Die vollständigen Werke Menno Simons

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4.7 Von Abrahams Glauben und seinem Gehorsam

Abraham, der hochberühmte Patriarch, der seinesgleichen in Ehren nicht hatte, wie Sirach schreibt, glaubte seinem Gott und vertraute auf sein Wort mit ganzem Herzen; woraus Kraft und Gehorsam, als Resultat dieses Glaubens, entsprangen. Der Herr gebot ihm und sprach:

»Gehe aus deinem Vaterland, und von deiner Freundschaft, und aus deines Vaters Hause, in ein Land, das ich dir zeigen will; und dich zum großen Volk machen, und will dich segnen, und dir einen großen Namen machen, und sollst selbst ein Segen sein; ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden!« (1Mo 12,1–3)

Als er diesen Befehl vernahm, glaubte er seinem Gott, nahm nicht Rücksicht auf die Bequemlichkeit seines Leibes oder beriet sich mit seinem natürlichen Verstande, sondern entsagte beiden und stritt oder haderte nicht mit Gott, dem er vertraute und auf dessen Befehl er auszog. Er begehrte auch nicht vorher zu wissen, in welches Land er ziehen sollte. Er glaubte seinem Gott von ganzem Herzen. Er war gehorsam und ging zur Stunde mit seiner Frau Sara aus, nicht wissend wohin er kommen würde. Auf Gottes Verheißung verließ er sich und vertraute fest und sicher, dass er weder lügen noch ihn betrügen würde; denn er wusste wohl, dass er ein Gott sei, der in allen seinen Worten getreu und fest ist und ihn daher auch in das verheißene Land bringen werde.

Seht wie einfältig, recht und schlicht, voll Gehorsam und Vertrauen, der aufrichtige Christenglaube ist, wie man an diesem Patriarchen wahrnehmen kann. Vergleicht nun einmal euren Glauben und seine Früchte mit Abrahams Glauben und seinen Früchten, und ich vermute, dass ihr finden werdet, wie ihr noch niemals sein gläubiger Same, seine gläubigen Kinder geworden seid; denn es ist offenbar, dass ihr noch widerspenstig, ungläubig und ungehorsam seid; so fleischlich und irdisch gesinnt, dass ihr nicht gern ein Lehmhaus, ein armseliges Bett, Kühe oder Pferde, um des Herrn Wort und seines Zeugnisses verlassen, oder ein hartes Wort hören wollt, geschweige dass ihr Vater, Mutter, Freund und das Land eurer Geburt um eures Glaubens willen verlassen und so mit Frau und Kindern (wie Abraham getan hat) in unbekannte Lande reisen würdet. Der verfluchte Unglaube verhindert die ganze Welt an der Wahrheit, denn ihrer viele sagen: Wir wissen wohl, dass ihr die Wahrheit habt; was hilft’s aber? Wir sind arm und alt von Jahren, können nicht mehr arbeiten oder gewinnen; wir haben ein Haus voll Kinder und können unser Brot nicht in andern Ländern verdienen; fürchten auch bisweilen, dass der Herr nicht solche Sorge für uns tragen möchte, wie er für Abraham getragen hat, etc. Etliche andere sagen: Wir haben große Güter, wir sind noch jung von Jahren, mögen noch lange leben; Vater und Mutter verhindern uns; die Frau sagt, mein Mann ist mir zuwider; der Mann sagt, die Frau ist mir entgegen und dergleichen ungläubige, fleischliche Entschuldigung und Sorgen mehr. Sie nehmen niemals zu Herzen oder verstehen, dass uns Christus das köstliche Versprechen gegeben hat, dass wer in seinem Worte bleibt, dem soll der Erde Notdurft, wie Nahrung, Kleidung und Obdach, nicht mangeln.

