Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 139. Lied

Ein Lied von etlichen Brüdern, die gefangen worden sind zu Dürsrüte in der Schweitz.

1
O Herr! um dein Gnad ruff ich dich an.
Ohne dein Gnad niemand nit thun kan,
Hilf Gott daß es mir gelinge,
Ein neues Lied zu singen.

2
Matthäi am fünften thut es stahn,
Wie Christus auf einen Berg thät gahn,
Und lehrt das Volk mit Unterscheid,
Die acht Stück der Seligkeit.

3
Jetzund im neun und fünfzigsten Jahr,
Ging auf einen Berg ein kleine Schaar,
Auf Dürsrüte mit Namen,
Da kam das Völklein zusammen.

4
Da hatten sie auch dieselbige Lehr,
Wie auf dem Berg Christus der Herr
Das Fünft, das Sechst, das Siebend
Viel schöne Sprüch aus der Bibel.

5
Als nun die Lehr bald war zum End,
In die Stube kam ein Rauch gerennt,
Mit Lichtern und mit Waffen,
Gleich wie die Wölf zu den Schaafen.

6
Der Vorderst war Simon genannt,
Die Gelegenheit war ihm bekannt,
Selbst sechst kam er gegangen,
Sie nahmen vier Brüder gefangen.

7
Der Reitknecht war ein rauher Trabant,
Ein bloses Schwerdt trug er in der Hand,
Schwört und fluchet, und wütet sehr,
Wolt dienen seinem Herren.

8
Zween muthige Gesellen schrien mit Namen
Liefen und trugen Seil zusammen,
Sie thäten die Brüder binden,
Und führen von Weib und Kinden.

9
Endlich wend sie den Lehrer han,
Ich hört er gab sich selber an:
O Gott thu uns nicht strafen,
Send uns ein Hirt der Schaafen.

10
Ully Baumgärtner zog bunden davon,
Er sprach: fürchtet Gott und haltet euch wohl,
Solchen Abscheid thät er machen,
Der lieblich Hirt der Schaafen.

11
Sie führten ihn gen Tragsalwalt,
Der Landvogt macht den Abscheid bald,
Gen Bern thät er sie senden,
Das ist die Haupt=Stadt im Lande.

12
Sie führten ihn ins Zuchthaus genannt,
Darinnen zween Brüder wohl bekannt,
Es sind zween alte Hirten,
Hand schon ein Zeitlang gestritten.

13
Die Gelehrten kamen oftmals dar,
Besonders in dem ersten Jahr,
Ersuchten sie noch mit Studiren,
Von ihrem Glauben abzuführen.

14
Ully Baumgärtner zur Antwort gab,
Von meinem Glauben steh ich nicht ab
Der mir mein Glauben hat geben,
Der erschuf den Himmel und die Erden.

15
Viel Arges thät man über sie sagen,
In fremden Landen auch verklagen:
Mattheus schreibt: ihr Lieben,
Freuet euch, so sie daran lügen.

16
Weiters will ich euch zeigen an,
Wie weit sie zehen Brüder hand,
Sie hand zu führen ein still und friedens Leben,
So viel Gnad wird er geben.

17
Nur Gottes Gnad der Frommen Fürbitt,
Auf Menschen Hülf vertrauen sie nicht,
Auf den rechten Felsen bauen,
Ist Gott allein vertrauen.

18
Der Oberkeit auch Zins und Zehenden,
Ja Zoll und Steur was ihnen mag gehören,
Und dienen mag zum Frieden,
Auch Gott für sie zu bitten.

19
Die Brüder wolten sich nicht kehren,
Nach fremden Landen zu andern Herren.
Darauf schickt man sie balde,
Auf die Marck, aus dem Lande.

20
Anthony Himmelberg, ein Hirt der Schaafen
Ist zu Bern im Frieden entschlafen,
Mit Thränen thät er säen,
Mit Freuden wird er erndten.

21
Der dieses Lied sang und gedicht,
Der war anfangs bey dieser G’schicht,
Gott helf uns allensammen,
Durch Jesum Christum, Amen.