Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 47. Lied

Ein schönes Lied vom Sommer und Winter, mit geistlicher Erklärung.
In seinem eigenen Ton.

1
Der Winter kalt, rauh ungestalt,
Hat sich gewendt, kommt an ein End,
Das bringt den Menschen Wonne.
Die Lerch sich schwingt, ihr G’sang erklingt
Mit Freuden=Schall laut überall,
Holdselig leucht die Sonne.
Uns bricht herfür des Sommers Zeit,
Mit Lieblichkeit so süssen,
Daß alle Frücht der Erden geit,
Daß man ihr mag geniessen.
Kraut, Laub und Gras, in rechter Maaß,
Die Bäum ihr Blüth erzeigen,
Die Reben g’winnen Augen schön,
Ihr Frücht zu geb`n.
Der Ackerbau, wächst her aufs neu,
Thut uns den Sommer zeigen.

2
Die Winterzeit das G’setz bedeut,
Darinn so hart gefroren ward
Die Frucht Göttlicher Gnaden.
Kalt rauh erfror`n, durch Gottes Zorn,
War Menschenkind, in Schuld und Sünd
Kein Frucht mocht da gerathen,
Bis zu der Sommers=Zeit Anfang,
Der uns doch ward verheissen.
Die Lerch sich durch die Wolken schwang,
Mit süsser Stimm und Weise,
Durch Gabriel in Freudenschall,
Und lieblich Melodeyen,
Spricht zu der edlen Magd mit Gier,
Gott ist mit dir
Du wirst ein Sohn gebären thun,
JEsus der soll sein Name seyn.

3
Von Himmel Brunn, die Gnaden Sonn,
Christus der Hort durchs Vaters Wort,
In leiblicher Gestalte
Den Zoren wild des Vaters stillt,
Am Creutze starb und Gnad erwarb,
Vertrieb den Winter kalte.
Dann Christus ist des G`setzes End
Dem der an ihn thut glauben.
Sieh wie der Sommer zu uns wend
Mit mildiglichen Gaben,
Schleußt auf die Erd, erfroren hart
Des Menschen Herz und Muthe,
Mit Gnad und Liebe er durchweicht,
Mit Gnad durchleucht,
Dardurch ers macht, mild und geschlacht,
Zu vollbringen das Gute.

4
Zuvor sendt in den Weinberg sein,
Die Ackerleut, daß mans ausreut
Die Dorrenbüsch dergleichen,
Stöck, Stein und Blöck räumt aus dem Weg
Die Büchel krumm, läßt graben um,
Und die Thäler einstreichen.
Zu hauen von den Bäumen ab,
Was da verdorben seye,
Desgleichen zu der Wurzel grab,
Mit allem Fleiß und Treue,
Ob sie hab Saft, nicht sey schadhaft,
Um die Weinstöck zu bauen,
Darnach die Reben binden an
Das Böß davon
Zu schneiden fort, was sey verdorrt
Und all`s aufs neu erbauen.

5
Des HErren Knecht treu und gerecht,
Seyn die Bauleut, in Gnaden=Zeit,
Die uns das Heil verkünden.
Zuvor die Buß der Mensch han muß.
Sie zeigen an, was Gott will han,
Sie mahnen ab von Sünden,
Des Menschen Herz suchen mit Fleiß,
Ob es nicht sey beflecket
Mit Disteln, Unkraut, Laub und Reiß,
So sich da hat verstecket
Im Winter kalt, Unglauben alt,
Darinn wir lagen starren,
Eh uns Christus recht war bekannt.
All`n Unverstand
Und falschen Wahn, hinweg zu thun,
Sie gar kein Fleiß nicht sparen.

6
Zu Gottes Lob, der Mensch sehr grob
Wird zubereit durch solch Arbeit,
So giebt Gott sein Gedeyen,
Ihm sey die Ehr, sonst keinem mehr,
Er legt den Grund, ihr Herz und Mund,
Aus väterlichen Treuen,
So wir ihm treulich halten hin,
Und eigner Will nicht trutzet,
Vom Tod erlößt, durch Gott getröst,
In Christo auserkohren,
In ihm ist alles worden neu,
Ein Christ darbey,
Wird klar erkennt, wer sich abwendt,
Wird durchs Wort neu geboren.

7
Nicht mehr dem Fleisch, sondern im Geist,
Lebt er in Zucht, bringt geistlich Frucht,
In dieser Gnaden Zeite.
Gedult mit Gier, grünet herfür
Hoffnung, Lieb, Treu, wächst mancherley,
Solch Frücht der Sommer geite.
O Herr Gott hilf, daß wir nicht träg
Die Sommer Zeit verzehren,
Sondern einsammlen alleweg,
Daß wir uns mögen nähren
Geistlicher Weiß. Lob, Ehr und Preiß
Sey deinem heil’gen Namen,
Der du aus Gnad uns hast erwählt,
Und dargestellt,
Hilf daß wir Nutz, und alles Guts
Schaffen durch Christum.
Amen.