Mein Leser!
Die Wahrheit schreibe ich dir in Christus und lüge nicht. Es geschah Anno 1524, in dem 28sten Jahre meines Alters, dass ich mich in meines Vaters Dorf in Friesland, Pinnigum genannt, in den Priesterdienst begab, wo auch zwei andere, von gleichem Alter, mit mir in gleichem Dienst standen. Der eine war mein Pastor, zum Teil wohl gelehrt und der zweite war unter mir. Diese beiden hatten die Schrift zum Teil etwas gelesen; aber ich hatte sie nie in meinem Leben angerührt. Denn ich fürchtete, wenn ich sie läse, so würde ich verführt werden. Siehe! Ein solcher dummer Prediger war ich ungefähr zwei Jahre lang.
Im ersten Jahr danach fiel mir so manchmal der Gedanke ein, als ich mit Brot und Wein in der Messe umging, dass diese nicht des Herrn Fleisch und Blut wären. Ich meinte, dass es mir der Teufel vortrug, auf dass er mich von meinem Glauben abbrächte. Ich beichtete es manchmal, seufzte und bat, doch konnte ich von diesem Gedanken nicht frei werden.
Die zwei gemeldeten jungen Männer und ich führten unseren täglichen Wandel miteinander mit Spielen, Trinken und Zeitverkürzungen in aller Eitelkeit, gleichwie leider solcher früchtelosen Leute Manier und Art ist; und wenn wir dann ein wenig von der Schrift handeln sollten, konnte ich nicht ein Wort unbespottet mit ihnen reden; denn ich wusste ganz und gar nicht was ich meinte, so verschlossen lag das Wort Gottes vor meinen Augen.
Ich dachte zuletzt, dass ich das neue Testament mit Fleiß untersuchen wollte; und ich kam darin nicht weit, ehe ich sah, dass wir betrogen waren; und mein über das vorerwähnte Brot bekümmerte Gewissen wurde von dieser Bekümmernis, selbst ohne alle menschliche Anweisung, bald erlöst; wiewohl mir soweit durch Luther geholfen wurde, dass ich wusste, dass Menschengebote nicht zum ewigen Tode binden könnten.
Ich ging, durch die Erleuchtung und Gnade des Herrn, im Untersuchen der Schrift von Tag zu Tag weiter und wurde bald von einigen (obwohl mit Unrecht) als ein Evangelischer Prediger betrachtet. Ein jeder verlangte nach meiner Gesellschaft, denn die Welt hatte mich lieb und ich die Welt; dennoch hieß es, dass ich das Wort Gottes predige und ein feiner Mann wäre.
Danach geschah es, ehe ich jemals von Brüdern gehört hatte, dass ein gottesfürchtiger, frommer Mann, Sicke Snyder genannt, zu Leeuwarden gefangen wurde, weil er seine Taufe erneuert hatte. Es lautete meinen Ohren sehr wunderlich, dass man von einer zweiten Taufe sprach. Ich untersuchte die Schrift mit Fleiß und überdachte sie mit Ernst, konnte aber von der Kindertaufe keinen Bericht finden.
Da ich dieses nun merkte, hielt ich mit meinem Pastor Gespräche über diese Sachen und brachte es nach vielen Worten so weit, dass er bekennen musste, die Kindertaufe habe in der Schrift keinen Grund. Gleichwohl durfte ich meinem Verstande noch nicht allein vertrauen, sondern holte mir von etlichen Autoren Rat, welche mich lehrten dass durch dieselbe Kinder von ihrer Erbsünde gewaschen werden müssten. Ich verglich dieses mit der Schrift und fand, dass solches gegen Christi Blut war.
Danach ging ich zu Luther und wollte gerne den Grund wissen. Dieser nun lehrte mich, dass man die Kinder auf ihren eigenen Glauben taufen sollte. Auch dies, wie ich sah, stimmte nicht mit Gottes Wort überein.
Zum Dritten suchte ich bei Bucer Rat. Der lehrte mich, dass man sie darum taufen sollte, damit man sie um soviel fleißiger wahrnehme und in dem Weg des Herrn auferziehe. Ich sah, dass auch dieses keinen Grund hatte.
