Die vollständigen Werke Menno Simons

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4.14  Von der Sünderin Glauben

Lukas sagt:

»Es bat ihn (Jesus) der Pharisäer einer, dass er mit ihm äße. Und er ging hinein in des Pharisäers Haus, und setzte sich zu Tisch; und siehe, ein Weib war in der Stadt, die war eine Sünderin. Als sie vernahm, dass er zu Tische saß in des Pharisäers Haus, brachte sie ein Glas mit Salben, weinte, und fing an, seine Füße zu benetzen mit Tränen, und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit Salben.« (Lk 7,36–38)

Hier lernen wir an der Sünderin noch einmal erkennen, was für ein Herz und Gemüt, Frucht und Leben ein rechter, wahrer, christlicher Glaube hervorbringt. Sie war zuvor mit sieben Teufeln (so sie die Maria Magdalena gewesen, von der die Evangelisten melden) besessen und lebte, wie es scheint, nach ihres Herzens Lust; denn sie ist eine Sünderin in der Schrift genannt, solange sie der Herr nicht aus der Finsternis zum Licht und von den Lügen zu der Wahrheit berufen hat. Aber sobald sie sein Wort hörte, nahm sie es mit vollem Eifer in ein geöffnetes und erneuertes Herz auf, wodurch sie, die eine so große Sünderin war, ein frommes und bußfertiges Weib wurde. Ihr ungerechtes, fleischliches Herz ward so erwärmt und gerührt, dass ihre Augen mit Tränen flossen und sie damit des Heilandes Füße netzte. Mit ihrem schönen, geflochtenen Haar trocknete sie seine Füße gleich wie mit einem Handtuch; ihren Geiz ertötete sie, denn sie salbte sein Haupt und seine Füße mit so teuren Salben, dass man sie für dreihundert Pfennige hätte verkaufen können; ihr hoffärtiges, stolzes Herz demütigte sie und suchte nicht den höchsten Sitz am Tisch, sondern begnügte sich leidtragend zu des Herrn Füßen zu sitzen und auf sein gesegnetes Wort zu hören.

Da das der Pharisäer sah, murrte er; Christus sprach zu ihm:

»Siehst du diese Frau? Ich bin gekommen in dein Haus, du hast mir nicht Wasser gegeben zu meinen Füßen; diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzt und mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber, nachdem sie herein gekommen ist, hat sie nicht abgelassen meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salben gesalbt. Deshalb sage ich dir: Ihr sind viele Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebt; und sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben; dein Glaube hat dir geholfen, geh hin mit Frieden!« (Lk 7,44–48,50)

Lieber Leser, habe Acht darauf: Alle Hoffärtigen, Eitlen, Geizigen, Fleischlichen und Ehebrecherischen, die sich rühmen, Christen zu sein, es aber nicht sind (denn sie bezeugen mit ihrem ganzen Gemüt, Herz, Sinn und Leben, dass sie Christus hassen und ihm feind sind), werden durch diese wiedergeborene, bußfertige Sünderin in allem ihrem Tun beschämt und gestraft. Denn dieweil sie glaubte, ward ihr hoffärtiges, eitles, stolzes Herz in ein reumütiges, zerbrochenes und erniedrigtes Herz verändert.

Sie sagen, dass sie glauben, und doch kennt ihr verfluchter Stolz, törichter Prunk und Aufwand in Seide, Samt und köstlichen Kleidern, in goldenen Ringen, Ketten, silbernen Gürteln und anderem Kleiderzierrat keine Grenzen; dasselbe kann man sagen in Betreff von ausgezierten Hemden, Halstüchern, Hauben, Krägen, Schleier, Schürzen, Samtschuhen, Pantoffeln und dergleichen Narrenkappen mehr. Darauf aber achten sie nicht, dass die erleuchteten Apostel, Paulus und Petrus, dergleichen allen christlichen Weibern mit klaren Worten ausdrücklich verboten haben; und ist solches den Weibern verboten, wie viel mehr sollten Männer sich dessen enthalten, welche ihrer Weiber Führer und Häupter sind? Alles dessen ungeachtet wollen sie immer noch die Gemeinde Christi heißen.

