die ganze Welt, die irdische sowohl als die geistliche; sie suchen ihre ganze Lust in einem zeitlichen, wollüstigen Leben; studieren Tag und Nacht, wie sie ihrem hoffärtigen, eitlen, faulen Fleisch auf das Allersanfteste mögen aufwarten und es mästen, pflegen und ihm dienen; sie prassen, schlemmen und sagen, wie bei dem Propheten steht:

»Kommt her, lasst uns Wein holen und vollsaufen; und soll morgen sein wie heute, und noch viel mehr!« (Jes 56,12)

Verraten die guten, frommen, treuen Herzen, die Christum und das ewige Leben suchen aus allen ihren Kräften; warnen einen jeglichen vor der Wahrheit und ihren Nachfolgern und schreien: Hört uns, wir sind eure Hirten und Lehrer, wir wollen unsere Seelen an dem Tage Gottes für euch einsetzen; und stärken so die Boshaftigen, auf dass sich ja niemand bekehre von seiner Bosheit. Verheißen andern Freiheit und sind selber Knechte des Verderbens. Ich weiß nicht, wie sie es ärger machen könnten, gleichwohl werden diese unverschämten, abscheulichen Menschen, die man nach dem Gesetz Mose gesteinigt haben würde und die, so sie sich nicht bekehren, nach dem Wortlaut der Schrift ewig verflucht und verdammt sein müssen, leider des armen, einsichtslosen Volkes Pastoren und Lehrer geheißen. Seht, dermaßen ist die ganze Welt verderbt.

Geht man zu den Predigern, die sich des Wortes rühmen, so findet man, dass etliche offenbare Lügner sind, etliche Trunkenbolde, etliche Wucherer, etliche übermütig und prachtliebend, etliche Schmäher und Lästerer, etliche auch Verfolger und Verräter der Unschuldigen; man sieht leicht welch ein Leben sie führen, wie sie zu ihren Weibern kamen und was für Weiber sie haben. Dies will ich dem Herrn und ihnen selbst anheimstellen. Sie lehren im Geheimen, dass zwei Söhne in Christo seien; Gottes Sohn und Marias Sohn und dass der, welcher für uns starb, nicht Gottes Sohn gewesen sei; sie lehren und üben außerdem eine Taufe, die in der Schrift nicht befohlen ist und ein Abendmahl, bei welchem sie das Brot als den Leib und den Wein als das Blut Christi betrachten; sie haben und anerkennen meistenteils keinen andern Bann, als Galgen und Rad; führen ein ruhiges, faules, angenehmes Leben; nähren sich mit lauter Verführung und Fuchsschwänzerei von des Antichristen geraubtem Gut und Diebstahl und predigen grade soviel, als die irdische, fleischliche Obrigkeit haben und hören will; versprechen dem armen, unbußfertigen Volk Frieden, wiewohl es lauter Unfriede ist.

Gehen wir zu dem gemeinen Volke, so finden wir einen solchen pöbelhaften, fleischlich gesinnten, blinden und unbeschnittenen Haufen, dass wir uns verwundern müssen; sie kennen weder Gott noch Gottes Wort. Was etwa die Natur vernünftiges lehrt, ist ihre ganze Frömmigkeit; aber von Christi Geist, Wort, Ordnung, Willen und Leben, wissen sie in der Tat ganz wenig. Kurz, es ist in der Welt so weit gekommen, dass wir mit dem heiligen Propheten klagen und ausrufen können:

»Geht durch die Gassen zu Jerusalem, und schaut und erfahrt, und sucht auf ihrer Straße, ob ihr jemand findet, der recht tue und nach dem Glauben frage!« (Jer 5,1)

Nicht ein Stein ist auf dem andern geblieben, es ist alles verwüstet, was Christus und seine getreuen Boten uns gelehrt haben von dem Glauben, der Liebe, Taufe und Sühne der Sünden; von dem Abendmahl, der Buße und Wiedergeburt; von der Absonderung, den Lehrern und Diakonen und von dem rechten Gottesdienst; dennoch werden sie von ihren blinden Pfaffen als die Gemeinde Christi bezeichnet, gleich als ob Christus und der Vater mit dem leeren Namen, mit Brot, Wein und Wasser zufriedengestellt werden könnten. Ach nein! Christi Kirche besteht aus den Auserwählten Gottes; seinen Geheiligten und Geliebten, die ihre Kleider in dem Blut des Lammes gewaschen haben; die aus Gott geboren sind und von Christi Geist getrieben werden; die in Christo sind und Christus in ihnen; die sein Wort hören und glauben, nach seinen Geboten in ihrer Schwachheit leben und seinen Fußstapfen in Geduld und Sanftmut nachfolgen, das Böse hassen und das Gute lieben, mit vollem Ernst danach streben, dass sie Christum ergreifen mögen, gleichwie sie von ihm ergriffen sind; denn alle die in Christo sind, sind neue Kreaturen, Fleisch von Christi Fleisch und Bein von Christi Bein, Glieder an seinem heiligen Leib. Wie ihr und die Menschheit im Allgemeinen damit übereinstimmt, will ich euch und allen verständigen Lesern in der Furcht Gottes beurteilen lassen, nach der Schrift sowohl als nach Maßgabe eures Verstandes.

