Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 62. Lied

Ein Klag=Lied, über die schnelle Gericht und Urtheil.
Im Ton: „Was wird es doch des Wunders noch.“ (9)

1
Christe mein Herr, ich bin ganz ferr
Von deiner Lieb gescheiden,
Der Widerspan theilt mich von dann,
Setzt mich in Angst und Leiden,
Bringt mich in Schuld: Herr gieb mir dult,
Daß ich mög überwinden.
Ich hoff, die Zeit sey nimmer weit,
Es wird sich alles finden.

2
Allein bey dir, o Herr hilf mir,
Steht all mein Thun und Lassen,
Ein armer Mensch, du mich recht kennst,
Der Satan thut mich hassen.
Schaff mir Beystand, löß auf die Band
Der Teufel und der Höllen.
Dein Vater bitt, daß er mich nit
So gar verlassen wolle.

3
Ein rein Gericht verändert nicht,
Was Gott`s Geist thut beschliessen.
Es muß fort gahn, was er faht an,
All` Menschen zeugen müssen.
Wo das nicht ist, rein Urtheil g’wißt
Kein eignen Sinn kann haben.
So mags nicht b`stahn, es ist ein Wahn,
Zerspaltung thut es tragen.

4
Nun merk gar wohl, daß man nicht soll
Schnell und gech Urtheil führen.
Niemand zu Lieb oder zu Leid,
Es will sich nicht gebühren,
Sondern mit Schmerz, es gilt kein Scherz,
Du wirst dich selbst verderben.
Ohn Grund fecht nit, durch Gott ich bitt,
Gedenk du müßt auch sterben.

5
Eh daß du richst, dich wohl besicht,
Kein Schuld auf dich werd funden.
Hast Zeugniß g`hört und biß gewährt
So merk auf Zeit und Stunden,
Und auf die That, ob jemand hat
Mit Grund darwider z`legen.
So merk du schon, obs mög bestohn
Dem Urtheil g’wonnen z’geben.

6
Nimm dir der Weil, nicht übereil,
Hör mit Gedult die Worte,
Was man dir sagt, frey, unverzagt,
Dring niemand gar zu harte,
Aus Bitterkeit thu niemand leid
Fürcht Gott in allen Sachen.
Hat er die Schuld, wart mit Gedult,
Gott wirds mit ihm wohl machen.

7
Ich trau auf Gott, in meiner Noth,
Er wird von mir nicht lenken,
Wer wid`r mich ist zu dieser Frist
Wird sich wieder bedenken.
Was er hab thon, wird nicht bestohn,
Es muß offenbar werden
Wo der Grund liegt, o Mensch erwiegt!
Wohl hie auf dieser Erden.

8
Unzeitig Straff nur Unfried schafft,
Das hab ich oft erfahren
Wird nicht durch Gottes Geist betracht,
Bringt nur der Seelen Schaden.
Ung`wisses Ziel, macht Spaltung viel,
Die Frucht thut draus entspringen,
Dran wird erkennt kein gutes Kind,
Der Baum muß gar verbrennen.

9
So bitt ich doch, Gott woll uns noch,
Und alle die`s begehren,
Mit ihm seyn eins, daß deren keins
Wohl hie auf dieser Erden
Zur Straf behalt, von hinnen spalt,
Sondern wollst hie ablegen,
Mit seinem Theil, Gnad, Fried und Heyl
Woll Gott durch Christum geben.

10
Fechten und Streit, zu dieser Zeit,
Ist unser Ritterschafte,
Mit unsern Feind, der`r gar viel seynd,
Durch Göttlich Hülf und Krafte,
Zu Preiß und Lob, dem der dort ob
Im ewigen Licht thut wohnen.
Der woll behend am letzten End
Unser aus Gnad verschonen.
Amen.