»Ich bin jung gewesen, und alt geworden, und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen, oder seinen Samen nach Brot betteln.« (Ps 37,25)

Treuer Leser, nimm wahr; so wir nun einen so festen Glauben und ein gewisses Vertrauen hätten, gleich wie dieser fromme Mann gehabt hat, und würden uns von Herzen auf den lebendigen Gott verlassen, ach wie gar wenig dürften wir uns mit allen solchen heidnischen Sorgen wie mit Wohnung, Essen, Trinken, Kleidung und Schuhen plagen; denn wohl wissen wir, dass uns Christus, Gottes eigener Sohn, verheißen hat, so wir nur das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen, unsere Hände nach unserem schwachen Vermögen redlich zur Arbeit kehren, dass er uns in Ewigkeit nicht verlassen, sondern uns unsere Notdurft geben will, denn er ist, der für uns sorgt.

Zum andern merkt seinen Glauben, denn als ihm ein Bote ankündigte, dass Lot, seines Bruders Sohn, von Kedor-Laomer, dem Könige von Elam und seinen verbündeten Königen, zu Sodom gefangen und mit allem seinem Gut hinweggeführt wäre, machte er sich mit seinen Knechten auf, deren er dreihundert und achtzehn hatte und verfolgte die vorgenannten Könige. Er überfiel sie des Nachts und schlug sie, brachte auch alle Güter, sowie seines Bruders Sohn Lot samt den Gefangenen und ihren Frauen zurück (1Mo 14,16).

Hier hat der treue Patriarch seine aus dem Glauben entsprungene Liebe bewiesen; denn er fürchtete nicht die Macht der vier Könige. Er vertraute auf den lebendigen Gott, suchte nicht seine eigene oder seiner Knechte Sicherheit, sondern setzte sich bereitwillig der Gefahr aus, um seinen Bruder aus den Händen seiner Feinde zu erretten, als ein Beispiel für alle geistlichen Kinder Abrahams, dass sie ihre Brüder, die mit ihnen aus dem unvergänglichen Samen des heiligen, göttlichen Worts geboren sind, so lieben sollen, dass sie ihnen nicht allein mit Handreichung von Geld und Gut dienen, sondern auch ihr Leben evangelischer Weise, in der Zeit der Not, für sie einsetzen und lassen sollen. Ich sage nach evangelischer Weise, denn das Helfen mit dem Schwert ist allen wahrhaften Christen durch Christus entschieden verboten. Das neue Testament besagt, dass alle Rechtgläubigen geduldig leiden und nicht mit Schwertern und Feuergewehren kämpfen und streiten sollen. Wünschen wir aber unseres Nächsten Seele mit Hilfe des Herrn Wort und Geist zu gewinnen und selig zu machen, oder sehen wir unsere Brüder in Not oder Gefahr und um des Herrn Wort willen verfolgt, so sollen wir ihnen nicht unsere Tür verschließen, sondern sie in unsere Häuser aufnehmen, mit ihnen unser Brot teilen und ihnen Handreichung, Trost und Beistand in ihrer Trübsal gewähren. Auf diese Weise geziemt es sich, dass wir unsere Handlung mit dem Tode büßen müssten. Das Vorbild haben wir an Christus, der sich selbst um unseretwillen nicht schonte, sondern bereitwillig sein Leben hingab, auf dass wir durch ihn leben möchten.

