Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 28. Lied

Ein ander Marter=Lied von vier Personen zu Mastricht Anno 1570 getödtet.
Im Ton: „Entlaubet ist der Walde.”
Oder: „All die ihr jetzund leidet Verfolgung ⁊c. (7).

1
Nun hört, ihr Freund ehrsamen,
Wie daß das Häuflein klein
Bezeuget Gottes Namen,
Die rechte Wahrheit rein.
Es steht also geschrieben
In Gott`s Wort überall,
All die gottselig leben,
Man nie verfolgen soll.

2
Ein jeder mag zuhören,
Der offne Ohren hat
Wie vier Freund auserkohren
Zu Mastricht in der Stadt
Bezeugt mit ihrem Blute
Ihren Glauben so fein,
Fromm waren sie von Muthe,
Deß werd ihr hören schein.

3
Als man, wie ich besinn mich,
Schrieb neun und sechzig Jahr,
Novembris vier und zwanzig,
Um die zwölf Uhren klar,
Des Nachts ist umgegangen
Der Bürgermeister stolz,
Und wüthende gefangen
Ein’n Bruder, hieß Arnold.

4
Den thät er mit sich leyten
Aufs Rathhaus in der Nacht.
Gleich ein Stund thät er beyten,
Da gieng er fort mit Macht,
Um zwey Fräulein zu holen,
Die er erstmals ließ frey;
Fieng darnach drey zu malen,
Da war eins kommen bey.

5
Bis Morgens sie da waren
Alle zusammen froh,
Sie führten kein Beschwären,
Trösten einander so,
All mit dem Wort des Herren,
Darauf sie hatten baut,
Gottes Lob zu vermehren,
Stund ihr Begier betraut.

6
Vor den Herren gemeine
Jede den Glaub bekannt,
Die rechte Wahrheit reine,
Und sprachen mit Verstand,
Wie viel ihn`n war gegeben
Nach Gottes G’lübde gut,
Durch seinen Geist erheben,
Darnach man sprechen thut.

7
Schnell ohne langes Beyten
Anseht ihr bös Vorspiel,
Sie thäten Urseln leyten
Aufs Dinghaus mit Unwill,
Darum daß sie nicht wollte
Verwilligen das Böß
Dräuten sie ihr ohn Schulde
Die Pein und Marter groß.

8
Sanftmüthiglich von Sinnen
Thät sie`s ertragen all,
Das ewig Gut zu g’winnen
Begehrt sie in dem Fall.
Ihr Mann Arnd desgleichen
Geführt wird auf die Pfort,
Daß man ihn thät abweichen,
Braucht man viel Schmeichelwort.

9
Sein Frau war alt von Jahren,
Wohl fünf und siebenzig,
Darzu in dem Beschwaren
Noch frisch und lebendig,
In ihrem Glauben kräftig,
Der in ihr hat gewerkt.
Lob sey dir, Gott Allmächtig,
Daß du sie so gestärkt.

10
Leiden sah man sie beyde,
Sie und ihr liebes Kind
Gar freulich zubereitet,
Tratens dahin geschwind.
Da hat Ermgen gesungen
Gehend über die Straß,
Durch Freud darzu gedrungen,
Die sie bewieß mit Maaß.

11
Nach dem Dinghaus sie mußten
Beyde zusammen gahn.
Ihr`n Glauben zu verwüsten,
Hielten die Herren an,
Mit Mönchen und mit Pfaffen,
Auch Hochgelehrten stäht,
Gott hat behüt sein Schaafe,
Wohl für den Wölfen fred.

12
Erstmals da sie begunnen
Mit Arnd, dem lieben Mann,
Der noch hat überwunden,
Dennoch sagt man davon,
Daß er gepeinigt worden
Sechs oder sieben mal.
Um sein Seel zu ermorden,
Thät man solch`s principal.

13
Ursel, seine Hausfraue,
Mußt zweymal auf die Bank,
In der Pein doch getreue
Blieb sie ihr Lebenlang.
Diß g`schah in zweyen Tagen,
Merkt wohl auf diß Geschicht,
Es wär schwerlich zu tragen,
Der Herr machts aber leicht.

