Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 119. Lied

Ein ander Lied.
Im Ton, wie der Hildebrand. (7)

1
Von Herzen woll`n wir singen
In Fried und Einigkeit,
Mit Fleiß und Ernste dringen
Zu der Vollkommenheit,
Daß wir Gott mögen g`fallen,
Worzu er uns will hon,
Das merkt ihr Frommen alle,
Laßt euch`s zu Herzen gohn.

2
O Gott! du wollst uns geben,
Jetzt und zu aller Stund,
In deinem Wort zu leben,
Zu halten deinen Bund,
Wollst uns vollkommen machen,
In Fried und Einigkeit,
Daß du uns findest wachen,
Und allezeit bereit.

3
Wann du nun wirst aufbrechen,
O Herre Jesu Christ,
Zu allen Frommen sprechen:
Kommt her, die ihr seyd g`rüst,
Ich will euch mit mir führen
In meines Vaters Reich,
Darin solt ihr regieren,
Und leben ewiglich.

4
Im Reich das Gott bereitet,
Da ist groß Einigkeit,
Fried, Freud, zu allen Zeiten,
Ja bis in Ewigkeit,
Woll`n wir das Reich erlangen,
Die grosse Einigkeit,
Müss`n wirs auf Erd anfangen,
Daß wir werden bereit.

5
Dann unsers Vaters Willen
Müssen wir hie geleich
Auf Erd allzeit erfüllen
Wie in dem Himmelreich.
Dann also thut uns lehren
Unser Herr Jesus Christ,
Daß wir vollkommen werden,
Wie unser Vater ist.

6
All die ihr nun seyd hoffen,
Zu‘rlangen dieses Reich,
Die Thür die steht nun offen,
Das merket alle gleich,
Wer das Reich will ererben,
Der muß vor hie auf Erd
Des Fleisches ganz absterben,
Daß er erneuert werd.

7
Mit Fleiß muß er ausfegen
Aus seinem Herzen thun
Den alten Sauerteige,
Dafür einpflanzen schon
Die Tugend Jesu Christi,
Die er uns selber lehrt,
Auf daß er werd gerüstet,
Allzeit auf dieser Erd.

8
So thut zu Herzen fassen
Die Tugend Jesu Christ,
Wie er ihm nicht hat lassen
Dienen zu jeder Frist.
Er spricht: ich bin nicht kommen,
Daß man mir dienen soll,
Sondern vor alle Frommen
Mein Leben lassen woll.

9
Damit thut er anzeigen
Demuth und Niedrigkeit,
Darzu die grosse Liebe,
Die er beweisen thät,
Da er auf Erd ist g`wesen,
Bey seinen Jüngern schon,
Die Füß thät er ihn`n wäschen
Zeigt ihn`n die Liebe an.

10
Also thät er ihn`n sagen:
Laßt euch zu Herzen gohn,
Was ich jetzt euch thun habe,
Solt ihr zum Vorbild han.
Also solt ihrs erfüllen,
Einander lieben thun,
Das ist mein`s Vaters Wille,
Kein`r soll den andern lahn.

11
Die Lieb thät er erzeigen
Mit aller seiner Kraft,
Da er von unserntwegen
An das Creutz ward gehaft.
Die Lieb ist ung`färbt g’wesen,
Bey ihm zu aller Zeit,
Alle die wollen g’nesen,
Müssen ihm werden gleich.

12
Woll`n wir Christo gleich werden,
Müss`n wir zu aller Stund
Einander lieb`n auf Erden
Ja nicht allein mit Mund,
Sondern mit wahrer Thate,
Wie dann Johannes schreibt,
Welcher nur liebt mit Worten,
Schau wo die Liebe bleibt.

13
Wann ein`r hätt der Welt Güter
Gleich wenig oder viel,
Und säh dabey sein Bruder
Daß er Noth leiden will,
Und thät ihm nicht bald geben
Die Gab die er empfangen hat,
Wie wolt er dann sein Leben
Vor ihn geben in Tod?

14
Welcher hie in dem Kleinen
Nicht treu erfunden wird
Und suchet noch das Seine,
Das bey ihm wird gespürt,
Wer wolt ihm dann vertrauen,
Ueber das ewig Gut?
Darum laßt uns anschauen,
Die Lieb halten in Hut.

15
Paulus thut uns anzeigen,
Durch Gottes Gnad mit Fleiß,
Daß keines such sein Eigen,
Darzu auch nicht sein Preiß,
Sondern daß wir beweisen
Demuth und Niedrigkeit,
Daß wir Gott mögen preisen,
In Fried und Einigkeit.

16
Darum seyd gleich gesinnet,
Wie Jesus Christus auch,
Wiewohl er ist genennet
Ein Sohn Gottes so hoch,
Hat ers doch nicht geachtet,
Sein`m Vater gleich zu seyn,
Sondern mit Fleiß getrachtet,
Unser Diener zu seyn.

17
Dann er hat an sich g`nommen
Ein`s armen Knechts Gestalt,
Auf Erden ist er kommen,
Verließ sein grossen G’walt.
Er thät allzeit beweisen
Demuth und Liebe schon,
Darum laßt uns auch fleissen,
Sein Tugend legen an.

18
Auf daß wir mögen halten
Die Lieb in Reinigkeit,
Auf daß sie nicht erkalte,
Bey uns zu keiner Zeit,
Sondern viel mehr zunehme
In uns mit ganzem Fleiß,
Daß wir mögen erkennen
Was dien zu Gottes Preiß.

19
Drum laßt uns fleißig halten
Die Einigkeit im Geist,
Im Glauben unzerspalten,
Wie uns dann Paulus heißt.
Ja durch das Band des Friedens
Jetzt und zu aller Zeit,
Weil wir seyn alle Glieder
Verfaßt in einem Leib.

20
O ihr geliebte Brüder,
Und Schwestern allgemein,
Dieweil wir alle Glieder
In einem Leibe seyn,
So laßt uns Treu beweisen,
Einander lieben thun,
Dardurch wird Gott gepreiset
In seinem höchsten Thron.

21
Dann er vor allen Dingen
Die Lieb geboten hat,
Darnach wollen wir ringen,
Allezeit früh und spat,
Sie thut das G’setz erfüllen,
Wie uns ang zeiget ist.
Darum legt an mit Willen
Die Tugend Jesu Christ.

22
Wann ein`r sein Gut thät geben
Den Armen hin und her,
Und seinen Leib darneben
Verbrennen ließ mit Feur,
Und wär die Lieb verdorben
In seinem Herzen gar
Wär es alles verlohren,
Es hilft ihn nicht ein Haar.

23
Dann Gott thut nichts begehren
Von uns früh unde spät,
Dann daß wir Fleiß ankehren,
Und halten sein Gebot.
Sein Gebot thut uns sagen,
Daß wir zu aller Frist
Einander hie lieb haben,
Dasselb Gott g’fällig ist.

24
Wer sein`n Nächsten betrübet,
Den er sieht alle Frist,
Wie wolt er dann Gott lieben,
Den er nicht sehen ist?
Nun habt ihr wohl vernommen,
Wie man Gott lieben soll.
Das merket, all ihr Frommen,
Bewahrt die Liebe wohl.

25
Unser Bitt thun wir tragen
Vor dich, o höchster Gott,
Du wollst uns nicht versagen,
Jetzund in aller Noth.
Die Lieb in unsern Herzen
Ein Fürgang lassen thun,
Wer das begehrt von Herzen,
Der greif es tapfer an.