Ausbund

Ausbund: das ist, Etliche schöne christliche Lieder, wie sie in dem Gefängniss zu Passau in dem Schloss von den Schweizer-Brüdern und von andern rechtglaubigen Christen hin und her gedichtet worden

Allen und jeden Christen, welcher Religion sie seien, unpartheyisch sehr nützlich. Nebst einem Anhang von sechs Liedern.

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Das 105. Lied

Ein ander schön Lied.
Im Ton, wie Bruder Veiten Lied. (7)

H. 1 B.
Nun wolt ich gerne singen,
Und dazu fröhlich seyn,
So will mirs nicht gelingen
Noch gehn von Herzen mein.
Derhalben muß ichs lassen,
Den Trübsal nehmen ein,
Mein Seel mit Gedult fassen,
Bis kommt der Tröster mein.
2
Mein Harf ist mir zerbrochen,
Daß sie nicht klingen will,
Was ich fürcht, hat mich troffen,
Meins Leids ist worden viel.
Ich kann es nicht vermeiden,
Gott b`schleußt mich also viel.
Darum will ich es leiden,
Bis ich erreich das Ziel.

3
Wie thut es sich begeben,
Daß mich trift`s Gegentheil?
Wann ich in Freud will leben,
Kommt darein viel Trübsal.
Daß ich nie unzerspalten,
Allhie in dieser Zeit,
Kein Freuden=Fest kann halten,
Mir verhindert`s das Leid.

4
Ob ich schon darnach strebe,
Daß ich gern muthig wär
Kein Freud kann ich mir geben,
Sie hat allein der Herr.
Wo er sich nicht hin nahet,
Da will kein Freud nicht seyn,
Sondern nur alles Leide
Das thut man nehmen ein.

5
Will ich dann darnach ringen
Daß mir des Trostes werd
So kann ich Gott nicht zwingen,
Er ist allein ein Herr,
Er nimmt und kann auch geben,
Er hats in sein`m Gewalt,
Das alls wanns ihm ist eben,
Ob mans begehret bald.

6
Darum so will ich harren,
Warten der seinen Zeit,
Alle Ding lassen fahren,
Bis es Gott anders geit.
O Herr! gib mir Gedulte,
Allhie in dieser Zeit,
Daß ich mich nicht verschulde
In meiner Traurigkeit.

7
Mein G`müth ist mir zerschlagen,
Von Trübniß also sehr
Daß ich auch mögt verzagen,
Wo die Hoffnung nicht wär
Derselben thu ich leben,
Hab Verlangen darbey,
Und hoff, Gott werd bald geben,
Was mich von Herzen freu.

8
Was ich längst hab bekennet,
Und davon g’standen bin,
Wird mir jetzt vorgewendet,
Und kommt mir stäts in Sinn,
Will mir mein G’wissen b`schulden,
Da doch kein Sünd nicht ist,
Und nehmen Gottes Hulde,
G`schicht mir zu dieser Frist.

9
Auf mich thut so hart dringen
Anfechtung überall,
Will mir mein G’wissen bringen
Zu einem schweren Fall.
Viel G’danken mich umgeben,
B`schweren das G’wissen wohl,
Die mir Anreitzung geben,
Daß ich nur wanken soll.

10
Warum thut mich anfechten,
Das ich bereuet hab,
So ich doch bin dein Knechte,
Mein Sünd mir g`wäschen ab?
Herr! du hast mich gebohren
Aus dem Wasser und Geist
Mich zu dein`m Kind erkohren,
Daß ich kein Zweifel weiß.

11
Doch dein Wort thut mich b`scheiden,
Anfechtung sey ein Prob.
Durch viel Trübsal und Leiden
Ich g`läutert werden soll,
Daß ich werd rein erfunden,
Wie das geschieden Gold,
Wann ich zu dir wöll kommen,
So klar ich werden soll.

12
Also werd ich bescheiden,
Warum Anfechtung ist,
Dieweil ich bin im Leibe,
Allhie zu dieser Frist.
Wird sie mich nicht verlassen,
Sich regen zu der Stund,
Bis daß Gott thut verstossen
Sünd, Tod, in Höllengrund.

13
Darbey kommt auch geschlichen
Der Versucher in Engels G’stalt,
Mit vielfältigen Listen,
Beschwert das G’wissen bald,
Wie er ihm möcht einbilden
Seine verkehrte Sach,
Gar künstlich und subtile,
Daß er Verwirrung mach.

14
O Herr! bewahr mein G’wissen
Vors Teufels Listigkeit
Daß mirs nicht werd zerrissen
In dieser bösen Zeit,
Thu du mir es regieren
Nach deiner G`rechtigkeit,
Mich in dem Frieden führe,
Bis ich von hinnen scheid.

15
Derhalben solt du wachen,
Bäten zu aller Frist,
Wann sich zu dir thut machen,
Der dein Versucher ist,
Daß er dir nicht thu nehmen,
Das dir vertrauet ist.
Darum rüst dich behende,
Zum Streit dich b`reiten bist.

16
Herr! ob ich schon auch streite
Gegen Anfechtung mein,
Lieg ich bald an der Seiten,
Mein Kraft zu g’ring will seyn.
Wie ein Rohr thu ich schwanken
Aus Menschen Blödigkeit.
O Gott, laß mich nicht wanken,
Hilf du mir allezeit.