Ein jeglicher treibt einen großen Aufwand, ja, zuweilen einen größeren als Mittel zur Bezahlung da sind. Einer will gern den andern in dieser Torheit übertreffen oder ihm darin mindestens gleich kommen. Und sie gedenken nicht, dass geschrieben steht:

»Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters; denn alles was in der Welt ist (nämlich Fleischeslust und Augenlust und hoffärtiges Leben), ist nicht vom Vater, sondern von der Welt; und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.« (1Joh 2,15–17)

Noch einmal sage ich, diese Sünderin glaubte und ward von demselben Augenblick von gräulichen Sünden gereinigt; denn der unreine Teufel ward ausgetrieben, wie gehört ist. Was für eine abscheuliche, schändliche Unkeuschheit, Hurerei und Ehebruch aber bei vielen Männern und Weibern (die sich rühmen, dass sie glauben) in allen Städten und Ländern gefunden wird, weiß der am allerbesten, dem alles bloß und offen steht vor seinen Augen; und ist leider auch zum Teil vor den Menschen nicht verborgen. Denn es ist offenbar, dass die ganze Welt voll ist von Huren und Buben, Ehebrechern und Ehebrecherinnen, von Sodomitern und Buggern, das ist Vieh und Knabenschändern, von Bastarden und unehelichen Kindern. Es ist leider so weit gekommen, dass sie in aller Freiheit und Friede leben und nicht bedenken, dass Gott durch Mose befahl, dass sowohl Ehebrecher als Ehebrecherin des Todes sterben sollten, dass weder Hurer noch Huren unter Israel sein sollten und dass die unehelichen Kinder selbst nicht nach dem zehnten Glied in die Gemeinde des Herrn kommen sollten. Und was noch mehr ist: Es war Gottes offenbares Gebot und Ordnung, wenn jemand eine Jungfrau in Israel beschlief, die noch nicht versprochen oder vertraut war, so musste er sie zu seinem Weib nehmen, sofern ihr Vater es bewilligte und durfte sie nicht verlassen sein Leben lang; denn er hatte sie geschwächt (2Mo 22,16).

Ach Leser, bedenke, was in dem letzten Gebot enthalten ist! Sie rühmen sich alle, wie voller Unkeuschheit sie auch sein mögen, dass sie die geistlichen Israeliten sind, dass sie die Wahrheit haben und in Christi Namen getauft worden sind; schämen sich aber dennoch nicht ihre armen, schwachen Schwestern, die mit ihnen einerlei Glauben, Taufe, Abendmahl und Gottesdienst haben und gebrauchen, zu armen, ehrlosen geschändeten Dirnen zu machen, aller Schrift und christlicher Liebezuwider; obgleich Gottes eigener Mund in dem angezogenen Gebot befiehlt, dass, wenn sie sie beschlafen haben, sie dieselben auch zu Weibern nehmen und niemals verlassen sollen. Wenn sie diesen Dingen tiefer nachdenken möchten, so würde mancher Schande unterbleiben; wohingegen jetzt manches ehrlichen Mannes Kind, manche Jungfrau und manches Mädchen ihrer Ehre und Tugend beraubt wird.

Die Wahrheit schreibe ich dir in Christus, du magst es glauben so du willst; so du ein Christ bist und sein willst und du ein einziges, armes Kind mit deinem listigen Versuchen und Vorgeben in dieser Hinsicht betrogen hast (und so du deine arme Seele nicht verlieren willst), musst du sie zum Weib nehmen und nicht verlassen, noch von dir stoßen; denn du hast sie geschwächt, wie gehört ist. Seht, das ist des Herrn eigenes Wort und Ordnung. Alle die nun wissentlich und mutwillig diese Ordnung Gottes verachten, die Entehrte verstoßen und eine andere heiraten, die müssen bekennen, dass die Erste das Eheweib vor Gott ist und nicht die Letzte. O ihr Frauenschänder, denkt diesem nach und lernt Weisheit.

Willst du nun sagen, dass dieses Gebot allein Israel angehe und nicht die Christen, so würde ich dich erstens fragen, ob du dich für einen Christen hältst oder nicht? Sagst du nein, so tue was in dir ist und erwarte das Urteil, das allen Gottlosen, die außer Christus sind, gedroht ist. Sagst du aber ja, so ist die Sache schon gerichtet, dass sie dein Weib sein muss. Denn ein Christ muss nicht so mit seiner armen Schwester leben, dass er sie zu einer Hure mache. Ach nein, die Schrift lehrt, dass die Christen Christi Glieder sind und nicht Huren und Buben. Ich hoffe, dass man diese plumpe Rede wohl verstehen kann.

