Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das erste Lied

1
Tobias war ein frommer Mann,
Zu Niniveh gesessen,
Derselb hat Gott vor Augen g`han,
Er hat sich Guts vermessen.

2
Tobias beweißt groß Erbärmd,
An Lebendig und Todten,
Darum ihn Gott hatt lieb und werth,
Es that ihm wohl gerathen.

3
Der König war ein grimmer Mann,
Er ließ viel Frommen fahen,
Dieselbe ließ er bringen um,
Und liegen unbegraben.

4
Und wann Tobias das vernahm,
Er thäts in sein Haus tragen,
Und wann es dann ist worden Nacht,
So that er sie begraben.

5
Und wie der König das vernahm,
Er wollt Tobias tödten,
Das hatte Gott nicht zugelahn,
Der Herr thät ihn retten.

6
Es währet nicht ein lange Zeit,
Der König ward erschlagen,
Das hatt` gethan des Königs Sohn,
Wie uns die Schrift thut sagen.

7
Tobias trauet seinem Gott,
Und liebet ihn von Herzen,
Der konnt ihm helfen aus der Noth,
Und heilen seine Schmerzen.

8
Tobias war von Herzen rein,
Das thät er wohl beweisen,
Er ließ die Frommen ruffen heim,
Die thät er treulich speißen.

9
Tobias der gieng hin und her,
Er thät die Frommen trösten,
Er achtet nicht auf Menschen Gebot,
Nur auf den Allerhöchsten.

10
Dasselb hat Gott gefallen wohl,
Er ließ ihn mehr probiren,
Daß also er war worden blind,
Sein G’sicht thät er verlieren.

11
Sein Blindheit währt eine lange Zeit,
Das bracht ihm grossen Schmerzen,
Noch hat ers tragen mit Gedult,
Und klagets Gott von Herzen.

12
Er bat zu seinem lieben Gott,
Er solt ihn nehmen ab der Erden,
Dann mein Tod mir viel wäger ist,
Dann daß ich lang solt leben.

13
Er sprach zu seinem lieben Sohn:
Wir hand ein armes Leben,
Wann wir uns litten mit Gedult,
Viel Guts wird uns gegeben.

14
Darum so halt dich wohl mein Sohn,
Und hab ein frommes Leben,
Der Sünd und Ungerechtigkeit,
Thu dich nicht mehr ergeben.

15
Von deinem Gut solt Almoß gähn,
Und dich nit lan verdrießen,
So wird es dir in dieser Zeit,
Und ewig wohl erspriessen.

16
Und wann du nun wirst werden reich,
So solt du reichlich geben,
Und wann du aber wenig hast,
So biß auch treu im selben.

17
Allmosen ist ein grosser Trost,
An denen die es willig geben,
Es lößt vom Tod, löscht aus die Sünd,
Hilft in das Ewig Leben.

18
Tobias bittet seinen Gott,
Er solt ihn lassen sterben,
Viel wäger wäre mir der Tod,
Dann daß ich lang solt leben.

19
Da hat der Herr sein Bitt erhört,
Thät ihm sein Engel schicken,
Der kam in eines Jünglings G`stalt,
Sein Sach die thät sich glücken.

20
Und wie der Engel zu ihm kam,
Er thät ihn lieblich grüssen,
Und sprach er solte freuen sich,
Tröstet ihn in seinen Nöthen.

21
Tobias zu dem Engel sprach:
Wie kann ich fröhlich werden,
Ich sitze in der Finsterniß,
Kanns Himmels Schein nicht sehen.

22
Der Engel zum Tobias sprach,
Es wird bald besser werden,
Tobias war ein blinder Mann,
Er hoffet guts dargegen.

23
Tobias kennt den Engel nicht,
Er fragt nach seinem Stammen,
Der Engel gab zur Antwort bald,
Azarion war sein Namen.

24
Der Engel kam in Jünglings G’stalt,
Man thät ihn nicht erkennen,
Bis er sein Sach hätt ausgericht,
Da thät er sich erst nennen.

25
Der Vater sprach den Engel an,
Ob er sein Sohn könnt bringen,
In Midian zum Gabelon,
Das war des Vaters Willen.

26
Der Engel der sprach alsobald,
Er hoft es werd ihm gelingen,
Ich will dir dein Sohn frisch und g`sund,
Hieher thun wieder bringen.

