Lukas sagt, dass Jesus durch Jericho zog,
»und siehe, da war ein Mann, genannt Zachäus, der war ein Oberster der Zöllner, und war reich; und begehrte Jesum zu sehen, wer er wäre, und konnte nicht vor dem Volk; denn er war klein von Person; und er lief vorhin, und stieg auf einen Maulbeerbaum, auf dass er ihn sähe; denn allda sollte er durchkommen. Und als Jesus kam an dieselbige Stätte, sah er auf, und ward sein gewahr, und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend hernieder; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. Und er stieg eilend hernieder, und nahm ihn auf mit Freuden, und sprach zu dem Herrn: Siehe Herr, die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, und so ich jemand betrogen habe, das gebe ich vierfältig wieder. Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, da auch er Abrahams Sohn ist.« (Lk 19,2–9)
Paulus sagt: Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben; und obgleich uns Zachäus’ Glauben, Furcht, Barmherzigkeit, Liebe und wahrhafte Bekehrung bekannt sind, so nützt dieses nichts, wenn wir nicht auch diesem Glauben mit seinen bußfertigen, frommen Früchten nachfolgen und denselben selbst besitzen. Bitte darum alle meine Leser, die noch in offenbaren Sünden leben; alle Reichen, Geizigen, alle unrechtschaffenen Kaufleute und Krämer, alle Finanzier und Wucherer, alle Geldgeizigen, Richter und Advokaten, alle Prediger, Pfaffen und Mönche, alle Trunkene und Wirte, samt allen denen, die ungebührlichen Gewinn handhaben, durch die Liebe unsers Herrn und Seligmachers Christi, dass sie doch diese Darstellung und Geschichte von Zachäus mit verständigen Herzen recht bedenken wollen, auf dass sie daraus erkennen lernen, dass sie den rechten wahrhaften Glauben und das Christentum, welches vor Gott gilt, noch nicht erlangt haben und nichts als einen fruchtlosen, eitlen Ruhm von Christo und dem Glauben führen. Zachäus war ein Oberster der Zöllner, welche den offenbaren Sündern gleich geachtet wurden; und empfing Christum in sein Haus und Herz mit Freuden. Er glaubte und wurde erneuert; er besserte sein Leben und verließ seine früheren bösen Wege. Dass unsere offenbaren Übertreter aber ihr altes gottloses Leben nicht bessern, auch weder nach Christo verlangen noch seinen Glauben besitzen, wie viel sie sich dessen auch rühmen mögen, ist klar wie der Tag.
Zachäus war reich an Gütern und die Hälfte davon gab er den Armen. Aber unsere Reichen suchen noch immer mehr, wie sie ihr Geld und Gut vermehren, ihre Häuser köstlicher bauen und einen Acker an den andern hinzufügen mögen. Der Armen und Elenden Notdurft nehmen sie sich nicht an; unbarmherzig, stolz, geizig, und wollüstig, bedenken sie nicht, dass von ihnen geschrieben steht:
»Wohlan nun, ihr Reichen, weint und heult über euer Elend, das über euch kommen wird; euer Reichtum ist verfault; eure Kleider sind mottenfräßig worden; euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird euch zum Zeugnis sein, und wird euer Fleisch fressen wie Feuer.« (Jak 5,1–3)
Sie beherzigen auch nicht was David schreibt:
»Ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig, und breitete sich aus, und grünte wie ein Lorbeerbaum; da man vorüberging, siehe, da war er dahin; ich fragte nach ihm, da ward er nirgends gefunden.« (Ps 37,35–36)
Ach, ach! Welch ein schweres Wort ist’s, das der Herr sagt:
»Wehe euch Reichen, denn ihr habt euren Trost dahin!« (Lk 6,24)
und:
»Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme!« (Mt 19,24)
Zachäus sprach zu dem Herrn: So ich jemand betrogen habe, das gebe ich vierfältig wieder. Aber unsere elenden Geizigen lassen nimmermehr ab ihren Nächsten zu betrügen. Denn die ganze, weite Welt, beide Mann und Weib, verfolgen dermaßen den ungebührlichen, schändlichen Gewinn, dass man es nicht genug ersinnen, sagen oder beschreiben kann.
Herren und Fürsten suchen noch alle Tage nach neuen Erfindungen und Kunstgriffen, um ihre Herrschaft, Zinsen, Zölle und Renten zu vermehren. Sie streifen, erpressen und rauben ohne alle Barmherzigkeit und alles Maß; saugen des armen Volkes Mark und beweisen mit der Tat, dass sie Mitgenossen derer sind, von welchen geschrieben steht:
»Deine Fürsten sind Abtrünnige und Diebsgesellen.« (Jes 1,23)
Ach, dass sie doch Christum erkennen, Buße tun, vom Bösen ablassen und der Liebe etwas tiefer nachdenken möchten!
