Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 99. Lied

Ein anderes schönes Lied.
Im Ton: „Nun danket Gott von Hertzen.Luc. 15.
M. S. (7)

1
Es hatt` ein Mann zween Knaben,
Wie Christus dann vermeldt,
Der ein sein Erb wollt haben,
Sein Theil von Gut und Geld,
Thät vom Vater begehren,
Daß ers ihm theilen solt
Deß thät er ihm gewähren,
Weil ers so haben wollt.

2
Da ers nun hatt empfangen,
Wollt er sein Muth ganz hon,
Und hat bald angefangen,
Es mit Hur`n zu verthun,
Auch mit Schlemmen und Prassen,
Bis er es gar verthät,
Kein Mangel thät er lassen,
Weil er ein Heller hätt`.

3
Er zog fern in ein Lande,
Da er kein Geld mehr hätt,
Sich an ein Burger hangte,
Der Säu zu hüten hätt.
Da thät ein Theurung kommen
Wohl an demselben Ort.
Ich verdirb bald im Hunger,
Sprach er bald diese Wort.

4
Er begehrt auch mit Kleyen
Zu füllen seinen Bauch,
Welche man gibt den Säuen,
Und niemand gabs ihm auch.
Da fing er an zu klagen
Seins Vaters Speiß und Brod,
Er thät auch also sagen:
Viel Knecht mein Vater hat,

5
Die haben Brods die Fülle,
Darzu auch andre Speiß,
Essen wie viel sie wollen,
Es ist bereit mit Fleiß.
Ich will wieder umkehren
Wohl zu dem Vater mein,
Und will von ihm begehren,
Daß ich sein Knecht mög seyn.

6
Da er sich nun thut nahen
Zu seines Vaters Haus,
Sein Vater ihn bald sahe,
Und lief zu ihm heraus.
Aber der Sohn thät sagen:
Herzlieber Vater mein,
Vor dir ich g`sündet habe,
Und in den Himmel `nein.

7
Ich will nicht mehr begehren,
Daß ich dein Sohn soll seyn,
Laß mich nur ein Knecht werden
Wohl in dem Hause dein.
Er thät sich sein erbarmen
Gleich zu derselben Stund,
Empfing ihn mit sein`n Armen,
Küßt ihn an seinen Mund.

8
Er thät auch also sagen:
Mein`n Sohn hatt` ich verlohr`n,
Jetzt ich ihn wieder habe,
Er ist mir auserkohr`n.
Und fieng sich an zu freuen,
Darzu sein Hausgesind,
Mit Mahlzeit und mit Reyen,
Mit dem verlohrnen Kind.

9
Er befahl auch sein`n Knechten,
Sie solten ihm gar schon
Ein wohl gemäst Kalb schlachten,
Und auch herbringen thun
Das allerbeste Kleide,
Daß er es leget an,
Ergötzet sich sein`s Leides
Mit dem verlohrnen Sohn.

10
Er ließ auch zubereiten
Ein gar köstliches Mahl,
Thäten sich alle freuen,
Im Haus war groß der Schall.
Der alt Sohn kam auch here,
Weil man zu Tische saß,
Er g`dachte was da wäre,
Daß man so fröhlich was.

11
Da hat er bald vernommen
Den Handel ganz und gar,
Daß sein Bruder wär kommen,
Welcher verlohren war.
Der Vater thät auf streiffen
Dem Sohn an seine Hand
Ein silbern Fingerreiffe,
Das sein Bruder vernahm.

12
Der thät zum Vater sagen:
So lang ich bin bey dir,
Hast mir noch kein Bock g`schlagen,
Und dich erfreut mit mir
So dieser Bub ist kommen,
Der das Sein hat verthon,
So hast ihn aufgenommen
Und empfah`st ihn so schön.

13
Da thät der Vater sprechen:
O du mein lieber Sohn,
Du bist bey mir allwegen
Gewest, merk aber nun,
Dein Bruder war gestorben,
Da hatt ich grosses Leid
Er ist lebendig worden,
So hab ich große Freud.

14
Mein Sohn ist wieder kommen,
Den ich lang hatt verlohrn;
Ich hab ihn wieder funden,
Als wär er erst gebohrn.
Merket nun, was thut deuten
Christus mit dieser G’schicht,
Er will damit den Leuten
Geben ein guten B’richt.

15
Wie sie sich sollen kehren
Zu Gott dem Vater schon,
Das will er sie da lehren
Bey dem verlohrnen Sohn.
Der Mensch thät auch nicht bleiben,
Bey Gott in seinem Thron,
Welt, Sünd und Laster treiben,
Sein eignen Willen hon.

16
Es war ihm übergeben
Das ganze Paradeiß,
Der Früchten solt er leben,
Es war bereit mit Fleiß,
Allein war ihm verbotten
Ein Baum und Frucht damit,
Die er hat abgebrochen
Da ihms der Satan rieth.