Schließlich konsultierte ich noch Bullinger, welcher mich auf den Bund und die Beschneidung hinwies. Ich fand aber, dass es nach der Schrift nicht bestehen konnte.
Da ich nun überall fand, dass die Autoren betreffs des Grundes so weit voneinander abwichen und dass ein jeglicher seiner Vernunft folgte, so war es mir klar, dass wir mit Bezug auf die Kindertaufe betrogen waren.
Eine kurze Zeit nachher begab ich mich in ein Dorf, Witmarsum genannt, in welchem ich geboren war. Gewinnsucht und Begierde, mir einen großen Namen zu erwerben, zogen mich dorthin. Ich sprach dort vieles ohne Geist und Liebe von des Herrn Wort, gleich anderen Heuchlern und machte dadurch Jünger, die mir gleich waren, nämlich eitle Ruhmredner, leichtsinnige Schwätzer, welche leider diese Sachen gleich mir wenig zu Herzen nahmen.
Wiewohl ich schon viel aus der Schrift erkennen konnte, so verschwendete ich doch diese Erkenntnis durch die Lüste meiner Jugend in einem unreinen, fleischlichen Leben ohne alle Frucht und suchte nichts als Gewinn, Gemächlichkeit, Menschengunst, Herrlichkeit, Name und Ehre, wie gewöhnlich alle tun, die auf einem derartigen Schiffe fahren.
Siehe, mein Leser, so habe ich die Erkenntnis, beides, der Taufe und des Nachtmahls, durch die Erleuchtung des heiligen Geistes, mit viel Lesen und Nachdenken der Schrift, durch Gottes gnädige Gunst und Gabe erlangt und nicht durch die Mittel und den Dienst verführerischer Sekten, wie man mir nachsagt. Ich hoffe, dass ich die Wahrheit schreibe und keinen eitlen Ruhm suche. Doch wenn mir irgendwelche Menschen darin förderlich gewesen sein sollten, so will ich dem Herrn dafür ewig Dank sagen.
Inzwischen geschah es, als ich ungefähr ein Jahr dort gewohnt hatte, dass eine Anzahl die Taufe in Anregung brachte. Aber von wannen die ersten Anfänger kamen oder wo sie zu Haus waren oder wer sie eigentlich waren, ist mir noch bis zu dieser Stunde unbekannt gewesen. Auch habe ich sie niemals in meinem Leben gesehen.
Demnächst brach die Sekte von Münster herein, durch welche viele fromme Herzen, auch an unserem Ort, betrogen wurden. Meine Seele war in großer Betrübnis, denn ich erkannte, dass sie zwar eiferten, dennoch aber in der Lehre fehlten. Ich trat mit meiner geringen Gabe dagegen auf, mit Predigen und Ermahnen soviel ich vermochte. Ich hatte zwei Unterredungen mit einem ihrer Vorsteher, einmal heimlich, das andere Mal öffentlich, aber meine Ermahnungen hatten keinen Erfolg, weil ich selbst täte, was nach meinem eigenen Bekenntnis nicht recht sei.
Es verbreitete sich das Gerücht weit umher, ich könne diesen Leuten fein den Mund stopfen. Sie beriefen sich alle auf mich, wer und welche sie auch waren, so dass ich mit meinen Augen wahrnehmen musste, wie ich der Unbußfertigen Vorkämpfer und Bürger war, die sich alle auf mich verließen, welches mir in meinem Herzen keinen geringen Schlag gab, so dass ich seufzte und bat: Herr, hilf mir, damit ich doch anderer Leute Sünde nicht auf mich lade! Meine Seele wurde bekümmert und dachte über das Ende nach: nämlich, ob ich schon die ganze Welt gewönne, dazu tausend Jahre lebte und doch zuletzt Gottes strafende Hand und Zorn tragen müsste, was ich dann gewonnen hätte.
Hernach sind die armen, verirrten Schafe, die da irrten, da sie keinen rechten Hirten hatten, nach vielen Edikten, nach vielem Morden und Umbringen, auf einer Stelle zusammengekommen, genannt das Dude Kloster, in der Umgegend meines Wohnorts und haben leider durch die gottlose Lehre von Münster veranlasst, gegen Christi Geist, Wort und Vorbild, das Schwert zur Gegenwehr gezogen, welches in die Scheide zu stecken Petrus von dem Herrn geheißen wurde.