27
Das war dem Vater grosse Freud,
Er wünscht ihm Glück auf d`Strasse,
Der lieb Gott der sey euer G`leit,
Der thät sie nicht verlassen.

28
Der Sohn war auf den Abend müd,
Wie er die Füß wollt waschen,
Ein ungeheur Fisch kam herfür,
Er fürcht er wolt ihn fressen.

29
Der Engel alsbald zu ihm sprach:
Er solt ihn zu ihm ziehen,
Er solt den Fisch beym Kifel nahn,
Er möcht ihm nicht entfliehen.

30
Er zog ihn wohl aus auf das Land,
Der Fisch that vor ihm springen,
Der Engel sprach entweid den Fisch,
Das thät Tobias gelingen.

31
Der Engel zum Tobias sprach:
Er sollt drey Stück behalten,
Das war die Leber und das Herz,
Und darzu auch die Gallen.

32
Sie haben den Fisch braten thun,
Sie haben ihn auch gesalzen,
Sie nahmen ihn mit auf den Weg,
Sie liessen es GOtt walten.

33
Tobias zu dem Engel sprach:
Wo werden wir einkehren,
Und da wir werden Herberg han,
Der Engel that Tobias lehren.

34
Der Engel sprach: von hie nicht weit,
Da ist ein Mann dein Freunde,
Derselbig wird eine Tochter han,
Und sonst gar keine Kinde.

35
Der Engel sprach, er ist reich an Gut,
Thu um sein Tochter werben,
Dieselbe dir gehören thut,
Er wird sie dir thun geben.

36
Tobias auch zum Engel sprach:
Er hätte auch vernommen,
Sie hab gehabt schon sieben Mann,
Die seyen all umkommen.

37
Sie hab`n gleich in der ersten Nacht,
Also auch müssen sterben,
Er hab auch gehört, daß der Satan,
Hob ihnen g`nom`n das Leben.

38
Und wann es mir auch also gieng,
Und würde uns mißlingen,
So würde ich meine Eltern thun,
Mit Leid in die Gruben bringen.

39
Da sprach der Engel Raphael,
So will ich dir thun sagen,
Ueber welche hie der Satan,
Seinen Gewalt mag haben.

40
Und also nämlich über die,
Die der Ehe wollen pflegen,
Und Gottes Rath nicht nehmen an,
Nach seinem Willen leben.

41
Als die nach ihres Hertzens Lust,
Muthwillen wollen treiben,
Und achten nur auf grosses Gut,
Od`r auf ein schönen Leibe.

42
Ueber die hat der Satan Gewalt,
Die ihr Rechnung also machen,
Und Gottes Rath begehren nicht,
Noch seinen Willen achten.

43
Sie kehren zu dem Raguel ein,
Der hat sie Freundlich empfangen,
Er sprach ihr lieben Brüder mein,
Wo seyd ihr hergegangen.

44
Sie sprachen vom Stamm Naphtali,
Aus der Gefängniß Ninive;
Er sprach ob sie nicht kennen thun,
Sein Bruder heißt Tobia.

45
Der Engel sprach, wir kennen ihn wohl,
Er ist des Jünglings Vater,
Da ward Raguel Freuden voll,
Sein Frau und seine Tochter.

46
Sie hand vor Freuden weinen thun,
Ueber das da war vergangen,
Daß ihr Freund war zu ihnen kon,
So weit aus fremden Landen.

47
Der Vater war also sehr froh,
Er hieß ein Mahl zurüsten,
Und wie es nun geschehen war,
Zum Tisch hieß er sie sitzen.

48
Tobias hat ein mannlich Herz,
Gleich nach des Engels Lehre,
Er heischt dem Vater sein Tochter ab,
Er solts ihm geben zu Ehen.

49
Der Engel der sprach auch darzu,
Er solte sie ihm thun geben,
Dann sie gehört diesem frommen Sohn,
Des möcht`n die andern nicht leben.

