Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 112. Lied

Ein ander schön geistlich Lied.
Im Ton: „Wär Gott nicht mit uns diese ⁊C.
H.B. (3)

1
Herr Gott Vater, von dir allein
Seynd alle Ding her kommen
Was im Himmel und Erd thut seyn,
Hat`s Leben von dir gnommen,
Du bist allein gewaltig Gott,
Der alle Ding geschaffen hat,
Zu deiner Ehr erkohren.

2
Ich ward von Gott erschaffen rein
Zu seinem Kind erkohren,
Durch ihn bildt in Mutter Leib ein,
Auf Erd bin ich gebohren,
Zuhand ich da verlohren hab
Alle Wohlthat, und Gottes Gab
Bin ich beraubet worden.

3
Ich ward erwachsen in der Welt,
In aller Sünd unreine,
Daß ich nur nachstellt Gut und Geld,
Was wider Gott thut seyne,
Was mein Auge mit Lust ansach,
Demselben das Herz trachtet nach,
Die Creatur gemeine.

4
Wiewohl mir solches oft war g’wehrt
Durch Gottes G’setz so reine
Dennoch ich mich daran nicht kehrt,
Ich trieb die Sünd gemeine.
Ich ward verkehrt aus Hertzens Grund,
Allzeit das Böß redet mein Mund,
Viel der Laster unreine.

5
Ob ich schon hatt im Willen b`reit,
Daß ich die Sünd wolt meiden,
Ward ich doch zu schwach in dem Streit,
Ich lag bald an der Seiten.
Das Gut` ich wolt, `s ward nicht vollendt,
Dann die Sünd mich darvon abwendt,
Daß ich sie fort thät treiben.

6
Ich lebt auch etwan ohn Gesatz,
Nur nach mein`s Herzens Willen,
Bey mir nit g’hört ward Gottes Schatz,
Ich thät die Sünd erfüllen.
Da aber kam Gottes Gebot,
Dasselb mir g’würket hat den Tod,
Das zum Leben war geben.

7
Als ich aber das G’setz erkannt,
Da thät ich erst ansehen,
Wie viel der Sünd, Laster und Schand
Durch mich waren geschehen.
Zu hand mir da verwundet hat
Das G’setz mich verdammet zum Tod,
Zur Höllen mußt ich sinken.

8
Da mich nun aber Sünd und Tod
Sammt der Höll hat umgeben,
Daraus mich erst hat Gottes Rath
Gesucht und bracht zum Leben
Durch sein G’setz er mich zogen hat,
Auf daß ich käm zu seiner Gnad,
Die ich lang hatt` verlohren.

9
Wenn mich Gott nicht verwundet hätt,
Und durch sein G’setz thun ziehen,
So hätt ich ihn zu keiner Stätt
Gesucht, sondern thun fliehen,
Ich wär blieben in aller Sünd,
Und ewiglich ein Teufels Kind
Wohl in der Höllen Grunde.

10
Darum das G’setz war zugethan,
Zu Verheissung, merk eben,
Auf daß die Sünd überhand nahm,
Thut Paulus Zeugniß geben,
Wo Sünd überhand g`nommen hat,
Da hat viel mehr Gottes Genad
Auch überhand genommen.

11
Soll`n wir dann in Sünd leben thun,
Daß Gnad überhand nehme?
Man soll mehr davon abestohn,
Das G’setz sie lehrt erkennen,
Dasselbig ist der Gegensatz
Der Sünd, die treibt zu Gottes Schatz,
Der in Christo wird geben.

12
Ich hätt` nicht g’wust was Sünd sollt seyn,
Wenns G’setz nicht hätt thun sagen,
Du solt Gott dienen heilig und rein,
Drum es mich an thät klagen,
Da ichs G’setz übertretten hat
Vernimm, also hat Gottes Rath,
Vielmehr überhand g’nommen.

13
Daß die Sünd treib in dieser Frist
Zum bußfertigen Leben.
Das g`schehen soll in Jesu Christ,
Der uns zum Heil ist geben.
Er gibt den Sündern reine Zierd,
So sie sein Creutz vor zupolirt,
Von aller Lust thut festen.

14
Wie die Sünd herrschen thut zum Tod
So man darin thut leben,
Also herrschet auch Gottes Gnad
In Jesu Christ, merk eben.
Wen er wiederum neu gebiert,
Der wird aus aller Sünd geführt,
In G’rechtigkeit zu leben.

15
Darum als mir verwundet hat
Das G’setz all mein Gemüthe,
Aus der Ursach ich schreyen that
Um Gottes Gnad und Güte,
Daß er mir helf aus aller Sünd,
Und mich aufnehm zu Gottes Kind
Um seiner Güte willen.