Nachdem das geschehen war, fiel das Blut der Opfer, obgleich sie verführt waren, so heiß auf mein Herz, dass ich es nicht ertragen, noch Ruhe in meiner Seele erlangen konnte. Ich überdachte mein unreines, fleischliches Leben, dazu meine heuchlerische Lehre und Abgötterei, die ich täglich im Schein der Gottseligkeit gegen meine Seele verübte; sah mit Augen, dass diese eifrigen Kinder Leib und Gut, wiewohl nicht in heilsamer Lehre, für ihre Lehre und ihren Glauben freiwillig hingaben. Und ich war einer derer, die einige von ihren Gräueln zum Teil auch entdeckt hatte und blieb doch noch bei meinem losen Leben und bekannten Gräueln; allein darum, dass ich das Gemach meines Fleisches pflegen und außerhalb des Herrn Kreuz bleiben konnte.
Bei dieser Betrachtung hat mich meine Seele so genagt, dass ich es nicht länger ausstehen konnte. Ich dachte bei mir selbst: Ich elendiger Mensch, was soll ich machen? So ich bei diesem Wesen bleibe und meines Herrn Wort in meiner empfangenen Erkenntnis nicht belebe; der Gelehrten Heuchelei und das unbußfertige, fleischliche Leben und ihre verkehrte Taufe, Nachtmahl und falschen Gottesdienst nicht nach meiner geringen Gabe mit des Herrn Wort bestrafe; den rechten Grund der Wahrheit um der Furcht meines Fleisches nicht entdecke; die unschuldigen, irrenden Schafe, die so gern recht tun möchten, wenn sie es nur recht wüssten, nicht nach besten Kräften zu der rechten Weide Christi weise – ach wie wird das vergossene Blut, wiewohl es im Missbegriffe floss, in dem Gerichte des allmächtigen und großen Gottes gegen dich auftreten und über deine arme, elendige Seele vor deinem Gott das Recht aussprechen.
Das Herz erbebte in meinem Leib; ich bat meinen Gott mit Seufzen und Tränen, er wolle mir betrübtem Sünder die Gabe seiner Gnade geben; mir ein reines Herz verleihen; meinen unreinen Wandel und eitles Leben, durch die Verdienste des roten Blutes Christi, gnädig vergeben; mich mit Weisheit, Geist, Freimütigkeit und einem männlichen Mut beschenken, damit ich seinen anbetungswürdigen, hohen Namen und sein heiliges Wort unverfälscht predigen und seine Wahrheit zu seinem Preise an den Tag bringen möchte.
Ich fing an im Namen des Herrn das Wort einer wahren Buße von der Kanzel öffentlich zu lehren; das Volk auf den schmalen Weg zu weisen; alle Sünden und Gottlosigkeit, dazu alle Abgötterei und falschen Gottesdienst, mit Kraft der Schrift zu bestrafen; den rechten Gottesdienst, auch Taufe und Nachtmahl, nach dem Sinn und der Lehre Christi, öffentlich zu bezeugen, nach dem Grade meiner zu jener Zeit von Gott empfangenen Gnade.
Auch habe ich einen jeglichen gegen die Münsterischen Gräuel, als gegen König, Vielweiberei, Reich, Schwert, getreulich gewarnt, bis mir der gnädige, große Herr, nach einer Zeit von etwa neun Monaten, seinen väterlichen Geist, seine Hilfe, Kraft und Hand reichte, dass ich mein gutes Gerücht, Ehre und Namen, welche ich bei den Menschen hatte und alle meine antichristlichen Gräuel, Messen, Kindertaufe, eitles Leben und zwar alles auf einmal, freiwillig verließ, mich in alles Elend und Armut unter das drückende Kreuz meines Herrn Christi willig begab; in meiner Schwachheit meinen Gott fürchtete; nach gottesfürchtigen Menschen suchte und auch etliche, wiewohl wenige, in gutem Eifer und Lehre fand; zu den Verkehrten redete; einige, durch Gottes Hilfe und Kraft, aus den Banden ihrer Verdammnis mit Gottes Wort erlöste und für Christus gewann und die Halsstarrigen und Verstockten dem Herrn befahl. – Siehe, mein Leser, so hat der gnädige Gott, durch die milde Gunst seiner großen Gnade, mir elendigem Sünder gewährt, zuerst in meinem Herzen gerührt zu werden, mir ein neues Gemüt gegeben, mich in seiner Furcht erniedrigt und gelehrt mich zum Teil selbst zu erkennen; mich von dem Weg des Todes abgewandt und auf dem schmalen Weg des Lebens in die Gemeinschaft seiner Heiligen barmherzig berufen: Ihm sei Preis in Ewigkeit, Amen.
