Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 45. Lied

Ein neu geistlich Lied, darin sich ein Nachfolger Christi klagt, so ihn die Trübsal um des Worts willen troffen hat: Der Herr antwortet ihm fanftmüthig, mit Erzählung, wie es ihm in dieser Welt auch ergangen sey.
Im Ton: Eins Morgens früh vor Tag, als ich erwacht. (15)

1
Es b`gab sich auf ein Zeite,
Als ich vertrieben war
Sank ich in Traurigkeite,
Als ich ausging von Weib und Kind,
Es regnet sehr und weht der Wind.

2
Ich gieng fürbaß mein Strassen,
Zeigt Gott mein Kummer an,
Er sollt mich nicht verlassen,
Mein Herz ließ viel der Seufzer groß,
Viel manche Thränen ich vergoß.

3
O Höchster Schöpfer meine,
Du gabst mir Leib und Seel,
Ein Weib und Kinder kleine,
Die ich solt ziehn und lehren,
Mit meiner Hand ernähren.

4
Dabey will mich nicht lassen
Die weltlich Obrigkeit,
Kränkt mich über die Massen,
Mein Kind die so zerstreuet gohn,
Und ander Leut beschweren nun.

5
Kein Frevel ich begienge,
Darum mir das geschicht.
Ein Antwort ich empfinge,
Wer einen Bau will heben an,
Soll ihn vor übersummen thun.

6
Ich hab mich dir ergeben,
Mit allem das ich hab,
Im Willen dein zu leben.
Darum hat mich die Welt verjagt,
Mich wundert sehr; Gott weiter klagt:

7
Herr! wer thut deinen Willen,
Und steht von Sünden ab,
Dem du es hilfst erfüllen,
Das dünkt mich doch so gar unrecht,
Daß die Welt solchen Menschen schmächt.

8
Wiewohl mir viel gebrichte,
Und hab es wohl verschuldt,
Was mir von ihm geschichte.
Dann ich gar ungezogen bin,
Rath mir, o Gott! wo soll ich hin.

9
Die Lotter und die Buben,
Und Vögel hond ihr Nest,
Die Füchs hond ihre Gruben,
Des Menschen Sohn war deß beraubt,
Hatt` nicht, darauf er legt sein Haupt.

10
O Gott, ob allen Dingen
Wär das meins Herzens Wonn,
Dein`n Willen zu vollbringen,
So ich darum verwirket hon,
Mein Haab und Gut verbotten lon.

11
Gewalt den mußt ich leiden,
Spricht Christus unser Herr,
Unter Jüden und Heiden,
Um meinen Rock warf man das Looß,
Sie machten mich nacket und bloß.

12
Sehr thut mein Herz betrüben,
Wo ich zum Land aus gang,
So kommen Brief geschrieben,
Man soll mich g`fänglich nehmen an,
Als hätt` ich einen Mord gethan.

13
Sie haben mich gefangen,
Als einen bösen Mann,
Mit Spiessen und mit Stangen.
Von Dorn ein Kron ward mir bereit,
Ins Angesicht ward ich gespeyt.

14
Mir sind die Predicanten,
O Herr, so grimm und gramm,
Komm ich zu mein`n Verwandten,
So richt ich bald ein Trauren an,
Bey mir sich fürchtet jedermann,

15
In meinem Eigenthume
Ward ich nicht g`nommen an,
Die Schriftg`lehrten unschame,
Ließen mich creutzigen in Schmach,
Viel Wunder groß durch mich geschach.

16
O Herr, wenn ich thu klagen
Mein Kummer und Trübsal,
Thut man herwieder sagen,
Es sey um mich ein böser Streit,
Dunkt mich besser dann ander Leut.

17
Am Creutz klagt ich ihn`n allen,
Ein Trunk von ihn’n begehrt
Man both mir Eßig Gallen,
Spöttlicher Weiß schrie jedermann,
Bist du nun Gott, so steig darvon.

18
Ein Schwärmer man mich nennte,
Darzu ein Schwindelgeist,
Von aller Welt geschändte.
Sprechen, wenn ich die Wahrheit redt,
Warum ich nicht auf d` Canzel trät?

19
Ein Teufel mußt ich seyne
Doch sagt ich euch zu Stund,
Ihr solt das Heil`gthum meine Matth. 10, 7.
Nicht werfen zu den Hunden hin
Noch eure Perlen vor die Schwein.

20
Geh ich in stillem Wesen, Galat. 1.
Oder zu deiner G’mein, Matth. 5, 10. 24.
Absonder mich vom Bösen,
So werd ich alsbald ausgerüfft
Als der ich in die Winkel schlüpff.

21
Wilt du der Welt gefallen,
Magst nicht mein Diener seyn. Marc. 8.
Warlich, ich sag euch allen, Luc. 6. Joh. 15. 16.
Die mir recht wollen folgen nach,
Den`n wird es gehn, wie mir geschach.

22
Das glaub ich dir, o Herre.
Weil ich ein Spieler war,
Trieb viel der Laster schwere,
Konnt ich in aller Welt bestahn,
Jetzt bin ich ein so böser Mann.

23
Von mir die Pfaffen sagen Johannes 11.
Der Welt, die ihn`n hört zu,
O Obrigkeit! sie klagen,
Brauchs Schwerdt, diß Volk ausreut,
Es sind auf Erd nicht bös`re Leut.

24
O Oberkeit hab Achte,
In Treuen warn ich dich, Esaj. 5. Jere. 27.
Was Pfaffen hond erdachte, Ezech. 13.
Sie wolten gern unschuldig seyn Hosea 6.
Des Christenbluts, dich mischen drein.

25
Sie haben mich thun zählen
Unter die Mörder Schaar,
Die Schriftgelehrte G’sellen.
Barrabas ward ledig erkennt Matth. 29.
Ich aber ward ans Creutz gehenkt.

26
O Gott! wer mag aussprechen
Dein inbrünstige Lieb
Ein Herz möcht drob zerbrechen,
Daß man dir so hart wider ist,
Und du uns noch so gütig bist.

27
Ich bin zwar gütig immer,
Doch werd ich straffen hart,
Dort ewiglich und immer
All die nicht bleib`n in meiner Lehr,
Kein Titel vom G’setz fällt nicht mehr.

28
Verleih mir Herr Gedulte,
Mag es nicht anders seyn,
Verzeih die Sünd und Schulde
Allen die mich thun hassen an,
Mein Weib und Kind nicht achten thun.

29
Ich hätt dir viel zu sagen,
Vor Trauern ich nicht mag,
Mein Herz thut Seufzer schlagen,
Kam in ein`n Wald und setzet mich,
Klagts Gott und weinet bitterlich.

30
O Gott, thu mich erretten
Mit samt deiner Gemein,
Vor den falschen Propheten,
Die mir stellen nach meiner Seel,
Strick sind gelegt, komm wo ich will.

31
HErr thu gnädig behüten
Mein Weib und kleine Kind,
Bitt dich in deiner Güten,
Sey ihr in Gnaden eingedenk,
Ists dein Will, sie mir wieder schenk.

32
Hast du auf mich gebauen,
So will ich dich erretten.
O Gott ich hab Vertrauen,
Leb in Trübsal der Hoffnung schon.
Glück wünscht Hans Büchel jedermann.