Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 87. Lied

Ein anderes schönes Lied.
Im Ton: „Ein veste Burg ist unser Gott, ⁊C. (11)

1
O Herre Gott in deinem Thron,
Du hast zum ersten geben
Dein`m Volk viel Recht und Sitten schon,
Darnach sie sollen leben.
Aber dasselbig alles hast
In zwey verwiest durch Jesum Christ:
Die Lieb das ist
Gegen dir und dem Nächsten.

2
Dasselbig wir vernommen hon
Von Christo unserm Herren
Als er da spricht: das G’setz wird stohn,
Was die Propheten lehren.
Alles erfüllt in zwey`n Gebot,
Das erst, hab Gott von Herzen lieb
Aus ganzem G’müth
Von ganzer Seel und Kräften.

3
Zum andern solt auch lieben thun,
Wie dich selbst, deinen Nächsten.
Alsdann hast du erfüllet schon
Das G’setz und die Propheten.
Dann welcher Mensch hie liebet Gott,
Hält sein Gebot,
Dran wird erkennt, ja welche sind
Die Gott von Herzen lieben.

4
Welcher nun spricht: er liebe Gott,
Und aber nicht thut halten
Mit ganzem Fleiß seine Gebot,
Wird ein Lügner gescholten.
Dann Christus selbst gesprochen hat:
Wer mein Gebot steif halten ist,
Zu aller Frist.
Derselb thut mich recht lieben.

5
Wer Lieb hat, ist von Gott gebohr`n,
Dann Gott ist selbst die Liebe.
Alle die hat er auserkohren,
Die sich darinnen üben.
Die Liebe nimmer fehlen thut,
Sie würkt das Gut,
zu aller Zeit, ist sie bereit,
Zu Gottes Preiß und Ehren.

6
Sie thut dem Nächsten auch kein Leid,
Wie Paulus uns thut lehren,
Sondern ist b`reit zu aller Zeit,
Den Bruder hoch zu ehren.
Sie ist friedsam und freundlich schon,
Mag kein Zorn hon,
Auch kein Betrug, treibt nicht die Lug,
Sondern das Gut von Herzen.

7
Wer diese Liebe nicht empsäht,
Also hond wir vernommen,
Ob er schon allen Glauben hätt
Und redt mit Engels Zungen,
Also daß er all seine Haab
Den Armen gäb,
In dieser Zeit, und seinen Leib
Casteyen ließ und brennen.

8
So er aber die Lieb nicht hat,
Mag ihn das all`s nicht helfen,
Keinen Nutz bringet diese That,
Er ist gleich wie ein Schellen,
Oder ein Erz das gibt sein Ton,
Soll`n wir verstohn,
Gott will kein Werk, das also merk,
Ausser der Liebe haben.

9
Was ausserhalb der Lieb geschicht,
Das mag Gott nicht gefallen.
Derhalben merk auf den Bericht
Welchen im Abendmahle
Christus sein`n Jüngern geben hat,
Ein neu Gebot,
Die Lieb das ist, Herr Jesus Christ
Thät seinen Jüngern sagen.

10
Nun geb ich euch ein neu Gebot,
Das solt ihr halten eben,
Daß ihr einander lieben solt,
Gleich wie ich mich thu geben
Aus Lieb vor euch bis in den Tod
Und grosse Noth,
Also auch ihr solt haben lieb.
Einander herzlich dienen.

11
Werd ihr einander dienen fein,
Wird jedermann erkennen,
Daß ihr mein rechte Jünger seyn,
Ihr solt euch mein nicht schämen,
Ich bin eur Meister und eur HErr,
Folgt meiner Lehr
Was ich euch han aus Lieb gethan,
Thut einander desgleichen.

12
Wer diese Lieb empfangen hat,
Derselbig mag nicht irren.
Sie ist ein reine Gab von Gott,
Läßt sich niemand verwirren.
Dann die Lieb ist das größt Gebot,
Als g`schrieben staht,
Die Liebe bleibt in Ewigkeit,
So alle Ding aufhören.

13
Der Glaube wird aufhören thun,
Die Hoffnung auch desgleichen,
Aber die Lieb wird bleiben stohn
Ewig in Gottes Reiche.
Dann die Lieb würkt ein grosse Freud
Nach dieser Zeit,
Bey Gottes Kind, die alle Feind
Durch Lieb hie überwinden.

14
Durch die Lieb überwunden wird
Teufel, Sünd, Tod, und Hölle.
Wer die Lieb hat, wird nicht verführt,
Gar nichts mag ihn abfällen
Von Gott, als man geschrieben findt,
Lieb überwindt
Auf dieser Erd, bleibt unzerstört,
Niemand mag sie verletzen.

15
Wo sich die Lieb eingossen hat,
Thut sie die Furcht austreiben.
Dann die Furcht hat Pein und auch Noth,
Mag bey der Lieb nicht bleiben.
Dann Gottes Liebe hat kein Pein, Wo sie thut seyn,
Da ist groß Freud, zu aller Zeit,
Macht sie das Leid zu Freuden.

16
So lasset uns nun lieben Gott,
Doch nicht allein mit Worten,
Sondern in Wahrheit mit der That,
Auf Erd an allen Orten.
Laßt uns guts thun den Kindern sein,
Allen gemein,
Gott wird daran Gefallen han,
So wir sein Kinder ehren.

17
Wer sein`n Bruder nicht lieben kann,
Den er bey ihm thut haben,
Wie wollt er dann Gott lieben thun
Im Himmel hoch, dort oben?
Größere Liebe niemand hat,
Dann der da läßt das Leben sein
Vor seine Freund
Als Christus selbst thut sagen.

18
Welcher nun Gott will lieben thun,
Johannes spricht, merk eben,
Der heb an seinem Bruder an,
Und laß für ihn das Leben,
Gleich wie sich Christus geben hat
Für uns in Tod,
Aus Lieb und Gnad, mit seinem Tod,
Und hat vom Tod geholfen.

19
Herr Gott, wir bitten dich gar schon,
Vater thu uns erhören,
Durch Jesum Christ dein lieben Sohn,
Dein Lieb thu in uns mehren,
Zu aller Zeit laß uns daran
Kein Mangel han,
Sondern gib uns dein`r Liebe Brunst,
Daß wirs vollkommen haben.

20
Gegen dir und den Kindern dein,
Aus unsers Herzens Grunde,
Auf daß wir dir gehorsam seyn,
Steif halten deinen Bunde,
Doch dasselb nur aus Lieb allein,
Als Kinder dein,
Nicht um ein Lohn, wie die Knecht thun,
Sondern aus freyem Herzen.

21
Wie dann die Lieb nicht suchen thut,
Was ihren Nutz thut bringen,
Sondern was dem Nächsten zu gut
Kommt, darnach thut sie ringen.
Und auch was recht zu deiner Ehr,
Darum, o Herr!
Begehren wir nicht mehr dann dir
Zu geben Lob und Ehre.

22
Darum du unser Vater bist,
Auch unser Gott und Herre
Ein König g`waltig zu aller Frist,
Darum soll man dich ehren,
Und dir geben mit ganzem Fleiß
Lob, Ehr und Preiß.
Dann es dir g’hört auf dieser Erd
Und auch in Ewigkeite.