Ungefähr ein Jahr nachher trug es sich zu, als ich mich mit Lesen und Schreiben in der Stille in des Herrn Wort übte, dass sechs, sieben oder acht Personen zu mir kamen, welche mit mir ein Herz und eine Seele waren und deren Glauben und Leben, soweit menschliche Beurteilung reicht, unsträflich waren; sie waren in Übereinstimmung mit dem Zeugnis der Schrift von der Welt abgeschieden, dem Kreuze unterworfen; hatten nicht allein gegen die münsterische, sondern auch wider die Verfluchungen und Gräuel aller Welt Sekten einen herzlichen Abscheu, und ersuchten mich bittender Weise zu Gunsten der Gottesfürchtigen, die mit ihnen und mir in gleichem Geist und Sinn wandelten, doch den großen, schweren Jammer und Not der armen bedrückten Seelen ein wenig zu beherzigen (denn der Hunger war groß und der getreuen Haushalter gab es nur sehr wenige) und mein Pfund, das ich von dem Herrn unwürdig empfangen hatte, zum Gewinn derselben anzuwenden, etc.
Als ich dieses hörte, wurde mein Herz sehr bekümmert – überall gab es Beschwerden und Bangigkeit; denn auf der einen Seite sah ich meine geringe Gabe, meine große Unwissenheit, meine schwache Natur, die Blödigkeit meines Fleisches, die unbegrenzte Bosheit, Mutwillen, Verkehrtheit und Tyrannei dieser Welt; die mächtigen Sekten, die Spitzfindigkeit vieler Geister, das jämmerliche schwere Kreuz, das mich, so ich einen Anfang machte, nicht wenig drücken würde; und auf der anderen Seite, den erbarmenswerten, großen Hunger, Mangel und Not der gottesfürchtigen, frommen Kinder, welche, das war mir offenbar, irrten gleichwie die unschuldigen, verlassenen Schafe, die keinen Hirten haben.
Zuletzt ergab ich mich, nach vielem Bitten, dem Herrn und seiner Gemeinde unter der Bedingung, dass wir zusammen den Herrn eine Zeitlang ernstlich bitten wollten; wäre es nun sein wohlgefälliger, heiliger Wille, dass ich ihm zum Preise dienen könnte und sollte, so wolle seine väterliche Liebe mir ein solches Herz und Gemüt geben, dass ich mit Paulus bezeugen könnte: »Wehe mir, so ich das Evangelium nicht predige!« andernfalls aber wolle er es so fügen, dass es überall unterbliebe, denn Christus sagt:
»Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, warum es ist, dass sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.« (Mt 18,19–20)
Siehe, mein Leser, mithin bin ich nicht von der münsterischen, noch von irgendeiner anderen der aufrührerischen Sekten (wie mir fälschlich nachgesagt wird), sondern ich bin zu diesem Dienst unwürdig berufen von einem Volk, welches bereit war Christus und sein Wort zu empfangen, das ein bußfertiges Leben in der Furcht seines Gottes führte, seinem Nächsten in der Liebe diente, das Kreuz trug, aller Menschen Wohlfahrt und Heil suchte, die Gerechtigkeit und Wahrheit lieb hatte und vor der Ungerechtigkeit und Bosheit zurückschreckte, welches ja ein kräftiges und lebendiges Zeugnis gibt, dass sie nicht solche verkehrte Sekten sind, wie sie gescholten werden, sondern, wiewohl der Welt unbekannt, wahre Christen waren; so man zugibt, dass Christi Wort wahrhaftig und sein unsträfliches, heiliges Leben und Vorbild unfehlbar und recht sind.
