Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das andere Lied

1
Kürzlich vor wenig Tagen,
Kam mir ein Lied in Sinn,
Darvon ich singen und sagen,
Wann ich alleinig bin.

2
Doch wär es besser gewesen,
Wanns gieng von Herzens Grund,
Der Herr leit mir meine Zunge
Und geb mirs recht in Mund.

3
Wann ich wolt fröhlich singen,
So ist mein G`müth zu schwach,
Wie könnt ich dann verbringen,
Daß ich ein Liedlein mach.

4
Der Winter ist jetzt vorhanden,
Der Sommer ist bald dahin,
Mein Freud ist mir vergangen,
Drum ich so Traurig bin.

5
O HErr gib mir Gedulte
In dieser schweren Zeit,
Daß ich mich nicht verschulde,
In meiner Traurigkeit.

6
Mein G`müth ist mir zerschlagen,
Von langer Krankheit schwer,
Daß ich auch möcht verzagen,
Wo die Gedult nicht wär.

7
Derhalben thu ich glauben,
Hab auch Verlangen darbey,
Und hoff Gott wird mir geben,
Was mich von Herzen freu.

8
Mit Sünden bin ich umfangen,
Das klag ich meinem Gott,
Möcht ich sein G’nad erlangen,
So käm ich wohl aus Noth.

9
Darum thu ich ihn bitten,
Durch Christum seinen Sohn,
Der für uns hat gelitten,
Und uns die Sünd abgnon.

10
Du wollest mich recht unterweisen,
Du getreuer Gott und Herr,
Auf daß ich dich mög preisen,
Und sich mein Glaube mehr.

11
Hilf daß ich recht mög erkennen,
Dein väterliche Güt und Treu,
Führ mich vom Bösen dannen,
Daß ich mein Sünd bereu.

12
Daß ich mich recht mög kehren,
Zu Gott dem Vater schon,
Und ein Exempel lehren,
An dem verlohrnen Sohn.

13
Dann Gott thut treulich walten,
Ob seinen Kindern schon,
Die seinen Bund behalten,
Und von der Sünd abstahn.

14
Es ist auch Freud im Himmel,
Bey Gottes Engeln werth,
Wohl über einen Sünder,
Der sich zu Gott bekehrt.

15
Und welcher nun will haben,
Mit Gott die ewige Freud,
Soll sein Creutz willig tragen,
Allhie in dieser Zeit.

16
Christus thut selber sagen,
Mattheus am zehnten fein,
Wer mein Creutz nicht will tragen,
Kann nicht mein Jünger seyn.

17
Also muß man auch werden,
Gleichförmig zu dieser Frist,
Mit Creutz, Leiden und Sterben
Dem Herren Jesu Christ.

18
Also thut man auch erben,
Mit ihm des Vaters Reich,
Paulus das klar thut lehren,
Man soll ihm werden gleich.

19
Ich hab nun lang getragen,
Meiner Sünden Krankheit schwer,
Kein Mensch kont mir auch sagen,
Wie mir zu helfen wär.

20
Ein Arzner hab ich vernommen,
Seine Brief sind geschlagen an,
Man soll zu ihme kommen,
Wer sich will heilen lan.

21
Der zeigt ihm seine Wunden,
Dann er ist wohl probirt,
Hab nie geschrieben funden,
Daß er ein`n hab entführt.

22
Seine Kräuter thun stäts grünen,
Zu unser Seelen Heil,
Wann er uns will versühnen,
Braucht er sein Gnaden-Oehl.

23
Zum selben will ich tretten,
Und will ihn ruffen an,
Will ihn von Herzen bitten,
Er wöll mich nehmen an.

24
Zum ersten will ich ihm klagen,
Meine Sünd und Missethat,
Daß mich in meinen jungen Tagen,
Mein Fleisch verführet hat.

25
In Sünden bin ich erzogen,
Und darinn g`wachsen auf,
Die Welt hat mich betrogen,
Mit ihrem argen Lauf.

26
Meine Sünden sind fürwahre,
Meiner Krankheit rechter Grund,
Han jetzt schon viele Jahre,
G’han manche lange Stund.

27
Mein Kraft ist von mir gewichen,
Daß ich nicht wandeln mag,
Mein Leben ist hin geschlichen,
Es kürzet alle Tag.

28
Auf mich scheint nicht mehr d’Sonnen,
Und fällt auf mich kein Thau,
Mein Trank kommt mir vom Brunnen,
Mein Bett ist Haberstrau.