Zum Zweiten frage ich: Welches von den beiden Völkern das heiligste und tugendhafteste sein sollte, das buchstäbliche oder das geistliche? Sagst du das buchstäbliche, so hast du Mose mit seinem Volk und Dienst über Christus und sein Volk erhoben, was offenbar wider alle Schrift ist. Sagst du aber das geistliche, so ist die Sache noch einmal gerichtet, dass sie dein Weib sein muss; denn musste das buchstäbliche seine Schwester nicht zur Hure machen, so darf das geistliche dies um soviel weniger tun, welches des Herrn eigener Leib, Bruder, Schwester, Geschlecht und Braut ist.

Zum Dritten frage ich, ob das Gebot: Du sollst lieben deinen Nächsten wie dich selbst, nicht sowohl den Christen als Israel gegeben sei? Sagst du nein, so hast du das ganze neue Testament verleugnet, das uns dieselbe Liebe so ernstlich lehrt und zur Pflicht macht. Antwortest du aber ja, so sage ich dir zum dritten Mal, dass sie dein Weib sein muss. Denn da du sie wider das Gebot der Liebe in Schande gebracht und entehrt hast, so lehrt dich das Gebot, dass du sie wieder ehren und als dein Eheweib behandeln sollst. Es merke ein jeglicher auf diese Punkte, denn die Gebote der Liebe währen ewiglich. Gesegnet sind diejenigen, die sie recht wahrnehmen und in der Furcht sie zu erfüllen streben.

Zum Vierten frage ich, ob irgendein Mensch mit gutem Gewissen Gottes Gebote übertreten und brechen möge? Sagst du ja, so verleugnest du die ganze Schrift, die da lehrt, dass wir auf des Herrn Wegen wandeln und seinen Geboten folgen sollen. Sagst du aber nein, so sage ich zum vierten Mal, dass sie dein Weib ist und sein muss, denn es ist Gottes Gebot in der Liebe fest gegründet: so du eine beschlafen hast, dass du sie zur Ehe nehmen und haben sollst und dein Leben lang nicht verlassen darfst, wie gehört ist.

Siehe, mein Leser, hier hast du nun mehr als klar, was dich des Herrn Wort in diesen Dingen lehrt und dir befiehlt. Und wenn du so gottlos bleibst, dass du des Herrn Gebot übertrittst indem du der einen Ehre stiehlst und die andere zum Weib nimmst, so kannst du selbst dein Urteil lesen in 1Kor 6,9–10; es sei denn, dass du dich von ganzem Herzen besserst.

Ich schreibe dies nicht etwa darum, dass jemand, der aus Unwissenheit früher das vorhin angezogene Gebot übertreten hat, sein angetrautes Weib verlassen und die Entehrte wieder an ihre statt nehmen soll. Keineswegs, denn ich zweifle nicht, dass der barmherzige Vater gnädig die Irrtümer derjenigen übersehen wird, die unwissentlich solches taten, forthin aber den Herrn fürchten und recht tun wollen; sondern ich schreibe dieses, dass ein jeglicher sich vor solcher Schande hüten und des Herrn Gebot und der Liebe tiefer nachdenken möge – dass er bemerken möge, wie Christus von der ganzen Welt vernachlässigt wird; denn sie werden gemeinhin, mögen sie nun Herren, Fürsten, Pfaffen, Mönche, Edle oder Unedle, Bürger oder gemeine Leute sein, dergestalt von ihren verfluchten Lüsten getrieben (und es gibt wenige Ausnahmen), dass sie in der teuflischen Unzucht entflammt sind und derselben nachjagen gleich wie die Hunde dem Hasen. Sie wiehern, sagt Jeremia (Jer 5,8), nach ihres Nächsten Weib wie die vollen müßigen Hengste. Es gibt nichts, das sie von diesen verfluchten Gräueln abschrecken oder zurückhalten kann, weder angeborne Neigung zur Rechtschaffenheit, noch Mose mit all seinen Drohungen, weder Propheten noch Apostel, noch Christus Jesus selbst, weder Himmel noch Engel; ja, weder Hölle noch Teufel, weder Leben noch Tod, solange sie nur ihre unkeuschen, schändlichen Lüste befriedigen können, ist bei ihnen alles recht.