Merkt drittens. Da nun Abraham von Gott verheißen wurde, dass seines Samens so viel als der Sterne am Himmel werden sollte und dass auch derselbe Same ein Fremdling werden sollte in einem andern Land, das nicht das ihrige sein sollte; und dass sie unterdrückt und vierhundert Jahre lang zu dienen gezwungen werden würden, da glaubte er es; er hat geglaubt, sage ich, und dieser Glaube ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden; er hat es mit Langmut erwartet und zu seiner Zeit empfangen, nicht gemurrt, noch mit Gott gehadert, dass der Same so lange Jahre über die Maßen viel leiden sollte. Allen wahren Christusgläubigen zur Ermahnung, dass sie mit vollem Herzen an des Herrn Wort kleben und fest an seiner Verheißung halten sollen; denn Gott kann nimmermehr vergessen oder sein Wort brechen; Himmel und Erde werden vergehen; seine Worte aber werden nicht vergehen. Allen die darauf vertrauen, wird es zur Gerechtigkeit gerechnet werden, gleichwie es Abraham zur Gerechtigkeit gerechnet wurde. Durch den Glauben sah er die Verheißung von ferne; er sah sie und vertröstete sich darauf. In gleichermaßen auch mit uns; die Verheißung des zukünftigen, ewigen Lebens ist durch Christus gegeben und dabei gesagt, dass wir von diesem verkehrten, bösen Geschlecht, um seines Namens willen, viel werden leiden müssen. Diese Verheißung wird auch von ferne gesehen; alle, die sie von Herzen glauben und sich auf sie vertrösten, werden sie auch ohne Zweifel zu seiner Zeit empfangen, wie arg und lange sie auch von diesem ägyptischen, argen Geschlecht verfolgt und geplagt werden. Denn obgleich die Kinder Abrahams etliche hundert Jahre lang mit vielem Kummer und Leiden geängstigt waren, so hat sie der Herr gleichwohl zuletzt nach seiner Verheißung sieghaft ausgeführt und ihnen das Land der Verheißung gegeben. So wird auch an uns die Verheißung Gottes in Erfüllung gehen, wenn wir an derselben nicht zweifeln, sondern uns mit einem festen Glauben daran halten, gleichwie Abraham tat, und kraft des Glaubens nach allen Geboten Gottes wandeln, Gott fürchten, lieben, ehren, ihm danken und dienen und unsere Seelen mit Geduld fassen. Wie jämmerlich wir auch von dem höllischen Pharao und seinen grimmigen, unbarmherzigen Dienern hier verfolgt und geplagt, geschlagen, beraubt, getötet, an Pfählen verbrannt und in Wassern ertränkt werden, so wird doch der Tag unserer Erquickung und Labung bald da sein, wo alle unsere Tränen von unseren Augen gewischt und wir in weißen seidenen Kleidern der Gerechtigkeit prangen, dem Lamme folgen, mit Abraham, Isaak und Jakob im Reich Gottes sitzen und das köstliche frohe Land der unvergänglichen, ewigen Freude ewig besitzen werden. Preist Gott und hebt eure Häupter auf, ihr, die jetzt um Jesu willen leiden; die Zeit ist nahe dass ihr hören werdet: Kommt ihr Gesegneten! Und ihr euch alsdann ewig mit Ihm erfreuen werdet.

Zum Vierten, merkt; als Abraham einen Befehl von Gott empfing, dass er sich selbst und auch seinem achttägigen Knäblein, samt allen seinen eigenen Knechten, die in seinem Haus geboren oder erkauft waren, die Vorhaut beschneiden sollte und dass solches ein Bundeszeichen zwischen Gott und ihm sein sollte, wurde er nicht widerspenstig oder verdrießlich wider Gott; auch klagte oder murrte er nicht mit einem einzigen Wort darüber, dass er noch in seinen alten Tagen solche Pein und Schmerzen leiden musste, indem er eine so unehrenhafte, närrische Handlung ausführen sollte, mit welcher er weder Gott preisen noch seinem Nächsten helfen oder dienen konnte. Er hörte und glaubte aber seines Herrn Wort und befolgte dasselbe ohne Verzug und in völliger Unterwerfung. Er wusste wohl, dass er ohne dem Worte Gottes zu glauben weder Gnade, noch Segen oder Verheißung erlangen konnte, denn nur der Gehorsam erbt die Verheißung.

Hier wird die einfache, schlichte Unterwerfung und der willige Gehorsam von Abrahams Glauben abermals durch Früchte bezeugt; denn wäre er den Ratschlägen von Fleisch und Blut gefolgt, so würde er ohne Zweifel nicht gehorcht haben sondern er würde mit Gott gerechtet oder mindestens gesagt haben: Nein, Herr, es soll so nicht sein, denn dieses Zeichen kann mir nichts nützen, weil du dadurch nicht gepriesen, noch meinem Nächsten damit gedient wird, auch würde es bei allen Heiden, die deinen großen Namen nicht kennen, für ein Narrenwerk gescholten und verspottet werden, dieweil es eben an dem männlichen Gliede geschehen muss. Ach nein, er widersprach nicht dem Befehl des Herrn, sondern er glaubte und befolgte ihn; und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet und er ein Freund Gottes genannt.

