Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das vierte Lied

(20)

1
Mein fröhlich Herz das treibt mich an zu singen,
Und liegt mir stäts in meinem Muth,
Nun hörend was ich euch thu bringen,
Was brüderliche Feindschaft thut.
Doch hoff ich die Sache werd z`letzt noch gut,
Viel Freud wird Leid verdringen.

2
Darum hörend zu und merkend mich gar eben,
Wie sich der fromme Joseph mußt
Seinen Brüdern gefangen geben,
Daß er ihnen sein Traum hat erzählt,
Der Jüngling war von Gott erwählt,
Sie stellten ihm nach sein`m Leben.

3
Der Joseph wollt jetzt seine Träum verjähen,
Ich wolt den Mann von Herzen gern
Mit meinen Augen sehn.
Wer mir den könnte zeigen an,
Der mir die Sach gäb zu verstahn,
Was künftig solt geschehn.

4
Sein Traum hielt in, sie hätten Garben bunden,
Jetzt und an mitten in der Ernd,
In einem Acker voll dort unten,
Und stuhnd die seine steif aufrecht,
Die andern hielten sich wie Knecht,
Was soll man draus erkennen.

5
Den andern Traum den will ich euch auch anzeigen,
Elf Sternen sind vom Himmel kön,
Die thäten sich vor mir neigen.
Sonn und Mond mit ihrem Schein,
Was bedeut das liebster Vater mein,
Thund mich daraus bescheiden.

6
Die Brüder fingen ihn jetzt an zu hassen,
Sie daucht der Vater wolt ihm stähts
Den Zaum zu lang hie lassen.
Kauft ihm darzu ein theilten Rock,
Er tritt dort her gleich wie ein Bock,
Und ist stolz über die Massen.

7
O milder Gott in deinem Reich dort oben,
Sprach Israel Jacob der Alt,
Wie groß sind deine Gaben:
Ich kann mich nicht verwundern g’nug:
Mein Joseph der ist so weiß und klug,
Schon jetzt in seiner Jugend.

8
Seine Brüder thäten zusammen rucken,
Der gewaltig Herr ist schon vorhanden.
Dem Vater weißt er den Rucken.
Fürwahr die Sach thut nimmer gut,
Der Lotter hat ein stolzen Muth,
Vermeint uns unter zu drucken.

9
Simeon sprach, laßt uns bey Zeiten wehren,
Dieweil er unvermöglich ist,
Wann sich sein Gewalt thät mehren,
Würd er uns nehmen Gut und Haab,
Und müßten wir all seyn schabab,
Ihn halten in grossen Ehren.

10
Ein guten Rath wollt ich euch wohl hie geben,
Wann nun der ander Frühling kommt,
Nun merket mich gar eben:
So muß er mit uns Berg und Thal,
Sein breiter G’walt soll werden schmal,
Es muß ihn kostens Leben.

11
Die zehen Brüder fuhren eilends von hinnen,
Der Vater kunt ein lange Zeit,
Nichts von ihnen werden innen.
Thät ihm in seinem Herzen weh,
Ich besorge sie haben kein Nahrung mehr,
Ich kann nicht anders sinnen.

12
Er sprach: Joseph nun eil und laß dir lingen,
Gen Sichem in das wäidreich Thal,
Da wolten deine Brüder erwinden,
Drum rüst dich schnell, das ist mein Rath,
Und sag mir schier wies um sie staht,
So du sie bald wirst finden.

13
Der Jüngling thät sein`m Vater fleißig losen,
Dann er ihm allezeit gehorsam war,
Und rüst sich auf die Strassen.
Nun wär mir doch nicht schwer die Reiß,
Dann daß ich eigentlich weiß
Wie mich meine Brüder hassen.

14
Da sie nun die Morgensuppen assen,
Der Vater redt ihm freundlich zu,
Und gesegnet ihm die Strassen.
Er zog daran mit ringem Muth,
Der lieb Gott sey mein Schirm und Hut,
An den will ich mich lassen.

15
Lea thät zu ihrem Gemahel sagen,
Jacob wiewohl ich Joseph nicht,
In meinem Leib hab tragen:
Hat er mir doch viel Tren erzeigt,
Kindliche Lieb an mich geleit,
Sein Hinscheid muß ich klagen.

16
Es sprach ein freyer Landmann unverdrossen,
Dort kommt ein schöner Jüngling her,
Er ist hübsch über d`massen:
Mich dünkt er sey verirret gar,
Wüßt ich wo er gern hine wär,
Ich zeigte ihm die Strassen.

17
Der Joseph thät dem Landmann d’Sach erzählen,
Ich suche hie die Brüder mein,
Wohl zehen starke G’sellen.
Wann ich sie g`sund hie finden möcht,
Und wieder heim gut Botschaft brächt,
Wär unsers Vaters Willen.

18
Der Landmann sprach, sie sind von hinnen g`fahren,
Gehen dorthin in ein ander Waid,
Da wend sie den Sommer beharren.
Geh diese Straß, du findst sie bald,
Der Jüngling dankt ihm mannigfalt,
Zog dran im Namen des Herren.

