Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 53. Lied

Ein ander Lied vom Lazaro, wie er vom Tod erwecket ward.
Im Ton: Ewiger Vater im Himmelreich. (8)

1
Ach Gott! verleih mir dein Genad
Daß ich die große Wunderthat
Mit Freuden mög verkünden,
Durch unsern Herren Jesum Christ,
Als im Johanne b’schrieben ist,
Am elften wir es finden.
Es liegt ein Stadt in Judea,
Wie ich das hab gelesen,
Dieselbig heißt Bethania,
Da Lazarus gewesen,
Derselb ein Jünger Christi was.
Wie es ihm aber weiter gieng,
Nun höret mich vorbaß.

2
Er ward gar krank bis auf den Tod.
Da er war in der letzten Noth,
Gar bald thät er da senden
Bis in die Stadt Jerusalem,
Zum Herren daß er zu ihm käm,
Sein Leben wolt sich enden.
Jesus verzog dieselbe Fahrt
Von wegen der Umständen.
Viel Volks da zu ihm kommen war,
Aus allen Städt und Länden
Wie uns die Schrift vermeldet klar,
Daß Gottes Kraft und Herrlichkeit
Solt werden offenbar.

3
Da nun der ander Tag erschien,
Da hatt der HErr ihm auch dahin
Zu ziehen vorgenommen,
Indem das Volk zum Herren sprach:
Bist du nicht vor in Ungemach
Mit diesen Juden kommen?
JEsus ihnen zur Antwort gab,
Redt von dem rechten Grunde,
Warlich erschröcket nicht darob,
Es sind des Tags zwölf Stunde,
Welcher darinnen wandlen wird,
Der hat das Licht der ganzen Welt,
Daß er sich nicht verirrt.

4
Das Urtheil Gottes keiner kannt,
Das macht ihr grosser Unverstand,
Daß sie ihn wollten straffen.
Da er sie in der Meinung b`richt,
Noch weiter er zu ihnen spricht,
Und sagt, er ist entschlaffen:
Darum ich zu ihm ziehen will,
Und will ihn auferwecken,
Damit ich Gottes Werk erfüll,
Mein Hand will ich ausstrecken,
Ein grosse Menge mit ihm gaht.
Die Wort die er mit ihnen redt,
Ihr keiner nicht verstaht.

5
Als sie vom HErren hörten das,
Daß Lazarus entschlaffen was
Da sprachen sie mit Freuden
Sein Sach noch besser werden möcht.
Jesus sagt ihn`n die Meinung recht,
Und sprach: Er ist verscheiden:
Deß bin ich gar von Herzen froh,
Daß ich nicht war zugegen.
Darum ich auch so lang verzog,
Allein von eurent wegen,
Wie ihr vorhin von mir gehört,
Daß Gottes Kraft und Herrlichkeit
Durch mich gepriesen würd.

6
Als er nah zu dem Flecken kam,
Und Martha diese Red vernahm,
Da lief sie ihm entgegen.
Maria nur daheime saß,
Und auch in grossem Jammer was,
Von ihres Bruders wegen.
Die Martha war in Kümmerniß,
Und auch in Herzenleiden,
Um ihren Bruder Lazarus
Daß er da war verscheiden.
Als sie Christum den HErren sach,
Von Stund an ihm entgegen lief,
Hört wie sie zu ihm sprach:

7
Ach Herr! den Glauben hab ich vest,
Und wärest du vor hie geweßt,
So wär er noch bey Leben.
Doch weiß ich wohl in meiner Noth,
Was du begehrst von deinem Gott,
Dasselb wird er dir geben.
JEsus gab ihr zur Antwort schon:
Das sag ich euch fürwahre,
Dein Bruder der wird auferstohn,
Dann wird dir offenbare
Jetzund in deiner grossen Noth,
Daß alles steht in Gott`s Gewalt,
Beyd Leben und der Tod.

8
Jesus noch weiter redt mit ihr
Ich bin fürwahr, das glaub du mir,
Die Urständ und das Leben.
Jetzund erkenn ich, daß du bist
Unser Heyland, Herr Jesu Christ
Der uns von Gott ist geben.
Indem sie ihrer Schwester rief,
Als sie das hätt` vernommen,
Daß sie aufstund und eilend lief:
Der Meister wär schon kommen.
Er ist auch selbst persönlich hie,
Da sie zum Herren Jesu kam,
Fiel sie auf ihre Knie.

9
Den HErren sie gar hoch empfieng,
Der Unmuth ihr zu Herzen gieng,
Fieng an gar heiß zu weinen.
Ihr ganze Freundschaft bey ihr was,
Nachdem sie hörten alles das,
Da weinten sie allg`meinen.
Aus Liebe ward sein Herz bewegt,
Gedult mit ihn`n zu tragen,
Und fragt: Wo ist er hingelegt,
Und wo ist er begraben?
Er erzeigt sein` Barmherzigkeit,
Die Augen thäten ihm übergohn
Aus grossem Herzenleid.

10
Sie führten ihn mit großer Klag,
Da Lazarus begraben lag.
Da sie daselbst gefunden
Ein großen Stein auf seinem Grab,
Hieß Jesus den da wälzen ab.
Die Martha sprach zur Stunden:
Niemand ihm jetzt mehr helfen mag,
Vor Leyd möcht ich versinken,
Dann er liegt jetzt am vierten Tag,
Und fängt schon an zu stinken,
Darum bemüh dich nicht so sehr,
Ein kleine Hoffnung hab ich mehr,
Daß er kommt wieder her.

11
Nein, sprach der Herr, sey unverzagt,
Gedenk was ich dir hab gesagt,
Wenn du an mich wirst glauben,
So wird dein Bruder auferstahn,
Daran solt keinen Zweifel han,
Gott wird dich hoch begaben.
Er wird sein Kraft und Herrlichkeit
In dieser Stund beweisen,
Darum wir ihn in unserm Leid
Derhalben wollen preisen.
Den Stein legten sie an ein Ort,
Der Herr sah bald gen Himmel auf,
Sagt nur ein einig Wort.

12
Also sagt er mit lauter Stimm,
O Lazare, sprach er zu ihm,
Steh auf zu dieser Stunden.
Da er nun diese Wort vernahm,
Gar bald er zu ihm ausser kam,
Sein Händ waren gebunden.
In Leinwand war er ganz bekleidt,
Und rund umher behangen,
Gleich wie man eins zum Grab bereit,
Also kam er gegangen.
Jesus da seine Jünger hieß,
Daß sie ihn solten binden auf,
Daß man ihn ledig ließ.

13
Also endet sich die Geschicht
Als mich die Heil`ge Schrift bericht,
Und mir Verstand hat geben.
Hört welch ein Wunder da geschach,
Sobald der Herr das Wort aussprach,
Da hat er schon das Leben.
Also hat Gott sein Göttlich Kraft
Vor allem Volk beweiset.
Darum er diese Ding erschafft,
Daß Gott drinn würd gepreiset.
Dabey erkenn ein jeder Christ,
Daß Jesus Christus Gottes Sohn
Allein das Leben ist.