Dies ist allen Frommen zur Stärkung, dass sie das Wort Gottes glauben und demselben bereitwillig nachfolgen sollten, wie ketzerisch und närrisch es ihnen auch vorkommen mag; dass sie nicht wider den Herrn murren sollen um die Ursache, warum er es befohlen; sondern es soll für sie genug sein, zu wissen, dass er es befohlen und wie er es befohlen hat.

Auch ist es allen mutwilligen Verächtern und ungläubigen Spöttern zur Beschämung, die ihren lästerlichen abscheulichen Mund so freventlich wider Christus aufsperren dürfen und sagen: Ei, was kann uns die Taufe nützen? Oder was fragt Gott nach so vielem Wasser? Es ist genug wenn wir nur an dem inwendigen Menschen fromm sind, wenn wir auf das Gebot der Liebe achten und ein frommes tugendhaftes Leben führen und dergleichen heuchlerische Worte mehr. Und die armen elenden Heuchler wissen nicht, dass, wenn der inwendige Mensch, dessen sie sich rühmen, durch den Glauben aufrichtig und durch des Herrn Gnade, Wort und Geist in Gott fromm geworden ist, er nicht eine Haarbreite von des Herrn Wort und Wegen weichen darf, sondern dass er jederzeit willig tut, was ihm Gott befohlen hat, es sei nun was es wolle. Es ist nun mehr als klar, dass uns Christus Jesus auf das Bekenntnis unsers Glaubens die Wassertaufe befohlen hat und dass er sie selbst empfing (Mt 3,16). Die heiligen Apostel lehrten und übten ebenfalls nichts anderes; ihre Bedeutung und Wirkung waren keine anderen, und so viele herrliche Verheißungen sind von ihr abhängig, wie deutlich gesehen und gelesen werden kann (Mk 16,15); versteht mich recht, nicht etwa um des äußerlichen Werkes willen, sondern dass wir Christus, in welchem der Vater die Verheißung gab, durch den Glauben annehmen und bereit sind nach seinem Wort zu leben. Sagt, ihr Lieben, wie soll man die daran geknüpfte Verheißung erlangen, so man nicht tut, was er befohlen hat? Was aber nutzt es allen denen, die des Herrn Wort nicht glauben, die lieber Geld, Gut, Leib und Leben haben wollen als Christus? Solchen, die irdisch und fleischlich gesinnt sind, Christus widerstehen, der Schrift nicht Gehör geben, streiten und sagen: Was kann uns das Wasser helfen? Aber wenn sie mit Abraham des Herrn Wort von ganzem Herzen glaubten und durch die Kraft solchen Glaubens neue, umgekehrte Menschen in Christus Jesus geworden wären; könnten ihre Feinde lieben; Gutes tun denen, die ihnen Übles tun und für die beten, die sie verfolgen; wenn sie bereit wären Gold, Gut und alles, was sie sind und haben, für des Herrn Preis und im Dienst ihres Nächsten zu lassen und einzusetzen, so würden sie des Herrn Kreuz nicht verwerfen, sondern Fleisch und Blut würden getötet sein; sie würden Gott und sein Urteil fürchten und ihn seiner Wohltaten wegen lieben; sie würden ohne Zweifel nicht murren und Widerstreiten, sondern mit ganzem Herzen bereit sein ihren Glauben mit Abraham durch die Frucht zu besiegeln; sie würden die befohlene Taufe empfangen; sich in allen Gehorsam schicken und nach ihrer Schwachheit so wandeln, wie der Herr allen wahren Christen befiehlt, auferlegt und sie lehrt.

