Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 115. Lied

Ein ander Lied.
Im Ton: „Gegen den Tag hört man die Hahnen krähen.“ (18)

1
O Herre Gott mein Noth thu ich dir klagen,
Die ist so groß
In diesen letzten Tagen,
Die jetzt leiden die Kinder dein,
Allhie auf Erd in aller Welt gemein.

2
Dein Volk läßt man auf Erd jetzt nirgend wohnen,
Und ist doch fromm,
Thut aller Welt verschonen,
Noch wirds verfolgt von jedermann.
Des Cains Eifer hebt nun sich wieder an.

3
Dein armer Jacob muß sich jetzund schmiegen
Vor dem Esau,
In Mesopotamiam fliehen.
O Herre Gott! wohne uns bey,
Daß uns der Esau von dem Weg nit treib.

4
Dein armer David muß groß Sorg hie tragen,
Vor Saul dem König,
Der ihn zu todt wolt schlagen.
Also gehts jetzt den Kindern dein,
Darum sie nit mehr Sünder wollen seyn.

5
Dein Susanna die muß sich jetzt viel leiden
Von Richtern falsch,
Daß sie die Sünd thut meiden.
O Herre Gott! thu uns Beystand,
Erlöß uns aus der falschen Richter Hand,

6
Wie es dann ist gewest vor langen Zeiten,
Wer fromme war
Den wolt man nirgend leiden
Also ist`s noch auf diesen Tag,
Die Frommkeit man auf Erd nit leiden mag.

7
O Herre Gott, der Weg den du bist gangen,
Der ist so schmahl,
Und liegt so voller Schlangen,
Daß man nit wohl drauf wandeln kann,
O Herr Gott streit für uns auf dieser Bahn.

8
Darnach stehn auch allhie zu beyden Seiten
Groß Wölf und Bär`n,
Mit den`n müss`n wir auch streiten.
O Herre Gott, wetz uns das Schwerdt,
Auf daß dein Lob und Recht verkündet werd.

9
Wann wir durch Wölf und Bär`n hindurch fechten,
So stehn auch hie
Zur Linken und zur Rechten,
Viel Hund die bellen, klein und groß,
Sie woll`n uns zerreissen ohn Unterlaß.

10
Viel Disteln und Dörn stehn auf diesem Wege,
Die kratzen hart,
Stellen uns nach dem Leben,
Reissen uns Löcher in den Leib,
Hilf Herr Gott, daß keiner dahinten bleib.

11
In diesem Thal da fleußt ein Wasser lange,
Ganz breit und tief,
Drüber ein schmahler Gange,
Welcher schwach in dem Haupte ist,
Den wirft der Schwindel drein zu aller Frist.

12
An diesem Wasser ist ein großer Berge,
Der ist so hoch,
Den müssen wir auch steigen.
O Herre Gott beut uns dein Hand,
Erlöse uns aus aller Schmach und Schand.

13
Darnach ist uns gezeigt ein enges Thore,
Ja Haut und Haar
Das muß bleiben darvore.
Vater! wie ist die Thür so klein,
Hilf uns zu dieser engen Pfort hinein.

14
Herzlieber Vater, ich thu dich jetzt bitten,
Du wollst dein Volk
Auf diesem Weg behüten,
Vor falscher Lehr und Heuchlerey,
Daß es in allem Creutz beständig sey.

15
Darum, o Welt, tritt auf den schmalen Wege
Und thu dich hie deines Wollusts verwegen,
Wandel hernach mit ganzem Fleiß
Dieser Weg trägt dich bis ins Paradeiß.

16
Der uns diß Lied von neuem hat gesungen,
Der hat so stark mit Wölf und Bär`n gerungen
Dem Vater sagt er groß Lob und Dank,
Mit seiner Hülf er alles überwand.

17
Dem Vater sey allein Lob, Ehr und Preiße,
Dem Sohn desgleich,
Und dem Heiligen Geiste,
Daß er uns hat genommen an,
Wer nachher will, der mach sich auf die Bahn.