19
Da er jetzt kam zu seines Vaters Schaaren,
Gott grüß euch lieben Brüder mein,
Wann sind ihr her gefahren.
Vater, Mutter, Weib und Kind,
Euch ihren Gruß entbotten händ,
Gott soll euch wohl bewahren.

20
Simeon sprach: Gnad hochgebohrner Herre,
Wie kommts daß ihr gangen zu Fuß,
Alleine also ferre.
Führwahr man euch bald führen muß,
Wird euerem Herzen ein schwere Buß,
Man thut euch kleine Ehre.

21
Einer sprach: Wir wend den Buben henken,
Der andere wolt ihms Haupt abschlan,
Der dritt wolt ihn ertränken.
Ruben sprach mit Worten behend,
Laßt mir den Knaben in meine Händ,
Ich will ihn gar versenken.

22
Dann ich hab mir ein klugen List erfunden,
Wend ihn werfen in ein Sod,
Gefangen und gebunden,
So händ wir an seinem Tod kein Schuld,
Und verwürken auch nicht Gottes Huld,
Er stirbt wol selbst dort unten.

23
Der Jüngling sprach: warum wend ihr mich strafen,
Ihr thund gleich wie die Viele der Wölf,
Ja wann sie kommen zu Schaafen:
Ihr soltet meine Schirmer seyn,
Um Unschuld muß ich leiden Pein,
Aengstiglich Wehr und Waffen.

24
Der Joseph sprach, wann wird sichs Leiden enden,
O Höchster Gott in deinem Thron,
Thu mir dein Trost her senden,
Dann es stehet alls in deiner Hand,
Behüt meine Brüder auch für Schand,
Ungewitter kannst woll wenden.

25
Der Ruben thät ihm heimlich s’Herz erquicken,
Biß wohl gemuth Du junges Blut,
Morn will ich dich dem Vater schicken.
Er tröst ihm sein betrübtes Herz,
Wie wohl er selbst hat heimlich Schmerz,
Hoft doch es würd sich glücken.

26
Hiemit thät er die Schaaren zusammen treiben,
Die Brüder schleichen zu dem Sod,
Und thäten all stillschweigen:
Joseph nun breit uns her dein Hand,
Dann du mußt reisen in fremde Land,
Wir wend dich hier nicht leiden.

27
Jetzt kamen Kaufleut aus Arabia her geritten,
Die Brüder nahmen ihrer wahr,
Thäten zu ihnen sprechen:
Wir hand ein jungen Knaben fein,
Er ist gebunden an ein Seil,
Wenn ihr ihn kaufen wetten.

28
Ein Kaufmann sprach: Wo ist er, bringt ihn here,
Ists Sach, das mir der Jüngling g`falt,
Ich bezahl ihn also baare.
Sie brachten ihn eilends an der Stätt,
Dreysig Pfund ist er werth,
Das glaubet uns fürwahre.

29
Der Kaufmann sprach, Der Knab der fügt mir eben,
Er legt das Geldlein richtig dar,
Er thäts den Brüdern geben.
Der Joseph sprach, muß ich dahin,
So gnaden mir den liebsten Vater mein,
Gott geb euch langes Leben.

30
Jetzt hat Ruben d’Schaaren z`sammen trieben,
Darnach so ruft er in den Sod,
Niemand wolt ihm Antwort geben.
Da fiel ihm gäh nichts Guts in Sinn,
Gewiß hand ihn d’Brüder g`nommen hin,
Und hand ihn bracht ums Leben.

31
Da thät er eilends zu seinen Brüdern treten,
Wie kommts daß es nichts geholfen hat,
Darum ich euch hab gebäten.
Ihr hand dem Knaben sein Leben gnon,
Gott wirds nicht ungerochen lohn,
Was wend ihr mit mir wetten.

32
O Bruder Ruben du solt dich wohl gehaben,
Es ist kein Todschlag geschehen hie,
Der Knab hat noch das Leben.
Er ist frisch und gesund zu dieser Stund,
Er hat uns golten dreyßig Pfund
Muß in Eg ypten traben.

33
Wir händ sein Rock mit Lämmer=Blut beschmissen,
Und wend dem Vater geben für,
Die Thier haben ihn zerrissen.
Er ist jetztmals verlohren gar
Des Vaters Herz war bladen schwer,
Wohl bey den zwanzig Jahren.

34
Jacob erhub sein Klag mit lauter Stimme,
O Joseph du viel frommes Blut,
Bist du dann gar von hinnen
So hand ein End meine gute Tag,
Wolt schier ich läg auch in dem Grab,
Solt ich dir sehen nimmer.

35
Da die Kaufleut in Egypten kamen,
Mit Joseph den sie hatten kauft,
Deut uns Christus mit Namen.
Sie botten ihn zum ersten feil,
G’wunnen an ihm den dritten Theil,
Also hab ichs vernommen.

36
Zehen Pfund thäten sie am Knaben g’winnen,
Der Jüngling war von geschwinden Sinnen.
Er dienet wohl, er dienet recht,
Bis er durch Gottes Rathschlag möcht
Dem schweren Dienst entrinnen.

