Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 72. Lied

Folget ein sehr schönes Lied.
Zu singen Im Ton: „Ewiger Vater im Himmelreich.“ (8)

1
Nun hört mir zu in mein`m Gedicht,
Was ich mit Wahrheit euch bericht.
Es ist ein grosses Klagen,
Daß jetzt in dieser letzten Zeit
Verderben so viel Land und Leut,
Durch göttlich Straf und Plagen.
Die ganze Welt kennt Christum nicht
Sie steckt im Ungelauben,
Der arg Mensch auf das Irrdisch sicht
Mit Wucher, Morden, Rauben.
Darum wird Gott`s Zorn offenbar
Ueber die arge böse Welt,
Die wirft Gott hie und da in G’fahr.

2
Nicht lang nach der Apostel Zeit
Die Christlich Kirch ward ausgereut,
Durch Römische Tyrannen.
Darauf nach der Apostel Wort,
Der Antichrist an allem Ort
Sein Netz hat ausgespannen,
Und drein gejagt das menschlich G`schlecht,
Daß es in Irrthum wandelt,
Man meynt, es sey all`s gut und recht,
Was jeder thut und handelt,
Man fragt nicht nach der Seelen Heil,
Die Welt hat Christum stäts veracht,
Drum wird die Höll ihr End und Theil.

3
Tyrannen sind auf dieser Erd,
Geacht seyn wollen hoch und werth,
Und halten sich vor Frommen.
Der Lehrer auf ihr Seiten ist,
Also spürt man den Antichrist,
Der in die Welt ist kommen.
All irrdisch Schätz hat in sein`r Hand,
Sein`n Dienern thut ers geben,
Der arme Christ leidt Noth und Schand,
Und muß in Hunger leben.
Verfolgt, verworfen und verbrannt,
Es wird der Baum mit seiner Frucht
Am Jüngsten Tag erkannt.

4
Der reich Micheas sitzt sanft und wohl,
Sein Keller und sein Küch ist voll,
Weil er die Hand thut füllen.
Sein Priester, den er hat bestellt,
Der predigt was sein`m Herren g`fällt,
Dann gehts nach ihrem Willen.
Der Lehrer hat sein Speiß und Kleid,
Sein Tempel ist gebauet,
So folgt der Reich sein`r Lehr und B`scheid,
Auf seine Götzen trauet.
Das treiben`s lang und ungeheur,
Bis daß die Welt und ihr Prophet
Wird g’worfen in das ewig Feur.

5
Des Antichrists Propheten all
Essen von dem Tisch Isabel,
Man muß sie reichlich speisen.
Drum lehren sie mit G’walt und Trutz.
Die ihnen halten Schirm und Schutz,
Sie bald vor Christen preisen.
Wer dann nicht ehrt ihr g`mahltes Bild,
Der hat ihr Huld verlohren,
Da werdens ungestüm und wild,
Verfolgen bald mit Zoren.
Die Zaub`rer mit König Pharaon
Trieben durchs Meer die Kinder Gott`s,
Sie müssen drinnen untergohn.

6
Da Christus seine Botten sandt,
Bracht es bald Frucht in manchem Land,
Die Leut die Welt verliessen,
Christum die Wahrheit nahmen an,
Thäten von allem Argen lahn
Mit Besserung und Büssen.
Kommt jetzt ein wahrer Gottes Knecht
Führt Christlich Lehr und Leben,
Und lehrt von Christo wohl und recht,
Man thut ihm widerstreben,
Es hasset ihn die G’lehrten Schaar,
Nennt ihn Zerstörer Israels,
Da folgt dann Gottes Straf und G’fahr.

7
Die Heil’ge Schrift hat vorbedeut,
Daß arg werd seyn die letzte Zeit,
Kein Glaub noch Lieb werd funden,
Falsch Lehrer sind an allem Ort,
Und sagen, Christ ist da und dort
Ihr Lehr hat keinen Grunde.
Drum ist das Himmlisch Brod so theur,
Die Seelen Hungers sterben.
Der Satan herrschet ungeheur
Alles Fleisch muß verderben
In Gottes Zoren und Gericht,
Da kann nur helfen Jesus Christ,
Der uns vorgieng in wahrem Licht.

8
Die Welt ist voll Abgötterey,
Es wird niemand von Sünden frey
Bey ihrem absolviren.
Sie sagen wohl von Gnad und Fried,
Ihr Wort will doch geschehen nit,
Das Volk also verführen.
Man ist doch aller Bosheit voll,
Kein Gott`sfurcht ist vor Augen,
Des Herren Posaun klinget wohl,
Er sendt aus seine Plagen.
Die arge Welt solchs nicht erkennt
Drum folgen wird ein streng Gericht
Im Teutschen Land auch mancher End.

9
All Prediger und hohen G’walt
Ermahn ich hie in solcher G’stalt,
Daß sie sich wohl umsehen,
Und tretten auf ein ander Bahn,
Und nehmen ein Exempel dran,
Wie andern Ländern g`schehen,
Wenn sie in Bosheit sind erstarrt
Gott`s Männer hond verlachet,
So hat sie Gott gestrafet hart,
Mit ihn`n ein End gemachet.
Wer Zeit der Gnaden nicht erkennt,
Und bleibt im Irrsal dieser Welt
Der wird am Jüngsten Tag geschändt.

10
Hiemit will ich erinnert hon,
Daß jeder woll zu Christo gohn,
Und sich zu ihm bekehren,
Der uns jetzt oft gewarnet hat,
Mit Sterben, Krieg und Hungersnoth,
Zur Bess`rung trieb er geren.
Wollt ihr von Sünden nicht abstohn
Und Christum nicht erkennen,
So werdt ihr im Meer untergohn,
Die ihr euch Christen nennen.
Ein jeder von seiner Boßheit wend
Heb auf sein Creutz, folg Christo nach,
Dabey verharre bis ans End.
Amen.
Laus Deo.