Ihren ganzen Ernst und Fleiß gebrauchen sie dazu, betrügen etliche mit subtilen, listigen Worten; etliche mit schalkhaften Verheißungen und Gaben; etliche mit Weintrinken, Tanzen und leichtfertigen Liedern; etliche mit Hoffieren, Schmeicheleien und dergleichen Lüste mehr; ja, auch wohl etliche mit ihrem affektierten Seufzen und ihren Tränen; denn wenn sie nur ihren gottlosen Anschlägen und bösen Begierden nachkommen können, so ist es bei ihnen lauter Gewinn und Freude. Dass sie den allmächtigen Gott damit erzürnen, sein heiliges Wort übertreten, ihren Nächsten zu Schanden machen, die Liebe brechen, das Ehebett beflecken, Jungfrauen und Mägde schänden, uneheliche Kinder zeugen, ihre armen Seelen ewig verdammen, das macht ihnen keine Sorge. Es heißt bei ihnen:

»Wir haben doch nicht mehr davon, denn das!« (Weish 2,9)

Ich sage deshalb mit Mose: »Verflucht sei wer ein so gottloses Wesen treibt, und alles Volk soll sagen: Amen.« Und mit Hiob, dass die Hölle wegnehmen wird die da sündigen wie die Hitze und Dürre das Schneewasser verzehrt; mit Paulus, dass sie Gott verdammen wird; und mit Johannes, dass ihr Teil in dem Pfuhl sein wird, der mit Feuer und Schwefel brennt; welches ist der andere Tod (Offb 21). Ach dass diese armen Menschen sich in Acht nehmen, aufwachen und des Herrn Wort glauben und wahrnehmen möchten!

Zum andern schreibe ich es darum, dass ein jeglicher aufwache, von Herzen Buße tue, seinen vergangenen schändlichen Wandel bitterlich vor seinem Gott beweine, auf dass er ihn nicht ewiglich verstoße, sondern ihm durch seines Sohnes Blut gnädig sei; dass niemand mehr seines Nächsten Bett beflecke, Jungfrauen noch Mägde schände, sondern in aller Ehrbarkeit, ein jeder mit seinem Ehegemahl wandle. Dass der Ledige sich aller Unzucht enthalte und so er Brand leidet, eine gute, fromme Ehegemahlin in der Furcht seines Gottes suche; und der übertreten hat und noch keine andere genommen, dass er die Entehrte wieder zu Ehren bringe und in christlicher Liebe und nach des Herrn Wort aus ihren Schanden helfe; und sie auf diese Weise ihre Kinder und Kindeskinder, von Geschlecht zu Geschlecht lehren mögen, gleichwie der gottesfürchtige Tobias seinen Sohn lehrte, nämlich: »Hüte dich mein Sohn vor aller Hurerei; und ohne dein Weib halte dich zu keiner andern.«

 

»Wisst ihr nicht (spricht Paulus), dass eure Leiber Christi Glieder sind? Sollt ich nun die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne!« (1Kor 6,15)

Und wiederum:

»Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Hurerei, und ein jeglicher unter euch wisse sein Fass zu behalten in Heiligung und Ehren; nicht in der Lustseuche, wie die Heiden, die von Gott nichts wissen. Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligung.« (1Th 4,3–7)

Ja, guter Leser, es gehört sich für alle Gläubigen, ein keusches und ehrbares Leben zu führen; so dass Ehebruch, Hurerei oder Unkeuschheit unter ihnen nicht einmal erwähnt werden dürfen (es geschehe denn der Ermahnung oder Warnung halber); denn so geziemt es den Heiligen.

Wie man nun viele boshafte Männer findet, die leider viele arme, unerfahrene Herzen schändlich betrügen, so gibt es auch auf der andern Seite viele unverschämte Weiber und Mädchen, die oftmals die erste Ursache sind, dass solche Schande an ihnen versucht und bisweilen mit ihnen getrieben wird. Und wiewohl viele von ihnen nicht der Tat schuldig sind, sind sie nichts desto weniger daran schuld, sich mit andern Männern und Gesellschaftern gemein zu machen; und mit leichtfertigem Wesen, mit Singen, Tanzen, Zutrinken, Küssen, Buhlen und dergleichen abscheulicher Eitelkeit und Gräuel mehr, das Feuer der bösen Lust bei etlichen so zu entzünden, dass sie nicht ablassen, solange sie nicht verbrannt sind, wie man sehen mag.