Richter, Rechtsgelehrte und Advokaten wenden ebenfalls alle Schliche an, um Gewinn zu erzielen, denn mit wenigen Ausnahmen dienen sie alle um Geld und Gaben, denn gäbe es keinen Genuss oder Nutzen, so würde man im ganzen Kaiserreich weder einen Bürgermeister noch Richter finden können, dessen bin ich überzeugt. Um des Gewinns willen sitzen und richten sie und suchen auch bisweilen leichte Ursachen, auf dass sie ihre Rechnung machen können. Etliche von ihnen biegen auch bisweilen das Recht um der Gabe willen, ohne darüber nachzudenken, was Josaphat zu den Richtern sagte:
»Seht zu, was ihr tut; denn ihr haltet das Gericht nicht den Menschen, sondern dem Herrn; und er ist mit euch im Gericht; darum lasst die Furcht des Herrn bei euch sein, und hütet euch, und tut es; denn bei dem Herrn, unserm Gott, ist kein Unrecht, noch Ansehen der Person, noch Annehmen des Geschenks.« (2Chr 19,6–7)
Hauptleute, Reiters- und Kriegsknechte samt dergleichen Blutmenschen, bieten um des Gewinns halber Leib und Seele feil; schwören mit aufgehobenen Fingern, Städte und Länder zu verderben, Bürger und Einwohner zu fangen, zu töten und um das Ihrige zu bringen, wiewohl dieselben ihnen nie ein Leid getan oder ein böses Wort gegeben haben. O Gott, was für ein fluchbeladener, gottloser Handel! Und dennoch heißt es, dass sie Land und Leute beschirmen und das Recht handhaben helfen und demselben vorstehen.
Pfaffen, Mönche und Prediger sind gleichermaßen dem Suchen nach schändlichem Gewinn ergeben. Es erschreckt sie nicht, Gottes eingeborenen, einzigen Sohn, sein ewiges, allmächtiges Wort und Weisheit, das einzige und ewige Fundament des Himmels und der Erde, Christum Jesum, mit seinen heiligen Aposteln, zu offenbar falschen Zeugen, Ketzern und Verführern zu machen; denn Christus sagt:
»Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.« (Mk 16,16)
Aber sie sagen: »Wer glaubt und getauft wird, ist ein Ketzer, und wird verdammt werden.« Christus sagt:
»Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote!« (Mt 19,17)
Aber sie sagen: »Gottes Gebote darf niemand halten.«
Paulus sagt:
»Lebt ihr nach dem Fleisch, so werdet ihr sterben!« (Röm 8,13)
Und an einem andern Ort: »Die Ungerechten, Geizigen, Hoffärtigen, Unkeuschen und dergleichen mehr, werden das Reich Gottes nicht ererben.« Aber sie sagen: »Wir sind arme Sünder, wer kann stets so leben, wie die Schrift lehrt? Christus ist für die Sünder gestorben,« und solche Trostworte mehr, damit sie Christum und sein Wort verleugnen und die ganze weite Welt, reich und arm, klein und groß, so in ihrem verstockten bösen Leben stärken, dass leider wenige sind, die rechte Buße tun oder nach Gott fragen. Sie predigen eben was die blinde, dumme Welt gern hört und haben will, auf dass sie den bileamischen Gewinn (ihre Klöster und Lehen meine ich) in vollem Frieden besitzen und ein epikurisches, faules Leben ohne alle Sorgen führen mögen; denn sie wissen nicht, die armen Geschöpfe, dass sie diejenigen sind, von denen geschrieben steht:
»Wehe ihnen! Denn sie gehen den Weg Kains, und fallen in den Irrtum Bileams um Genusses willen, und kommen um in dem Aufruhr Korahs!« (Jud 1,11)
»Verfluchte Leute,« (2Pt 2)
O Gott, dass sie aufmerken möchten!