37
Gott thät Joseph durch Creutz und Leiden führen,
Dann er zwey Jahr gefangen war,
Darnach mußt er regieren.
Drum merket mich ihr Weisen schon,
Wie Gott der Obrist König fron,
Sein Volk thät deponieren.

38
Dann Joseph ward zu einem grossen Herren,
Den Scepter in Egyptenland,
Führt er in hohen Ehren.
Der Rathschlag kam allein aus Gott,
Daß er den Seinen helfen solt,
In Hungersnoth ernähren.

39
Drum merket hie ihr Edelen und ihr Bauren,
Es wuchs gar wenig allerding,
Und fieng im Land an theuren.
Daß Josephs Brüder allesammt,
Mußten bald in Egyptenland,
Gottes Ordnung thät man spühren.

40
Wie sie Joseph erstlich thät anblicken,
Ach Glück das sind die Brüder mein,
Wie kann Gott die Ding schicken.
Sie fielen ihn eilend an umb Korn,
Gnädiger Fürst so hochgebohr`n,
Sie thäten sich vor ihm bücken.

41
Der Joseph thät eilends zu ihnen jähen,
Ihr sind der Meinung kommen her,
Und wend das Land ausspähen.
Ihr führet wohl ein solchen Schein,
Ihr wolt das Königreich nehmen ein,
Man muß euch das versehen.

42
Gnädiger Fürst, Nun gebt uns fleißig Ohren,
Wir sind all Zehn fromm und gerecht,
Von einem Vater gebohren.
Den Elften hand wir daheim glon,
Der Zwölft in fremde Land ist kon,
Den hand wir gar verlohren.

43
Der Joseph sprach: das müssend ihr bewähren,
Den elften Bruder bringet her,
So will ich die Neun lahn fahren.
Der Zehend muß mein Gefangner seyn,
Elf in einer Schaaren.

44
Die Neun rüsten sich eilends auf die Strassen,
Sie hatten Fried und sicher Gleit,
Mit Esel und mit Rossen.
Dem Vater kamen bald die Mähr
Wie seine Esel kommen her,
Schwer geladen über die Massen.

45
Der Vater sprach, Ich hab nach euch verlangen,
Wo hand ihr mein Simeon glon,
Ist er todt oder ist er gefangen.
Sie sprachen: ihr müssen Simeon euren Sohn,
Durch Benjamin erlangen.

46
Der Vater thät ihnen die Reiß so lang verlängern
Dieweil ich mein Joseph hab verlohren,
Die Zeit leid ich groß Schmerzen.
Solt ich Benjamin jetzt auch verlahn,
Die beyd sind mir von Rahel kon,
O weh meins kranken Herzen.

47
Der Hunger thäts aber jetzt mit Nothzwang treiben,
Daß sie eilends mußten auf die Fahrt,
Und konnten nicht länger bleiben.
Mit Benjamin in Egyptenland,
Da sie Simeon gelassen hand,
Also kann es Gott schicken.

48
Der Joseph nahm ihr eben wahr,
Dann er hats bald vernommen.
Als er der Frommigkeit möcht verstahn,
Daß sie einander nicht wolten lahn,
Da gab er ihn den Gefangenen.

49
Von seinem Volk führt er sie eilends dannen,
Vom Parlament und seinem Rath,
Und gab sich ihnen zu erkennen.
Ich bin der Joseph euers Vaters Sohn,
Der gewaltig Gott in seinem Thron,
Laßt d’Liebe nimmer zertrennen.

50
Nun glaubt mir, als hätt ich euch geschworen,
Ich bin Joseph, Joseph bin ich,
Ja den ihr habt verlohren.
Zu Dotin unsers Vaters Weyd,
Ich schied von euch mit grossem Leid,
Mit einem Kaufmann aus Mohren.

51
Die Brüder fielen all in grossen Reuen,
Sie forchten Rach um diese Schmach,
Thäten für ihn nieder kneyen:
Joseph, nun theil uns mit dein Gnad.
Er sprach, seynd ledig ohn allen Schad,
Nun thut mir fröhlich trauen.

52
Der Joseph wolt seins Vaters Herz erquicken,
Und thät ihm eilends einen Gruß
Bey seinen Brüdern schicken.
`sWahrzeichen war drey hundert Pfund,
Jacob dankt Gott derselben Stund,
Mein Sach will sich erst glücken.

53
Der Gruß hielt in, er solt sich nicht lang säumen,
Und zu ihm in Egypten kon,
Mit allem seinem Saamen.
Sein Garben stuhnd noch steif aufrecht,
O Gott du bist Herr und wir d`Knecht,
Laß uns dein Reich zukommen.

54
Ich will die Sach ein Weisern lahn aussprechen,
Wie es Benjamin ergangen ist,
Mit seines Bruders Becher,
Und Josephs Gefängniß lang darvor,
Doch wurd alles offenbar,
Gott kann sein Volk wohl rächen.

55
Hierbey will ich das Liedlein lassen bleiben,
Wie der Jacob sein Gut und Hab,
In Egypten geführt und trieben.
Sein ganzes Hausg`sind überall
Nahm zu und ward ein grosse Zahl,
Also kann es Gott schicken.