Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 140. Lied

Ein schön geistlich Lied von dem Haßlibacher, wie er vom Leben zum Tod ist gerichtet worden.
Im Ton: „Warum betrübst du dich mein Herz.

1
Was wend wir aber heben an,
Zu singen von ein`m alten Mann,
Der war von Haßlibach
Haßlibacher ward er genannt,
Aus der Kilchöri Summiswald.

2
Da das der lieb Gott zu thät lan,
Daß er wurd hart geklaget an,
Wohl um den Glauben sein,
Da hat man ihn gefangen hart
Führt ihn gen Bern wohl in die Stadt.

3
Und da er nun gefangen ward,
Gepeinigt und gemartert hart,
Wohl um sein Glauben schon,
Jedoch war er beständig g`seyn,
In seiner Marter, Angst und Pein.

4
An ein`m Freytag, thut mich verstahn,
Thäten die G’lehrten zu ihm gahn,
Wohl in die G’fangenschaft,
Fingen zu disputiren an,
Er soll von sein`m Glauben abstahn.

5
Der Haßlibacher auf der Stätt
Sie überdisputiret hätt,
Da sprach er bald zu ihn`n,
Von mein`m Glaub`n thu ich nicht abstan,
Eh will ich Leib und Leben lahn.

6
Und da es nun am Samstag war,
Die G’lehrten gingen aber dar,
Redten ihm heftig zu,
Du mußt von deinem Glauben stahn,
Oder man wird dein Haupt abschlan.

7
Gar bald er ihn`n zur Antwort gab
Ich steh nicht von mein`m Glauben ab
Ich halt ihn festiglich,
Dann mein Glaub ist vor Gott so gut,
Er wird mich han in Schirm und Hut.

8
Und wie es war am Samstag Nacht,
Ein Engel Gottes kam mit Macht,
Zum Haßlibacher hin,
Sprach, Gott hat mich zu dir gesendt,
Zu trösten dich vor deinem End.

9
Weiters thu ich dir zeigen an,
Von deinem Glauben thu nicht stahn,
Darauf bleib steif und vest,
Dein Glaub der ist vor Gott so gut,
Er hält dein Seel in guter Hut.

10
Ob man dir schon wird dräuen hart,
Man woll dich richten mit dem Schwerdt,
Erschrick du nicht darob,
Ich will an deiner Seiten stahn,
Kein Schmerzen wirst dardurch empfahn.

11
Und da es an dem Montag war,
Die G’lehrten kamen nochmal dar,
Zum Haßlibacher hin,
Fingen mit ihm zu reden an,
Er soll von seinem Glauben stahn.

12
Wo nicht, sagten sie ohne Spott,
Morgen mußt du leiden den Tod.
Der Haßlibacher sprach:
Eh ich von meinem Glauben stahn,
Eh laß ich mir mein Haupt abschlan.

13
Hört wie es am Montag zu Nacht,
Der Haßlibacher hart entschlaft,
Bis um die Mitternacht,
Da traumet ihm es seye Tag,
Man wolle ihm sein Haupt abschlagn.

14
Der Haßlibacher wacht darob,
Da war es bey ihm heiter Tag,
Ein Büchlein lag vor ihm,
Ein Engel Gottes zu ihm sagt:
Lies du was in dem Büchlein staht.

15
Da er das Büchlein lesen thät,
Fand er daß es darinnen steht,
Man werd sein Haupt abschlan,
Drey Zeichen werd Gott sehen lahn,
Daß man ihme unrecht gethan.

16
Und da ers ausgelesen hat,
Da wurd es wieder finster Nacht,
Gar bald er wied`r entschlief,
Und schlaft bis an den heitern Tag,
Daß man zu ihm ins G’fängniß kam.

17
Da wünscht man ihm ein guten Tag,
Gar bald er ihn`n gedanket hat,
Darnach sagt man zu ihm,
Das Göttlich Wort er hören soll.
Sonst müßt er ess`n das Henkermahl.

18
Von mein`m Glaub thu ich nicht abstahn,
Das Göttlich Wort ich selber kann,
Mein Sach befehl ich Gott,
Es ist mein`m Herz ein ringe Buß,
Wann ich unschuldig sterben muß.

19
Ins Wirthshaus führt man ihn fürwahr,
Man stellt ihm Ess`n und Trinken dar,
Den Henker neben ihm
Daß er soll in ein Grausen komm`n,
Und noch vom Glauben gar abstohn.

20
Der Täufer sprach zum Henker gut,
Nun eßt und trinkt, seyd wohl zu Muth,
Ihr werdet heutigs Tags
Hinrichten mein unschuldig Blut,
Ist aber meiner Seelen gut.

21
Er sprach auch, Gott wird sehen lan
Drey Zeichen, das thut wohl verstahn,
Die wird man sehen bald,
Wann ihr mir schlaget ab mein Haupt,
Springts in mein Hut und lachet laut.

22
Das ander Zeichen wird geschehn,
Das wird man an der Sonnen sehn,
Aufs dritt habt fleißig Acht,
Die Sonn wird werd`n wie rothes Blut,
Der Stadel=Brunn auch schwitzen Blut.

23
Der Richter zu den Herren sagt,
Auf die drey Zeichen habet Acht,
Und sehet wohl darauf
Wann nun diß alles soll geschehn,
So g’schicht es eurer Seelen weh.

24
Und da das Mahl nun hat ein End,
Man wolt ihm binden seine Händ,
Der Haßlibacher sprach:
Ich bitt euch Meister Lorenz schon,
Ihr wollt mich ungebunden lohn.

25
Ich bin gutwillig und bereit.
Mein Tod mich heftig wohl erfreut,
Daß ich von hinnen soll,
Aber Gott woll erbarmen sich,
Die zum Tod verurtheilet mich.

26
Da er nun auf die Richtstatt kam,
Sein Hut von seinem Haupt abnahm,
Und legt ihn für die Leut,
Euch bitt ich Meister Lorenz gut,
Laßt mir hie liegen meinen Hut.

27
Hiemit fiel er auf seine Kney,
Ein Vater Unser oder zwey
Er da gebetet hat,
Mein Sach ist jetzt gesetzt zu Gott,
Thut jetzt nur eurem Urtheil statt.

28
Darnach man ihm sein Haupt abschlug,
Da sprang es wieder in sein Hut,
Die Zeichen hat man g`seh`n,
Die Sonne ward wie rothes Blut.
Der Stadel=Brunn thät schwitzen Blut.

29
Da sprach ein alter Herre gut,
Des Täufers Mund lacht in dem Hut,
Da sagt ein grauer Herr
Hätt ihr den Täufer leben lahn,
Es würd euch ewig wohl ergahn.

30
Die Herren sprachen insgemein,
Kein Täufer wir mehr richten wend,
Da sprach ein alter Herr:
Wär es nach meinem Willen gahn,
Den Täufer hätt man leben lahn.

31
Der Henker der sprach mit Unmuth:
Heut hab ich g’richt unschuldig Blut.
Da sprach ein alter Herr
Des Täufers Mund hat g`lacht im Hut,
Das bedeut Gottes Straff und Ruth.

32
Der uns diß Liedlein hat gemacht,
Der war ums Leb`n in G’fangenschaft,
Den Sündern thät ers z`Lieb,
Ein Herr ihm Federn und Tinten bracht,
Er schenkt uns das zu guter Nacht.