29
Hiemit will ich andeuten,
Han Nahrung halb kein Klag,
Ich dank Gott und guten Leuten,
Sie helfen alle Tag.

30
Den Arzner kann ich finden,
Er will mich nehmen an,
Er will mich schon verbinden,
Wann ich recht Glauben han.

31
Er will mir auch mittheilen,
Das bittere Leiden sein,
Und mich aus Gnaden heilen,
Wo ich verwundet bin.

32
Hie ist mein Freud verschwunden,
Wie d`Sonn verschmelzt den Schnee,
Drum hab ich grossen Kummer,
Thut mir im Herzen weh.

33
Ich hab so grossen Kummer,
Das klag ich meinem Gott,
Mein Seel hat grossen Hunger,
Nach deiner Güt und Gnad.

34
Dein Geist der woll mich speisen,
Mit deinem göttlichen Wort,
Daß ich dich lob und preise,
Du bist mein höchster Hort.

35
Du bist mein Trost ob allen,
Darzu der Heiland mein,
Ich wünsch zu tausendmalen,
Daß ich könnt bey die seyn.

36
Ich wart jetzt mit Verlangen,
Auf eine seelige Stund,
Darinn ich werd empfangen,
Besser als tausend Pfund.

37
Ein Haus wollt ich erlangen,
Im neuen Jerusalem,
Durch meinen HErrn JEsum Christ,
Gebohren zu Bethlehem.

38
Hie ist nicht mehr gut wohnen,
Mein Haus wo ich hie han,
Das ist also baufällig,
Daß es nicht mehr mag bestahn.

39
Es ist so schwach dermassen,
Es möcht bald komm ein Wind,
So siel es auf einen Haufen,
Dann d`Schwellen kraftlos sind.

40
Merk mich was ich hie schreiben,
Mein Leib der ist so schwach,
Er kann nicht mehr lang bleiben,
Es muß bald lahn ein Krach.

41
Zu Jerusalem da ich meine,
Da ist sehr guter Wind,
Mit Gold und edlen Steinen,
Die Häuser decket sind.

42
Es kann nicht ausgesprochen werden
Und ist die Stadt so schön,
Daß dergleichen auf Erden
Keines Menschen Aug hat g’sehn.

43
Sie leuchten wie die Sonnen,
Der Tempel mitten drein,
Uebertrift mit seiner Schöne,
Auch aller Menschen Schein.

44
Mit schönen Melodeyen,
Auch aller Engeln G’sang,
Soll wohl gan darinnen,
Daß kein Mensch glaubt wie es gang.

45
Da lobt man Gott mit Schalle,
Dann ich ein Büchlein han,
Darinnen die Dinge alle,
Von Wort zu Wort geschrieben stahn.

46
Hiemit will ich dem G`sange,
Auch machen den Beschluß,
Damit man an der Länge,
Nicht haben kann Verdruß.

47
Lang Zeit die thut mich treiben,
Und das mit einem Wort,
Daß ich für d`Kurzweil schreibe,
An einem wilden Ort.

48
Das Lied schreibt z`erst fürwahre
Ein alter kranker Mann,
Hat jetzt bald achtzig Jahre,
Kein Tritt mehr können gan.

49
Hiemit will ichs beschliessen,
Dann ichs nicht besser kann
Es soll niemand verdriessen,
Hab`s nur für d`Kurzweil than.

50
Das Lied mag ich nicht singen,
Wo ich hie g`schrieben hab,
Das Glöckli thut mir klingen
Und ruft mir zu dem Grab.

51
Der Tod der wird uns fällen,
Er macht uns hie ein End,
Drum thu ich Gott befehlen,
Meine Seel in seine Händ.

52
Dann Gott ist sehr langmüthig,
Barmherzig und getreu,
Sein grosse Gnad und Güte,
Ist uns all Morgen neu.

53
Hiemit will ichs lan bleiben,
Und machen dem Lied ein End,
Und wers begehrt zu schreiben,
Dem mag es warden in d’Hand.

54
Man soll mir`s übersehen,
Ist etwas g’fehlt darinn,
Es ist mir nicht gern g`schehen,
Ich hats g’han gut im Sinn.

55
Das Lied will ich euch schenken
Habs nur einfältig gemacht,
Daß man soll an mich denken,
Gott für mich bitten Tag und Nacht.

56
Ich hans nicht besser können,
Han z`vor keins nie gemacht:
Allen die mir Guts gönnen,
Wünsch ich ein gute Nacht.