Ach wie gut am Platze ist die Ermahnung Sirachs, wenn er spricht:

»Fliehe die Buhlerin, dass du nicht in ihre Stricke fällst; gewöhne dich nicht zur Sängerin, dass sie dich nicht fange mit ihrem Reizen. Sieh nicht nach den Mägden, dass du nicht entzündet werdest gegen sie. Hänge dich nicht an die Huren, dass du nicht um das Deine kommst. Gaffe nicht in der Stadt hin und wieder, und laufe nicht durch alle Winkel; wende dein Angesicht von schönen Frauen, und sieh nicht nach der Gestalt anderer Weiber; denn schöne Weiber haben manchen betört, und die böse Lust entbrennt daran, wie ein Feuer. Sitze nicht bei eines andern Weibe, und herze dich nicht mit ihr, und prasse nicht mit ihr, dass dein Herz nicht an sie gerate, und deine Sinne nicht betört werden.« (Sir 9,3–9)

Wäre es nun der Fall, dass die vorhin genannten Frauen und Mädchen den rechten Glauben hätten, gleich wie diese Sünderin, so würden sie genügende Gottesfurcht besitzen um solche Eitelkeit und gottlosen Händel zu unterlassen; sie würden niemand einen Strick legen noch Ursache zum Bösen geben; ja, sie würden in aller Ehrbarkeit und Zucht wandeln, alle unnütze Pracht und Hoffart meiden und keine anderen Kleider anfertigen oder begehren, als ihnen zur Notdurft nützlich und erforderlich sind. Sie würden nicht die abgöttischen Tempel und unnützen Gelage besuchen, um derentwillen all dieser Aufwand und Prunk gewöhnlich getrieben wird.

Die Sünderin zierte ihre Seele und nicht ihr Äußeres, denn sie glaubte; aber diese schmücken ihren Leib und nicht ihre Seele, denn sie glauben nicht. Die Sünderin seufzte und weinte, erschrak vor des Herrn Zorn und Urteil, denn sie sah, wie sie gefehlt und gesündigt hatte; aber diese lachen und singen, tanzen und springen und sehen ihre schwere Missetat und großen Sünden nicht und fürchten auch darum des Herrn zukünftigen Zorn und Urteil nicht.

Die Sünderin war mitleidig und barmherzig, salbte des Herrn Haupt und Füße und hatte den rechten Gottesdienst gefunden; aber diese sind unbarmherzig und frech und kennen keinen Gottesdienst, als in die Kirchen zu laufen, Weihwasser zu empfangen, Kerzen und Wachslichter den blinden Blöcken und Bildern zu opfern, Messen und Vesper zu hören, die verstorbenen Heiligen um Hilfe anzurufen, ein- oder zweimal des Jahres ihren abgöttischen, trunkenen und hurischen Pfaffen zu beichten, ihr Gräuelbrot und Absolution zu empfangen und dergleichen Aberglauben und Betrügerei mehr.

Die Sünderin suchte die Gesellschaft der Gerechten; aber diese suchen die Gesellschaft der Ungerechten; kommen zusammen alle Torheit zu üben und auszuführen; nehmen ihrem Nächsten sein gutes Gerücht; verleumden und hinterreden; sagen allerlei Unehre und Schande voneinander; reden von köstlichem Hausrat, Häusern, Gütern und schönen Gesellschaftern, Männern und Kleidern. Kurz, ihre Werke zeugen offenbar, dass sie den Glauben der Sünderin nicht haben und nicht in der Gemeinschaft der Gerechten sind.

Die Sünderin saß zu Christi Füßen und hörte sein heiliges Wort; aber diese hören Lehrer, die ihnen die Ohren kitzeln können und so predigen, wie sie es gerne haben und hören wollen. Was soll ich noch sagen? Es ist in der Welt zu einer solchen Verderbtheit gekommen, dass man in ihr nichts anderes findet als (geistlich gesprochen) Toren und Torinnen, taube Ohren, unverständige Herzen, blinde Blindenleiter, die, so sie nicht sehend werden, in den Pfuhl des ewigen Todes fallen müssen, wenn wir das, was uns des Herrn Mund gelehrt hat, für wahr annehmen; denn ihre Lehre, Sakramente und Gottesdienst sind ganz und gar falsch; ihr Unglaube und fleischliches Leben sieht man allenthalben, wo man sich nur hinwendet.

Siehe, Leser, hier merke nun, wie weit diese Sünderin mit ihrem Glauben und Leben, nach ihrer Bekehrung, von dem Glauben und Leben dieser Welt verschieden ist. Sie sind der Sünderin vor der Bekehrung gleich und nicht nach der Bekehrung. Ob nun solche gläubig sind, darüber will ich den verständigen Leser, mit des Herrn eigenem Geist und Wort, nachdenken lassen.