17
Darum solt also streiten
Wider Anfechtung dein,
Nicht liegen an der Seiten,
Sondern beständig seyn,
So wirst du nicht gefangen
Vons Teufels Listigkeit.
Mit Freud solt du erlangen,
Und nicht mehr haben Leid.

18
Herr! ich bin nur zu rechnen,
Wie ein Blum auf dem Feld,
Wenn man die thut abbrechen
So wird sie darnach welck;
Also muß ich auch schwinden
Allhie in dieser Welt,
So ich dein Kraft nicht finde,
Daß mir dein Creatur meldt.

19
Das kannst du, Herr, erkennen,
Daß ich nur Staube bin,
Durch mich auch nicht vollenden,
Es ist ein eitler Sinn.
Wer in sich thut vertrauen,
Der lebt in Irrthum hin,
Kann dein Hilf nicht anschauen,
Dann sie ist nicht bey ihm.

20
Weil du nun kannst ermessen
Menschliche Blödigkeit,
So thu mein nicht vergessen,
Mach mich geschickt zum Streit,
Dein Kraft laß in mir siegen,
Weil mich Anstoß umgeit,
Daß ich mög oben liegen
Anfechtung alle Zeit.

21
O Herr! thu mich umgeben
Mit Kraft, wie den Simson,
Daß ich mög widerstreben
Der Macht des Goliaton,
Wenn er sich thut erheben
In seiner Tyranney,
Daß er mich nicht bewege,
Herr Gott! steh du mir bey.

22
Darum solt mir vertrauen,
Ich will dich nicht verlahn,
Auf mich solt du fest bauen,
Ich will dir Beystand thun,
Daß du mögst überwinden,
Jetzt und zu aller Frist
Mein Kraft solt du empfinden,
Wenns dir vonnöthen ist.

23
Herr! du thust mir verdecken
Dein süsse Mildigkeit,
Ein Zeit läßt mich sie schmecken,
Die ander hab ich Leid,
Daß ich auch mögt verzagen,
So ich dein Kraft nicht find.
Das thu ich dir Herr klagen,
Neig dich zu deinem Kind.

24
Ob es sich läßt ansehen,
Als wär ich fern von dir
Thut dir darum geschehen,
Daß du schreyest zu mir
Um Hülf und um mein Stärke,
Ohn welche du nichts bist,
Dabey solt du auch merken,
Die Ehr allein mein ist.

25
So laß mir wieder fliessen
Dein gnadenreiche Kraft,
Wenn ich schmecke dein Güte,
Werd ich des Trübsals loß,
O Herr! thu mich umringen
Mit deiner Himmelsspeiß,
Daß ich in Freuden springe,
Dir geb Lob, Ehr und Preiß.

26
Dann, Herr, ich bin umfangen
Mit ein`m brechlichen Leib,
Hie kann ich nicht erlangen,
Daß dein Freud ewig bleib.
Ob ichs schon thu empfahen
Allhie in dieser Zeit,
Wenn sich Trübniß thut nahen,
Zuhand mirs wieder scheidt.

27
Darum thu du mich führen
Aus aller Blödigkeit,
Laß mich vollkömmlich b`rühren
Dein unaufhörlich Freud.
Herr! laß mich schier genesen,
Nach deinen Worten schon,
Thu das Sterblich verweisen,
Ein hell Kleid leg mir an.

28
Nun thu ich dir auch sagen,
In Christo meinem Sohn,
Wann du die Freud wilt haben,
Und mit ihm auferstohn,
Mußt du vor mit ihm sterben
Im Leiden werden gleich,
So wirst du mit ihm erben
Mein Freud und ewig Reich.

29
Er ist der Weg zum Leben,
Die Wahrheit und die Thür,
Wer anders ein will streben,
Der lauft darneben für
Soll nicht erben mein Reiche,
Weil er ein Mörder ist,
Sondern den feurig`n Teiche
Haben zu aller Frist.

30
Laß mich von dir nicht wenden,
Allzeit spat unde früh,
Daß ich verharr ans Ende,
Und dich bekenne hie
Mit Herzen und mit Munde,
Daß ich dir sey ein Lob
Steif halte deinen Bunde,
Herr Gott! sieg in mir ob.

31
Darum thu ich dich bitten
In Christo deinem Sohn,
Als aus kindlichen Sitten,
Wollst mir gewähren thun.
Herr Gott! erhör mein Klagen,
Daß ich nicht werd zu Spott,
Und thut mir nicht versagen,
Rett mich aus aller Noth.

32
Doch wirst du mir wohl geben,
Wenns dir gefallen thut,
Hilf mir in Dultmuth leben
Nach deinem Willen gut
Derselbig soll geschehen,
Jetzt und zu aller Frist,
Ist meines Herzens verjehen,
Die Ehr allein dein ist.

33
Gelobt seyst du, o Herre,
Um alle Gütigkeit,
Die du mir hast lohn werden
Allhie in dieser Zeit,
Es sey Freud oder Schmerzen,
Das alles dein Gab ist,
Deß dank ich dir von Herzen,
Daß du mir Würde gibst.
Amen.