14
Lob sey dem Herren geben
Davon zu aller Zeit.
Es ist doch nicht geblieben
Bey dieser Pein und Speit,
Dann in kurzem Termine
Hat sie noch eins geschmeckt
Von diesem sauren Weine;
Den süßen Gott ihr reckt.

15
Knüpfen sah man ihr Hände,
Zusammen binden fest,
Dahinten an dem Ende
Der Henker hielt das letzt,
Und hat sie von danieden
Der Erden aufgelößt,
Ihr das Hemd aufgeschnitten,
Und ihren Rück entblößt.

16
Und geisselt sie unmäßig,
Ist das nicht große Klag?
Mit Ruthen überflüßig,
Zweymal auf einen Tag.
Man sagt von diesem Speite
Der diesen Rath so gab,
Das war ein Jesuite,
Der sie wollt führen ab.

17
Neelgen nun alt in Süchte,
Zur Pein ward hingeleyt,
Das mußt seyn ihr Gerichte.
Da sie nun hört Bescheyd.
Auf die Bank ist gelegen,
Ist ihn`n doch nichts geschieht.
Man thät frey zu ihr sagen,
Diß ist ihr erste nit.

18
Triengen ihr liebe Tochter
Und Schwester in dem Herrn,
Wird auch durch den Versucher
Gepeint gar hart und schwer
Da wird sie abgenommen,
Und auf ein Bett gethan,
So bald sie zu sich kommen,
Mußt sie noch eins daran.

19
Sie ward gepeinigt schwärlich,
Voraus auf dieser Bahn,
Da rief sie offenbarlich:
O Herr, wollst mir beystahn,
Und meinen Mund bewahren.
Ihr Gebet ward erhört,
Ihr Brüder zu befahren,
Tragen sie wenig Wort.

20
Ich lob (sprach sie) den Herren,
Da sie nun war gepeint,
Ihr Mutter war nicht ferren
Verborgen, wie es scheint.
Als sie ihr Tochter hörte,
Sprach sie: Ist das mein Kind?
Ja Mutter, sie antworte
Und küßten sich geschwind.

21
Im siebenzigsten Jahre
Gleich auf den neunten Tag,
Wird Urseln offenbahre,
Und Arndten, da er lag,
Daß man sie sollt verbrennen.
Jedes an einem Stock.
Als sie das hond verstanden,
Sind sie doch nicht verschrock.

22
Sie waren nur voll Freude
Denselben Tag und Nacht,
Mit Gottes Lob all beyde
Hond sie den Tag verwacht,
Herzlich thät sie verlangen,
Bis komm der Lösungs=Tag,
Zu gehn in Christi Gangen.
Wie man des Morgens sach.

23
Kommen ist da ein Bothe
Zu Urseln mit Befehl,
Derselb hat ihr das Gute=
Sprechen verboten schnell,
Von seiner Herren wegen,
Die da waren present.
Ihr müßt keins Ruffens pflegen,
Sprach er, im Geh’n zum End.

24
Kenntlich und offenbahre
Sprach Ursel zu der Stund,
Vor den Herren all gare:
Mag ich aus Herzens Grund
Nicht ein klein Liedlein singen,
Reden von Gottes Wort?
Und da sie`s wollt vollbringen,
Haben sie`s dran verstört.

25
Und sprachen: Wir nun rauchen,
Was sie hat in dem Sinn;
Drum Henker, wollst gebrauchen
Dein Instrument an ihn`n,
Wie dir dann ist befohlen.
Da stopft er ihn`n den Mund
Mit ein`m Holz unverholen,
Ein Tuch er drüber bund.

26
Als man sie nun solt leiten
Vom Dinghaus, ‚s Volk zulief,
Triengen mußt droben beyten,
Durchs Fenster aber rieff
Vom Dinghaus, das ist kennlich,
Und hat zur Urseln geschreyt,
Lieb Schwester streit doch männlich,
Die Kron ist dir bereit.

