Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 58. Lied

Ein ander schönes Lied. Von Othmar Rot, von St. Gallen, im Jahr 32 gedicht.
Im Ton: „Der Unfall reut mich ganz und gar. (9)

1
Mensch! wilt du nimmer traurig seyn,
So fleiß dich recht zu leben
Die Sünde bringt ewige Pein,
Darwider muß man streben.
Ueb dich mit Ernst, daß du recht lernst
Dich selbst am ersten kennen.
Dein Herz mach rein, und acht dich klein,
So mag man dich groß nennen.

2
Sich selbst erkennen, ist dem schwer,
Der andern gern nachredte.
Gedächt er vorhin, wer er wär,
Fürwahr er solch`s nicht thäte.
Sieh dich selbst an, laß Jedermann,
Ohn Nachred, schweig dein Munde,
Daß nicht am End du werdest g`schändt,
In ein`m unrechten Grunde.

3
Wie du missest, so mißt man dir
Wie Christus hat gesprochen,
Er ist gerecht, thut dir wie mir,
Kein Sünd bleibt ungerochen.
Darum fürcht Gott, halt sein Gebot,
Kein Guts läßt er unbelohnet,
Bitt ihn um Gnad, gleich früh und spat,
Daß unser werd verschonet.

4
Die Sünd zu meiden ist uns noth,
Wollen wir selig werden,
Dann fleischlich g’sinnet ist der Tod.
Wie Paulus uns thut melden.
Verlaß die Welt, Haab, Gut und Geld,
Wer stäts gedenkt ans Sterben,
Der hat zuletzt, erwählt das best,
Christ thut uns Gnad erwerben.

5
Die Buß=Würkung in dieser Zeit
Ists allerbeste Vortheil,
Zu überwinden in dem Streit,
Eh man hört das letzt Urtheil.
Wer das veracht, und nicht betracht,
Muß schwere Rechnung geben.
Er seh` sich für, daß ihm die Thür
Nicht werd versperrt zum Leben.

6
Kein bleibend Statt hond wir allhie,
Steht uns wohl zu bedenken.
Weiß auch niemand, wann oder wie
Der Tod ihn werde kränken.
Er wohnt uns bey, wir sind nicht frey
Ein Augenblick zu leben.
Dem Fleisch ist schwer, merk Knecht und Herr,
Wem Gott`s Hülf nicht wird geben.

7
Wer Gott liebt und seinen Nächsten,
Dem dient all Ding zu gute,
Es sey gleich Glück oder Bresten,
Durch G’dult empfaht gleich Muthe.
Er gibt und nimmt, wie es sich ziemt,
Ist redlich in all`n Sachen,
Er redt und lehrt, wie er begehrt
Ihm selbst sein Ding zu machen.

8
Dann wer hie lebt in der Wahrheit,
Den will Gott nicht verlassen,
Er ist uns zu erhören b`reit,
So wir der Sünden hassen.
O Jesu Christ! dein Geist der ist
Ein Tröster unser Armen,
Verlaß uns nit, durch dein Vorbitt,
Thu dich unser erbarmen.

9
Darbey will ich beschlossen hon
Allhie diß mein Gesange,
Ich halt, man soll mich recht verstohn,
Niemand säum sich zu lange,
Die Axt ist b`reit, an die Wurzel g`leit,
Thut uns Johannes sagen,
Siel Jahr sind für, näher sind wir
Gegen dem letzten Tage.
Amen.