50
Der Vater zum Tobias sprach:
Er wolte sie ihm geben,
Er schloß ihn`n z`sammen ihre Händ,
Er thät sie z`sammen geben.

51
Sprach, der Gott Abraham,
Isaac Und Jacobs, geb euch z`sammen,
Erfüll in euch sein Segen auch,
Und mehr durch euch sein Saamen.

52
Wie sie nun sind in d` Kammer konn,
Als nach ehelichen Sitten,
Tobias zu seiner Frauen sprach,
Zu Gott so wend wir bitten.

53
Wir wöllen uns drey heilige Nächt,
Und drey Tag Lusts enthalten,
Darin Gott treulich ruffen an,
Daß er die Sach verwalte.

54
Dann wir Kinder der Heiligen sind,
Und ziemt sich uns nicht zu thune,
Gleich wie die Heiden und ander Leut,
Die kein Verstand nicht hane.

55
Der Satan kam daher auch gleich
Wie mans dann findt geschrieben,
Der Engel Gottes nahm sie wahr,
Er konnt ihn bald vertreiben.

56
Und wie es nun am Morgen war,
Der Vater war im Wunder,
Es war ihm bald die Bottschaft kon,
Sie wären frisch und g’sunde.

57
Der Vater der hat alsobald,
Zwo feiste Küh lan metzgen,
Und darzu auch der Widder vier,
Sie wurdens Leids ergötzet.

58
Die Hochzeit währet sieben Tag,
Sie preißten GOtt den HErren,
Tobias hätt Verlangen bald,
Zu seinem Vater z’kehren.

59
Tobias ward geben ein grosse Summ,
An Geld und auch an Gute,
Sie nahmens an mit Dankbarkeit,
Und hatte wohl für gute.

60
Sie zogen aus mit grosser Freud
Hatten viel überkommen,
Die Sara auch sein ehelich Weib,
Die er zur Ehe hat genommen.

61
Und wie sie waren kommen heim,
`s Vaters Augen sie bestrichen,
Als mit der Gallen von dem Fisch,
Sein Blindheit war gewichen.

62
Tobias danket seinem Gott,
Und preiset ihn im Herzen,
Der ihn hat wieder sehend g`macht,
Hat g’heilet seinen Schmerzen.

63
Der jung Tobias zum Vater sprach,
Was wend wir diesem geben,
Für seine Treu und viel Gutthat,
Mir hat beschirmt mein Leben.

64
Wird es genug seyn der halb Theil,
Von diesem allzusammen,
So bitt ihn, daß ers annehmen wöll
Was wir hand überkommen.

65
So bald der Engel das vernahm,
Gab er sich zu erkennen,
Und sprach daß er ein Engel wär,
Also thät er sich nennen.

66
Fasten und bäten ist gar gut,
Das thät der Engel sagen,
Es ist viel besser dann Gold und Geld,
Das man thut zusammen tragen.

67
Ich bin der Engel Raphael,
Der siebend in Gottes Saale,
Und bin zu helfen euch geschickt
In diesem Jammerthale.

68
Nun preisend Gott mit Herz und Mund,
Und thund ihm Lob verjähen,
Und künden seine Wunder aus,
Die mit euch sind geschehen.

69
Ihr habend wohl vermeinen thun,
Ich hab mit euch runken und gessen,
Ich aber braucht mich einer Speiß,
Deren ihr euch nicht vermessen.

70
Der Engel sprach, die Zeit ist hie,
Daß ich soll wieder kehren,
Zu dem der mich gesendet hat,
So preiset Gott den Herren.

71
Der alt Tobias thät auf sein Mund,
Auch seinen Gott zu preisen,
Sein grosse Gutthat macht er kund,
Die er ihm thät beweisen.

72
Ich bitt euch beyde Jung und Alt,
Für die das Lied wird kommen,
Ihr wollet mir nichts für übel han,
Und preiset Gottes Namen.

73
Wer dieses Lied nun hat gemacht
Von neuem hat gesungen,
Das hat gethan ein alter Mann,
Der war genannt Jörg Kummer.

74
Den wöll der Herr zu seinem Preiß,
Selbst bereiten und auch rüsten,
Und führen in das Paradeiß,
Sammt allen frommen Christen.

75
Daß wir mit Frieden inniglich,
Sein hohen theuren Namen,
Mögen vermehren ewiglich,
Durch Jesum Christum Amen.