27
Da ist Ursel gekommen
Nach dem Freyhoff gegahn,
Die Sprach war ihr benommen,
Deß weynet mancher Mann,
Thäten darüber klagen.
Ursel stieg auf mit Sputh,
Ins Häuslein ohn Verzagen,
Wie ein Schlacht=Schäflein gut.

28
Den Mund sie ihr verbunden,
Wie der Frauen geschach.
Kein Böß sie an ihr funden,
Desgleichen man nicht sach.
Dieb, Mörder läßt man sprechen,
Was ihnen nöthig ist,
Aber den Gottes Knechten
Wehrt mans zu aller Frist.

29
O Gott! da mußt geschehen
Das Brandopfer bequem,
Welch`s nach Pauli gebieten
Vor Gott ist angenehm.
In denselbigen Tagen
Ward ihr Mann auch verbrennt,
Sah fröhlich ohn Verzagen,
In seinem letzten End.

30
Auf den Plan stieg er fröhlich
Da er sein G’bet erst thät,
Als das geschehen endlich
Stund er auf von der Stätt,
Und gieng zum Häuslein innen,
Sein Kleider abgelegt.
Der Stadtvogt böß von Sinnen
Zum Henker hat gesagt:

31
Fahr fort mit dein`m Betreiben.
Da ward das Feur gestocht,
Wie Moses thut beschreiben,
Das Opfer wird gekocht.
Zum Rauchwerk unsers Herren
Ward er verordnet fein,
Die Kron der ew’gen Ehren
Wird nun sein eigen seyn.

32
Ein fröhlich Bothschaft werthe
Kriegten die andern zwo,
Ermgen die sehr begehrte,
Deß war auch Triengen froh,
Daß sie auch mußten sterben,
Und gehn denselben Gang,
Um die Kron zu erwerben,
Ward ihn`n die Zeit zu lang.

33
Ruh suchten sie dort oben,
Bey ihrem Vater fein,
Der sie nun ließ beproben,
Als liebe Kinder sein,
Nicht über ihr Vermögen,
Welch`s ist erschienen klar,
Er thät ihn`n Hilf zufügen,
In ihrem Leiden schwär.

34
Wunderlich sie verbleyten,
Waren froh all die Nacht,
All Trübsal stund zur Seiten
Haben den Tag verwacht.
Da hat mans auch thun binden
Mit Holz den Mund verstopfft,
Und diese zwo Gefründen
Auch mit ein`m Tuch verknüpft.

35
Nach dem Freythoff sie giengen
Mit einem guten Muth
Da man sie solt umbringen,
Triengen arbeit mit Sputh
Fleißig mit ihren Händen
An dem das knüpffet war,
Da sie auflößt die Bänden,
Und redet offenbar.

36
Und weil sie nun dermassen
So sprechen solt und rieff,
Wolt mans ihr nicht zulassen,
Darum der Henker lieff,
Daß er ihr solchs verletzet,
Sein Hand auf ihren Mund
Mit allem Fleiß er setzet,
Wieß sie ins Häuslein rund.

37
Nun sind sie abgescheiden
In Frieden alle gar.
Ein wenig sie nur beyten,
Wohl unter dem Altar.
Sie werden nun mit zarten
Kleideren seyn bekleidt,
Und noch ein wenig warten,
Die Kron ist ihn`n bereit.

38
Liebe treibt uns ihr Herren,
Das nehmt uns nicht vor Quat,
Wie wir euch heut erklären
Diese schändliche That,
Ein recht G’richt solt ihr halten,
Das lehrt euch Gottes Wort,
Welch`s ihr nicht solt verhalten
Dem der es gerne hört.

39
O weh dem Potentaten!
O weh der grossen Rott!
Weh denen die da rathen
Zu dieser Missethat,
Und sich doch Christen rühmen,
O weh der grossen Schand!
Euch soll nicht Wunder nehmen,
Warum Straf kommt ins Land.

40
Werd ihr die Ding nicht büssen,
So werd ihr allesammt
In kurzem sterben müssen,
Das merk, o Niederland!
Ihr Fürsten und ihr Herren,
Reich, Arm, Frau oder Mann,
Was ihr nicht habet gerne
Solt ihr kein`m andern thun.
Amen.