Auf diese Weise bin ich elendiger und großer Sünder von dem Herrn erleuchtet, zu einem neuen Sinne bekehrt, aus Babel geflohen, nach Jerusalem gezogen und schließlich, obgleich unwürdig, zu diesem hohen und schweren Dienste gekommen.
Da nun die Vorgemeldeten von ihrer Bitte nicht abstanden und auch mein eigenes Gewissen mich (wiewohl in Schwachheit) beunruhigte, weil ich den großen Hunger, die große Not sah, welche ich schon beregt habe, so übergab ich mich dem Herrn mit Leib und Seele und befahl mich seiner Gnadenhand; demzufolge fing ich rechtzeitig an nach Inhalt des heiligen Wortes zu lehren und zu taufen und auf dem Acker des Herrn mit meiner geringen Gabe zu arbeiten, an seiner heiligen Stadt und Tempel zu bauen und die verfallenen Steine wieder an ihren Ort zu fügen. Und der große und starke Gott hat das Wort einer wahren Buße, das Wort seiner Gnade und Kraft, unter Mitwirkung des heilsamen Gebrauchs seiner heiligen Sakramente, durch unseren geringen Dienst, Lehre und einfaches Schreiben, unterstützt durch den sorgfältigen Dienst, Arbeit und Hilfe unserer getreuen Mitbrüder, in vielen Städten und Ländern so bekannt und offenbar und in Gestaltung seiner Gemeinden so herrlich gemacht, sie mit solcher unüberwindlichen Kraft begabt, dass auch viele hohe, stolze Herzen nicht allein niedrig, unreine nicht allein keusch, trunkene nüchtern, geizige mild, grimmige gütig und gottlose gottesfürchtig geworden sind; sondern dass sie auch, um des herrlichen Zeugnisses Jesu Christi, Gut und Blut, Leib und Leben getreulich gelassen haben, gleichwie auch noch jetzt täglich zu sehen ist. Solches sind nicht die Früchte oder Zinsen einer falschen Lehre, die nicht Gottes Mitwirkung haben; auch würden sie nicht vermögen, so lange unter solchem schweren Elend und Kreuz zu verharren, wären sie nicht auf des Allerhöchsten Kraft und Wort gegründet. Ja, was mehr ist, sie wurden in ihren Versuchungen mit einem solchen Grade der Gnade und Weisheit, welche Christus allen den Seinigen verheißen hat, begabt, dass alle weltgelehrten und hochberühmten Lehrer, dazu alle blutschuldigen, trotzigen Tyrannen, welche, o Gott, auch sich rühmen Christen zu sein, von diesen unbezwingbaren Vorkämpfern und frommen Zeugen Christi überwunden und beschämt dastehen müssen; so dass ihnen kein anderes Mittel oder Ausflucht bleibt, als zu verbannen, zu ermorden und umzubringen, gleichwie es von Anfang der alten Schlange Gebrauch und Manier gewesen ist und wie man leider an vielen Orten in unseren Niederlanden noch täglich sehen und spüren kann.
Seht, dieses sind unsere Berufung, Lehre und Dienstfrüchte, darüber wir so schwer gelästert und so feindselig verfolgt werden. Ob nicht alle Propheten, Apostel und getreue Diener Gottes infolge ihres getreuen Dienstes solche Leiden erduldet haben, darüber wollen wir gerne alle Frommen Richter sein lassen.
Was aber mein eigenes, armes, schwaches und unvollkommenes Leben anbelangt, so bekenne ich frei, dass ich ein elender, armer Sünder bin, in Sünden empfangen und sündhaft aus einem sündhaften Samen geboren. Ich kann mit David sagen, dass meine Sünde stets vor mir ist. Meine Gedanken, Worte und Werke überzeugen mich. Ich bemerke und sehe mit dem heiligen Paulus, dass in meinem Fleische nichts Gutes wohnt. Dennoch muss ich in meiner Schwachheit dieses mich rühmen, dass, wenn diese böse und wüste Welt unsere Lehre (nicht die unsere, sondern die des Herrn Christi) mit Geduld hören und derselben in reiner Furcht Gottes recht untertänig nachkommen wollte, so würde ohne Zweifel ein anderes Christentum bestehen, als leider jetzt der Fall ist.