Da nun alles miteinander durch den gerechten Zorn und das Urteil Gottes, mittels der falschen Propheten und reißenden Wölfe, verwüstet worden ist, weil sie, wie Paulus sagt, zur Ungerechtigkeit und den Lügen Lust gehabt haben, da nun nichts nach dem rechten Sinn und Grund Christi und seiner heiligen Apostel übrig geblieben ist, so findet man auch überall in der Welt unter allen großen Sekten nichts als ein eitles Rühmen, ein bloßer Name, falsche Lehre, falsche Sakramente, eitler Unglaube und ein unbußfertiges, fleischliches Leben und solches alles unter dem Namen und Schein Christi und seiner heiligen Gemeinde. Darum fühle ich mich aus wahrer, christlicher Liebe gedrungen die Kraft und den Grund der heiligen Schrift, nach meiner kleinen, mir von Gott verliehenen Gabe zu erklären und darzutun, welches der rechte, wahre, christliche Glaube sei und Verheißung habe, nämlich, der den Menschen, welcher ihn recht ergreift, aus dem Bösen in das Gute verwandelt, in eine göttliche Art verändert, sowohl inwendig als auswendig, heilig, gerecht, gehorsam, neu, fromm, friedsam und fröhlich macht, wie schon gesagt worden ist.

Auf dass alle guten, frommen Herzen, die gerne den rechten Weg wandeln möchten, aber von ihren blinden Pfaffen und Predigern leider darin verhindert werden, diese meine treue Erklärung und Unterweisung lesen und hören und dadurch in der Wahrheit unterrichtet werden mögen, damit die Gleichgültigen und Schläfrigen dadurch aufgeweckt und alle Heuchler dadurch beschämt und gebessert werden mögen; damit endlich alle, die Gott aufrichtig lieben, im Glauben umso mehr unterrichtet und belehrt werden, insofern sie dies für den festen Grund Gottes erkennen und ansehen, welches er in der Tat ist und auch ewig bleiben wird. Der Herr vergönne, dass viele es lesen und verstehen und demzufolge es annehmen und befolgen mögen, damit sie aufrichtige Buße tun und selig werden. Amen.

Und da ich es aus aufrichtigem Herzen tue und aus keiner andern Absicht arbeite (dessen ist der große Gott, welcher aller Herzen und Nieren prüft, mein Zeuge), als der unwissenden, ruchlosen Welt Buße zu lehren, die nichts weniger kennt oder besitzt, als Christum und sein Wort; damit ich dieselbe zu Christo und seiner Lehre, seinen Sakramenten und seinem Vorbild führen möge; und da man deutlich wahrnimmt, dass so mancher ruchloser Mensch sein sündliches, fleischliches Leben dadurch bessert und in der Furcht des Herrn einen aufrichtigen, bußfertigen, frommen Wandel annimmt, so muss es als eine große Undankbarkeit, ja, als eine gottlose und verstockte Tyrannei erscheinen, mich und meine getreuen Mitarbeiter so höhnisch zu hassen und unsere Mühe und Arbeit so schändlich zu lohnen, die wir doch solche große Treue und Liebe an ihnen bewiesen haben, in unserm mannigfachen Kummer und Leiden.

Doch so haben sie von Anfang mit allen Propheten und treuen Knechten Gottes verfahren, die ihnen des Herrn Wort und Willen mit so großer Treue vorgetragen, ihre Sünden gestraft und ihrer Seelen Seligkeit aus allen Kräften, mit vielen Tränen, vielem Wachen, Bitten, Arbeiten, Laufen, vieler Mühe und Sorge, bis in den Tod gesucht haben; darum ist es auch nichts neues und kein Wunder, dass sie es uns tun; denn so, sagt Christus, haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind (Mt 5,12). Ich bitte und ersuche nun hiermit, durchdie Barmherzigkeit unsers Herrn Jesu Christi, alle meine Leser und Zuhörer im Allgemeinen, ohne auf ihre Namen, Ämter, Stände und Lebensverhältnisse Rücksicht zu nehmen, dass ihr diese meine Arbeit nicht lästern wollt, solange ihr dieselbe noch nicht mit unparteiischen Herzen gelesen, geprüft und wohl verstanden habt. Scheidet daher Christi und der Apostel Lehre, Sakramente und Leben von der Lehre, den Sakramenten und dem Leben der Pfaffen und Prediger; scheidet Glaube und Unglaube, Geist und Fleisch, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Sucht nach der rechten Wahrheit; eifert um eure Seligkeit; glaubt, dass Gott ein wahrhaftiger Gott ist, der das Gute belohnen und das Böse strafen wird; dass sein Wort die Wahrheit ist und ewig bleiben wird. Fürchtet sein Urteil und habt liebt seine Wohltaten, so sollt ihr durch des Herrn Gnade erkennen, dass dies vorerzählte der rechte, christliche Glaube ist, der vor Gott gilt und in der Schrift Verheißung hat, gleichwie wir euch hier durch Gottes wahrhaftiges Wort mit so überfließend vielen starken und unwidersprechlichen Worten, Schriften und Exempeln, ohne alle Falschheit und allen Betrug, recht als vor Gott in Christo Jesu dargelegt und bezeugt haben.

Der allmächtige, ewige, barmherzige Gott und Vater, durch seinen lieben Sohn, Christum Jesum, führe euch alle miteinander in seine heilige, göttliche Erkenntnis und evangelische Wahrheit und mache euren Glauben so kräftig, fruchtbar und tätig, dass ihr mit aufrichtigen, erneuerten Herzen geduldig unter seinem Kreuz, in allem Kummer und Trübsal, unverfälscht in der Liebe, friedsam und fröhlich in dem Geist, als die unsträflichen, frommen Kinder Gottes, vor dem Herrn und seiner Gemeinde alle Tage eures Lebens wandeln und so die endliche Verheißung der Gnade, das Ende eures Glaubens, davon tragen möchtet, welches ist die Seligkeit eurer Seelen. Amen.