Die ungerechten Kaufleute und Krämer (ich sage die ungerechten, denn die gerecht und fromm sind, meine ich nicht), mit allen denen, die dem Geiz frönen, ja, denselben zu einem Geschäft machen, sind dergestalt auf den verfluchten Gewinn versessen, dass sie Gott gänzlich von ihrem Herzen ausschließen. Sie tadeln, was sie gerechterweise loben sollten; und loben, was des Tadels wert ist. Sie lügen und schwören, gebrauchen viele unnütze Worte und verfälschen ihre Waage, damit sie das Volk betrügen und um das Ihre bringen. Sie verkaufen, leihen und borgen den Notdürftigen auf großen Gewinn und Wucher und niemals überlegen sie oder denken recht darüber nach, dass geschrieben steht:
»Niemand greife zu weit, noch übervorteile seinen Bruder im Handel.« (1Th 4,6)
Ich wollte wohl, dass sie Sirachs Lehre etwas gründlicher beherzigten, da er sagt:
»Ein Kaufmann kann sich schwerlich hüten vor Unrecht, und ein Krämer vor Sünden, denn um Gutes willen tun viele Unrecht; und die reich werden wollen, wenden die Augen ab. Wie ein Nagel in der Mauer zwischen zwei Steinen steckt, so steckt auch Sünde zwischen Käufer und Verkäufer. Hält er sich nicht mit Fleiß in der Furcht des Herrn, so wird sein Haus bald zerstört werden.« (Sir 26,29; 27,1–4)
Dies schreibe ich den gottesfürchtigen Kaufleuten und Krämern zur Warnung, auf dass sie den Gottlosen nicht gleich handeln und sich von dem Gesetz nicht überwinden lassen, sondern sich in ihrem Geschäft wohl versehen und vor Gefahr sich bewahren mögen.
Auch werden etliche zu Dieben, etliche zu Mördern, etliche zu Straßenräubern, etliche zu Gauklern und Schwarzkünstlern, etliche Hurenwirte, etliche zu Spielern und Täuschern, etliche zu Verrätern, etliche zu Henkern und Peinigern und auch etliche zu Verfolgern und Totschlägern der Gottesfürchtigen etc. Und das alles um des verdammten, schändlichen Gewinns willen; wodurch sie denn offenbar bezeugen (weil sie auf solchen Wegen wandeln und also nach dem unrechten Gewinn jagen), dass sie aus dem Teufel und nicht aus Gott sind, Christum, seinen Glauben und sein Wort nicht haben, sondern in aller Gestalt hassen und feind sind.
Ja, guter Leser, die ganze weite Welt ist so mit diesem verfluchten Geiz, Betrug, falschen Gebräuchen und ungebührlichen Gewinn, mit diesen falschen Händeln und Kaufmannschaften, mit dieser Geldgier, diesem Wucher und Eigennutz besudelt und besessen, dass ich nicht weiß wie es noch ärger oder böser werden kann; gleichwohl bleiben sie alle der Pfaffen und Prediger gute Christen und es muss heißen, dass sie ihr Brot ehrlich erwerben und gegen jedermann gerecht sind.
Ach mein Leser! Wie weit ist doch dies alles miteinander von Zachäus’ Glauben, Geist und bekehrtem Leben unterschieden; denn wenn sie Zachäus’ Geist, Glauben und Kraft hätten (die man ja haben muss, will man selig werden), würden nach meinem Gutdünken wenige Herren und Fürsten bei ihrer Gewalttätigkeit und prächtigem Leben, wenige Reiters- und Kriegsknechte bei ihrem ungöttlichen Dienst und Blutvergießen, wenige Richter, Advokaten und Rechtsgelehrte bei ihren Gerichtshäusern und Schreibstuben, wenige Reiche bei dem unreinen Gebrauch ihres Reichtums, wenige Kaufleute und Krämer bei ihrem Wucher und gefährlichen Gewinn und wenige Prediger, Pfaffen und Mönche bei ihren feisten Küchen, Leben und Klöstern bleiben. Es würde bald eine andere und bessere Gestalt gewinnen, denn es kann und darf nicht anders sein: Der Gerechte muss seines Glaubens leben. Ja, mit einem neuen fröhlichen Herzen, Geist und Gemüt würden sie mit dem Zachäus sagen: Den Armen wollen wir williglich mit unsern Gütern helfen und so wir jemand betrogen haben, dem wollen wir es gerne wieder gutmachen.