Weil sie aber Christus und seinem Wort nicht glauben, ihn weder fürchten noch lieben, so folgt, dass sie seine heilige Lehre und Ordnung, sein Gebot und Verbot, seinen Geist und Gebrauch, als eine verführerische Ketzerei und Gehorsam gegen ihn als einen offenbaren Gräuel stigmatisieren. Ach Leser, sieh dich vor! Gott der Herr ist ein Gott, der bei seinem Wort bleibt; er brachte Elend über Adam und Eva und über alle ihre Nachkommen um der verbotenen Frucht willen. Einer kleinen Übertretung halber wurde Ussa mit dem Tode bestraft (2Sam 6,7). Infolge einer Übertretung wurde dem treuen Mose nicht gestattet einzugehen in das verheißene Land. Wer das Blutzeichen der Beschneidung nicht empfing, musste von dem Volke ausgerottet werden.

Daraus ist nun deutlich zu verstehen, dass, wollen wir die Seligkeit erlangen, wir seinem Wort und Willen gehorsam sein müssen; denn er ist der Gott welcher Himmel und Erde mit ihrer ganzen Fülle gemacht hat; der allmächtige, schreckliche, große Gott, der ewig in seiner Majestät und Glorie lebt; ein gewaltiger Herrscher und Gebieter über alles. Wehe dem, der ihm widerspricht und seinen Willen und sein Wort verachtet! Das Werk zeugt offenbar, dass ein solcher an Christus nicht glaubt und wer nun an ihn nicht glaubt (bezeugt Christus selbst), der ist bereits verdammt. Darum sind alle Entschuldigungen und Ausflüchte vergebens. Wie irgendjemand, der so ungläubig und widerspenstig ist, dass er Gott eine Hand voll Wassers weigert, sich in das Gebot schicken kann, seine Feinde zu lieben, sein Fleisch zu töten, seinem Nächsten zu dienen und das Kreuz Christi aufzunehmen, will ich dem Nachdenken des emsigen und in der Furcht Gottes urteilenden Lesers anheimstellen.

Ich weiß gewiss, dass alle ihre Widersprüche, Einwendungen und Ausflüchte nichts als Feigenblätter sind und ihr Leben nichts als Heuchelei.

Fünftens, merkt; als der Herr zu Abraham gesagt hatte, dass er nach Ablauf eines Jahres wiederkommen werde und dass seine Frau Sara einen Sohn haben würde, dessen Namen er Isaak nennen sollte und mit dessen Samen nach ihm er einen ewigen Bund machen werde, da zweifelte Abraham nicht, wiewohl er selbst hundert Jahre alt war und Sara neunzig. Er achtete nicht auf seinen erstorbenen Leib und auf die Unfruchtbarkeit der Sara, sondern auf des Herrn Verheißung vertröstete er sich fest und stark in seinem Glauben; pries Gott für seine Gnade; denn er erkannte mit vollem Herzen, dass er wohl mächtig wäre ihm zu geben, was er ihm verheißen hatte. Darum auch von diesem Abraham (weil er seines Herrn Wort geglaubt) so viele Nachkömmlinge geboren sind, wie der Sand am Meer und die Sterne am Himmel.

Seht, ihr Allerliebsten, wie ein aufrichtiger, ungeheuchelter christlicher Glaube seinen Gott für allmächtig und wahrhaftig hält und erkennt, dass er alles tun kann und will, was er verheißt; und darum sah auch Abraham nicht auf sein und Saras hohes Alter. Er zweifelte nicht an dem zugesagten Wort, sondern er glaubte es ohne alles Wanken; denn er wusste wohl, dass derselbe Gott, der Himmel und Erde mit ihrer ganzen Fülle durch sein Wort geschaffen hat, der den Himmel ausgebreitet und dem rauschenden Meer und fließenden Wassern Grenze und Ziel gesetzt hat; der den Erdboden durch das Wort auf den Wassern hält; der alles regiert mit dem Wort seiner Stärke und den Toten das Leben gibt, auch ohne Zweifel Macht habe nach seinem Belieben das Unfruchtbare wieder fruchtbar zu machen.

