Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 91. Lied

Ein Lied,
Im Ton: „An Wasserflüssen Babylon. (10)

1
O Menschenkind, vernimm mich wohl,
Ein`n B’richt will ich dir geben,
Wie man den Herren fürchten soll,
Und nach sein`m Willen leben.
Nach seiner Furcht rein solt du stahn,
Daß er die in dich fliessen lahn,
Allhie in dieser Zeite
Wird sie dir bringen die Weißheit,
Verstand und wahre G’rechtigkeit,
Daß du das Böß mögst meiden.

2
Die Furcht Gottes ein Anfang ist
Der Weißheit also reine,
Sie würket Buß in dieser Frist,
Weißheit erkennt alleine,
Was sey wahre Gerechtigkeit,
Dieselb da führt ein Unterscheid
In Gottseligem Leben,
Darein sich schleußt der Heilge Geist,
In dem man hie geheiligt heißt,
Wem Gott die Gab thut geben.

3
Die Furcht auch hie ein Frag gebiert,
In unbekannten Dingen.
Wann ihr der B’scheid gesaget wird
Nimmt sie das tief zu Sinnen:
Geht mit der Weißheit bald zu Rath,
Besicht was sey Leben und Tod,
Bis sie es thut erkennen.
Alsdann nimmt sie den Unterscheid,
Wenn ihr Weißheit Vergwissung geit,
Thuts Leben vom Tod trennen.

4
Aus der Erkenntniß Glauben kömmt,
Desgleichen Lieb darneben.
Die Gab allein von Gott her rinnt
Glaub, Lieb in Hoffnung leben.
Welcher sie hie auch seyn vergwist,
Alles was Gott verheissen ist,
Das wird Gedult einnehmen.
Hast Glaub, Lieb, Hoffnung und Gedult,
Stehst du wahrhaft in Gottes Huld,
Thust sein Herrlichkeit kennen.

5
Die Furcht Gottes in dieser Frist
Würket hie auch ein Peine,
Bis sie das Leben breiten ist,
Von der Sünd machet reine.
Wenn sich die Lieb eingossen hat,
Treibt sie von ihr Furcht, Pein und Tod,
Thut sich zum Opfer geben,
Die Lieb alle Ding überwindt,
Wasser, Feur, Schwerdt sie nit bezwingt,
Ihr g’setzt ist ewigs Leben.

6
Doch thut ein Furcht in dieser Frist
In der Natur beleiben,
Darbey der Mensch erkennend ist,
Die Blödigkeit sein`s Leibes.
Dasselb ihm hie die Ursach geit,
Daß er bleib in der Niedrigkeit,
Wenn er die Blödigkeit findet.
Zu hand er da vor Gott hintritt
Um sein Hilf und Kraft ihn anbitt,
Daß er vor ihm nicht sündet.

7
Also thut die Furcht führen schon
Zu Gottes Weißheit reine.
Dieselb kein Böß läßt rühren an,
Sie bildt vor Warnung eine.
Wann man sie da nicht hören will,
Hält sie mit ihrer Würkung still,
In Fall der Sünd thut geben,
Allda sie von dem Menschen weicht,
So er sich mit der Sünd vergleicht,
Läßt sie ihn darin`n leben.

8
Wer Gottes Gnad empfangen hat,
Und sie wieder verlohren,
Durch seine Sünd kommt in den Tod,
Ist von Gott g’stossen worden,
Daß er sein Gnad nicht hat gehört,
Paulus in seiner G`schrift uns lehrt,
Wer muthwillig thut sünden,
Kein Opfer diesem mehr geschicht,
Sondern ein ernst und streng Gericht
Wird er allein thun finden.

9
Weil er Christum mit Füssen tritt,
Den Geist der Gnaden schändet,
Zu b’sorgen ist, ob er schon bitt,
Gott werd nicht zu ihm wenden.
Dann es sind etlich Sünd zum Tod
Davon Johannes g’schrieben hat,
Dafür nicht sey zu bitten.
Darum bewahr die Göttlich Gnad
Die du von ihm empfangen hast,
Leb steif in ihren Sitten.

10
Einmal da Christus kommen ist,
Allhie auf dieser Erden,
Daß er ein Opfer in der Frist
Vor unser Sünd thät werden.
Wenn er wieder erscheinen wird
Dann wird er suchen reine Zierd
Wo er sie nicht wird finden,
Der wird von ihm verstossen seyn
Zu der ewigen Höllenpein,
Darum daß er thut sünden.

11
Johannes schreibt uns in der Frist,
Welcher in Sünd thut leben,
Derselbig von dem Teufel ist,
Sein Werk hat ihn umgeben.
Christus der Herr auch Zeugniß stellt,
Vom Vater der Lüg uns erzählt,
Der im Anfang thät sünden.
Darum er ihn den Vater nennt,
Die mit der Sünd hie sind verblendt,
Sind alle seine Kinder.

12
Welche hie neu gebohren sind
Aus Gottes Wort so reine
Die nennt Johannes Gottes Kind
Ein Saam bey ihn’n thut seyne,
Derselbig ist die Göttlich Gnad,
Der sich enthält von Sünd und Tod,
Allhie in diesen Zeiten,
Ihr Fleisch mit Christo creutzigt wird,
Daß es sie nicht zu der Sünd führt,
Sie thun sie überstreiten.

13
Dann auch die Weisheit haben will,
Ein G’schirrlein also reine,
Daß sie`s mit ihrer Gab erfüll,
Zu Gottes Ehr alleine.
Welcher da in den Sünden lebt,
Ihrer Würklichkeit widerstrebt,
Da thut sie nicht beleiben.
Sie sucht allein in dieser Zeit
Was stellet nach Demüthigkeit,
Dem thut sie sich einschreiben.

14
Hast du Weißheit in deinem Muth,
So halt sie hoch in Ehren.
Dann sie ist ein gar edel Gut,
Das Leben thut sie bähren.
Die Weißheit ist ein helles Licht
Dardurch man in die Gottheit sicht
Lehrt sein Herrlichkeit kennen.
Sie ist der Heilig Geist allein,
Ein Kraft Gottes lauter und rein,
Laß dir den Schatz nicht nehmen.

15
Wer steif an ihr hält in der Zeit,
Und thut von ihr nicht weichen
Den wird sie zu der ew’gen Freud
Führen in Gottes Reiche.
Sie wird ihn da mit ihrem Schein
Verklären wie die Sonne rein,
Darin`n wird ewig leben.
Darzu helf uns der ewig Gott,
Der alle Ding erschaffen hat,
Dem sey die Ehr gegeben.