16
Gott der Herr aus seiner Genad
Hört in Christo mein Schreyen
Er half mir heraus von dem Tod,
Thät mir mein Sünd verzeihen,
Er nahm mich auf zu seinem Kind,
Durch ihn überwand ich die Sünd,
Da er mich thät verneuen.

17
Wie ich von Gott fiel durch die Sünd,
Und kam in seinen Zoren,
Also hat er mich zu sein`m Kind
Wiederum neu gebohren,
In seinem Sohn Herr Jesu Christ,
Derselb mein Mittler worden ist,
Daß ich nicht werd verlohren.

18
Zu dem doch niemand kommen kann,
Er thu ihn dann vorziehen,
Der Vater zeigt uns Christum an,
Darum wir nicht soll`n fliehen,
Göttliche Zucht die g`schicht allein,
Durchs G’setz dasselb hat bildet ein,
Allen Völkern gemeine.

19
Was ihr wolt daß euch die Leut thun,
Das thut auch ihn`n dargegen,
Das ist das G’setz, zeigt Christus an,
Von Gott den Menschen geben,
Daß er in ihm soll hören thun,
Das zeigt uns Guts und Böses an,
In Unterschied zu leben.

20
Du solt willfahren in der Frist
Bald deinem Widersacher
Weil du mit ihm auf dem Weg bist,
Daß er dich nicht verklage.
Vernimm das G’setz, Herr Jesu Christ,
Der zum Richter verordnet ist,
Er wird das Urtheil fällen.

21
Mit dem G’setz kommst du nicht zu Fried,
Weil du in Sünd thust leben,
Darum auf Christi Weg du tritt
Thu ihm mit Fleiß nachstreben.
Alsdann geht sein Erfüllung an,
So du von aller Sünd thust stahn,
Kommst du mit ihm zum Frieden.

22
Dann Christus sein Erfüllung ist,
Und das Gesetz, merk eben,
Wie es war zu der Alten Frist
Mit viel Figuren geben,
Dasselb in Christo höret auf,
Aller Figur in Mosisch Brauch,
Christus selbst ist das Wesen.

23
Moses und die Propheten schon
Bis auf die Zeit weissagen,
Die Schrift zeigt uns Johannes an
Allhie von diesen Tagen
Wird Gottes Reich verkündet schon,
Wohl durch das Evangelion
Bringt uns göttlichen Frieden.

24
Von der Zeit, zeigt uns Christus an
Muß Gottes Reich G’walt leiden,
Daß hinein dringet jedermann,
Mit G’walt thut er bescheiden,
Es sey leichter daß Himm`l und Erd
Vergeh, eh daß vermindert werd
Ein Titel von dem G’setze.

25
Sondern es muß erfüllet seyn,
Thut uns Christus erzählen,
Das g`schicht, so du liebest allein
Gott, von Kraft deiner Seelen,
Desgleichen auch den Nächsten dein.
Thust du das, wird erfüllet seyn
Das G’setz und die Propheten.

26
Darum sich kurz in zwey Gebot
Das G’setz in Christo fasset,
Daß man allzeit soll lieben Gott,
Den Nächsten nicht thun hassen,
Sondern ihm thun nur alles Guts,
Gleich wie du wilt daß man dir thu,
Das thu du auch dergleichen.

27
Von dem Grund Paulus g`schrieben hat,
Glaub, Lieb von reinem Herzen,
Das sey die Summ aller Gebot,
Die Christus thut aufsetzen.
Wer lebt in Gottes Lieb so rein,
Derselb thut Christi Jünger seyn,
Und die Wahrheit erkennen.

28
Die Lieb gütig und freundlich ist,
Und thut niemand beleiden,
Sie dult alles in dieser Frist
Und thut die Sünd vermeiden,
Durch sie werden erfüllt allein
Alle Gebot Gottes gemein,
Thut uns die Wahrheit sagen.

29
Also hab ich dir zeiget an
Wie soll erfüllet werden
Das G’setz und die Propheten schon,
In Christo unserm Herren,
Der hat uns zeiget diese Bahn,
Darauf man soll zum Vater gohn,
Wohl in das ewig Leben.

30
Darzu helf uns der ewig Gott,
Der alles thut regieren,
Was er in uns ang`fangen hat
Woll er aus Gnad vollführen.
Herr, das an dich ist unser Bitt,
Halt uns allzeit in deinem Fried,
Bis in die Ewigkeite.
Amen.