Da ihm denn von Gott eine solche Verheißung gegeben war, zweifelte er auch nicht an Gottes Macht, sondern er hoffte die Dinge, die nach der Natur an ihm und besonders an Sara nicht mehr zu hoffen waren und hat so durch den Glauben von Gott empfangen, was er ihm verheißen hat, nämlich seinen Sohn Isaak, durch die alte und unfruchtbare Sara. So verhält es sich auch mit uns in geistlicher Beziehung; wenn wir von ganzem Herzen das zugesagte Wort der Gnade glauben, welches das Evangelium des Friedens ist, wodurch die mittels des Blutes Christi gewonnene Erlösung von unseren Sünden verkündigt wird, so wird auch unser erstorbenes totes Gewissen blühend und lebendig in Gott, empfängt den neuen und geistlichen Isaak, Christus Jesus, ewig gesegnet, und gebiert ihn mit den Früchten, wie Christus sagt: Meine Mutter und meine Brüder sind die, die Gottes Wort hören und darnach tun. Wer aber nicht glaubt, der kann diesen Isaak nicht empfangen, sondern Gottes Zorn bleibt über ihm.

Zum Sechsten merkt, wie hart der Herr Abrahams Glauben versuchte, da er sprach:

»Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und gehe hin in das Land Moria; und opfere ihn daselbst zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde!« (1Mo 22,2)

Abraham hörte seines Herrn Wort und war gehorsam. Er nahm sein Kind mit und ging nach dem Ort, den ihm Gott bezeichnet hatte. Und da er nun dort hinkam, sprach Isaak: Mein Vater, siehe hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf, das geopfert werden soll? Abraham antwortete seinem Sohne und sprach: Mein Sohn, der Herr wird ihm ein Schaf ersehen zum Brandopfer.

Ach meine Allerliebsten, denkt doch diesem Gespräche und Handel zwischen Abraham und seinem Sohn Isaak mit tiefem Herzen nach. Ich vermute die Vernunft wird euch lehren, wie über alle Maßen voll von Trübsal und Schmerz das väterliche Gemüt gewesen sein muss über seinem geliebten Kinde, denn Abraham war Fleisch und Blut gleich wie wir sind. Der Sohn, welcher ihm in seinem hohen Alter durch Gottes Verheißung und Gnade geboren wurde, sein einziger von einem freien Weibe geborener Sohn, das Verlangen, die Freude und der Friede seines Herzens, der Stab seines Alters, durch welchen er die tröstliche Verheißung empfing, musste erschlagen und mit Feuer verbrannt werden.

Wie groß und schwer auch seine Versuchung war, lehnte er sich gleichwohl nicht mit einem Wort gegen Gott auf, auch fragte er nicht: Warum hast du mir einen Sohn gegeben, da er nun sterben muss? Auch verwies er den Herrn nicht indem er sagte, wie er (der Herr) sein Versprechen umstoßen würde, denn in Isaak wurde diese Verheißung gegeben, sondern er vertraute auf seinen Gott mit ganzem Herzen, legte seine eigene Vernunft und Weisheit beiseite, folgte weder den Sinnen noch dem Fleische und um des Herrn willen verschonte er nicht seines geliebten Sohnes. Er liebte seinen Gott weit über sein Kind und darum weigerte er sich nicht ihm denjenigen als ein Brandopfer darzubringen, von dem er ihn empfangen hatte. Er band ihn und legte ihn auf das Holz, erhob seine mit dem Messer bewaffnete Hand, um ihm den Todesstoß zu geben. Er glaubte, dass Gott ihn wiederum vom Tode erwecken könne. Er war gerade auf dem Punkte den erhaltenen Befehl auszuführen, als ein Engel vom Himmel sprach:

»Lege deine Hand nicht an den Knaben, und tu ihm nichts. Denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest, und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen!« (1Mo 22,12)