17
Damit thät er verscherzen
Sein Erbtheil auf einmal,
Das ward ihm leid von Herzen,
Er mußt ins Jammerthal.
Dann er hatt` übergeben
Seins Vaters Haab und Haus,
Das ist das ewig Leben,
Da ward er g’stossen aus.

18
Er kam auf diese Erden
In grosse Angst und Noth,
Da mußt er innen werden,
Was er gehandelt hat.
Also ist er gestorben
In seiner Sünd unrecht,
Darzu mit sich verdorben
Das ganz menschlich Geschlecht.

19
Ein Menschen thu ich nennen,
Doch ist ers nicht allein,
Thut mich also vernehmen,
Sie sinds allsammt gemein,
Die also g`sündet haben
Im Himmel wider Gott,
Als der Prophet thut sagen:
David an einem Ort.

20
All Menschen haben Schulde
Um ihre Sünd vor Gott
So er ihn`n gibt sein Hulde,
Geschichts allein aus Gnad,
Nicht aus Verdienst der Werken
Es ist Barmherzigkeit.
Der Mensch soll also merken
Den Grund und rechten B`scheid,

21
Wie er soll wieder kommen
Zu Gottes Gnad und Huld.
Daß er werd aufgenommen,
Vergeben werd sein Schuld.
Er soll groß Leid und Schmerzen
Ueber sein Missethat
Tragen in seinem Herzen
Die er begangen hat.

22
Und auch mit Fleiß betrachten,
Wie er sein`n Vater Gott
Forthin groß wolle achten,
Und halten sein Gebot,
Auch haben solch Gedanken:
O wär ich nur ein Knecht,
So wollt ich nicht mehr wanken,
Sondern ihm dienen recht.

23
Nach seinem Willen leben
Immer und ewiglich,
Ob er mir gleich thut geben
Kein Erb in seinem Reich.
Dann er ist je ein Herre
Gut und gerecht allein,
Ich bin abtreten ferre
In grosse Sünd unrein.

24
Thät er mich gleich verstossen,
So hätt ichs wohl verschuldt,
Dann ich hab ihn verlassen,
Damit verlohrn sein Huld.
Noch will ich ihm gern dienen
Mit ganzem Ernst und Fleiß,
Ihn ehren und sonst niemen,
Dann ihm gehört der Preiß.

25
So kann der Herr erkennen
Den guten Willen schon,
Und thut wieder aufnehmen
Den Menschen zu ein`m Sohn,
Er will ihm nicht zumessen
Sein Sünd und Missethat,
Sondern ihm ganz vergessen,
Was er begangen hat.

26
Er thut sich sein erbarmen,
Vergibt ihm seine Sünd,
Umfäht ihn mit sein`n Armen,
Freut sich mit diesem Kind,
Welch`s er lang hatt` verlohren,
Daß er es wieder hat,
Daß es ist neu gebohren,
Erlöset von dem Tod.

27
Er thut sich ihm darbieten,
Aus lauter Güt und Gnad,
Daß er ihn woll behüten
Vor aller Missethat.
Deß gibt er ihm ein Zeichen,
Das ist sein heil`ger Bund,
Will ihm sein Nothdurft reichen
Forthin zu aller Stund.

28
Er will ihn auch schön zieren,
Ja mit dem besten Kleid,
Durch seinen Geist ihn führen,
In seiner G`rechtigkeit,
Zu seinem Abendmahle,
Das er bereiten wird
Seinen Heiligen alle,
Die also seynd geziert.

29
Also ist er ang`nommen,
Zu den Heil’gen gezählt,
Darzu mit allen Frommen
Dem Herren auserwählt.
Er thut ihm auch verheissen
Ein Erb in seinem Reich
Das wird er ihm auch leisten,
Immer und ewiglich.

30
Es ist auch Freud im Himmel
Bey Gottes Engeln werth,
Ja über einen Sünder
Der sich wieder bekehrt,
Mehr dann über viel Frommen,
Die nicht dörfen der Buß,
Daß er thut wieder kommen,
Und folgen Christi Fuß.

31
O Mensch! das vernimm eben,
Die Lehr solt nehmen an,
Die dir Christus thut geben,
Bey dem verlohrnen Sohn.
Er ist selber auch gangen
Für deine Sünd in Tod,
Daß er dich möcht erlangen,
Wieder bringen zu Gott.

32
So thu dich zu ihm kehren,
Und laß von deiner Sünd,
Halt was er dich thut lehren,
So bist du Gottes Kind.
Du wirst auch mit ihm kommen
In seines Vaters Reich
Da all Heil`gen und Frommen
Werd`n leben ewiglich.

33
Nun woll`n wir Gott den Herren
Loben zu aller Zeit,
Und seinen Namen ehren,
Bis in die Ewigkeit,
Daß er uns hat thun weisen
Ins Leben aus dem Tod
Drum sollen wir ihn preisen.
Gelobt seyst du, Herr Gott.
Amen.