Die vollständigen Werke Menno Simons

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4.4 Von dem Englischen oder Zwinglischen Glauben

Die Englischen oder Zwinglischen glauben und bekennen, dass zwei Söhne in Christus sind; der eine sei Gottes, ohne Mutter und unverwundbar, und der andere sei Marias oder des Menschen Sohn, ohne Vater und verwundbar. Und in diesem verwundbaren Sohn Marias, der für uns gekreuzigt und gestorben ist, sei Gottes Sohn nicht gewesen. Dasselbige hat einer von ihren vornehmsten Lehrern, Martin Micron genannt, mit noch einem, Hermanno von Ronsen geheißen (so ich seinen Namen recht behalten habe), im Jahr 1554 in einer vollen Versammlung mehr als zwei- oder dreimal so in meiner Gegenwart bekannt.

Ferner eröffnete mir der besagte Micron, als ich ihn bezüglich des weiblichen Samens befragte, über welches Thema wir schon früher viele Worte gebraucht hatten, folgendes: »Ich muss erklären, dass das, was wir mit diesem Namen bezeichnen, faktisch nur ein Zufluss der Menstrua ist.« Siehe, was ich hier schreibe, ist vor Gott die Wahrheit. Auch schrieb er in einem Buch, in England gedruckt, dass diese Theorie gleichfalls auf die Empfängnis Maria Anwendung finde. Ist nun dieses der Fall, nämlich, dass die Empfängnis mittels der verdichteten Menstrua geschieht, wie das Buch besagt, so glauben sie offenbar (wenn sie mit ihm übereinstimmen), dass ihr Seligmacher nicht Gottes erstgeborener und eingeborener eigener Sohn ist, sondern dass derselbe aus einem verderbten Stadium der Menstrua hervorgegangen sei.

So auch schreibt Johannes a Lasco, dass Christus an keinem anderen Fleisch teilhaftig war, als an dem der Sünde und des Todes, damit er versucht werden könne. Er schreibt in demselben Buch: »Wenn er heilig ist, worum wurde er dann in des Vaters Gericht der Sünde halber verurteilt?« Dieses kann ich vor meinem Gott nicht anders verstehen, als dass er glaubt, dass der Mensch Christus Jesus ein sündiger und todschuldiger Christus gewesen sei. Man lese seine Verteidigung gegen mich, die Menschwerdung anbelangend; darin wird man seine Ansichten finden.

Gott behüte alle treue Herzen, dass sie doch nimmermehr solche unerträglich große Gräuel glauben. Es ist mir ein Grauen und ich entsetze mich in meinem Herzen, ja ich schäme mich in meiner Seele, dass ich dieselben hier berühren muss, denn sie sind zu abscheulich. Da sie uns aber täglich vor allen Menschen berüchtigt machen und verleumden, mündlich sowohl als durch ihre Schriften, wegen des ganz abscheulichen Grundes und der ebenso verabscheuungswürdigen Lehre die wir von Christus haben und halten sollen (weil wir mit der ganzen Schrift bekennen, dass er der erste und eingeborene Sohn Gottes gewesen, der für uns gestorben ist) und sie dem armen, einfältigen Volk diese unerhörten, abscheuliche Dinge vortragen, wie erwähnt, und es damit so jämmerlich betrügen, fühle ich mich in meinem Gewissen, zur Ehre Gottes und zur Warnung aller gottesfürchtigen Seelen, gedrungen, dies alles zu sammeln und vor den Leser zu bringen, damit er, dessen Gemüt von jenen gefangen gehalten wird, hierüber nachdenken und es erwägen mag, denn ich weiß nicht, wie man noch gräulicher und abscheulicher von Christus glauben, lehren, fühlen, halten oder reden kann, als wenn man sagt: Er ist Gottes Sohn nicht gewesen der für uns gestorben ist, sondern er ist ein unreines Menstrualblut gewesen, ein Mensch der Sünden und des Todes.

Und ob sie nun mir widersprechen und leugnen wollten, indem sie sagen, dass ich in meiner Darstellung ihrer Lehren zu weit gegangen und ihre Grenzen überschritten habe, ist es dennoch wahr; es geschah wiederholt vor vielen frommen Herzen; sie mögen es leugnen; was ich geschrieben habe, wird aber an dem Tage des gerechten Gerichts wahr erfunden werden vor den Augen der ewigen und großen Majestät. O gräuliche Sekte!