Denn alle, die mit Zachäus Christum Jesum recht in das Haus ihres Gewissens empfangen, Christi Wort recht mit ihm glauben, daraus in Wahrheit mit ihm geboren und von Christi Geist recht getrieben werden, die sind auch eins mit Christo gesinnt, und darum ist es auch unmöglich, dass sie jemand, ja auch nur um einen Pfennig sollten übervorteilen oder kürzen; denn wir sehen deutlich, dass die Stimmung und der Gebrauch aller Rechtgläubigen dahin geht, niemand auf dem ganzen Erdboden zu beschädigen, sondern, so viel es ihnen möglich ist, zu helfen; niemand zu betrügen, sondern einem jeglichen gleiches und Recht zu tun, wie Paulus sagt:
»Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite, und schaffe mit den Händen etwas Gutes, auf dass er habe, zu geben den Bedürftigen.« (Eph 4,28)
Aber was soll man viel sagen: Meinesteils weiß ich nicht, wo man die Gewaltigen und Reichen, an welchen Höfen und Gerichtshäusern man die Richter, Advokaten und Rechtsgelehrten, in welchen Städten und Ländern man die Kaufleute und Krämer, oder in welchen Klöstern und Kirchen man die Prediger, Pfaffen und Mönche finden könnte, die Christo recht glauben, Christo recht nachfolgen; die aus einem neuen, bußfertigen, frommen Herzen alle ungebührlichen Gebräuche, Betrug, schlaue Dieberei, schändlichen Handel und bösen Gewinn ablegen und mit Zachäus sagen: Die wir betrogen haben, wollen wir vierfältig wiederum bezahlen. Der Prophet klagt, dass sie allesamt geizen, beide, Großund Klein (Jer 8,10).
Da ihr Sinn nun auf den verfluchten, abscheulichen Geiz und ungebührlichen Gewinn gerichtet ist, da sie so grob und grade gegen alle Liebe handeln und Buße bei ihnen nicht wahrzunehmen ist, so geht daraus deutlich hervor, dass sie nicht Christi Kirche und Gemeinde sind; denn die Kirche Christi wird in der Schrift sein Leib und seine Braut genannt. Ist sie nun sein Leib, so muss sie auch Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein sein; und ist sie seine Braut, so muss sie auch seines Geschlechts sein; gerecht, heilig, demütig, keusch, wahrhaftig, lieblich, barmherzig; ja, seine Stimme hören und der gehorsam sein. Und darum kann Christus auch keine anderen Gliedmaßen in seiner Gemeinde zulassen, als die, welche ein Herz, Geist und eine Seele mit ihm und seines Geistes teilhaftig sind, die aller Ungerechtigkeit absterben; das alte, böse Leben der Sünden begraben; unsträflich durch die Liebe in einem neuen Leben wandeln; die Wahrheit mit Freuden empfangen; ihrem Nächsten bereitwillig dienen, wie dieser gläubige, wiedergeborene und neue Zachäus getan hat.
Er begehrte Christum zu sehen und empfing ihn mit Freuden; er glaubte seinem Wort und bekehrte sich von seinem ungöttlichen Leben; er diente den Armen und versöhnte die welche er verkürzt hatte. Kurz, er bewies sich als ein frommes, aufrichtiges, wiedergeborenes Kind Gottes, in allen seinen Handlungen und darum hörte er auch das freudenreiche Wort der göttlichen Gnade:
»Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, da auch er Abrahams Sohn ist.« (Lk 19,9)
Siehe, werter Leser, diejenigen, welche glauben, bußfertig und erneuert sind, gleich Zachäus war und in der Liebe wandeln, die gehören zu des Herrn Gemeinde und Leib, wie Christus selbst sagt:
»Dabei wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt.« (Joh 13,35)
Sie sind die lebendigen Steine an des Herrn Tempel und die rechten Bürger in Jerusalem, darin weder Hunde, noch Diebe, noch Zauberer, noch Hurer, noch Ungerechte, noch Geizige, noch Totschläger, noch Götzendiener, noch irgendwelche, so die Lügen lieb haben und tun, Teil haben können. Ja, solange Zachäus zu diesen gehörte, befand er sich außerhalb, denn solche, sagt Paulus, haben keinen Teil am Reich Gottes und Christi.
Aber sobald er an des Herrn Wort glaubte, durch den Glauben Buße tat und sich zu der Liebe kehrte, ward ihm von Stunde an von Christo selbst die Bürgerschaft zugesagt, ihm öffnete sich die Pforte des Lebens, ihm war Friede verkündigt und die Seligkeit geschenkt, ja, er ward als ein Miterbe der Gnade und ein Kind Gottes erkannt und angenommen, wie der Herr sagt: »Heute ist diesem Hause Heil widerfahren.« Denn gleichwie Christus heilig ist, so müssen auch seine Kinder, Brüder, Gliedmaßen, Gemeinde und Braut heilig sein, wie denn geschrieben steht: »Seid heilig, denn ich bin heilig.«