Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 21. Lied

Ein anderes Marter=Lied von Gotthard von Nunnenberg und Peter Krämer.
Im Ton: „Der Thöricht spricht, es ist kein Gott.
“ Oder: „An Wasserflüssen Babylon. (10)

1
Merkt auf, ihr Völker überall,
In diesen letzten Tagen,
Das Wort Gott`s dringt herfür mit Schall
Man hört viel davon sagen
Nach aller G’lehrten Prophecey,
Und nach den Worten Christi frey,
Wie Matthäus thut schreiben,
Den einen ist man fangen thun,
Der ander in den Tod thut gohn,
Den dritten thut man vertreiben.

2
Wie es dann schon ergangen ist
In acht und fünfzig Jahren,
Zween Brüder fing man zu der Frist
Ist kund und offenbare.
Einer hieß Peter Krämer, merk,
Und der Gotthard von Nunnenberg,
Gen Winneck thät mans leiten,
Vor treue Männer wurdens geacht,
Zu Eltesten der G’mein gemacht,
Davon mußten sie scheiden.

3
Der Rentmeister nahm sie g’fangen an,
Sein`n Fatz mit ihn`n zu treiben,
Sie blieben fest im Glauben stahn,
Bey Gott sie wollten bleiben.
Sie lagen g`fangen lange Zeit,
Ist ihn`n vorkommen mancher Streit,
Die Wahrheit aufzugeben,
Wieder zu Weib und Kinder gehn,
Auf ihren freyen Fuß zu stehn,
Man sollt sie lassen leben.

4
Das haben sie nicht können thun
Durch Liebe ihres Herren,
Von seinem Wort nicht wollten stohn,
Zu Menschen Lehr sich kehren.
Verließen da Weib, Kind und Gut,
Zuletzt ihr eigen Fleisch und Blut
In die Schanz haben geben.
Dem Herrn ein Opfer worden sind,
Ihre Namen geschrieben findt
Wohl in dem Buch des Lebens.

5
Als nun die Zeit vorhanden war,
Daß man sie sollt verhören,
Da kam zu Hauf der G’lehrten Schaar,
Sie wollten sie verstören.
Sie schlug`n ihr listig Anschläg ab,
Durch Gott, der Kraft und Stärke gab,
Ohn Schrecken und Verzagen,
Sie suchten keinen Weg noch Rath,
Dann wie Christus vorgangen hat,
Das Creutz ihm nachzutragen.

6
Als man sie nun bracht aus dem Thurn,
Zum Tod wollt man sie leiten,
Sie blieben fest stehn wie die Maur`n,
Wichen zu keiner Seiten.
Der Rentmeister, Schöpfen oder Rath,
Gemein Mann, Henker und Landvogt,
Haben schier all geschrauen.
Das Volk war auch verzaget gar,
Der G’fangnen Herz voll Freuden war,
Sie sungen mit Vertrauen.

7
Viel mancherley ward ihn`n vorgleit,
Zu bringen in Verzagen,
Das hat gewährt ein lange Zeit,
Bis zwo Uhr nach Mittagen.
Der Rentmeister verzog so lang,
Mit Schröcken sie zu machen bang,
Vermeynt sie umzukehren,
Darum legt er groß Arbeit an,
Daß sie nach seinem argen Wahn
Annähmen falsche Lehren.

8
Als aber er nichts schaffen kundt
Mit Führ`n auf Menschen=Orden,
Rief er dem Henker zu der Stund,
Dem sie geliefert worden.
Der Henker kam nicht gerne dran,
Doch nahm er sie mit Weinen an,
Im Herzen war ihm bange.
Gotthard wohl zu dem Henker sagt:
Mich hat verlangt nach diesem Tag
Wie bleibst du dann so lange?

9
Als ihn der Henker band mit Sitt,
Sprach er zur selben Stunden:
Liebe Männer, erschrecket nit,
Christus ward auch gebunden.
Der Rentmeister die Red vernahm,
Und redt den Henker heftig an,
Also mußt du nicht sprechen.
Da sprach der Peter zu der Stund,
Wir bleiben fest bey Christi Bund,
Den werden wir nicht brechen.

10
Da fing Gotthard zu sprechen an:
Hie muß man Trübsal leiden,
Wer dort erlangen will die Kron,
Muß hie ritterlich streiten.
Die Braut muß wie der Bräutigam
Durch Leiden in die Freud eingahn,
Solch`s lehr`n uns Christi Reden
Der Herr ward zwischen die Mörder g’richt
Das macht uns Creutz und Leiden leicht,
Fürchten kein Würgen noch Morden.

11
Hond sie`s am grünen Holz gethan,
Was will am dürren werden?
Den sauren Wein tranken voran
Sein` Diener hie auf Erden.
Wann wir bey Christo kommen ein,
So trinken wir den süßen Wein,
Erst müssen wir das Leiden empfinden.
Da reckten sie ihr Händ freywillig dar,
Das manchem Menschen Wunder war,
Und liessen sich willig binden.

12
Das Volk deß hat verwundert sich
Sie sprachen: Was sieht man auf Erden?
Die geh’n zum Tod so williglich,
Könntens doch ledig werden.
Der Gotthard sprach: Wir sterben nit,
Der Tod führt uns zum Himmel mit
Bey Gottes Kindern allen.
Deß wir ein g’wisse Hoffnung han,
Deß fangen wir den Tod mit Freuden an,
Daß wir Gott mögen g’fallen.

13
Als die Zeit nun vorhanden war,
An diesen Tod zu treten,
Aufricht habens gestanden dar
Gott im Himmel angebeten.
Gaben ein Zeichen der Liebe rein,
Sich küßt als Brüder der Gemein,
Sie war`n mit Gott verpflichtet.
Der Henker richt sie unbescheidt,
Er sprach mit Angst und großem Leid:
Solch Menschen nicht mehr richtet.

14
Als nun ihr Häupter abgericht,
Begehrts Volk heim zu jagen.
Der Rentmeister sprach: Lauffet nicht,
Helft die Frommen begraben.
Sie sind nicht g’storben um Uebelthat,
Sind keine Dieb noch Mörder quat,
Waren fromm von Leben und Sitten,
Hatten nur solchen Glauben an,
Den Herren und Fürsten nicht verstohn,
Drum haben sie gelitten.

15
Die sind im Herrn gescheiden ab,
Das Leben aufgegeben.
Hinfort ist ihn`n beyg`legt ein Gab,
Die Kron das ewig Leben.
Hond gestritten wie starke Held
Ueberwunden den Teufel wild,
Die Welt han sie verlassen.
Ihr`n Glauben haben frey bekannt,
Ihr Blut ist ausgesäet ins Land,
Wird wachsen guter Massen.
Amen.
Gott sey der Preiß ewig.