Ich bin überzeugt, dass weder ein stolzer, hoffärtiger Mensch ein Christ ist, sei er auch wer er wolle; noch ein geiziger, eigensüchtiger Mensch; noch ein trunkener, wollüstiger Mensch; noch ein unsauberer, hurerischer Mensch; noch ein zänkischer, neidischer Mensch; noch ein ungehorsamer, abgöttischer Mensch; noch ein falscher, lügenhafter Mensch; noch ein untreuer, diebischer Mensch; noch ein Verleumder; noch ein blutdürstiger, unbarmherziger,rachedurstiger Mensch, möge er gleich hundertmal getauft sein und täglich zu des Herrn Brot gehen; denn nicht die Sakramente oder Zeichen, wie Taufe und Abendmahl, sondern ein aufrichtiger, christlicher Glaube, mit seinen unsträflichen, frommen Früchten, in den Sakramenten dargestellt, macht einen wahren Christen aus und hat die Verheißung des Lebens.

Hier gelten auch weder Messe noch Weihwasser, Festtage noch Rosenkränze lesen, weder Beichte noch Absolution. Hier gilt allein ein gläubiges, zerbrochenes Herz und Gemüt, ein veränderter, erneuerter Geist und ein der Sünde abgestorbenes Leben. Eine solche Beichte und Buße war die der Sünderin und deshalb vernahm sie auch von Stunde an: »Deine Sünden sind dir vergeben, dein Glauben hat dir geholfen, gehe hin in Frieden.«

Was aber die gräuliche Ohrenbeichte anbetrifft, die bei der Welt in hohem Ansehen steht, so ist dieselbe eitle Heuchelei; menschliche Gerechtigkeit und Aberglauben; ein offenbarer an den ungläubigen Seelen verübter Betrug; ein falsches Vertrauen seitens der unbußfertigen Sünder und ein schlauerdachter Gewinn für die geizigen Pfaffen, um dessentwillen sie die rechte Beichte und Buße verwerfen, verfinstern und die Welt in ihrem ruchlosen Leben stärken und begünstigen.

Willst du aber eine rechte Beichte und Buße tun, eine rechte Absolution von deinem Gott empfangen, so tritt zu ihm mit einem gläubigen, bußfertigen, veränderten Herzen, mit einem leidtragenden, zerschlagenen, gerührten Gemüt, lasse ab von Sünden, handle gerecht gegen deinen Nächsten, liebe, strafe und tröste ihn; ja, hilf und diene ihm; und hast du gegen ihn gesündigt oder bist ihm in irgendeiner Hinsicht zu nahe getreten, so gestehe es ihm und vertrage dich mit ihm. Siehe, das ist die einzige Buße und Beichte, die dich des Herrn Wort lehrt. Gott gebe, dass du sie recht verstehen und dieselbe in der Tat beweisen möchtest.

Ich bitte und ersuche deshalb alle Weiber, durch die Gnade Gottes, diese arme, betrübte Sünderin als ein Vorbild anzunehmen, ihrem Glauben zu folgen, euch zu demütigen vor dem Herrn und euren Geiz, eure Hoffart, eure Unreinigkeit und alles innewohnende Böse zu vernichten. Lasst eure Gedanken sauber und rein sein, alle eure Worte bescheiden und mit Salz gewürzt.

Und alles was ihr tut, das tut in dem Namen und der Furcht des Herrn Jesu; und ziert euch nicht mit Gold und Silber, mit köstlichen Perlen und Haarflechten, noch mit den unnützen, prächtigen Kleidern, sondern gebraucht Kleider, die den Gottesfürchtigen wohl geziemen und euch dienlich sind zur Arbeit. Seid euren Männern untertan, in allen billigen Sachen, auf dass auch die, so noch nicht glauben, durch euren aufrichtigen, reinen, keuschen Wandel ohne das Wort mögen gewonnen werden, wie Petrus sagt.

Bleibt in euren Häusern und Pforten, es sei denn dass ihr etwas Nützliches und Notwendiges auszurichten habt, als da ist Botschaft zu bringen, den Notdürftigen zu dienen, des Herrn Wort zu hören oder seine heiligen Sakramente zu gebrauchen, etc. Nehmt eures Berufs, eurer Kinder, Häuser, eures Hausgesindes und alles dessen ernstlich wahr, was euch befohlen ist und wandelt in allen Dingen gleich wie diese arme Sünderin nach ihrer Bekehrung tat; auf dass ihre rechte Töchter Saras, gläubige Weiber, Schwestern Christi und Erbgenossen des zukünftigen Lebens sein und das gnadenreiche Wort vernehmen mögt: »Eure Sünden sind euch vergeben, euer Glauben hat euch geholfen; geht hin mit Frieden.«