Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 23. Lied

Ein ander Marter=Lied, von einem Thomas Drucker genannt, zu Cölln am Rhein bezeugt, Anno 1557.
Und gehet Im Ton: „Durch Adams Fall ist ganz verderbt." (9)

1
Wollt ihr hören, was ist geschehn
Im sieben und fünfzigsten Jahre?
Zu Cölln hat mancher Mann gesehn,
Als Thomas Drucker ware
Gefänglich allda eingeführt,
Allein um Gottes Worte,
Wie man noch weiter hören wird
Wie`s ihm erging hinforte.

2
Sie brachten ihn auf den Thurn frey,
Da thäten sie ihn verklagen,
Vom Tauf und Eh war ihr Geschrey,
Davon solt er ihn`n sagen,
Welch`s er gethan und wiederleit,
Mit Gottes Wort bewiesen.
Auf den Tauf gabens kein Bescheid,
Die Eh hond sie gepriesen.

3
Von Thurn zu Thurn hat man ihn g`führt,
Wolt`n ihn examiniren.
Er gab Bescheid wie sichs gebührt,
Ließ sich vom Herrn nicht führen.
Er ward von manchen Frommen g`liebt,
Die Christum thäten kennen.
Des Pabstes Hauf ihn sehr betrübt,
Man solt den Ketzer brennen.

4
Sein Weib schrieb ihm ein Brieflein klein,
Thät ihm ihr Herz entdecken:
Lieb Freund, bleibt bey der Wahrheit rein,
Laßt euch davon nicht schröcken,
Ihr wißt was ihr gelobet han,
Das Creutz laßt euch gefallen,
Christus ging selber diese Bahn,
Und die Apostel alle.

5
Gelobt sey Gott, liebe Hausfrau,
Und Schwester in dem Herren,
Des Herren Werk und Wunder schau,
Erfreut mein Herz so sehre.
Ich hör aus eurem Schreiben klar,
Daß ihr seyd wohl zufrieden,
Und tröst mich mit der Heil`gen Schaar
Die vor uns hond gestritten.

6
Der Wort ich nicht vergessen will,
Wann mich Trübsal ankommen.
Von Leiden weiß ich noch nicht viel,
Hab noch kein Traurn vernommen.
Ich steh los frey bey meinem Gott,
Mit gutem G’wissen sage,
Was er mir auflegt in der Noth,
Hoff ich mit Freud zu tragen.

7
Ich dacht, viel Trauren, Schmerz und Leid,
Solten mich überkommen,
Dem Herrn sey ewig Lob bereit
All`n Druck hat er genommen.
Sein Joch ist süß, sein Last ist leicht,
Sein G’bot sind nicht sehr schwere.
Wer sich dem Herren nicht entzeucht
Der fürcht sich nicht ein Haare.

8
Mir steht mein Herz, auch Sinn und Muth,
Um Gottes Wort zu leiden.
Zu widerstohn bis auf das Blut,
Deß bin ich wohl zufrieden.
Ich hoff des Worts zu denken wohl
Das ich oft hab gewagen,
Des Herren Will geschehen soll,
Weiß anders nichts zu sagen.

9
Ich vermahn` euch liebe Hausfrau,
Und thu euch hart beschwören,
Erziehet eure Kinder nau,
Ermahnt sie zu dem Herren,
Dem bösen Willen widersteht,
Vor Boßheit thut sie wehren,
Dann der sie euch geschaffen hat
Der wird sie wohl ernähren.

10
Nach Weib und Kind, die sichtbar seyn,
Will ich jetzund nicht trachten,
Noch sinds mir lieb im Herzen mein
Vor Dreck will ich sie achten.
Viel höher kenn ich meinen Gott,
Mit ihm sein Schmach zu tragen,
Das Egyptisch Gut der Welt vergaht
Das soll mir nicht behagen.

11
O Herr, möcht ich deß würdig seyn,
Zu leiden ohne Wanken,
Bezeugen mit dem Blute mein,
Wie sehr wolt ich dir danken.
Stärk mich, o Herr, in meiner Noth,
Ich hab dich auserkohren.
Theur ist das Blut dein`r Heil`gen, Gott,
Die aus dir sind geboren.

12
Mein`n Willen hab ich übergeb`n
In den Willen des Herren,
Von meinem Glauben, Lehr und Leb`n
Hab ich ihn`n thun erklären,
Hab mich erboten auf freyem Plan
Vor allem Volk zu sprechen,
Daß jedermann erkennen kann,
Ob wir in Irrthum stehen.