Ich danke meinem Gott, dass er mich geneigt gemacht hat mit dem heiligen Paulus das Böse zu lassen und dem Guten nachzujagen; und gerne möchte ich die ganze Welt, selbst mit meinem Blute, aus ihrem gottlosen, bösen Wesen erlösen und für Christus gewinnen, möchte meinen Gott von ganzem Herzen fürchten, lieb haben und ihm dienen; vor ihm rechtschaffen wandeln und ein unsträflicher, frommer Christ sein.
Auch hoffe ich, durch des Herrn Barmherzigkeit, dass mich niemand auf der ganzen Erde mit Wahrheit eines geizigen oder üppigen Lebens beschuldigen kann. Geld und Tage des Wohllebens habe ich nicht, begehre sie auch nicht; wiewohl etliche leider aus einem verkehrten Herzen sagen, dass ich mehr Gebratenes esse, als sie Gesottenes und mehr Wein trinke, als sie Bier trinken. Mein Herr und Meister Christus Jesus wurde auch von den Verkehrten ein Weinsäufer und Prasser genannt. Ich hoffe, durch des Herrn Gnade, dass ich darin von meinem Gott unschuldig und frei befunden werde.
Er der mich mit dem Blut seiner Liebe erkauft und mich, obgleich ich unwürdig bin, zu diesem Dienst berufen hat, kennt mich und weiß, dass ich weder Geld, noch Gut, noch Wollust, noch Gemächlichkeit auf Erden, sondern allein meines Herrn Preis, meine Seligkeit und vieler Menschen Seelen suche. Deshalb habe ich und meine arme, schwache Frau und kleinen Kinder während einer Zeit von achtzehn Jahren maßlose Bangigkeit, Druck, Betrübnis, Elend und Verfolgung ertragen müssen, habe überall in Todesgefahr und vieler Furcht kümmerlich leben müssen. Ja, wenn die Prediger auf weichen Kissen und Betten ruhen, müssen wir gewöhnlich in entlegenen Ecken uns heimlich verbergen. Wenn sie auf ihren Hochzeiten und Kindstaufen mit Pfeifen, Trommeln und Lauten prahlen, müssen wir uns vorsehen wenn die Hunde bellen, ob nicht die Fänger da seien. Während sie von einem jeden als Doktoren, Herren und Meister begrüßt werden, müssen wir hören, dass wir Wiedertäufer, Winkelprediger, Verführer und Ketzer genannt und in des Teufels Namen gegrüßt werden. Kurzum, während sie mit großen Pfründen und guten Tagen für ihre Dienste herrlich belohnt werden, muss unser Lohn und Teil, Feuer, Schwert und Tod sein.
Siehe, mein getreuer Leser, in einer solchen Bangigkeit, Armut, Jammer und Todesgefahr habe ich elender Mann meines Herrn Dienst bis zu dieser Stunde unverändert ausgeführt und ich hoffe, durch seine Gnade, auch darin zu seinem Preise zu verharren, solange ich in dieser Hülle verweile. Was ich und meine getreuen Mithelfer in diesem sehr schweren und gefährlichen Dienst gesucht haben oder suchen konnten, mögen alle Wohlgesinnten aus dem Werk und der Frucht derselben ersehen.
So will ich denn hiermit dem getreuen Leser noch einmal um Jesu willen in aller Demut bitten, dieses notgedrungene Bekenntnis von meiner Erleuchtung, Bekehrung und Berufung in Liebe anzunehmen und darüber wohl nachzudenken. Die Notwendigkeit hat mich dazu gezwungen, damit der gottesfürchtige Leser über diese Punkte unterrichtet werde und weil die Prediger mich überall lästern und ohne alle Wahrheit beschuldigen, dass ich von einer aufrührerischen und verführenden Sekte zu diesem Dienste erwählt und berufen sei. Wer Gott fürchtet, der lese und urteile.
Menno Simons