Und solchergestalt empfing der gehorsame, treue Abraham seinen Sohn Isaak zu einem Vorbilde der Auferstehung. Jakobus hat Recht wenn er sagt:

»Abraham hat Gott geglaubt, und ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet, und ist ein Freund Gottes geheißen.« (Jak 2,23)

Geliebte Kinder, wir müssen immer beschämt vor Gott stehen, wenn wir unseren kleinen, schwachen Glauben und dessen Früchte mit Abrahams Glauben vergleichen. Er weigerte sich nicht in ein unbekanntes Land zu reisen, so bald als es ihm geboten war. Er war ein Mann voll Friedens und suchte nicht seinen eigenen Vorteil. Er erlöste Lot aus den Händen seiner Feinde. Er glaubte der Verheißung von dem zugesagten und verheißenen Land und Samen, murrte nicht um der langen Zeit willen, noch um das harte Geschick seiner Nachkommen. Er ließ sich beschneiden in seinen alten Tagen. Er glaubte des Herrn Verheißung von dem zugesagten Isaak und lehrte sein Haus und seine Kinder, dass sie des Herrn Weg hielten und täten was recht und gut sei. Er war bereit nach des Herrn Befehl Isaak zu opfern. Dies mag wahrlich Glauben genannt werden.

So gänzlich war dieser fromme Mann sich selbst abgestorben, dass er seine Lüste, seinen Willen und sein Gemüt verleugnete und allein seinem Gott lebte. Er vertraute, fürchtete, liebte und ehrte seinen Gott, mit ganzer Seele und von ganzem Herzen und wandelte nach seinen Geboten, wie aus seinen Früchten zu ersehen ist; solches kann man aus vielen Schriftstellen bemerken und erkennen. Aber was für eine Art des Glaubens unsere fälschlich sich rühmenden Christen besitzen, welche sich dünken lassen, dass sie Abrahams Same sind – darüber will ich ihre Früchte die Richter sein lassen. Denn sie geizen und scharren, fluchen und schwören, lügen und betrügen, leben in Pracht und Hoffart, prassen und saufen, huren, ehebrechen, raufen, rauben, scharren und schinden und sind voll aller Abgötterei und Bosheit. Die anderen, die nun ein Licht haben, weigern sich, nur von einem Dorf ins andere oder von einer Stadt in die andere zu ziehen, um des Herrn Wort und Wahrheit willen; sie suchen ihren eigenen Vorteil und Nutzen und achten die brüderliche Liebe wenig; auf irdische Dinge sind sie gesinnt und fliehen vor dem Kreuz Christi; des Herrn Verheißungen und Wohltaten lieben sie nicht; sie fürchten auch sein zukünftiges Urteil und Strafe nicht; sie haben die geschaffene Kreatur lieber als den, der sie geschaffen hat. Sein Name sei gesegnet in Ewigkeit, Amen.

Kurz, in jeder Hinsicht leben sie allein für sich selbst und in jeder Beziehung handeln sie den Geboten Gottes zuwider. Dennoch rühmen sie sich, Abrahams Kinder zu sein und seine Verheißung zu haben. Ach nein, Freund, nein! Eure Propheten verführen euch und eure falsche Hoffnung betrügt euch. Ich sage euch, so wahrhaftig als der Herr lebt, wenn ihr des Herrn Wort nicht von ganzem Herzen glaubt und nicht durch die Kraft desselben Glaubens auf seinen Wegen wandelt, die aufrichtigen, christlichen Früchte der Gerechtigkeit nicht hervorbringt und den Fußstapfen dieses frommen Patriarchen nicht folgt, so seid ihr seines Samens und seine Kinder nicht, habt auch nicht seinen Glauben und seine Verheißung. Aber alle, die Christus in ihre Herzen durch den Glauben empfangen und durch den Glauben an seinem Wort hangen und demselben Gehorsam sind, das sind Abrahams geistliche Kinder und Erbgenossen seiner Verheißung, denn sie sind gerechnet für seinen Samen.