13
Zween G’lehrten habens zu mir bracht,
Daß sie mich unterwiesen.
Die waren uneins ihrer Sach,
Sie fingen an zu kiefen.
Es traff die ung`taufte Kinder an,
Ob sie selig wären zu nennen.
Der ein wolt sie im Himmel han,
Der ander wolts nicht kennen.

14
Da habens mich gesprochen an,
Daß ich mich solt bekehren.
Ihr veracht uns g’mein bey jedermann,
Kommt nicht zu uns`rer Lehre,
Laßt eure Kinder ungetauft,
Das können wir nicht preisen,
Darum ihr mit den Ketzern lauft,
Das konnten sie nicht beweisen.

15
Daß ich eu`r Kirch sollt han veracht,
Nicht kommen in eu`r G’meine
Das ist die Ursach, seyd bedacht,
Ihr halt eur Kirch nicht reine.
Ehbrecher, Wuchrer, Füller viel,
Halt ihr bey euch für Frommen,
Ihr seyd die größten in dem Spiel,
Wer wolt dann zu euch kommen:

16
Ich achts vor keinen Irrthum nicht,
Wie wir leben und lehren,
Ich werd dann mit der Schrift bericht,
Dann will ich mich bekehren.
Die Schrift sagt nichts vom Kindertauf,
Habt nichts davon gelesen,
Die im Tauf werden g`nommen auf,
Die sind gläubig gewesen.

17
Es ist ein Bad der Wiedergeburt,
Ein Bund eins guten G’wissens.
Der alt Mensch ganz erneuert wird
Davon die Kind nichts wissen,
Er wäscht die Sünd nicht ab im Fleisch,
Die wir von Adam erben.
Wer g’tauft wird, wies die Schrift erheischt,
Der muß der Sünd absterben.

18
Sie haben mich zur Peinbank bracht,
Da sollt ich mich erklären.
Gott gab mein`n Worten Kraft und Macht,
Uneins wurden die Herren.
Der Henker all Ding b`reitet auch,
Versucht mich hart mit Worten,
Und das zum drittenmal geschach,
Bin nicht gepeinigt worden.

19
Sie führten mich ins Graffen Haus,
Der mir bewieß viel Treuen,
Hätt mich wohl gern gelassen aus,
Es ward ihn nachmals reuen.
Sein Anschlag ward ihm widerlagt,
Es ward ihm übel gerathen,
Er furcht sich vor des Kaysers Mandat,
Und`s Bischoffs Ungenaden.

20
Ich bin zwar willig und bereit
Zu leben und zu sterben,
Ich acht nicht viel wie es mir geit,
Gott läßt mich nicht verderben,
Bin wohl getrost, und nimm vor gut,
Dieweil ich bin auf Erden.
Freundlich tröst er mir Herz und Muth
Durch meine Brüder werthen.

21
Schwerdt, Wasser, Feur noch Creatur
Soll mich gar nicht erschröcken,
Kein Mensch noch Englisch Creatur
Soll mich von Gott abtrecken.
Was ich im Anfang hab erwählt,
Dabey hoff ich zu bleiben.
Alle die Pein in dieser Welt
Soll mich von Gott nicht treiben.

22
Sie führten mich ins Graffen Haus,
Des Abends in die Nachte,
Da kam mir für gar mancher Strauß,
Das währt die ganze Nachte,
Von ein`m der spottet Gott`s Gemein,
Und fort von groben Klanten.
Die solten meine Lehrer seyn,
Sie selbst Gott`s Wort nicht kannten.

23
Da ich zum hohen Gericht kam,
Das Urtheil war vergleichet,
Daß ich vom Leb`n zum Tod solt gahn,
Wo ich nicht wolt abweichen.
Der Graff sein erst Gericht hat g`than,
Er war gar steif im Muthe,
Sein Richterstab besudelt schon,
Gefärbt mit Christen Blute.

24
Der Herr woll ihm vergeben nun
Und nicht zum Argen messen,
Der Menschen Furcht weit von ihm thun,
Die viel Leut hat besessen,
Ob er das mehr bekäm zu thun,
Daß er sich ließ verdriessen,
Und thät des Christen Bluts wie schon,
Weiter nicht mehr vergiessen.

25
Das Schäflein ward zur Schlacht geführt,
Durch tyrannisch Schwerdt umkommen,
Sein Seel hat Wonn und jubilirt
Bey den Seelen der Frommen,
Die auch unschuldig sind getödt,
Thut die Schrift offenbaren,
Ein junger Mann von guter fahn,
Von fünf und zwanzig Jahren.
Amen.